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Fortbestand eines (Kleingarten-)Pachtverhältnisses

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: III ZB 53/08

Beschluss vom 11.12.2008


In dem Rechtsstreit hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs am 11. Dezember 2008 beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 62 des Landgerichts Berlin in Berlin vom 9. Juni 2008 – 62 S 75/08 – aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 200,24 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über den Fortbestand eines (Kleingarten-)Pachtverhältnisses. Durch Unterpachtvertrag vom 13. November 1995 verpachtete der klagende Bezirksverband der Kleingärtner an die Beklagten eine Parzelle zur kleingärtnerischen Nutzung. Die Beklagten haben jährlich neben dem Pachtzins von 162,48 € für öffentlich-rechtliche Lasten, die sie nach dem Pachtvertrag zu tragen haben, weitere 37,76 € zu zahlen.

Mit Schreiben vom 2. April 2007 kündigte der Kläger das Pachtverhältnis fristlos mit der Begründung, die Beklagten hätten gegen das in dem Pachtvertrag bestimmte Verbot, den Kleingarten dauerhaft zu bewohnen, verstoßen.

Das Amtsgericht hat der vom Kläger erhobenen Räumungsklage stattgegeben. Die hiergegen von den Beklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes nur 568,68 € betrage und damit 600 € nicht übersteige. Die Beschwer der Beklagten bemesse sich gemäß §§ 8, 9 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Jahresentgelt. Dieses bestehe nur aus dem von den Beklagten zu zahlenden Pachtzins und umfasse nicht die von ihnen zusätzlich zu tragenden öffentlich-rechtlichen Lasten.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1.

Sie ist zulässig, insbesondere nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Die Rechtssache hat gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO grundsätzliche Bedeutung.

2.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Unrecht als unzulässig verworfen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes 700,84 € und übersteigt damit die in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO festgelegte Wertgrenze von 600 €.

a) Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht den Wert des Beschwerdegegenstandes nach § 8 ZPO bestimmt, der auch auf Räumungsklagen nach vorausgegangener Kündigung eines Kleingartenpachtverhältnisses anwendbar ist (Senatsurteil vom 17. März 2005 – III ZR 342/04 – NJW-RR 2005, 867, 868 unter 1. m.w.N.; Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2007 – III ZB 47/07 – NZM 2008, 461, 462 Rn. 6). Nach dieser Vorschrift ist bei einem Streit über das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25-fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend. Die „streitige Zeit“ im Sinne dieser Vorschrift beginnt mit der Klageerhebung, wenn – wie hier – die Räumungsklage zu einem Zeitpunkt erhoben wird, zu dem die Kündigung nach der Behauptung der klagenden Partei bereits wirksam geworden ist (Senatsurteil vom 17. März 2005 aaO unter 1. a; Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2007 aaO; jeweils m.w.N.). Das Ende der streitigen Zeit wird bei Verträgen von unbestimmter Dauer nach dem Zeitpunkt bestimmt, auf den diejenige Partei hätte kündigen können, die die längere Bestehenszeit behauptet (Senatsurteil vom 17. März 2005 aaO unter 1. b bb; Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2007 aaO Rn. 7; jeweils m.w.N.). Hat sich der Nutzungsberechtigte – wie hier die Beklagten – nicht auf einen konkreten Beendigungszeitpunkt berufen, so ist in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO auf einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren abzustellen (Senatsurteil vom 17. März 2005 aaO S. 869 unter 2. b; Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2007 aaO Rn. 7; jeweils m.w.N.).

b) In die demnach zugrunde zu legende Jahrespacht hat das Berufungsgericht unzutreffend nicht die von den Beklagten übernommenen öffentlich-rechtlichen Lasten einbezogen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter dem nach § 8 ZPO für die Bemessung des Streitwerts maßgeblichen Entgelt nicht nur der eigentliche Miet- oder Pachtzins zu verstehen. Vielmehr gehören dazu nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 1955 auch vertragliche verbrauchsunabhängige Gegenleistungen anderer Art, wie etwa die Übernahme von öffentlichen Abgaben und sonstigen Lasten mit Ausnahme solcher Leistungen, insbesondere nebensächlicher Art, die im Verkehr nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen werden (BGHZ 18, 168, 172 f; Senatsbeschluss vom 27. Februar 1992 – III ZR 142/91 – BGHR ZPO § 8 Jagdpacht 1; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Stichwort „Mietstreitigkeiten“, Rn. 3488 f m.w.N.; Roth in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 8 Rn. 13 m.w.N.). Bereits im Zeitpunkt der vorgenannten Grundsatzentscheidung hatten die öffentlichen Abgaben und sonstigen Lasten ebenso wie vom Mieter oder Pächter übernommene Unterhaltungs- und Instandsetzungskosten in den meisten Fällen eine solche Erhöhung erfahren, dass sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise kaum noch als Nebenleistungen angesehen werden konnten und als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung gewertet werden mussten (BGHZ aaO S. 171). Diese Grundsätze beanspruchen auch heute noch Geltung. So machen die von den Beklagten zu tragenden öffentlich-rechtlichen Lasten in Höhe von jährlich 37,76 € einen wesentlichen Anteil des von ihnen jährlich insgesamt zu zahlenden Betrages von 200,24 € aus. Ausgehend von diesem Gesamtbetrag ergibt sich ein Wert des Beschwerdegegenstandes von 700,84 € (200,24 € x 3,5).

bb) Gegen die Berücksichtigung der öffentlich-rechtlichen Lasten bei der Bemessung des Rechtsmittelwertes spricht nicht die durch das Kostenrechtsmodernierungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) eingeführte und seit dem 1. Juli 2004 für den Gebührenstreitwert geltende Bestimmung des § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG. Danach umfasst das auf die streitige Zeit entfallende Entgelt, das gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 GKG maßgeblich ist, neben dem Nettogrundentgelt die Nebenkosten dann, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob diese Definition des Entgelts für die Bestimmung des Rechtsmittelstreitwerts nach § 8 ZPO übernommen werden kann (in diesem Sinne: Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 8 ZPO Rn. 6). Jedenfalls schließt sie eine Berücksichtigung öffentlich-rechtlicher Lasten nicht aus. Die Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG dient einer einfachen und klaren Berechnung des Streitwerts von Streitigkeiten über das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses und vermeidet Unwägbarkeiten, die mit einer Einbeziehung verbrauchsabhängiger Nebenkosten verbunden wären. Da diese zunächst im Wege einer Vorauszahlung zu leisten und erst am Ende des Abrechnungszeitraums, oft geraume Zeit nach Verfahrensbeginn gesondert abzurechnen sind, kann ihr Wert in dem gemäß § 41 GKG maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung nicht genau bestimmt werden. Derartige Berechnungsschwierigkeiten bestehen indes nicht bei vertraglich vereinbarten, zusätzlichen Zahlungen des Mieters oder Pächters, die – wie die von den Beklagten übernommenen öffentlich-rechtlichen Lasten – einen feststehenden Betrag betreffen. Solche Leistungen des Mieters oder Pächter können auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung gewertet werden. Durch die Vorschrift des § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG sollte klargestellt werden, dass Zahlungen für Nebenkosten, die dem Vermieter, Verpächter oder Überlasser zufließen, nur dann als Entgelt anzusehen sind, wenn er sie ebenso wie das Grundentgelt erkennbar als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung erhält. Die Vereinbarung einer Pauschale ohne Verpflichtung, darüber eine gesonderte Abrechnung zu erstellen, weist deutlich auf den Entgeltcharakter dieser Nebenkosten hin (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Drs. 15/1971 S. 154). Dies gilt ebenso für die Verpflichtung des Mieters oder Pächters, neben dem Nettogrundentgelt weitere beträchtliche und nicht gesondert abzurechnende Gegenleistungen – wie hier die Übernahme öffentlich-rechtlicher Lasten – zu erbringen.

cc) Der Einstufung der von den Beklagten übernommenen öffentlich-rechtlichen Lasten als vertragliche Gegenleistungen anderer Art im Sinne der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht auch nicht entgegen, dass durch das Gesetz zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes vom 8. April 1994 (BGBl. I S. 766) in § 5 Abs. 5 BKleingG dem Verpächter ein Anspruch auf Erstattung öffentlich-rechtlicher Lasten eingeräumt worden ist, der kraft Gesetzes besteht und keine – hier im Übrigen gegebene – Grundlage im Vertrag benötigt (vgl. Senatsbeschluss vom 18. April 2000 – III ZR 194/99 – NJW-RR 2000, 1405, 1406 unter 2. m.w.N.).

(1) In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, welche rechtlichen Folgen sich daraus ergeben, dass nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer am Stichtag 3. Oktober 1990 auf 85 % der Parzellen der streitgegenständlichen Anlage mit allen Versorgungseinrichtungen versehene und im Übrigen nach den Maßstäben des Rechts der DDR die bautechnischen Anforderungen für eine Wohnnutzung erfüllende Gebäude vorhanden waren.

(2) Jedenfalls ändert die Einfügung des § 5 Abs. 5 BKleingG n.F. nichts am Charakter der vom Pächter übernommenen öffentlich-rechtlichen Lasten als vertragliches Entgelt. Diese Vorschrift wurde in das Bundeskleingartengesetz eingefügt, nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 23. September 1992 (BVerfGE 87, 114, 146 ff) die Regelung des Höchstpachtzinses für Kleingärten in § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. in Bezug auf private Verpächter für unvereinbar mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erklärt hatte. Bei seiner Abwägung berücksichtigte das Bundesverfassungsgericht auch eine besondere Beschwer der Eigentümer, die sich durch die Pachtzinsregelung darüber hinaus ergeben könne, wenn hohe öffentliche Lasten anfielen. In solchen Fällen könne die Pachtzinsbegrenzung dazu führen, dass der Eigentümer sogar erhebliche Verluste hinnehmen müsse, die er nach der gesetzlichen Lage nicht in angemessener Weise auf die Pächter abwälzen dürfe (aaO S. 148 ff). Daher forderte das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber auf, sicherzustellen, dass auch öffentliche Lasten auf die Pächter in angemessener Weise abgewälzt werden können (aaO S. 150). Die Regelung des § 5 Abs. 5 BKleingG n.F. gewährleistet, dass der Verpächter auch ohne vertragliche Grundlage von dem Pächter Erstattung öffentlich-rechtlicher Lasten neben dem Pachtzins im Sinne des § 5 Abs. 1 BKleingG verlangen kann. Die Erstattungspflicht tritt neben die Verpflichtung zur Pachtzinszahlung (Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes, BT-Drs. 12/6154 S. 9). Dies bedeutet jedoch nicht, dass als Entgelt für die Überlassung von Grund und Boden zur kleingärtnerischen Nutzung nur der eigentliche Pachtzins angesehen werden kann, zumal die Kostenüberwälzungsregelung zusätzlich die Rendite des Verpächters verbessern soll (BT-Drs. aaO). Vielmehr sind die Nebenleistungen, wie die auf dem Kleingartengrundstück ruhenden öffentlich-rechtlichen Lasten, unter den genannten Voraussetzungen bei der Streitwertbemessung dem Entgelt für die Gebrauchsüberlassung zuzurechnen.

3.

Nach alledem kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht wird nunmehr in der Sache über die Berufung der Beklagten zu entscheiden haben

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