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Kleingartengrundstück – Räumung und Herausgabe nach Kündigung

AG Hannover – Az.: 548 C 2891/21 – Urteil vom 15.10.2021

1. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, das in der Sch. Landstraße …, 3… Hannover gelegene Kleingartengrundstück Nr. … – sofort zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

2. Der Beklagte zu 2. wird verurteilt, das in der Sch. Landstraße …, 3… Hannover gelegene Kleingartengrundstück Nr. … – sofort zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

3. Der Beklagte zu 3. wird verurteilt, das in der Sch. Landstraße …, 3… Hannover gelegene Kleingartengrundstück Nr. … – sofort zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

4. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von jeweils 5000 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Räumung und Herausgabe von Kleingartengrundstücken, die mit Häusern bebaut sind, nach der Kündigung von Pachtverträgen.

Die Klägerin erwarb in ihrer Eigenschaft als Stadtverwaltung das Gelände der Kleingartenfläche „Sch. Landstraße …“ mit Kaufvertrag vom 1.12.1961 von der Ev. luth. Kirchengemeinde H.. In dem schriftlichen Vertrag war die Fläche als „unbebaut“ bezeichnet. Auf den genannten Kaufvertrag gemäß der Anlage K7 wird Bezug genommen. Der Klägerin war bei dem Kauf bekannt, dass einzelne Flächen als Kleingartenland verpachtet waren. Die Klägerin verwaltete und verpachtete diese Flächen weiter als Kleingärten gegen Pachtzins.

In den Stadtkarten der Jahre 1938, 1941 und 1952 waren keine Gebäude auf der Kleingartenfläche eingetragen. Der geltende Bebauungsplan Nr. 681 vom 13.05.1974 weist die Fläche für Gewerbe und Straßenverkehr aus.

Die Klägerin verpachtete die Kleingartenfläche „Sch. Landstraße …“, auf dem sich die streitgegenständlichen drei Kleingartengrundstücke befinden, durch Generalpachtvertrag vom 12.01.1995, geändert durch Vertrag vom 25.04.1998, an den Bezirksverband Hannover der Kleingärtner e.V.. Auf den Generalpachtvertrag gemäß der Anlage K1 zur Klageschrift gegen die Beklagte zu 1. wird insgesamt Bezug genommen. Der Bezirksverband Hannover der Kleingärtner e.V. vertreten durch den Kleingartenverein F. e.V. verpachtete die streitgegenständlichen Grundstücke an die Beklagten. Im Kleingartenpachtvertrag mit der Beklagten zu 1. vom 18.04.2014 heißt es unter 2.: 2.1 Der Pächter darf den Garten ausschließlich kleingärtnerisch nutzen… 2.3 Baulichkeiten, Bauteile, Versorgungsanlagen usw., die entgegen geltender Vorschriften errichtet wurden, sind unstatthaft und auf Verlangen des Verpächters oder Vereins unverzüglich zu beseitigen…. 2. 4 Nutzungen zu Wohnzwecken sind nicht gestattet.“ Auf den Kleingartenpachtvertrag vom 18.04.2014 gemäß der Anlage K2 zur Klageschrift gegen die Beklagte zu 1. wird Bezug genommen.

Die Beklagte zu 1. schloss am 05.04.2014 einen Vertrag mit der ehemaligen Nutzerin der Kleingartenparzelle mit der Bezeichnung „Sch. Landstraße …p“ Frau …, in dem sich die Beklagte zu 1. verpflichtete, 15.500 € an ihre Vertragspartnerin zu zahlen gegen Übergabe der auf der Bodenfläche befindlichen Baulichkeiten, Anlagen und Anpflanzungen. Auf diesen als Kaufvertrag bezeichneten Vertrag gemäß der Anlage B4 der Beklagten zu 1. wird vollumfänglich verwiesen. Die betroffene Kleingartenparzelle ist mit einem älteren Gebäude zu ca. 100 m² Nutzfläche bebaut. Der Wiederaufbau eines Gebäudes unter der Bezeichnung „Wiederaufbau der massiven Gartenlaube für Herrn …“ wurde von Herrn … in der Nachkriegszeit, konkret im September 1945 beantragt und schließlich durchgeführt. Das Gebäude gemäß den Zeichnungen der Anlage B2 der Beklagten zu 1., auf die vollinhaltlich verwiesen wird, blieb über Jahrzehnte im Besitz der Familie …, bis es von der Beklagten zu 1. übernommen wurde.

Die Verkäuferin des Hauses Frau … und deren Rechtsvorgänger und Ehemann … hatten einen Einheitswertbescheid vom 04.05.1966 bezüglich eines „Einfamilienhauses (auf fremden Grund und Boden)“ mit der Anschrift Sch. Landstraße …vom Finanzamt Hannover-Mitte erhalten. Der Sohn … erhielt von der Klägerin, konkret dem Steueramt der Landeshauptstadt, am 19.01.1966 die Aufforderung, sich als Erbe wegen der Grundbesitzabgabe für das Grundstück Sch. Landstraße …P an das Finanzamt Hannover-Süd zu wenden. Auf die Anlagen B8 und B9 der Beklagten zu 1. wird verwiesen.

Die Beklagte zu 1. erhielt vom Finanzamt einen Grunderwerbssteuerbescheid vom 31.08.2014 hinsichtlich eines Gebäudes auf fremden Boden, wozu auf die Anlage B5 der Beklagten zu 1. verwiesen wird. Mit Datum vom 22.04.2014 erhielt die Beklagte zu 1. von der Klägerin einen Bescheid über Grundsteuer und Benutzungsgebühren, und am 11.01.2014, 10.1.2017 einen Änderungsbescheid dazu. Alle Bescheide beziehen sich auf das Grundstück Sch. Landstraße …p. Auf das Anlagenkonvolut B7 der Beklagten zu 1. wird Bezug genommen.

Der Beklagte zu 2. pachtete ein Grundstück mit Kleingartenpachtvertrag vom 06.02.1999, fortgesetzt mit Kleingartenpachtvertrag vom 25.09.2010. Insoweit wird auf den Vertrag gemäß der Anlage B1 zur Klageerwiderung gegen den Beklagten zu 2. Bezug genommen. Der Vertragstext weist auch die aus dem Kleingartenvertrag der Beklagten zu 1. zitierten Passagen auf, jedoch bei anderer Untergliederung des Abschnittes 2. Das streitgegenständliche Grundstück ist mit einem Haus zu einer Nutzfläche von ca. 140 m² bebaut. Der Beklagte zu 2. hatte zuvor im Januar 1999 das Haus von der Vornutzerin Frau … zum Preis von 30.000 DM ohne schriftlichen Vertrag erworben. Der Beklagte zu 2. wurde mit Grunderwerbssteuerbescheid vom 11.01.2000 zur Zahlung aufgefordert. Auf den Bescheid gemäß der Anlage B5 zur Klageerwiderung des Beklagten zu 2. wird verwiesen. Der Beklagte zu 2. erhielt Grundsteuerbescheide der Klägerin für das Grundstück Sch. Landstraße …c. Auf das Anlagenkonvolut B8 des Beklagten zu 2. wird hierzu verwiesen.

Der Beklagte zu 3. pachtete mit Kleingartenpachtvertrag vom 20.12.2008 die Parzelle 154/3. Er hatte zuvor für das auf dem Grundstück befindliche Haus, postalisch unter Sch. Landstraße …b geführt, mit einer Nutzfläche von etwa 100m² an die Vornutzerin 1.500 € bezahlt. Der Beklagte zu 3. erhielt einen Grunderwerbssteuerbescheid vom 26.01.2016. Insoweit wird auf die Anlage B1 zur Klageerwiderung des Beklagten zu 3. Bezug genommen.

Die Klägerin kündigte den Generalpachtvertrag gegenüber dem Bezirksverband der Kleingärtner e.V. mit Schreiben vom 02.09.2019, jeweils Anlage K3. Der Bezirksverband der Kleingärtner e.V. kündigte die Kleingartenpachtverträge mit den Beklagten daraufhin jeweils mit Schreiben vom 19.12.2019 mit Wirkung zum 30.11.2020, jeweils Anlage K4. Die Beklagten kamen trotz wiederholter Aufforderung der Rückgabe der Grundstücke nicht nach.

Die Klägerin meint, dass nach der Kündigung der Kleingartenpachtverträge ein Räumungs- und Herausgabeanspruch gegen die Beklagten jeweils bestehe.

Das Gericht hat die ursprünglichen Verfahren 548 C 2891/21, 549 C 2892/21 und 551 C 2893/21 mit Beschluss vom 07.07.2021 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden, wobei das älteste Verfahren aus der Abteilung 548 führt. Die Klägerin hat dem Streitverkündeten in allen drei Verfahren den Streit verkündet, der Nebenintervenient ist auf Seiten der Klägerin beigetreten.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, das in der Sch. Landstraße …, 3… Hannover gelegene Kleingartengrundstück Nr. … – sofort zu räumen und an sie herauszugeben;

2. den Beklagten zu 2. zu verurteilen, das in der Sch. Landstraße …, 3… Hannover gelegene Kleingartengrundstück Nr. … – sofort zu räumen und an sie herauszugeben;

3. den Beklagten zu 3. zu verurteilen, das in der Sch. Landstraße …, 3… Hannover gelegene Kleingartengrundstück Nr. … – sofort zu räumen und an sie herauszugeben.

Der Nebenintervenient hat sich den Anträgen der Klägerin angeschlossen und beantragt, die Kosten der Nebenintervention den Beklagten aufzuerlegen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen und die Kosten der Nebenintervention der Klägerin aufzuerlegen.

Die Beklagten meinen, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit verklagt worden sei. Die Beklagten behaupten, in den Häusern auf den Kleingartenflächen seit dem Erwerb gewohnt zu haben und noch zu wohnen, was von der Klägerin mit Nichtwissen bestritten wird. Sie meinen, dass faktische Mietverhältnisse über Einfamilienhäuser mit der Klägerin entstanden seien. Jedenfalls habe die Klägerin die Wohnnutzung geduldet.

Entscheidungsgründe

Kleingartengrundstück - Räumung und Herausgabe nach Kündigung
(Symbolfoto: Von Bastian Foest/Shutterstock.com)

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten jeweils ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Grundstücke aus § 985 BGB zu.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ist dabei nicht mit verklagt. Die Klageschriften, in denen die Klägerin die Beklagten, „vertreten durch Rechtsanwalt …“ verklagt, werden so ausgelegt, dass eine Prozessvertretung im Sinne von § 78 ZPO gemeint ist. Der Prozessbevollmächtigte nutzt schließlich keines der streitgegenständlichen Grundstücke oder Häuser.

Der Herausgabeanspruch gegen die drei tatsächlich beklagten Personen besteht gemäß § 985 BGB, weil die Klägerin unstreitig Eigentümerin der streitgegenständlichen Grundstücke ist, sich die Grundstücke jeweils im Besitz der Beklagten befinden und den Beklagten kein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 BGB zusteht.

Die Eigentümerstellung der Klägerin an den Grundstücken wird auch von den Beklagten nicht in Abrede genommen. So betrifft der schriftliche Kaufvertrag der Beklagten zu 1. allein die „auf der Bodenfläche befindlichen Baulichkeiten, Anlagen und Anpflanzungen“, in dem Fall des Beklagten zu 2. ist gegenüber dem Finanzamt die Rede von einem Gartenwechsel und der Beklagte zu 3. formuliert in seiner Klageerwiderung nur den Erwerb des Hauses zum Preis von 1.500 €.

Die Beklagten sind den Aufforderungen der Klägerin zur Räumung und Herausgabe der Gartenparzellen bislang nicht gefolgt und so im Besitz der Kleingartengrundstücke.

Den Beklagten stehen weder eigene noch abgeleitete Besitzrechte im Sinne von § 986 BGB zu. Ein eigenes Besitzrecht der Beklagten gemäß § 986 Abs. 1 S. 1 1. Alternative BGB ist nicht ersichtlich. Insbesondere besteht zwischen den Beklagten und der Klägerin kein Mietvertrag im Sinne von § 535 BGB, aus dem ein Nutzungsrecht und damit ein Recht zum Besitz der Beklagten bestehen könnte. Die Beklagten schlossen keinen Mietvertrag mit der Klägerin sondern ausdrücklich jeweils Kleingartenpachtverträge mit dem Bezirksverband Hannover der Kleingärtner e.V., vertreten durch den Kleingartenverein F. e.V. Eine direkte vertragliche Beziehung ist zwischen den Beklagten und der Klägerin nicht entstanden. Vertragspartnerin der Klägerin war allein der Bezirksverband Hannover der Kleingärtner e.V. aus dem ursprünglichen und nunmehr gekündigten Generalpachtvertrag. Die Kleingartenpachtverträge der Beklagten bestanden schon nach dem Wortlaut nicht als Mietverträge und nicht mit der Klägerin. Eine mögliche Duldung einer Wohnnutzung macht allein keinen Vertragsschluss mit Rechtsbindungswillen seitens der Klägerin aus.

Auch sind seitens der Beklagten keine Mietverträge hinsichtlich einer Wohnnutzung zwischen der Klägerin und den Rechtsvorgängern der Beklagten behauptet worden, wodurch der Eintritt der Beklagten in einen bereits bestehenden Mietvertrag nach § 566 BGB ausscheidet. Die Beklagten haben keinen Mietvertrag von Mitgliedern der Familie … oder der yyy oder der Vornutzerin des Beklagten zu 3. in den Prozess eingebracht. Unstreitig waren vielmehr auch die Rechtsvorgänger Pächter der Kleingärten.

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Den Beklagten steht kein Recht zum Besitz gemäß § 986 Abs. 1 S. 1 2. Alternative BGB abgeleitet aus den jeweiligen Kleingartenpachtverträgen mit dem Bezirksverband Hannover der Kleingärtner e.V., vertreten durch den Kleingartenverein F. e.V. gegenüber der Klägerin zu. Denn die Weiternutzung der Kleingartenflächen mit den darauf befindlichen Häusern in der Zukunft scheitert bereits daran, dass die Klägerin den Generalpachtvertrag mit dem Bezirksverband Hannover der Kleingärtner e.V. wirksam am 02.09.2019 gekündigt hat. Dem Bezirksverband und damit auch dem Kleingartenverein F. selbst stehen keine Rechte mehr an den Kleingartenparzellen zu. In der Folge können auch keine Rechte mehr abgeleitet werden. Auf mögliche Zusagen der Mitglieder des Kleingartenvereins bzw. des Bezirksverbands aus der Vergangenheit kommt es deswegen nicht an.

Die Kündigung des Generalpachtvertrags seitens der Klägerin vom 02.09.2019 war wirksam, insbesondere basierte sie auf einem Kündigungsgrund im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 5 Bundeskleingartengesetz (BKleingG). Danach kann der Verpächter einen Kleingartenpachtvertrag kündigen, wenn die als Kleingarten genutzte Grundstücksfläche alsbald der im Bebauungsplan festgesetzten anderen Nutzung zugeführt oder alsbald für die Nutzung vorbereitet werden soll. Im Bebauungsplan Nr. 681 ist die gesamte Fläche Sch. Landstraße …für Gewerbe bzw. Straßenverkehr ausgewiesen. Die Kündigung gegenüber dem Bezirksverband gemäß den Anlagen K4 weist genau die Begründung auf, dass die Fläche der Kleingartenanlage Sch. Landstraße …alsbald für die im B-Plan festgesetzte Nutzung vorbereitet werden soll. § 9 BKleingG war für die Kündigung auch anwendbar, weil die drei streitgegenständlichen Grundstücke zu einer Kleingartenanlage gehören und im Sinne von § 1 BKleingG als Kleingärten anzusehen sind. Die Beklagten haben ausweislich ihrer nunmehr gekündigten Kleingartenpachtverträge mit dem Bezirksverband, vertreten durch den Kleingartenverein F. e.V., nach dem Vertragstext die Grundstücke zur kleingärtnerischen Nutzung und ausdrücklich nicht zu Wohnzwecken gepachtet. Die zitierten Passagen finden sich unter der Ziff. 2 der schriftlichen Kleingartenpachtverträge.

Die Geltendmachung des Räumungs- und Herausgabeanspruchs durch die Klägerin verstößt nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB. Insbesondere ist der Klägerin keine unzulässige Rechtsausübung bei der Geltendmachung des Anspruchs vorzuwerfen. Der Klägerin kann ihr widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) nicht entgegengehalten werden. Die widersprüchliche Rechtsausübung ist nach anerkannten Grundsätzen nur unzulässig, wenn das Verhalten des Berechtigten einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand begründet und der andere Teil im Hinblick hierauf Dispositionen getroffen hat, vgl. BGH 8. Zivilsenat, Urt. v. 15.12.2020 zu Az. VIII ZR 304/19, BGH 3. Zivilsenat, Urt. v. 17.2.1005, Az. III ZR 172,/04, juris; Palandt-Grüneberg, BGB, 80. Auflage, § 242 Rn. 56. Zwar haben die Beklagten in die Häuser auf ihren gepachteten Kleingartengrundstücken erheblich viel Geld investiert, jedoch gab es dafür nicht den erforderlichen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass sie die Häuser unbegrenzt weiter nutzen dürften. Allein aus Bescheiden der Klägerin über Grundsteuer und Benutzungsgebühren und Meldungen der Adressen sowie der Häuser an das Finanzamt und das jahrelange Ignorieren, dass Häuser in Kleingärten bewohnt wurden, lässt sich kein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand konstruieren, der einen Herausgabeanspruch von Grundstücken aus dem Eigentum der Klägerin dauerhaft unterbinden kann. Selbst wenn die Grundsteuer nicht auf der Grundlage von § Abs. 5 BKleingG als Umlage öffentlich-rechtlicher Lasten auf die Pächter verstanden werden könnte, wären die Steuerbescheide und andere Schriftstücke der Klägerin, die eine Eigentümerstellung der Beklagten an den Kleingartengrundstücken suggerierten, zusammengenommen mit einer möglichen Duldung des Wohnens im Kleingarten, kein Grund, das Herausgabeverlangen der Klägerin als rechtlich unzulässig anzusehen. Denn es käme einer Enteignung der Klägerin gleich, wenn sie dauerhaft daran gehindert wäre, ihren Herausgabeanspruch als Eigentümerin geltend zu machen. Das Eigentumsrecht der Klägerin an dem Grundstück ist aber rechtlich stärker zu schützen als das entstandene Vertrauen der Beklagten in die fortwährende Nutzungsmöglichkeit der Häuser auf dem städtischen Grund. Denn der Schutz des Eigentums an Grundstücken ist in der Rechtsordnung besonders stark angelegt. Die Zielsetzung eines starken Grundstückseigentumsschutzes wird besonders deutlich in der Regelung des § 902 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach Ansprüche aus eingetragenen Rechten – wie im Grundbuch eingetragenes Eigentum – nicht verjähren können. Im Zweifel geht das Grundstückseigentumsrecht vor. Es kann nach Billigkeitserwägungen wie jenen aus § 242 BGB nur in extremen Einzelfällen eingeschränkt werden. Ein solcher extremer Einzelfall ist in dem Verhalten der Klägerin nicht zu erkennen. Vielmehr kommt lediglich in Betracht, dass sich die Klägerin in der Vergangenheit teilweise rechtswidrig verhielt, indem sie Wohnanschriften der Beklagten auf dem Kleingartengrund duldete und verwendete, obwohl das Wohnen dort rechtlich nicht erlaubt war. (Das Wohnen war bereits in den Kleingartenpachtverträgen ausgeschlossen und auch nicht nach dem geltenden Bebauungsplan zulässig.) Das mögliche rechtswidrige Verhalten ist jedoch nicht als schwerwiegend zu betrachten, weil es keine Bindung der Klägerin als Verwaltungsbehörde umfasst, auch in Zukunft weiter rechtswidrig zu handeln. Außerdem wäre es vielmehr geboten, dass sich die Beklagten als Adressaten möglicherweise rechtswidriger Maßnahmen der Verwaltungsbehörde ihrerseits aktiv zur Wehr zu setzen. Schließlich ist ein gewisser rechtlicher Schutz der Beklagten durch die Entschädigungsregelung des § 11 BKleingG zu beachten, der die Wirkungen des Anspruchs aus dem Eigentum der Klägerin nach § 985 BGB jedenfalls ansatzweise abmildert.

Mit Blick auf die Beklagte zu 1. steht dem Anspruch der Klägerin gegen sie aus § 985 BGB auch nicht der Bestandsschutz der erteilten Baugenehmigung für das Haus auf dem streitgegenständlichen Grundstück: die Zulassung des „Wiederaufbaus der massiven Gartenlaube für Herrn …“ entgegen. Einerseits wurde damals im Jahr 1945 kein Bau eines Einfamilienhauses genehmigt. Andererseits berechtigt der auf Art. 14 Abs. 1 GG basierende Bestandsschutz von Gebäuden nur den Eigentümer des Grundstücks, nicht den Pächter.

Dem Anspruch der Klägerin aus § 985 BGB steht auch kein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten aus § 1000 BGB entgegen. Ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund von Verwendungen der Beklagten auf die Häuser als Wohnhäuser scheidet aus, weil die Wohnnutzung von Beginn der Nutzung an rechtswidrig war. Wie bereits ausgeführt, war die Wohnnutzung bereits in den Kleingartenpachtverträgen untersagt. Weiter war die Wohnnutzung auch im geltenden Bebauungsplan nicht vorgesehen. Hinsichtlich der Verwendungen seitens der Beklagten auf eine Gartenlaube hat die Klägerin sogar in der mündlichen Verhandlung vom 26.09.2021 eine Entschädigung von jeweils mindestens 5000 € für alle Beklagten angeboten, die den Vorgaben des § 11 BKleingG entsprechen sollte. In der Vergangenheit sind unstreitig mehrere solche Angebote unterbreitet worden, was der neuerlichen Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts entgegensteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S.1, 100 Abs. 1 und 101 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO. Die Sicherheitsleistung bemisst sich an dem Wert der zu räumenden Objekte, § 6 ZPO, der sich nach richterlicher Schätzung aus den gezahlten Kaufpreisen für die Objekte ermittelt.

 

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