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Kletterunfall an Kletterfelsen – Haftung eines Kletterers bei einem Sturz auf den Sichernden

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 12 U 82/09 – Urteil vom 17.03.2011

Die Berufung des Beklagten gegen das am 11. März 2009 verkündete Grundurteil der 3. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Cottbus, Az.: 3 O 234/07, wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht im Wege der Teilklage u.a. Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem Kletterunfall geltend, der sich am 2. April 2005 am Kletterfelsen in der … Straße in G… ereignet hat.

Der Beklagte kletterte an diesem Tage gegen 16:30 Uhr über die Route Nr. 5 „H…“ und wurde dabei durch den Kläger mittels des statischen Sicherungsgerätes GRIGRI gesichert. In Höhe der achten Zwischensicherung stürzte der Beklagte bei dem Versuch, das Seil in die achte Zwischensicherung einzuklinken, ab und fiel bis kurz über dem Erdboden. Infolge des Sturzes wurde der Kläger hochgezogen und gegen den herabstürzenden Beklagten geschleudert, wobei der Beklagte mit der rechten Seite seines Thorax gegen den Kopf des Klägers aufschlug. Durch den Zusammenprall zog sich der Kläger eine Querschnittslähmung in Form einer kompletten spastischen Paraplegie, eine Fraktur der Brustwirbelknochen fünf und sechs, eine Gehirnerschütterung, ein traumatisches Hirnödem, eine Schädeldachfraktur, eine Schädelbasisfraktur sowie weitere Verletzungen zu. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte dadurch, dass er unstreitig das Seil zuvor nicht in die siebente Zwischensicherung eingehängt hatte, den Unfall kausal verursacht hat, sowie über ein dem Kläger zuzurechnendes Mitverschulden.

Der Beklagte hat die Aktivlegitimation des Klägers bestritten, soweit Ansprüche geltend gemacht werden, auf die Leistungen von Sozialversicherungsträgern erbracht worden seien. Darüber hinaus hat der Beklagte hilfsweise eine konkludente Einwilligung des Klägers unter dem Gesichtspunkt der Haftungsgemeinschaft zwischen den Parteien eingewandt.

Kletterunfall an Kletterfelsen - Haftung eines Kletterers bei einem Sturz auf den Sichernden
(Symbolfoto: Von Nejron Photo/Shutterstock.com)

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Grundurteil den geltend gemachten Anspruch des Klägers für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Der Kläger habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz sämtlicher materieller und immaterieller Schäden aus dem Kletterunfall aus § 823 Abs. 1 BGB und aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB. Der Beklagte habe, indem er die siebente Zwischensicherung ausgelassen habe, eine für jeden Kletterer bestehende Sorgfaltspflichtverletzung in grober Weise außer Acht gelassen und dabei fahrlässig gehandelt. Es entspreche der erforderlichen Sorgfalt, jede Zwischensicherung zu nutzen. Dabei handele es sich um eine elementare Grundregel, die jedem Kletterer bekannt sein müsse. Diese Ansicht werde nicht nur von dem gerichtlichen Sachverständigen, sondern auch von dem im Ermittlungsverfahren hinzugezogenen Sachverständigen S… gestützt. Aus dem Umstand, dass die Nutzungsordnung des Kletterfelsens in G… nicht ausdrücklich das Auslassen von Zwischensicherungen verbiete, folge nichts anderes. Aus der Regelung ergebe sich, dass auch am Kletterfelsen in G… die aus der Natur der Sache folgenden Sorgfaltspflichten einzuhalten seien, also jede Zwischensicherung zu nutzen sei. Die Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten sei auch kausal für den Unfall und die Querschnittslähmung des Klägers geworden. Nach der Darstellung des Sachverständigen St… hätte das Einhängen der siebenten Zwischensicherung den Unfall verhindert. Nur durch die Außerachtlassung der Sorgfaltspflicht sei im Hinblick auf das entstandene größere Sturzpotential ein Fall bis auf den Kläger hinab möglich gewesen. Dass der Kläger dadurch eine Querschnittslähmung erleiden konnte, liege nicht außerhalb der Lebenserfahrung.

Ein Mitverschulden des Klägers bestehe nicht. Der Beklagte habe die von ihm aufgestellten Behauptungen, die ein Mitverschulden des Klägers begründen könnten, nicht zu beweisen vermocht, nämlich, dass der Kläger selbst unaufmerksam gewesen sei und das Sicherungsgerät GRIGRI blockiert habe. Durch das Sachverständigengutachten sei das Gegenteil bewiesen. Der Sachverständige sei sich sicher gewesen, dass der Kläger das GRIGRI richtig gehandhabt habe. Der Sachverständige habe den Unterschied in der statischen und dynamischen Dehnfähigkeit des Seils berücksichtigt und das streitgegenständliche Seil untersucht. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren gebe es drei Indizien, die auf eine korrekte Bedienung des GRIGRI schließen ließen. Wäre das GRIGRI außer Funktion gesetzt worden, hätte der Fall des Beklagten nicht bei 1,50 m enden können, sondern der Beklagte wäre auf den Boden aufgeschlagen. Sowohl der Umstand, dass der Beklagte nicht auf den Boden aufgeschlagen sei, als auch, dass der Kläger am Seil zum Beklagten gezogen worden sei und insbesondere der Beklagte im Seil gehangen habe, sprächen eindeutig gegen die Annahme, der Kläger hätte das GRIGRI außer Funktion gesetzt. Das zweite zu berücksichtigende Indiz sei der von dem Sachverständigen L… durchgeführte Versuch mit einer Puppe. Auch dieser Versuch zeige, dass der Sturz wie tatsächlich geschehen nur erklärbar sei, wenn das GRIGRI funktioniert habe. Dieser Schluss sei auch ohne genaue Kenntnis der damaligen Körpergewichte gerechtfertigt. Drittes wesentliches Indiz sei die konkrete Berechnung der Sturzhöhe, die der Sachverständige St… vorgenommen habe. Das Gericht sei weiterhin der Überzeugung, dass das GRIGRI das richtige Sicherungsgerät gewesen sei und aus seiner Verwendung keine Sorgfaltspflichtverletzungen des Klägers erwachsen könne. Den Kläger habe auch nicht die Sorgfaltspflicht getroffen, sich an einem Baum zusätzlich zu sichern. Der Sachverständige habe die Behauptung des Beklagten, der Kläger habe zu viel Seil gegeben, ebenfalls nicht bestätigt. Auch die Annahme, der Kläger hätte die Sorgfaltspflicht gehabt, den Beklagten darauf aufmerksam zu machen, dass er die Zwischensicherung sieben ausgelassen habe, entbehre sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht jeglicher Grundlage. Der Beklagte habe nach eigener Darstellung die Zwischensicherung nicht versehentlich, sondern bewusst außer Acht gelassen. Es sei daher völlig lebensfremd anzunehmen, dass er auf einen Warnruf reagiert hätte. Zudem sei nicht bewiesen, dass der Kläger das Auslassen der siebenten Zwischensicherung zu einem Zeitpunkt bemerkt habe, zu dem ein Warnruf noch Sinn gemacht hätte. Der Kläger habe die nicht genutzte siebente Zwischensicherung erst erkennen können, als der Beklagte bereits darüber hinausgeklettert gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt hätte ein Warnruf des Klägers die Gefahr für den Beklagten erhöht und nicht reduziert. Der Kläger habe auch nicht gegen die Gewichtsregel verstoßen, nach der der Kletternde max. 30 % schwerer sein solle als der Sichernde. Ein anderes Gewicht des Klägers als 69 kg sei nicht unter Beweis gestellt worden. Der Sachverständige habe in seltener Deutlichkeit bestätigt, dass der Kletterunfall und die Querschnittslähmung des Klägers allein und ausschließlich auf der eindeutigen Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten beruhten.

Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der vom Landgericht getroffenen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Mit der Berufung macht der Beklagte sowohl Verfahrensfehler als auch Fehler bei der Rechtsanwendung und der Tatsachenfeststellung geltend. Das angefochtene Urteil beruhe auf Verstößen gegen verfahrensrechtliche Normen. Feststellungen des Landgerichts zur Zulässigkeit des Grundurteils im Falle einer Teilklage fehlten. Ein Grundurteil dürfe nur ergehen, wenn trotz Ausfalls einzelner Forderungen eine Forderung in Höhe des insgesamt geltend gemachten Teilbetrages für möglich erachtet werde. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten habe ohne eine Leistungsbestimmung insgesamt 201.000,00 € an den Kläger zur späteren beliebigen Verrechnung gezahlt, so dass bereits aus diesem Grunde nicht festgestellt werden könne, dass der mit der Teilklage verfolgte Betrag bei einer vollen Haftung des Beklagten dem Grunde nach dem Kläger zustehen würde. Das Bestreiten der Aktivlegitimation werde aufrechterhalten, substanziiertes Vorbringen des Klägers hierzu fehle. Im Hinblick darauf hätte ein Grundurteil ebenfalls nicht ergeben dürfen. Ebenso hätten Feststellungen dazu getroffen werden müssen, ob die Voraussetzungen für eine zusätzliche Rentenzahlung neben einem Kapitalbetrag auf das Schmerzensgeld gegeben seien. Das Gleiche gelte für die Frage, ob vermeintliche Ansprüche wegen vermehrter Bedürfnisse des Klägers in kapitalisierter Form oder nur in Rentenform zuzusprechen seien. Schließlich hätte der Einzelrichter entsprechend dem Hilfsantrag in der Klageerwiderung die Begrenzung auf die Deckungssumme des Haftpflichtversicherers aufnehmen müssen.

Es bleibe bestritten, dass sich das Auslassen der siebenten Zwischensicherung kausal ausgewirkt habe und darin gleichzeitig ein Verschulden des Beklagten liege. Der Einzelrichter habe die Frage der Notwendigkeit eines medizinischen Sachverständigengutachtens und der Einholung eines neuen Gutachtens nicht geprüft, worin ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs liege. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten habe ein weiteres Gutachten zur Kausalitätsfrage eingeholt. Diese Überprüfung durch einen Privatgutachter habe ergeben, dass die Ausführungen des Sachverständigen St… relevante Fehler enthielten, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhe. So habe der Sachverständige St… anders als in den Entscheidungsgründen des Urteils angegeben das streitgegenständliche Seil zu keinem Zeitpunkt untersucht. Die Ausführungen des Sachverständigen St… beruhten auf falschen Voraussetzungen, indem er im Rahmen der mündlichen Erläuterung des Gutachtens von einer notwendigen Längendifferenz von 16,20 m ausgegangen sei, um den Weg vom Boden bis zur Sicherung Nr. 6 und wieder zurück zu beschreiben, während er bei der weiteren Berechnung von einer Seillänge von 12 Metern und einer Dehnung auf eine Länge von 13,20 m ausgegangen sei. Dies sei mit der Aussage des Zeugen R…, wonach sich der Anseilpunkt beim Beklagten in einem Meter Höhe befunden haben solle, nicht in Einklang zu bringen. Die Ausführungen des Sachverständigen, das Sicherungsgerät sei vom Kläger nicht fehlerhaft benutzt worden, beruhten ersichtlich auf einem Denkfehler. Aus der These, wonach bei richtiger Bedienung des GRIGRI der Beklagte bis zu einer Höhe von 1,30 m oder einer geringeren Höhe gestürzt wäre, lasse sich nicht zwingend folgern, dass die Höhe nicht doch durch einen unzulässigen Seildurchlauf unterschritten worden sei. Eine solche Schlussfolgerung stelle einen Verstoß gegen Denkgesetze dar. Der Kläger müsse jedoch die Alternativursache einer fehlerhaften Bedienung ausräumen, um den Kausalitätsnachweis zu führen. In diesem Zusammenhang bestehende Zweifel gingen daher zu seinen Lasten. Entscheidend für die Kollisionsgeschwindigkeit und die Frage, welche Parameter diese beeinflusst hätten, sei das Verhalten des Klägers. Nach den Berechnungen des Privatgutachters sei tatsächlich von einer Schlappseillänge von insgesamt 1,75 m auszugehen. Daraus folge, dass es der Kläger zu einem freien Seildurchlauf von ca. 1,50 m Länge habe kommen lassen. Dadurch habe sich die Kollisionsgeschwindigkeit auf 43 m/h erhöht, was die Schwere der beim Kläger eingetretenen Verletzungen erkläre. Bei der angemessenen Schlappseillänge von ca. 0,25 m wäre es mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von ca. 12 km/h nicht zu den eingetretenen Verletzungen gekommen. Das Auslassen der siebenten Zwischensicherung habe sich daher im Hinblick auf die schwerwiegenden Verletzungsfolgen und die eingetretene Querschnittslähmung nicht kausal ausgewirkt.

Ein unfallkausales Verschulden des Beklagten bleibe bestritten. Die Nutzungsordnung zum Kletterfelsen G… sehe lediglich vor, bei „Toprope“ und Zwischensicherung ausschließlich die vorhandenen Ringe bzw. Umlenkhaken zu benutzen. Die konkrete Nutzungsordnung schreibe daher gerade nicht vor, zur Sicherung alle Haken und Umlenkeinrichtungen zu benutzen. Damit habe sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt. Gerade der Umstand, dass von der Benutzungsordnung des DAV abgewichen worden sei, spreche gegen ein Verschulden des Beklagten. Gehe man von leichter Fahrlässigkeit aus, wäre die Frage der konkludenten Einwilligung des Klägers zu einem Haftungsausschluss zu prüfen, womit sich das Landgericht ebenso wenig auseinandergesetzt habe.

Der Einwand eines überwiegenden Mitverschuldens des Klägers werde aufrechterhalten. Neben der Ausgabe eines Schlappseils von 1,75 m Länge sei ein Mitverschulden auch deshalb begründet, weil der Kläger als Sichernder eine falsche Position gewählt habe. Der Kläger habe sich in eine Position begeben, die ursächlich für den Aufprall des Beklagten gewesen sei. Der klettertechnische Kardinalfehler des Klägers habe darin bestanden, dass er sich als Sicherer seitlich von der Zwischensicherung weg über die Falllinie des Beklagten hinaus auf die gegenüberliegende Seite der Falllinie bewegt habe und so einen ausgeprägten seitlichen Sturzzug und das Hineingrätschen des abstürzenden Beklagten in das Sicherungsseil verursacht habe. Hätte er sich in korrekter Weise leicht rechts von der ersten Zwischensicherung aufgehalten, wäre es nicht zu der Verletzung durch den Zusammenprall gekommen. Der Kläger habe selbst angegeben, mit dem Bereinigen von Seilkringeln beschäftigt und dadurch abgelenkt gewesen zu sein. Im Übrigen wiederholt der Beklagte sein Vorbringen, wonach der Kläger das Sicherungsgerät falsch benutzt habe und der Unfall bei einem Warnruf wegen des Auslassens der siebenten Zwischensicherung vermieden worden wäre. In diesem Zusammenhang liege entgegen der Annahme des Landgerichts aufgrund der zwischen den Parteien bestehenden Haftungsgemeinschaft und gegenseitigen Abhängigkeit die Annahme nahe, dass er auf einen entsprechenden Warnhinweis diesem zur Absicherung des Sicherungssystems nachgekommen wäre. Im Übrigen sei zu diesem Gesichtspunkt nur der Kläger, nicht aber der Beklagte gehört worden. Bei Anwendung der HMS-Sicherung hätten die schwerwiegenden Unfallfolgen und die Querschnittslähmung verhindert werden können. Der Kläger müsse sich ein Mitverschulden anrechnen lassen, weil er die Fußpunktsicherung am Kletterfelsen nicht genutzt habe. Insoweit seien der Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt und die angebotenen Beweismittel nicht erhoben worden.

Der Beklagte beantragt sinngemäß, das am 11.03.2009 verkündete Grundurteil des Landgerichts Cottbus, Az.: 3 O 234/07, einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen, hilfsweise unter Abänderung des vorbezeichneten Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen sowie den Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzes an das Landgericht zurückzuverweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er sei als unmittelbares Unfallopfer für sämtliche Ansprüche aktivlegitimiert. Die Aktivlegitimation sei vom Beklagten zu widerlegen, unsubstanziiertes Bestreiten reiche jedenfalls nicht aus. Das Eintreten einer gesetzlichen Unfallversicherung scheide mangels Vorliegens eines Arbeitsunfalls aus, so dass ein Regress gegen den Beklagten nicht zu erwarten sei. Im Übrigen seien evtl. Leistungen Dritter aufgrund des Quotenvorrechts auf den nicht eingeklagten Forderungsteil zu verrechnen. Die gutachterliche Stellungnahme des Dr. F… sei nicht mehr zu berücksichtigen, weil dem Beklagten eine ausreichend lange Frist zur Stellung weiterer Ergänzungsfragen gewährt worden sei. Die Ausführungen des Dr. F… seien auch fachlich nicht überzeugend. Er gehe fälschlich davon aus, dass lediglich 25 cm Schlappseil erlaubt gewesen seien. Tatsächlich könne das Schlappseil bis 1,50 m betragen. Der Kläger habe zudem angegeben, die 25 cm Seil zusätzlich zu den normal anzunehmenden 0,8 m zum Einhängen des Seiles ausgegeben zu haben. Ihn habe insoweit die Pflicht getroffen, dem Vorsteiger rechtzeitig ausreichend Seil zum Einhängen zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich habe das ausgegebene Schlappseil ca. 1,20 m betragen, was völlig akzeptabel gewesen sei. Die Ausführungen zur etwaigen Erhöhung der Kollisionsgeschwindigkeit seien fehlerhaft, weil weitaus weniger Kräfte erforderlich seien, um eine Querschnittslähmung zu verursachen. Im Übrigen hätten alle Gutachter bestätigt, dass das Sicherungsgerät richtig bedient worden sei. Ein Durchlaufen des Seils während des Bremsvorganges sei nicht möglich. Die Ausführungen des Landgerichts hierzu seien ausführlich und nachvollziehbar. Der Sachverständige habe darauf hingewiesen, dass die korrekte Bedienung des Sicherungsgerätes dem Beklagten das Leben gerettet habe, weil es anderenfalls mit Sicherheit zum Bodensturz des Beklagten gekommen wäre. Unzutreffend sei auch die Behauptung, er habe eine falsche Position gewählt. Tatsächlich habe er den Standplatz ständig nach der Position des Beklagten gewählt, indem er beim Einstieg links von diesem gestanden habe. Er habe seinen Standpunkt stets sorgfältig gewählt und korrigiert; im Übrigen habe der Sachverständige ausgeführt, dass aufgrund der starken Mitreißkräfte ein Standplatz rechts oder links von der Falllinie eine Kollision nicht habe verhindern können. Soweit er während des Aufstieges des Beklagten das Seil durch leichtes Schütteln entkringelt habe, habe dies nicht zu einer Unaufmerksamkeit hinsichtlich des Vorsteigers geführt, zudem habe sich das Seil zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte in den oberen Regionen geklettert sei, wieder entkringelt. Der Beklagte habe im Strafprozess immer wieder darauf hingewiesen, dass das Auslassen der siebenten Zwischensicherung erfolgt sei, um Kraft zu sparen. Das Landgericht sei daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte durch einen Warnruf eher abgelenkt worden wäre.

Der Senat hat über die Behauptungen des Beklagten, der Kläger habe es am Sicherungsgerät zu einem Seildurchlauf von 1,50 Metern kommen lassen und sich bei der Sicherung sorgfaltswidrig (und unfallursächlich) in der Falllinie aufgehalten, Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzenden schriftlichen, mündlich erläuterten Gutachtens des Sachverständigen St…. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 29. Oktober 2010 sowie die protokollierte Erläuterung des Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 17. März 2011 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1.

Der Erlass eines Grundurteils über die erhobene Teilklage ist zulässig. Selbst wenn sich im Nachverfahren einzelne Schadenspositionen bereits dem Grunde nach als unberechtigt erweisen sollten, ist zu erwarten, dass dem Kläger im Nachverfahren jedenfalls ein Teil des geltend gemachten Schadens zuerkannt wird. Dies ist für die Zulässigkeit eines Grundurteils ausreichend (vgl. BGH NJW 1993, 1779, 1782), was auch insoweit gilt, als der Beklagte unter Hinweis auf mögliche Leistungen von Sozialversicherungsträgern die Aktivlegitimation des Klägers bestritten hat. Zwar ist Voraussetzung für die Zulässigkeit des Grundurteils, dass sämtliche zum Grund gehörenden Fragen erledigt werden und die Bejahung des Anspruchs nicht offen bleibt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. § 304 Rn. 6 m.w.N.). Dabei ist aber ausreichend, dass auch bei Abzug einzelner Schadenspositionen, hinsichtlich derer der Kläger möglicherweise nicht anspruchsberechtigt ist, noch ein Betrag in einer bestimmten Höhe verbleiben wird. Erfasst ein Forderungsübergang, der zum Fehlen der Sachbefugnis führt, nur einen Teil der Klageforderung, bezieht sich der Einwand teilweise fehlender Aktivlegitimation der Sache nach ebenfalls auf die Höhe der Klageforderung und kann deshalb im Betragsverfahren geklärt werden (vgl. BGH VersR 1967, 1002, 1003; Musielak, ZPO, 7. Aufl., § 304 Rn. 18; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 304 Rn. 7). Es genügt, dass auch bei Berücksichtigung des Forderungsüberganges zulasten des Klägers noch eine Forderung zu seinen Gunsten verbleibt, was hier der Fall ist.

Auch die weiteren Einwendungen des Beklagten gegen die Zulässigkeit des Grundurteils greifen nicht durch. Die Frage, ob hinsichtlich des Schmerzensgeldes die Voraussetzungen für eine Schmerzensgeldrente gegeben sind oder ob die Voraussetzungen des § 843 Abs. 3 BGB vorliegen, betrifft den Anspruch der Höhe nach und kann somit dem Betragsverfahren überlasen bleiben (vgl. Zöller/Vollkommer a.a.O., § 304 Rn. 15). Unerheblich ist auch der Einwand, das Landgericht hätte im Grundurteil entsprechend dem Hilfsantrag die Begrenzung auf die Deckungssumme von 1 Mio. Euro aufnehmen müssen. Eine Rechtsgrundlage für eine derartige Beschränkung des Urteilstenors ist nicht ersichtlich, weil der Haftpflichtversicherer des Beklagten an dem vorliegenden Rechtsstreit nicht beteiligt ist und ein Direktanspruch gegen diesen nicht besteht. Die Frage, inwieweit im Innenverhältnis zwischen dem Beklagten und seinem Haftpflichtversicherer der Deckungsanspruch aus dem Versicherungsverhältnis der Höhe summenmäßig beschränkt ist, ist für das hier streitgegenständliche Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten ohne Belang.

2.

Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, stehen dem Kläger gegen den Beklagten dem Grunde nach Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 229 StGB zu, denn der Beklagte hat durch Auslassen der siebenten Zwischensicherung am Kletterfelsen eine Pflichtverletzung begangen, die kausal für die beim Kläger eingetretene Rechtsgutverletzung (Körperverletzung) und die damit zusammenhängenden weiteren der Höhe nach streitigen Schäden des Klägers geworden ist.

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a) Durch die Nichtnutzung der siebenten Zwischensicherung hat der Beklagte in gravierender Weise und schuldhaft gegen die beim Klettern bestehenden Sorgfaltspflichten verstoßen (§ 276 Abs. 2 ZPO).

Wer im Rahmen einer individuellen Sportausübung geschützte Rechtsgüter anderer Personen verletzt, haftet gem. § 823 BGB, wenn er dadurch eine Tätigkeit ausübt, durch die andere in besonderer Weise gefährdet werden können, und er nicht die ihm zumutbaren notwendigen Vorkehrungen zu deren Schutz getroffen hat (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., § 823 Rn. 215). Hier hat der Beklagte pflichtwidrig die siebente Zwischensicherung nicht eingeklinkt. Darin liegt eine Pflichtverletzung, weil der Beklagte notwendige Vorkehrungen sowohl zu seinem Schutz als auch zum Schutz des Klägers nicht getroffen hat. Auch die im Ermittlungsverfahren hinzugezogenen Sachverständigen S… und L… haben es als Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten und Kletterregeln angesehen, dass der Beklagte bei insgesamt drei Zwischensicherungen das Seil nicht eingehängt hat und damit das Risiko einer größeren Fallhöhe bei einem Sturz in Kauf genommen hat. Gerade bei der hier angewendeten Körpersicherung bestand ein nicht unerhebliches Risiko, dass im Falle eines Sturzes nicht nur der Beklagte, sondern auch der Kläger als Sichernder zu Schaden kommen könnte. Der Sachverständige St… hat bei seiner Begutachtung in erster Instanz unter Bezugnahme auf die Regeln Nr. 3.2 der Benutzerordnung des Deutschen Alpenvereins (DAV), wonach zur Sicherung alle Haken und Umlenkeinrichtungen benutzt werden müssen, ausgeführt, dass diese Regel vor allem für künstliche Kletteranlagen sehr wichtig sei, weil diese in der Regel über eine geringe lichte Höhe verfügen, so dass alle Zwischensicherungen eingehängt werden müssen, um das Risiko, auf den Boden oder auf andere Personen zu stürzen, zu minimieren. Gegen diese Regel hat der Beklagte verstoßen, indem er die siebente Zwischensicherung ausgelassen hat, wodurch sich auch gerade das hier bestehende Risiko, dass bei einem Sturz andere Personen verletzt werden können, verwirklicht hat. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, dass die Nutzerordnung zum Kletterfelsen in G… das Benutzen sämtlicher Zwischensicherungen ausdrücklich nicht vorsehe. Der Nutzerordnung ist nicht zu entnehmen, dass diese eine Ausnahme von der Regel, wonach sämtliche Zwischensicherungen zu benutzen sind, enthält. Unter Nr. 7. der Nutzerordnung heißt es: „Beim Klettern sind nachfolgende Verhaltensweisen zwingend einzuhalten: (…) Bei Toprope- und Zwischensicherung sowie zum Abseilen bzw. Ablassen sind ausschließlich die vorhandenen Regel- bzw. Umlenkhaken zu benutzen. Der Wortlaut („sind ausschließlich zu benutzen“) lässt keinen Raum für eine Interpretation dahingehend, dass es zulässig wäre, nicht alle Zwischensicherungen bzw. Umlenkhaken zu benutzen. Dies erscheint auch insoweit fern liegend, als der Kletterfelsen unstreitig von der Sektion G… des Deutschen Alpenvereins betrieben wird und es schon nicht nachvollziehbar ist, warum die Benutzungsordnung des DAV für einen von ihm selbst betriebenen künstlichen Kletterfelsen nicht oder nur eingeschränkt gelten sollte.

b) Auf einen konkludenten Haftungsausschluss oder eine Haftungsbeschränkung unter dem Gesichtspunkt einer gemeinsamen Haftungsgemeinschaft kann sich der Beklagte im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg berufen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu einem stillschweigenden Haftungsausschluss bei Sportveranstaltungen ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Danach ist bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Wettbewerbsregeln oder geringfügiger Regelverletzung die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügungen besteht, die Inanspruchnahme des schädigenden Wettbewerbers für solche Schäden eines Mitbewerbers ausgeschlossen, die er ohne gewichtige Regelverletzung im Sinne grober Fahrlässigkeit verursacht (vgl. BGH NJW 2003, 2018 m.w.N.). Danach verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn der Geschädigte den beklagten Schädiger in Anspruch nimmt, obwohl er ebenso gut in die Lage hätte kommen können, in der sich nun der Beklagte befindet (vgl. BGH VersR 1975, 137; BGH NJW 2003 a.a.O.). Diese ursprünglich für sportliche Wettkämpfe entwickelten Grundsätze werden von der obergerichtlichen Rechtsprechung für den Fall, dass kein oder kein gewichtiger Regelverstoß begangen wurde bzw. kein grob fahrlässiges Verhalten des Schädigers feststellbar ist, auch außerhalb des Bereichs sportlicher Kampfspiele angewandt, etwa beim Motorradsport oder bei organisierten Radtouristikfahrten (vgl. Senat, Urt. v. 28.06.2007 – 12 U 209/06, NJW-RR 2008, 340; OLG Stuttgart NJW-RR 2007, 1251). Dies gilt jedoch nur, soweit für die eintretenden Schäden kein Versicherungsschutz besteht (vgl. BGH NJW 2008, 1591). Da im Streitfall die vom Kläger geltend gemachten Schäden in den Deckungsbereich der Haftpflichtversicherung des Beklagten fallen und somit Versicherungsschutz besteht, kommt die Annahme eines stillschweigenden Haftungsausschlusses bereits unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht. Darüber hinaus fehlt es jedenfalls an einer vergleichbaren Konkurrenzsituation, weil das hier durchgeführte Klettern vom ausgeprägten Miteinander der beteiligten Sportler gekennzeichnet ist und somit der für die Rechtsprechung zur Haftungsbeschränkung entscheidende Aspekt der gegenseitigen Gefährdung im Rahmen der gegeneinander gerichteten oder parallel ausgeübten sportlichen Betätigung fehlt. Das Risiko, bei dem gebotenen kämpferischen Einsatz den Gegner zu verletzen oder selbst verletzt zu werden, verwirklicht sich nicht in gleicher Weise bei einem im friedlichen Nebeneinander ausgeübten Individualsport. Darüber hinaus bestand zwischen den beteiligten Sportlern eine strikte Aufgabenteilung, indem sich der Kletternde auf das Klettern und die sportliche Leistung konzentrieren kann, während der Sichernde ausschließlich die Aufgabe hat, diesen bei einem Sturz zu sichern. Diese Sicherungsfunktion schließt eine Haftungsbefreiung aus (vgl. OLG Karlsruhe VersR 2006, 228). Gerade weil im vorliegenden Fall die Sicherung des Beklagten durch den Kläger über eine Körpersicherung erfolgte und somit beide Parteien voneinander abhängig waren, bestanden auch für den Beklagten als Kletterer besondere Sorgfaltspflichten nicht nur zu seiner eigenen Sicherheit, sondern auch zur Sicherheit des mit ihm durch das Sicherungsseil verbundenen Sicherers, so dass es nicht angemessen erscheint, einen der Beteiligten von der Haftung freizustellen. Da die dem Beklagten gewählten Route Nr. 5 zudem unstreitig die einfachste Route am Felsen ist, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um eine besonders waghalsige und gefährliche Unternehmung im schwierigen Gelände gehandelt hat.

c) Das Auslassen der siebenten Zwischensicherung ist auch kausal für die vom Kläger erlittenen Verletzungen, insbesondere die Querschnittslähmung geworden. Durch das Auslassen der Sicherung hat sich in adäquatkausaler Weise das geschaffene Risiko verwirklicht, dass es infolge des erhöhten Sturzpotentials zu einem Fallen bis in Bodennähe kommt und die Person des Sichernden durch eine Kollision mit dem Stürzenden erheblich verletzt wird.

Der für die Schadenszurechnung erforderliche Kausalzusammenhang ist dadurch begründet, dass es – nach übereinstimmender Einschätzung aller mit der Sache befassten Sachverständigen – zu einem Zusammenstoß des herabstürzenden Beklagten mit dem Kläger gekommen ist, weil der Beklagte pflichtwidrig die siebente Sicherung ausgelassen hat. Hätte er sich demgegenüber entsprechend den geltenden Sorgfaltsanforderungen in diese Zwischensicherung eingeklinkt, wäre der Absturz aufgrund des verminderten Sturzpotentials in deutlich größerer Höhe abgefangen worden, eine Kollision wäre ausgeschlossen gewesen. Dies entspricht auch der Bewertung des von Beklagtenseite hinzugezogenen Privatgutachters Dr. F…, der ebenfalls – insoweit zutreffend – eingeschätzt hat, dass es nicht zu dem Unfall gekommen wäre, wenn der Beklagte die siebente Zwischensicherung geklinkt hätte.

Die Argumentation der Berufung, das Landgericht habe gegen § 286 ZPO verstoßen, „weil im Rahmen der Beweiswürdigung nicht vom Erfolg auf eine kausale Sorgfaltspflichtverletzung geschlossen werden“ könne, trifft nicht zu. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Annahme, der Kläger müsse die „Alternativursache einer fehlerhaften Bedienung des Sicherungsgerätes GRIGRI“ ausräumen: auch bei Berücksichtigung der Behauptung des Beklagten, der Kläger habe durch eine Fehlbedienung einen Seildurchlauf von 1,50 m verursacht, steht die Ursächlichkeit des pflichtwidrigen Unterlassens für die eingetretene Rechtsgutsverletzung fest. Der bereits vom Landgericht hinzugezogene Sachverständige St… hat in seinem Gutachten vom 4. Juni 2008 überzeugend ausgeführt, dass die Sturzhöhe des Beklagten beim Einhängen der siebente Zwischensicherung so viel geringer gewesen wäre, dass eine Kollision ausgeschlossen gewesen wäre. Auf die zwischen den Parteien und den Gutachtern St… und Dr. F… umstrittenen Berechnungen der genauen Sturzmodalitäten kommt es hierbei nicht an, weil bei eingehängter Zwischensicherung die Distanz der jeweiligen Anseilpunkte des Beklagten und des Klägers jedenfalls so groß gewesen wäre, dass auch der behauptete Seildurchlauf nicht zu einer Kollision geführt hätte. Eine Blockierung des GRIGRI hätte demgegenüber zu einem ungebremsten Sturz auf den Boden geführt, den es hier jedoch nicht gegeben hat. Die ursprüngliche Behauptung des Beklagten, der Kläger habe das GRIGRI beim Zusammenprall losgelassen und (erst) dadurch eine Blockierung bewirkt, ist mit dem festgestellten Unfallgeschehen nicht kompatibel und wird vom Beklagten in zweiter Instanz auch nicht mehr angeführt. Angesichts der End-Anseilpunkte muss die Bremswirkung vielmehr deutlich früher eingesetzt haben.

d) Den Kläger trifft kein Mitverschulden, das die dem Grunde nach berechtigten Ansprüche des Beklagten ausschließen oder mindern würde (§ 254 Abs. 1 BGB).

aa) Die Wahl des Sicherungsgerätes und der Sicherungsmethode vermag eine Mitverantwortung des Klägers nicht zu begründen. Das Sicherungsgerät GRIGRI wurde nach der überzeugend dargestellten Einschätzung des Sachverständige St… für das Sichern eines Vorsteigers an künstlichen Kletteranlagen entwickelt und ist für diesen Zweck geeignet. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ferner plausibel ausgeführt, dass die Benutzung der Körpersicherung mittels des GRIGRI an einer künstlichen Kletteranlage üblich und gegenüber der Fixpunktsicherung vorzuziehen sei. In Anbetracht dessen, dass die Sicherung mittels des GRIGRI eine übliche Sicherungsmethode ist und das Gerät im Handel frei erhältlich ist, braucht sich der Kläger nicht darauf verweisen zu lassen, dass er im vorliegenden Fall eine Sicherung mittels einer Halbmastwurfsicherung (HMS) hätte nutzen müssen, selbst wenn dadurch die Verletzungen des Klägers verhindert oder minimiert worden wären, was nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht feststeht. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Wahl der hier geeigneten Sicherungsart Körpersicherung, bei der auf eine Fixierung verzichtet wird.

Ob bei Verwendung einer Halbmastwurfsicherung der Unfall vermieden oder dessen Folgen vermindert worden wären, ist deshalb unerheblich.

bb) Das Unterbleiben eines Warnrufes wegen des Auslassens der Sicherung Nr. 7 rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme eines Mitverschuldens. Der Sachverständige St… hat hierzu erstinstanzlich im Rahmen der Erläuterung des Gutachtens zutreffend ausgeführt, dass ein Hinweis keinen Sinn mehr mache, wenn der Kletternde sich schon im Bereich der nächsten Sicherung befinde. Dass der Kläger das Auslassen der siebenten Zwischensicherung bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte erkennen können, so dass ein Warnruf noch Sinn gemacht hätte, ist nicht bewiesen.

cc) Dass der Kläger keinen Helm getragen hat, begründet ebenfalls keinen Verstoß gegen bestehende Sorgfaltspflichten und deshalb auch kein Mitverschulden. Nach übereinstimmender und überzeugender Einschätzung des Sachverständigen St… sowie des im Ermittlungsverfahren hinzugezogenen Sachverständigen S… ist das Tragen eines Helms beim Klettern und Sichern an künstlichen Kletteranlagen absolut unüblich und im Hinblick auf das sehr geringe Unfallrisiko auch nicht fehlerhaft oder sorgfaltswidrig, weil hier insbesondere ein Steinschlag nicht zu erwarten ist. Auch wenn man demgegenüber einen Verstoß gegen Sorgfaltspflichten in eigenen Angelegenheiten annehmen würde, wäre dieser jedenfalls gering und träte gegenüber der gravierenden Pflichtverletzung des Beklagten vollständig zurück.

dd) Der Beklagte hat im Ergebnis der Unfallrekonstruktion und sachverständigen Begutachtung ferner nicht zu beweisen vermocht, dass es der Kläger infolge einer Fehlbedienung des Sicherungsgerätes GRIGRI zu einem Seildurchlauf von 1,50 m hat kommen lassen und die Kollision dadurch mit verursacht hat.

(1) Die Beweisaufnahme hat konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Bedienung des Sicherungsgerätes durch den Kläger nicht ergeben.

Der Zeuge C… hat seine Angaben bei der polizeilichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren, der Kläger habe zum Seilgeben „den Daumen auf dem GRIGRI“ gehabt, den Sturz aus Unaufmerksamkeit zunächst nicht bemerkt, das Seil sei plötzlich schnell durchgelaufen und der Kläger habe geschockt das GRIGRI erst losgelassen, als ihn die Ferse des Beklagten im Gesicht getroffen habe, nicht bestätigt. Vielmehr hat der Zeuge bekundet, dass er an Einzelheiten keine konkrete Erinnerung habe und nicht glaube, dass der Kläger das GRIGRI blockiert habe. Auch der Zeuge R… hat nichts bekundet, was Anhaltspunkte für einen Fehler bei der Sicherung durch den Kläger geben könnte, sondern ausgesagt, den Unfallhergang nicht mitbekommen zu haben.

Auch eine Unaufmerksamkeit des Klägers bei seiner Sicherung, die für eine hierdurch bedingte Fehlbedienung des GRIGRI sprechen könnte, ist nicht bewiesen. Dass sich der Kläger um das Kringeln des Seiles kümmern musste und den Zeugen G… gefragt hat, wie ihm das Buch gefalle, in dem dieser gerade las, ist nicht als sorgfaltswidrig zu werten, weil nicht feststeht, dass der Kläger hierdurch nennenswert abgelenkt war. Der Zeuge G… hat bekundet, dass der Kläger „nur kurz nachgefragt“ und nur „kurz den Kopf“ umgedreht habe und der Beklagte sich zu diesem Zeitpunkt erst in einer Höhe von drei bis vier Metern befunden habe. Insoweit fehlt es auch an einer Schadensursächlichkeit, weil nicht widerlegt ist, dass dies zu einem Zeitpunkt geschehen ist, als sich der Beklagte noch etwa in mittlerer Höhe des Kletterfelsens befand. Die Angaben des Klägers im Ermittlungsverfahren (Schreiben an die Staatsanwaltschaft Cottbus vom 22. Mai 2005), wonach er wegen der Seilkontrolle „bloß für ein bis zwei Minuten“ nicht in der Lage gewesen sei nach oben zu schauen, beruhen unwiderleglich auf einem Übertragungsfehler bei der Ausfertigung des zugrunde liegenden Diktats. Dass es sich so zugetragen hat, ist nicht bewiesen, wobei es im Hinblick auf die Länge der gesamten Klettertour von ca. fünf Minuten auch plausibel ist, dass Sekunden, nicht Minuten gemeint waren („bloß“) und der Kläger ersichtlich nicht sagen wollte, dass er den Beklagten für einen derart langen Zeitraum aus den Augen gelassen hat. Insoweit sind auch die Ausführungen des Privatgutachters Dr. F… in seiner Stellungnahme vom 25. Juni 2009, wonach ein „krasser“ Obliegenheitsverstoß vorliege, substanzlos und unzutreffend.

Die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren tätigen Sachverständigen S… und L… haben ebenfalls keine Hinweise für einen Bedienungsfehler festgestellt, sondern einen solchen verneint. Der Sachverständige St… hat erläutert, dass aufgrund der Unfallgeometrie eine mangelhafte Benutzung des Sicherungsgerätes auszuschließen sei.

(2) Im Ergebnis der vom Senat veranlassten erneuten Begutachtung durch den Sachverständigen St… ist – auch unter Berücksichtung der Ausführungen des Privatgutachters Dr. F… in seinen Stellungnahmen vom 25. Juni 2009, 28. Oktober 2009 und 27. Dezember 2010 – nicht bewiesen, dass es einen freien Seildurchlauf von 1,5 m gegeben hat und dem Kläger ein Sorgfaltsverstoß bei der Sicherung unterlaufen ist.

(a) Die vom Sachverständige St… durchgeführte Unfallrekonstruktion am Kletterfelsen hat ergeben, dass unter jedenfalls vergleichbaren Bedingungen wie im Schadensfall – ohne eine übermäßige, auf fehlerhaftes Verhalten des Klägers hindeutende, zusätzliche Menge an Seil bzw. Schlappseil – eine Endlage der Verunfallten festzustellen war, die den diesbezüglichen erstinstanzlichen Feststellungen zum Unfallgeschehen annähernd entspricht und somit zu einem Hergang bei fehlerfreiem Sicherungsverhalten kompatibel ist. Die Endlage der Puppen bedurfte einer Korrektur, weil bedingt durch das beim Unfall nicht aufgetretene Einfädeln des Sicherungsseils zwischen den Beinen der Sturzpuppe die Sturzpuppe oberhalb der Sicherungspuppe zum Ruhen kam, was beim Unfall umgekehrt war: Das Landgericht hat unangegriffen festgestellt, dass der Beklagte mit seinem rechten Brustkorb auf den Kopf des Klägers gefallen sei und danach der Kläger und der Beklagte im Seil hingen, wobei der Beklagte mit den Füßen den Boden berührt habe und langsam umgefallen sei. Um den bewusstlosen Kläger vom Seil zu befreien, habe man den Beklagten „auf seine Beine stellen“ müssen, so dass der Kläger etwas weiter nach unten gelangte und man das Sicherungsgerät am Kläger habe lösen können. Bei der Unfallrekonstruktion wurde die Endlage der Puppen in Anlehnung an die Unfallsituation entsprechend verändert, wobei sich sodann unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen baulichen Veränderungen vor Ort (Kiesschicht von 14cm und veränderte Position der 6. Zwischensicherung – 36cm weiter unten) bei stehender Sturzpuppe eine Endlage der Sicherungspuppe von 1,45 m (Höhe des Gesäßes) bzw. 2,15 m (Höhe des Sicherungsgerätes GRIGRI) ergeben hat. Der Sachverständige hat die Endlage in seinem Gutachten plausibel dahingehend gewertet, dass sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es der Kläger beim Unfall zu einem Seildurchlauf am Sicherungsgerät GRIGRI hat kommen lassen. Die weitere Rekonstruktion unter Verwendung einer erhöhten Seilmenge entsprechend dem Beklagtenvorbringen von zusätzlichen 1,5 m hat ergeben, dass die beiden Puppen flach auf dem Boden zum Liegen kamen und unter Berücksichtigung der baulichen Veränderungen jedenfalls zumindest mit dem Kopf und den Füßen den Boden berührten. Anhand gefertigter Videobilder von dem rekonstruierten Sturzvorgang hat der Sachverständige St… eine Kollisionsgeschwindigkeit von 38,8 km/h berechnet, die einem ungebremsten Sturz aus einer Höhe von 5,92 m entspreche und mit der Schwere der Verletzungen in Einklang zu bringen sei.

(b) Der Beklagte wendet – gestützt auf die Stellungnahme des Privatgutachters Dr. F… vom 27. Dezember 2010 – ein, dass die Wertung des Sachverständigen St…, es habe ausweislich der durchgeführten Versuche keinen Seildurchlauf am Sicherungsgerät gegeben, keine technische Grundlage besitze, weil die Abweichungen der tatsächlichen Randbedingungen nicht berücksichtigt worden seien. Die festgestellte Endlage des „Kläger-Dummys“ von 1,45 m (Gesäßhöhe) und 2,15 m (GRIGRI) sei deutlich unterschiedlich zu den Angaben des Zeugen R…, der ausgesagt habe, der Kläger habe sich etwa in Höhe des Z… befunden (Abweichung somit 0,65 m, Gesäß, bzw. 1 m, GRIGRI). Darüber hinaus unterscheide sich die Versuchsdurchführung in weiteren Punkten von dem realen Sturzvorgang: Der Beklagtendummy habe sich beim Versuch in einer strömungsgünstigen Lage befunden, während der Beklagte sich tatsächlich in eine nahezu horizontale Sturzlage gedreht habe. Der Dummy sei in einem freien Abstand zur Wand senkrecht fallengelassen worden mit der Folge vollständiger Energieumsetzung in die Fallgeschwindigkeit. Tatsächlich habe der Absturz jedoch mit einer Kippbewegung um die Aufstandspunkte der Füße begonnen, so dass durch Energieumsetzung in eine Rotationsbewegung und eine von der Wand wegweisende Komponente die wirkliche Geschwindigkeit vermindert war. Weil beim Versuch das Sicherungsseil zwischen den Beinen eingefädelt worden sei, sei die Bewegung des Kläger-Dummys durch den Beklagten-Dummy nahezu vollständig blockiert worden, wobei sich der Verlust von Reibungsenergie stark reduziert habe, so dass das Sicherungsseil im Versuch einer größeren Dehnung unterworfen worden sei. Die beträchtlichen Unterschiede seien auch durch den Versuch 2 (Zugrundelegung einer anderen, weiter rechts befindlichen Sicherungsposition des Klägers) belegt, weil es hier nur eine schwache Berührung der Puppen gegeben habe und es zu einem deutlich größeren Bodenabstand des Kläger-Dummys gegenüber der Endlage im Versuch 1 (ca. 1,27 m) und einem verringerter Bodenabstand des Beklagten-Dummys (ca. 0,4 m) gekommen sei. Daraus ergebe sich eine um ca. 87 cm kürzere Seillänge als im Versuch 1. Auch die Berechnung der Kollisionsgeschwindigkeit sei folglich unzutreffend. Bei der vom Sachverständigen St… für die Geschwindigkeitsbestimmung berücksichtigten Position habe es sich noch nicht um die Kollisionslage gehandelt, vielmehr fehlten noch 0,5 m, wobei hierdurch aufgrund des Fangstoßes eine merklich geringere Kollisionsgeschwindigkeit vorgelegen habe.

(c) Diese Einwendungen vermögen die Grundaussage und das Gesamtergebnis der vom Sachverständigen St… plausibel gewürdigten Unfallrekonstruktion nicht zu entkräften und sind nicht geeignet, einen Fehler des Klägers bei der Sicherung zu beweisen.

(aa) Die bei dem Versuch festgestellten End-Anseilpunkte der Puppen sind kompatibel zu dem festgestellten Unfallgeschehen, wonach das auf dem Bauch des Klägers befestigte Sicherungsgerät erst gelöst werden konnte, als der Beklagte auf die Beine gestellt wurde und sich die Höhe des Anseilpunktes des Klägers hierdurch so weit verringerte, dass das GRIGRI erreichbar war. Nach plausibler Einschätzung des Sachverständigen konnte das Sicherungsgerät in einer Höhe von ca. 2,15 Metern von einem durchschnittlich großen Erwachsenen erreicht werden. Die Angaben des Zeugen R… bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht vermögen dies nicht zu widerlegen. Der Zeuge war seinerzeit beteiligt daran, die Verunfallten aus der Sicherung zu befreien, und hat nach seiner Erinnerung den Kläger an seinem GRIGRI abgelassen. Er hat bekundet, er könne „heute nicht mehr genau sagen, in welcher Höhe sich dann der Kläger befand, d.h. aus welcher Höhe wir ihn befreit haben.“ Auch als der Beklagte aufgerichtet war und sich an die Wand lehnte, sei er „noch nicht unproblematisch an O…, d.h. an den Kläger“ herangekommen. Sodann hat der Zeuge auf Nachfragen erläutert, der Kläger habe sich etwa in der Höhe des „Z…“ (ein Meter) befunden. Als der angehörte Beklagte hierzu angegeben hatte, nach seinem Aufrichten sei der Kläger in eine Höhe gekommen, „so dass er bequem mit den Armen aufgefangen werden konnte“, hat der Zeuge R… ergänzend bekundet: „An die genaue Höhe, in der der Kläger nun hing, kann ich mich nicht mehr erinnern.“ Der Aussage des Zeugen R… lassen sich konkrete Höhenangaben nicht zuverlässig entnehmen. Auch der Verweis auf den „Z…“, den die Beklagtenseite anführt, belegt nicht hinreichend, dass sich der Kläger in der vom Privatgutachter Dr. F… zugrunde gelegten Anseilposition von nur einem Meter befand. Der Zeuge hat vielmehr mehrfach darauf hingewiesen, dass er sich an die Höhe nicht mehr genau erinnern könne, was im Hinblick auf den Zeitablauf zwischen dem Unfallgeschehen im Jahre 2005 und der Zeugenvernehmung im Jahre 2009 nicht verwunderlich ist. Auch der Zeuge G…, der die Höhe beider Verunfallten auf „ca. 1 m“ geschätzt hat, hat keine zuverlässigen Angaben über die genauen Höhen gemacht und konnte auch nicht angeben, ob der Kläger oder der Beklagte höher hing.

(bb) Die auf das Privatgutachten Dr. F… gestützten Einwendungen hinsichtlich der Unterschiedlichkeit der Rahmenbedingungen zwischen dem tatsächlichen Geschehen und dem Versuchsablauf vermögen einen Fehler des Klägers bei der Sicherung nicht zu beweisen. Dies gilt auch dann, wenn die theoretischen Berechnungen des Sachverständigen St… nicht genau zutreffen und auch die in der Berufungsinstanz durchgeführte Unfallrekonstruktion entgegen der gutachtlichen Einschätzung des Sachverständigen keinen eindeutigen Beleg (und Gegenbeweis) dafür liefert, dass der Kläger es zu keinem Seildurchlauf hat kommen lassen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass neben den im Gutachten Dr. F… benannten Umständen, die das Versuchsergebnis zugunsten der Position des Beklagten beeinflussen können, auch Abweichungen bei den Anknüpfungstatsachen in Betracht zu ziehen sind, die für den Kläger sprechen würden: Dem Versuchsaufbau zugrunde gelegt ist zum einen eine (geringe) Menge an Schlappseil (durchhängendes Sicherungsseil) von lediglich 0,25 Metern. Dies korrespondiert mit der – von Beklagtenseite bestrittenen – Angabe des Klägers, er habe „nicht viel Seil geben müssen, sondern nur etwa 25 cm“, weil der Beklagte beim Klettern das Seil nicht über dem Kopf in die Sicherung eingehängt habe, sondern jeweils so weit hoch geklettert sei, dass er mit dem Bauch vor dem Sicherungspunkte gestanden habe. Abgesehen davon, dass die genaue Angabe zur Menge des (Schlapp-)Seils notwendig nur eine Schätzung sein kann, ist nicht auszuschließen, dass die tatsächliche Menge an Schlappseil – womöglich – deutlich größer war, ohne dass dem Kläger allein hierdurch der Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung zu machen wäre. Zwar trägt in erster Linie der Sichernde die Verantwortung dafür, dass keine unnötige Menge an Schlappseil ausgegeben wird, was im Streitfall allerdings nicht heißt, dass nur die angesetzten 25 cm angemessen und als fehlerfrei anzusehen sind. So hat der Sachverständige Dr. St… in seinem Gutachten vom 4. Juni 2008 beispielsweise einen Durchhang von 0,80 Meter zugrund gelegt. Darüber hinaus kann es aber auch zu einer erhöhten Menge an Schlappseil kommen, das nicht beim Sichernden, sondern beim vorsteigenden Kletterer anfällt, der beim Versuch, das Seil in die Sicherung einzuhängen, unnötig Schlappseil erzeugt. Zwar hat sich der Beklagte in Brusthöhe eingehängt, so dass auch entsprechend den Angaben des Klägers nur wenig Schlappseil anfiel. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass er unmittelbar vor dem Sturz noch einiges an Schlappseil erzeugt hat. Der Unfallrekonstruktion ist darüber hinaus – ausgehend von der Standfläche in Höhe von 10,43 m – eine Ausgangshöhe (Anseilpunkt Beklagter) von 11,43 m zugrunde gelegt worden. Dies entspricht den Messungen des Sachverständigen L… bei dessen Unfallrekonstruktion. Auch diese Höhenangabe steht indes nicht zweifelsfrei fest. Der Sachverständige S… hat hierzu bemerkt, dass bei einer Körpergröße von 1,70 m der Anseilpunkt ca. 1 Meter über den Fußsohlen liege und 11,60 m betrage. Auch diesbezüglich sind mithin jedenfalls Abweichungen denkbar, aufgrund derer sich die Anknüpfungstatsachen zugunsten der Klägerseite ändern würden.

Sowohl die theoretischen Untersuchungen zu den Sturzfaktoren als auch die Unfallrekonstruktionen der Sachverständigen L… und St… können das tatsächliche Unfallgeschehen nur insoweit zutreffend und wirklichkeitsgetreu wiedergeben, als die zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen zutreffen. Diese Anknüpfungstatsachen sind jedenfalls hinsichtlich der nur ungenau durch Zeugenaussagen eingrenzbaren End-Anseilpunkte sowie der genauen Menge vorhandenen (Schlapp-) Seils nicht genauer bestimmbar, so dass notwendiger Weise Unklarheiten verbleiben und Abweichungen systembedingt sind.

ee) Letztlich scheidet auch ein Mitverschulden bezüglich der Sicherungsposition aus, die der Kläger gewählt hat.

(1) Der Sachverständige St… hat als Ergebnis der Unfallrekonstruktion, bei der die Sicherungspuppe leicht rechts der ersten Zwischensicherung positioniert wurde, eingeschätzt, dass die Verletzungsfolgen vermutlich andere gewesen wären, wenn sich der Kläger an einer anderen Stelle positioniert hätte, wobei die Folgen geringer aber auch gravierender hätten sein können. Dem ist der Beklagte unter Verweis auf die Stellungnahme des Dr. F… entgegen getreten: Der Versuch hätte bestätigt, dass im Hinblick auf die nicht annähernd vergleichbare Kollision eine Verletzung des Klägers vermieden worden wäre, wenn dieser sich nicht in eine fehlerhafte Sicherungsposition begeben hätte, in der er einen gekreuzten Verlauf des Sicherungsseils und der erkennbaren Falllinie des Beklagten herbeiführte.

(2) Es kann offen bleiben, ob ein Standort des Klägers weiter rechts von dem ersten Sicherungshaken eine Kollision mit dem stürzenden Beklagten verhindert oder doch so deutlich abgemildert hätte, dass es jedenfalls zu so schwerwiegenden Verletzungen nicht gekommen wäre, was zwischen den Parteien streitig ist und von den Sachverständigen St… und Dr. F… unterschiedlich beurteilt wird. Unabhängig davon ist ein Verstoß des Klägers gegen bestehende Sorgfaltspflichten nicht festzustellen. Der Sachverständige St… hat in seinem Gutachten vom 29. Oktober 2010 sowie bei der Erläuterung des Gutachtens im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat überzeugend ausgeführt, dass für den Kläger die Wahl eines geeigneten Standortes im Sicherungsbereich, bei dem die Kollisionsfolgen gemildert worden wären, „komplex, schwierig oder gar unmöglich“ war: Diese erforderte Abschätzungen über die Größe des Sturzpotentials, die Höhe des Kletternden sowie dessen potentielle Sturzlage. Der Sachverständige hat plausibel eingeschätzt, dass schon die nachträgliche Beurteilung des Standortes schwierig und zwischen den Sachverständigen umstritten sei, eine Abschätzung selbst für ihn, den Gutachter, als Sichernden ohne Vorwissen dagegen nicht möglich sei. Bei dieser Sachlage kann dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er sich – wie sich später herausstellte – beim Sichern in dem Fallraum befunden hat. Dass er hierbei die klettertechnischen Regeln verletzt habe, wie der Beklagte unter Verweis auf die Einschätzung von Dr. F… geltend macht, weil ein gekreuzter Verlauf des Sicherungsseils und der erkennbaren Falllinie vorlag, trifft nicht zu. Der Sachverständige St… hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass es eine Empfehlung des Deutschen Alpenvereins (DAV) gebe, wonach sich der Sichernde nach Möglichkeit etwa einen Meter von der Wand und rund einen Meter seitlich der ersten geclippten Expressschlinge zu positionieren habe. Diesem Standort für die Sicherung „seitlich unterhalb des Vorsteigers“ und „nahe der Wand“ kommt gemäß den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen St… allerdings in erster Linie im Bereich der unteren drei Expressschlingen Bedeutung zu, in Höhe derer wegen des geringen Bodenabstandes ein Sturz in Bodennähe zu besorgen ist. Je höher der Vorsteiger klettert, desto weniger bedeutsam ist dieser Gesichtspunkt bei der Wahl des Standortes. Ein Kontakt in Bodennähe kann dann nur bei seltenen gravierenden Fehlern auftreten, wie hier durch Auslassen einer Zwischensicherung. Ein Verstoß gegen diese Empfehlung des DAV ist dem Kläger mithin nicht anzulasten. Nach Bemerken des grob sorgfaltswidrigen Auslassens der siebenten Zwischensicherung durch den Beklagten war aufgrund der Höhe, die der Beklagte bereits erreicht hatte, eine zuverlässige Einschätzung über den konkreten Fallraum nicht möglich, wie der Sachverständige St… überzeugend erläutert hat. Damit ist dem Kläger jedenfalls im Hinblick auf die gravierende Pflichtverletzung des Beklagten kein anspruchsmindernder Vorwurf eines Mitverschuldens zu machen, weil er – wie sich nachträglich herausgestellt hat – keine Sicherungsposition außerhalb des Sturzraums innehatte.

Der Sachverständige St…, der für die zu begutachtende Fragestellung ein ausgesprochener Spezialist ist und nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Hunderte von Stürzen erlebt und als Sichernder aufgefangen hat sowie entsprechend seiner Ausbildung auch die technisch- physikalischen Gegebenheiten gut zu beurteilen vermag, hat seine Ausführungen überzeugend dargestellt und mündlich plausibel erörtert. Für die Einholung eines neuen Gutachtens besteht keine Veranlassung (§ 412 Abs. 1 ZPO).

III.

Der Rechtsstreit ist hinsichtlich der Höhe des dem Kläger zustehenden Schadensersatzes vor dem Landgericht Cottbus fortzusetzen, was der Kläger der Sache nach auch beantragt hat (§ 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). Auch wenn der Gesetzestext die Fortführung eines Verfahrens durch das Ausgangsgericht nach Zurückweisung eines Rechtsmittels gegen ein Zwischen- bzw. Grundurteil als Zurückweisung bezeichnet, handelt es sich um keine echte Zurückverweisung, weil der Rechtsstreit auch während des Rechtsmittelverfahrens bei dem Vordergericht anhängig bleibt und entsprechend § 304 Abs. 2 ZPO neben diesem Verfahren fortgeführt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 29. April 2004 – V ZB 46/03, in Juris). Ein ausdrücklicher Zurückverweisungsausspruch im Tenor des die Berufung gegen ein Grundurteil zurückweisenden Erkenntnisses des Berufungsgerichtes ist deshalb untunlich, jedenfalls aber entbehrlich (vgl. Zöller/Heßler, ZPO 28. Aufl. § 538 Rdnr. 51 m.w.N.), so dass der Senat eine ausdrückliche Zurückverweisung nicht gesondert tenoriert hat.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Da es sich nicht um einen Fall der Zurückverweisung handelt, ist die Entscheidung über die Kosten der Berufung nicht dem Schlussurteil über das Betragsverfahren vorzubehalten, sondern sogleich bei Zurückweisung des Rechtsmittels zu treffen (vgl. BGH, Beschl. v. v. 29. April 2004, aaO.).

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 872.394,91 € festgesetzt, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

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