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Klinikhaftung für Urheberrechtsverletzungen von Patienten – Filesharing

AG Frankfurt, Az.: 30 C 2801/14 (32), Urteil vom 16.12.2014

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 546,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.03.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz wegen eines Eingriffs in ihren ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb in Anspruch.

Klinikhaftung für Urheberrechtsverletzungen von Patienten - Filesharing
Symbolfoto: Von Gumpanat /Shutterstock.com

Die Klägerin ist ein in S. ansässiges Klinikunternehmen. Sie bietet ihren Patienten einen Internet-Zugang über ein WLAN-Netzwerk zur Nutzung an. Der Zugang zu dem WLAN wird den Patienten dadurch ermöglicht, dass ihnen das erforderliche Passwort mitgeteilt wird. Die Klägerin erhielt von der Beklagten das anwaltliche Schreiben vom 29.01.2014, in welchem sie wegen einer angeblichen Urheberrechtsverletzung durch das Anbieten der Tonaufnahme „Komodo“ über ein sog. Filesharing-Netzwerk abgemahnt wurde. Die Beklagte machte in dem Schreiben einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 300,00 € sowie Rechtverfolgungskosten in Höhe von 546,59 € geltend und unterbreitete der Klägerin einen Vergleichsvorschlag über die Zahlung von 450,00 €. (Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. – 16 d.A. Bezug genommen.)

Die Klägerin antwortete mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 07.02.2014 (vgl. insoweit Anlage K 2, Bl. 19 bis 22 d.A.) und wies den Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung von sich. Sie forderte die Beklagte auf, zu erklären, dass sie die geltend gemachten Ansprüche fallen lasse. Daraufhin erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 10.02.2014 (vgl. K 3, Bl. 23 d.A.) dass sie aufgrund der besonderen Einzelfallumstände auf die geltend gemachten Ansprüche verzichte und diese nicht weiter verfolgen werde.

Mit der Klage begehrt die Klägerin Erstattung der für das vorgerichtliche Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 07.02.2014 entstandenen Rechtsverfolgungskosten.

Sie vertritt die Ansicht, die unberechtigte Abmahnung stelle einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Dieser sei auch schuldhaft gewesen, da für die Beklagte erkennbar gewesen sei, dass es sich bei der Klägerin um ein Klinikunternehmen handele, so dass die Beklagte ohne nähere Kenntnis der Sachlage die Klägerin nicht einer Urheberrechtsverletzung habe bezichtigen dürfen und sie nicht zur Abgabe einer straf bewährten Unterlassungserklärung habe auffordern dürfen.

Die Klägerin trägt vor, es gebe in ihrem Hause zwei WLAN-Netzwerke, eines für die reine Kommunikation der stationär angeschlossenen Netzwerkgeräte und eines für die Bettenstation. Letzteres könne nur über mobile Geräte, wie Laptop-Geräte verwendet werden. Es sei den Mitarbeitern nicht möglich, Software, wie etwa Filesharing-Software, zu installieren, da hierfür die erforderlichen Benutzungsrechte fehlen würden. Das von der Klägerin verwendete WLAN sei fachmännisch eingerichtet und mit der zum damaligen Einrichtungszeitpunkt aktuellen Verschlüsselungstechnik gesichert. Die Patienten würde bei Mitteilung des Passworts für den Internetzugang darüber belehrt, dass sie keine Rechtsverletzungen begehen dürften.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 546,50 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.03.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, ein unerlaubter Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin liege schon deswegen nicht vor, da es insoweit an einem Verschulden der Beklagten mangele. Zum Zeitpunkt der Abmahnung habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin eine Verantwortlichkeit für die über ihren Anschluss begangene Urheberrechtsverletzung treffe. Die Beklagte beruft sich darauf, dass ihr nicht bekannt gewesen sei, dass die Klägerin ein WLAN betreibe, dass sie ihren Patienten zugänglich mache. Zudem sei die Abmahnung nicht unberechtigt gewesen, da die Klägerin nicht ausreichend substantiiert dargelegt habe, für die Rechtsverletzung nicht verantwortlich zu sein und insbesondere der ihr diesbezüglich obliegenden sekundären Darlegungslast nicht genügt habe. Die Beklagte bestreitet, dass das von der Klägerin betriebene WLAN-Netzwerk ordnungsgemäß verschlüsselt gewesen sei. Sie bestreitet zudem, dass die festgestellte Rechtsverletzung von einem Patienten der Klägerin begangen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Klageschrift vom 30.06.2014, den weiteren Schriftsatz der Klägervertreterin vom 27.10.2014, die Klageerwiderung vom 22.09.2014 und den nachgelassenen Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 25.11.2014 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

Der Klägerin steht gemäß § 823 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in tenorierter Höhe zu. Die Beklagte hat durch das Abmahnschreiben vom 29.01.2014 unerlaubt in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin eingegriffen.

Die Abmahnung der Klägerin durch die Beklagte ist zu Unrecht erfolgt. Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass die Klägerin als Täterin für die behauptete Urheberrechtsverletzung haftet. Da die Beklagte lediglich vorgetragen hat, dass die ermittelte IP-Adresse, über die die Urheberrechtsverletzung begangen worden sei, dem Internetanschluss der Klägerin zuzuordnen sei, ist nicht auszuschließen, dass die behauptete Urheberrechtsverletzung über das den Patienten der Klägerin zur Verfügung gestellte WLAN-Netzwerk begangen worden ist. Aus diesem Umstand ergibt sich, dass Personen als Alleintäter in Betracht kommen, deren Handlungen der Klägerin nicht zuzurechnen sind und für die sie nicht haftet. Den Nachweis für eine Haftung der Klägerin als Täterin einer Urheberrechtsverletzung hat die Beklagte daher nicht erbracht.

Die Klägerin kann auch nicht als Störerin in Anspruch genommen werden. Die Klägerin war berechtigt, ihren Patienten Zugang zu dem verschlüsselten WLAN-Netzwerk mittels eines Passwortes zu gewähren. Weitergehende Prüfungs- und Überwachungspflichten, die sie verletzt haben könnte, hatte die Klägerin ohne das Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für das Begehen von Rechtsverletzungen nicht.

Die unberechtigte Abmahnung stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin dar. Dieser war auch schuldhaft. Die Beklagte hätte aufgrund der Firmierung der Klägerin als E.-Klinik. Klinik für o. M., erkennen können, dass im vorliegenden Fall eine große Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden war, dass die Urheberrechtsverletzung von Klinikpatienten begangen worden war. Der bei Privatpersonen für eine Täterschaft des Anschlussinhabers sprechende Anscheinsbeweis war aufgrund des Umstandes, dass es sich bei dem Inhaber des Internet-Anschlusses um eine Klinik handelte, von vornherein nicht anwendbar. Zwar bestand auch die Möglichkeit, dass die Urheberrechtsverletzung nicht von Patienten sondern von Angestellten der Klägerin begangen worden sein konnte. Hierüber hätte sich die Beklagte jedoch vor Abmahnung der Klägerin zunächst informieren müssen. Das Schreiben vom 29.01.2014 diente demgegenüber eindeutig nicht der Informationsbeschaffung darüber, welche Personen zu dem betreffenden Zeitpunkt Zugriff auf den Internet-Anschluss gehabt hatten. Vielmehr hat die Beklagte in dem Schreiben der Klägerin die Begehung einer Urheberrechtsverletzung vorgeworfen und sie unter Androhung gerichtlicher Schritte zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung und zur Zahlung von Schadensersatz und Rechtsverfolgungskosten aufgefordert. Da sie dies trotz erkennbar zweifelhafter Täterschaft der Klägerin getan hat, ohne sich zuvor sichere Kenntnis der Sachlage verschafft zu haben, handelte die Beklagte zumindest fahrlässig (vgl. hierzu auch LG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.08.2010, 2-6 S 19/09).

Die Klägerin ist daher berechtigt, von der Beklagten Ersatz des ihr durch die unberechtigte Abmahnung entstandenen Schadens zu verlangen. Die Beklagte ist verpflichtet, die der Klägerin entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zur Abwehr der Abmahnung in Höhe von 546,50 € zu erstatten. Die Höhe der geltend gemachten Kosten ist nicht zu beanstanden.

Der Zinsanspruch ist aus Verzugsgesichtspunkten gemäß §§ 280, 286 BGB begründet. Es kann jedoch lediglich ein Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 288 abs. 1 BGB geltend gemacht werden. § 288 Abs. 2 BGB findet keine Anwendung, da es sich bei dem Klageanspruch um eine Schadensersatzforderung und nicht um eine Entgeltforderung handelt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 708Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

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