LG Osnabrück, Az.: 2 S 338/17, Beschluss vom 14.11.2017
1. Der Berufungskläger wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß §§ 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Berufungskläger erhält Gelegenheit, binnen einer Frist von 3 Wochen Stellung zu nehmen und die Rücknahme der Berufung aus Kostengründen (Ermäßigung der Gebühren für das Berufungsverfahren von 4 auf 2 Gerichtsgebühren) zu erwägen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die Verurteilung des Beklagten zu Schmerzensgeld nach einer von ihm behaupteten erlittenen Knieverletzung.
Der Kläger ist der geschiedene Ehemann der Mutter des Beklagten. Am 23.12.2016 kam es zwischen dem Kläger und seiner damaligen Ehefrau zu einer Auseinandersetzung. Dabei trat der Kläger gegen die Küchentür, woraufhin diese erheblich beschädigt wurde. Nachdem der Kläger im weiteren Ablauf vor der Ehefrau auf die Erde spuckte oder sie sogar anspuckte, das ist zwischen den Parteien streitig, ohrfeigte sie ihn. Um sie von sich fernzuhalten, hielt der Kläger seine ehemalige Ehefrau mit der Hand an ihrem Hals auf Abstand. Der hinzukommende Beklagte stieß den Kläger weg, woraufhin beide zu Boden gingen.
Der Kläger hat behauptet, dass der Beklagte bei diesem Sturz auf sein Knie gefallen sei, sodass es zu einer Tibiakopffraktur gekommen sei. Er sei deswegen bis einschließlich 03.03.2017 krankgeschrieben gewesen. Er begehrt für diese Zeit den Ersatz des ihm entstandenen Verdienstausfallschadens sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 €.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hält die Kausalität des Sturzes für die erlittene Knieverletzung nicht für nachgewiesen. Es sei auch denkbar, dass der Kläger sich die Verletzung bei dem Tritt gegen die Küchentür zugefügt habe.
Hiergegen wendet sich die Berufung. Der Kläger führt aus, dass er mit dem anderen Bein als dem verletzten gegen die Tür getreten habe und es der Tür auch an der erforderlichen Stabilität fehle, um eine solche Verletzung hervorzurufen. Das Amtsgericht hätte zumindest dem angebotenen Beweismittel der Einholung eines Sachverständigengutachtens nachkommen müssen.
II.
Die Berufung ist zunächst trotz eines fehlenden Sachantrags zulässig. Es bedarf keines förmlichen Antrags, wenn sich aus den innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingereichten Schriftsätzen ergibt, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten wird (BGH, Urt. v. 22.03.2006, Az.: VII ZR 212/04). Aus der Berufungsbegründung ergibt sich eindeutig, dass sich der Kläger in vollem Umfang gegen die Klagabweisung wendet und die vollumfängliche Verurteilung des Beklagten gemäß den erstinstanzlichen Anträgen begehrt.
In der Sache hat die Berufung allerdings offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung der Kammer erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, ist beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, da das Berufungsgericht in dem vorliegenden Fall an die amtsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen gebunden ist und die danach zugrunde zu legenden Tatsachen keine andere Entscheidung rechtfertigen.
Im Ergebnis kommt das Amtsgericht zu der richtigen Entscheidung, dass ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz wegen der erlittenen Knieverletzung nicht besteht.
Bzgl. der haftungsbegründenden Kausalität ist dem Kläger Recht zu geben, dass das Amtsgericht das Beweisangebot auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unbeachtet gelassen hat. Allerdings entfällt ein Schadensersatzanspruch des Klägers jedenfalls mangels einer rechtswidrigen und/oder schuldhaften Handlung des Beklagten.
Das Umstoßen des Klägers durch den Beklagten war entweder im Rahmen einer Notwehrhandlung gemäß § 227 BGB gerechtfertigt, worauf das Amtsgericht in seiner Entscheidung bereits richtigerweise hingewiesen hat, oder nach den Grundsätzen der Putativnotwehr entschuldigt.
Legt man den Beklagtenvortrag zugrunde, der Kläger habe seine damalige Ehefrau mit den Händen am Hals gehalten und sie geschüttelt, würde die Handlung eine Notwehrhandlung gemäß § 227 BGB darstellen. Der Kläger ließ hierzu allerdings vortragen, dass er seine Ehefrau nach einer von ihr unstreitig erfolgten Ohrfeige mit den Händen lediglich auf Abstand gehalten habe.
Dieser Vortrag des Klägers lässt indessen nicht den Schluss auf ein Verschulden des Beklagten zu (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 02.10.1997, Az.: 5 U 452/97, juris). Danach hätte sich der Beklagte in einer Putativnotwehrsituation befunden. Putativnotwehr liegt vor, wenn der Schädiger irrtümlich annimmt, in Notwehr zu handeln, dieser Irrtum aber entschuldigt werden kann (BGH NJW 87, 2509). Der Beklagte fand eine Situation vor, in der sein Stiefvater seine Hände an dem Hals seiner Mutter hatte. Dies ist unstreitig. Der Beklagte durfte unter Einbeziehung der übrigen Umstände subjektiv davon ausgehen, dass der Kläger seine Mutter würgte und sie sich damit in Gefahr befand. Der Situation war ein Streit mit ausgeprägter Aggressivität von beiden Beteiligten voraus gegangen. Der Kläger hatte unstreitig durch einen Fußtritt die Küchentür zerbrochen, seine damalige Ehefrau hatte gespuckt und ihm eine Ohrfeige verpasst. Es ist daher mehr als verständlich, dass der Beklagte vor diesem Hintergrund davon ausgegangen ist, dass der Kläger mit seinen Händen am Hals der Ehefrau diese nicht nur auf Abstand halten, sondern sie würgen wollte.
Dem Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, eine zusätzliche Aufklärung des Sachverhalts unterlassen oder überreagiert zu haben (OLG Koblenz, aaO). Da das Würgen eine direkte Einwirkung auf die lebensnotwendigen Körperfunktionen hat, ist es erforderlich, dieses so schnell wie möglich zu unterbrechen. Die Reaktion des Beklagten war demnach der Situation angemessen. Selbst den Klägervortrag zugrunde gelegt, dass der Beklagte sich unvermittelt auf ihn stürzte und in „Judo Art und Weise“ zu Boden warf, war das Handeln nicht besonders aggressiv, sondern erforderlich, um das vermeintliche Würgen zu beenden.
Eine Aufklärung, ob der Kläger seine damalige Ehefrau tatsächlich gewürgt hat, bedarf es daher nicht. Selbst bei Zugrundlegung des klägerischen Vortrags scheidet eine Haftung des Beklagten aus, die Berufung ist daher unbegründet.