Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Kollision bei Grünlicht: Komplexe Haftungsfragen im Verkehrsrecht geklärt
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche rechtlichen Pflichten haben Verkehrsteilnehmer beim Herannahen eines Rettungsfahrzeugs?
- Wie wird die Haftung verteilt, wenn es beim Platzmachen für einen Rettungswagen zum Unfall kommt?
- Welche Rolle spielt die Ampelschaltung bei der Schuldfrage im Zusammenhang mit Rettungsfahrzeugen?
- Welche Beweise sind für die Unfallaufklärung bei Rettungswagenunfällen besonders wichtig?
- Welche Versicherung zahlt bei Unfällen im Zusammenhang mit Rettungsfahrzeugen?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Weitere Beiträge zum Thema
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht München I
- Datum: 19.12.2022
- Aktenzeichen: 19 O 5176/21
- Verfahrensart: Zivilrechtliches Verfahren wegen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall
- Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Schadensersatzrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Eine Versicherungsgesellschaft, die als Kraftfahrzeugkaskoversicherer auftritt und Schadensersatzansprüche geltend macht. Ihr Argument: Der Fahrer ihres versicherten Fahrzeugs sei nicht mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren und das Beklagtenfahrzeug sei unnötig weit in die Kreuzung eingefahren, was den Unfall verursachte.
- Beklagter (Fahrer des anderen Fahrzeugs): Steuerte ein bei der Beklagten zu 2) versichertes Fahrzeug. Er argumentiert, er sei langsam in die Kreuzung gefahren, um einem Rettungsfahrzeug Platz zu machen, und habe keine Schuld am Unfall.
- Beklagte zu 2): Die Haftpflichtversicherung des Beklagtenfahrzeugs, die eine weitergehende Schadensregulierung ablehnt.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Verkehrsunfall ereignete sich in M. am 06.12.2019, als der Fahrer eines Taxis, im Auftrag der Klägerin vollkaskoversichert, mit einem Pkw kollidierte, das bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war. Der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs fuhr bei Rotlicht in die Kreuzung, um einem Rettungsfahrzeug Platz zu gewähren, während das klägerische Fahrzeug bei Grün einfuhr.
- Kern des Rechtsstreits: Die Hauptfrage war die Haftungsverteilung bei dem Unfall, insbesondere ob das Verhalten des Beklagten, bei Rotlicht in die Kreuzung einzufahren, um Platz für ein Rettungsfahrzeug zu schaffen, eine Mitschuld am Unfall darstellte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde teilweise zugunsten der Klägerin entschieden. Die Beklagten wurden verurteilt, gesamtschuldnerisch 5.808,65 € Schadensersatz sowie 934,03 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten an die Klägerin zu zahlen.
- Begründung: Das Gericht befand, dass beide Fahrer das Unfallereignis hätten vermeiden können, beurteilt wurde eine Haftungsverteilung von 25% zu 75% zu Lasten der Beklagten. Der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs hätte nicht so weit bei Rotlicht in die Kreuzung einfahren dürfen, während der Taxifahrer hätte vorsichtiger sein müssen im Wissen eines Rettungsfahrzeugs in der Nähe.
- Folgen: Die Beklagten müssen die festgelegten Schadensbeträge zahlen. Dies gibt Orientierung über die Sorgfalt, die anderen Fahrzeugen gegenüber notwendig ist, insbesondere wenn ein Rettungsfahrzeug involviert ist. Die Kosten wurden prozentual zwischen Klägerin und Beklagten aufgeteilt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Kollision bei Grünlicht: Komplexe Haftungsfragen im Verkehrsrecht geklärt
Das Verkehrsrecht regelt die Nutzung öffentlicher Straßen und schützt die Verkehrssicherheit. Besonders an Ampelkreuzungen sind Vorfahrtsregeln entscheidend, um unfallfreies Fahren zu ermöglichen. Eine Kollision bei Grünlicht kann komplexe rechtliche Fragen aufwerfen, insbesondere wenn ein Fahrzeug bei Rot über die Ampel fährt. Solche Verkehrsunfälle führen zu Streitigkeiten über die Fahrerhaftung und die Schadensregulierung, da die Unfallursache oft unklar bleibt und es auf Zeugenaussagen ankommen kann.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Begrenzte Haftung des Unfallverursachers zu verstehen und die dazugehörigen rechtlichen Konsequenzen zu beleuchten. Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der diese komplexen Aspekte des Verkehrsrechts anschaulich verdeutlicht.
Der Fall vor Gericht
Unfall bei Rettungseinsatz: 75% Haftung für Rotlichtfahrer trotz Vorfahrtsschaffung für Rettungswagen

Bei einem Verkehrsunfall in München kollidierten ein Taxi und ein VW, als der VW-Fahrer bei Rot in eine Kreuzung einfuhr, um einem Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn Platz zu machen. Das Landgericht München I entschied, dass der VW-Fahrer zu 75% und der Taxifahrer zu 25% für den entstandenen Schaden haften müssen.
Unfallhergang am Sendlinger-Tor-Platz
Der Unfall ereignete sich am 6. Dezember 2019 an der Kreuzung zwischen Sendlinger-Tor-Platz und Sonnenstraße. Der VW-Fahrer stand bei Rotlicht auf dem dritten Fahrstreifen, als sich von hinten ein Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn näherte. Um dem Einsatzfahrzeug die Durchfahrt zu ermöglichen, fuhr er in die Kreuzung ein. Zur gleichen Zeit näherte sich das Taxi auf der Sonnenstraße von rechts bei Grünlicht. Bei der folgenden Kollision wurde das Taxi an der linken Fahrzeugseite und vorne rechts beschädigt, während der VW Schäden im Frontbereich und an der Stoßstange erlitt.
Gerichtliche Bewertung des Unfallgeschehens
Das Gericht stützte sich bei seiner Entscheidung maßgeblich auf ein Unfallanalytisches Gutachten. Dieses widerlegte die Aussagen von Zeugen, wonach der VW nur langsam in die Kreuzung gefahren sei. Tatsächlich betrug die Kollisionsgeschwindigkeit des VW etwa 20 km/h – deutlich zu schnell für die besondere Verkehrssituation. Zudem befand sich der VW zum Unfallzeitpunkt bereits 19 Meter von seiner Haltelinie entfernt auf der Gegenfahrbahn. Nach Einschätzung des Gerichts wäre ein Ausweichen im Kreuzungsbereich nach links vor die dortige Baustellenbegrenzung ausreichend gewesen, um den Rettungswagen passieren zu lassen.
Mitschuld des Taxifahrers
Dem Taxifahrer lastete das Gericht an, dass er trotz der erkennbaren Ausnahmesituation mit einem Rettungswagen in die Kreuzung einfuhr, ohne sich ausreichend zu vergewissern, ob sich weitere Fahrzeuge im Kreuzungsbereich befanden. Das Gericht berücksichtigte dabei, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer auf der linken Fahrspur an der grünen Ampel stehen blieb und die Situation erst abwartete. Auch wechselte der Taxifahrer im Kreuzungsbereich entgegen seiner Aussage von der rechten auf die linke Spur. Die von Zeugen behauptete überhöhte Geschwindigkeit des Taxis konnte hingegen nicht nachgewiesen werden – der Sachverständige ermittelte eine Kollisionsgeschwindigkeit von 25-30 km/h.
Rechtliche Folgen und Schadensersatz
Das Gericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung von 5.808,65 Euro nebst Zinsen an die Versicherung des Taxis. Dieser Betrag ergibt sich aus der festgelegten Haftungsquote von 75% und bereits geleisteten Zahlungen. Zusätzlich müssen die Beklagten vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 934,03 Euro tragen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass auch bei der Schaffung einer Rettungsgasse erhebliche Sorgfaltspflichten bestehen. Wer bei Rot in eine Kreuzung einfährt, um einem Rettungsfahrzeug Platz zu machen, haftet zu 75%, wenn er dabei unnötig weit in die Kreuzung einfährt oder zu schnell fährt. Gleichzeitig trifft aber auch den bei Grün einfahrenden Verkehrsteilnehmer eine Mitschuld von 25%, wenn er trotz erkennbarer Ausnahmesituation durch Martinshorn und Blaulicht nicht besonders vorsichtig in die Kreuzung einfährt.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie einem Rettungsfahrzeug mit Sondersignalen Platz machen müssen, sollten Sie nur so weit wie unbedingt nötig in eine Kreuzung einfahren und dabei besonders langsam und vorsichtig vorgehen – auch wenn Sie bei Rot fahren dürfen. Gleichzeitig müssen Sie als Verkehrsteilnehmer beim Einfahren in eine Kreuzung trotz grüner Ampel besonders aufmerksam sein, wenn Sie Martinshorn und Blaulicht wahrnehmen, da andere Fahrzeuge dem Rettungswagen Platz machen könnten. Bei einem Unfall können Sie auch bei grüner Ampel mitverantwortlich gemacht werden, wenn Sie die besondere Situation nicht ausreichend berücksichtigt haben.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche rechtlichen Pflichten haben Verkehrsteilnehmer beim Herannahen eines Rettungsfahrzeugs?
Bei Rettungsfahrzeugen mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn müssen alle Verkehrsteilnehmer nach § 38 StVO sofort freie Bahn schaffen. Diese Pflicht gilt unabhängig von der eigenen Vorfahrtsberechtigung oder Ampelphase.
Konkrete Verhaltensregeln
Auf einspurigen Straßen müssen Sie an den rechten Fahrbahnrand fahren und dort anhalten. Bei mehrspurigen Straßen gilt: Fahrzeuge auf der linken Spur weichen nach links aus, alle anderen nach rechts. Dies ermöglicht die Bildung einer Rettungsgasse in der Mitte.
Besondere Verkehrssituationen
Wenn Sie an einer Ampel Grünlicht haben, müssen Sie trotzdem dem Rettungsfahrzeug Vorrang gewähren. Auch der Gegenverkehr muss seine Geschwindigkeit verringern und wenn möglich rechts halten, um dem Rettungsfahrzeug ausreichend Platz zu verschaffen.
Rechtliche Konsequenzen
Bei Missachtung des Wegerechts für Einsatzfahrzeuge drohen empfindliche Strafen. Das Nichtbilden einer Rettungsgasse wird mit mindestens 200 Euro Bußgeld geahndet. Kommt es zu einem Unfall, können Sie trotz eigener Vorfahrtsberechtigung mithaften, wenn Sie die Sondersignale des Rettungsfahrzeugs ignoriert haben.
Wie wird die Haftung verteilt, wenn es beim Platzmachen für einen Rettungswagen zum Unfall kommt?
Bei Unfällen mit Rettungsfahrzeugen wird die Haftung stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls bestimmt. Die Sonderrechte des Rettungsdienstes befreien nicht automatisch von der Haftung.
Pflichten des Rettungswagenfahrers
Der Fahrer eines Rettungswagens muss trotz Sonderrechten besondere Sorgfalt walten lassen. Bei einer Rotlichtfahrt darf er die Kreuzung erst überqueren, wenn er sich vergewissert hat, dass andere Verkehrsteilnehmer ihn wahrgenommen haben. Die Verkehrssicherheit hat stets Vorrang vor dem schnellen Vorankommen.
Pflichten der anderen Verkehrsteilnehmer
Andere Verkehrsteilnehmer müssen einem Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn unverzüglich Platz machen. Bei unklaren Verkehrssituationen ist besondere Vorsicht geboten. Wenn ein vorausfahrendes Fahrzeug trotz grüner Ampel stehen bleibt, muss der nachfolgende Verkehr zunächst die Situation prüfen.
Typische Haftungsverteilung
Die Gerichte bewerten bei der Haftungsverteilung verschiedene Faktoren:
- Erkennbarkeit des Einsatzfahrzeugs (Blaulicht, Martinshorn)
- Einhaltung der Sorgfaltspflichten beider Seiten
- Vermeidbarkeit des Unfalls
In einem aktuellen Fall des OLG Frankfurt wurde eine hälftige Haftungsquote (50:50) festgelegt, weil beide Seiten Sorgfaltspflichten verletzt hatten: Der Rettungswagenfahrer überquerte die Kreuzung bei Rot ohne ausreichende Sicherung, der andere Fahrer missachtete die Warnsignale und die unklare Verkehrssituation.
Bei der Schadensregulierung wird auch berücksichtigt, ob der Rettungswagen tatsächlich im Einsatz mit Sonderrechten unterwegs war. Die Beweislast für das Vorliegen einer Einsatzfahrt trägt derjenige, der sich auf die Sonderrechte beruft.
Welche Rolle spielt die Ampelschaltung bei der Schuldfrage im Zusammenhang mit Rettungsfahrzeugen?
Die Ampelschaltung ist ein entscheidender Faktor bei der rechtlichen Bewertung von Unfällen mit Rettungsfahrzeugen. Wenn Sie als Verkehrsteilnehmer bei Grün in eine Kreuzung einfahren und mit einem Rettungsfahrzeug kollidieren, das bei Rot die Kreuzung überquert, kommt es auf mehrere Aspekte an.
Sorgfaltspflichten des Rettungsfahrzeugs
Ein Rettungsfahrzeug darf trotz Sonderrechten eine rote Ampel nicht ohne weiteres überfahren. Der Fahrer muss sich zuvor vergewissern, dass andere Verkehrsteilnehmer die Sondersignale wahrgenommen haben und sich darauf einstellen konnten. Bei mehrspurigen Kreuzungen mit freien Fahrspuren muss besondere Vorsicht walten, da nicht automatisch davon ausgegangen werden kann, dass die Kreuzung gefahrlos überquert werden kann.
Pflichten der anderen Verkehrsteilnehmer
Wenn Sie eine grüne Ampel haben, bedeutet dies nicht automatisch, dass Sie von jeder Sorgfaltspflicht befreit sind. Bei Wahrnehmung von Martinshorn oder Blaulicht müssen Sie Ihre Fahrweise der Situation anpassen. Bleiben Fahrzeuge vor Ihnen trotz grüner Ampel stehen, sollten Sie von einer unklaren Verkehrslage ausgehen und entsprechend vorsichtig agieren.
Haftungsverteilung bei Unfällen
Die Rechtsprechung zeigt, dass die Ampelschaltung allein nicht ausschlaggebend für die Schuldfrage ist. Stattdessen wird das Gesamtverhalten aller Beteiligten bewertet. In einem aktuellen Fall des OLG Frankfurt wurde die Haftung hälftig verteilt, obwohl der eine Fahrer Grün und der Rettungswagen Rot hatte. Ausschlaggebend war, dass beide Fahrer ihre jeweiligen Sorgfaltspflichten verletzt hatten.
Welche Beweise sind für die Unfallaufklärung bei Rettungswagenunfällen besonders wichtig?
Bei Unfällen mit Rettungswagen sind vier zentrale Beweiskategorien für die rechtliche Bewertung entscheidend:
Dokumentation der Einsatzsituation
Die Einsatzdokumentation muss die Dringlichkeit der Fahrt belegen. Hierzu gehören der Einsatzgrund, die Alarmierungszeit und die Einsatzprotokolle. Diese Unterlagen beweisen, ob tatsächlich höchste Eile zur Rettung von Menschenleben geboten war.
Technische Beweise
Die Funktionsfähigkeit von Sondersignalen muss nachweisbar sein. Dazu zählen Aufzeichnungen über den Betrieb von Blaulicht und Martinshorn zum Unfallzeitpunkt. Wenn Sie in einen Unfall verwickelt sind, achten Sie besonders auf die Position der Fahrzeuge und eventuelle Bremssspuren.
Zeugenaussagen
Neutrale Zeugenaussagen haben besonderes Gewicht. Sie können bestätigen, ob:
- Die Sondersignale rechtzeitig wahrnehmbar waren
- Die Geschwindigkeit des Rettungswagens angemessen war
- Der Rettungswagenfahrer die Kreuzung vorsichtig angefahren hat
Unfallspuren und Dokumentation
Die unmittelbare Beweissicherung am Unfallort ist entscheidend. Fotografieren Sie die Unfallstelle aus verschiedenen Perspektiven. Markieren Sie die Endpositionen der Fahrzeuge, wenn diese aus Sicherheitsgründen verschoben werden müssen.
Die Beweislast für die rechtmäßige Nutzung der Sonderrechte liegt beim Rettungswagenfahrer. Er muss nachweisen können, dass er die Sonderrechte unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit ausgeübt hat.
Welche Versicherung zahlt bei Unfällen im Zusammenhang mit Rettungsfahrzeugen?
Bei einem Unfall mit einem Rettungsfahrzeug greift zunächst die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers entsprechend der festgestellten Haftungsquote. Die Schadensregulierung erfolgt nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und der jeweiligen Schuldfrage.
Haftungsverteilung bei Unfällen mit Rettungsfahrzeugen
Die Haftung wird individuell nach dem Grad des Verschuldens der beteiligten Parteien festgelegt. Wenn Sie in einen Unfall mit einem Rettungsfahrzeug verwickelt werden, müssen Sie als Fahrer eines Privatfahrzeugs beweisen, dass Sie keine oder nur eine geringe Mitschuld tragen.
Besonderheiten bei Sondersignalen
Wenn das Rettungsfahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn unterwegs ist, bedeutet dies nicht automatisch eine vollständige Haftungsbefreiung. Selbst bei einer Einsatzfahrt mit Sondersignalen kann der Rettungswagen anteilig haftbar gemacht werden. Bei einem aktuellen Fall des OLG Frankfurt wurde beispielsweise eine hälftige Haftungsquote zwischen Rettungswagen und Privatfahrzeug festgelegt.
Schadensregulierung in der Praxis
Die Versicherungsleistung richtet sich nach der gerichtlich oder außergerichtlich festgestellten Haftungsquote. Bei einem Zusammenstoß zweier ausweichender Fahrzeuge wird der Schaden häufig zu gleichen Teilen von den jeweiligen Haftpflichtversicherungen übernommen. Wenn Sie durch ein Ausweichmanöver einen Schaden am eigenen Fahrzeug verursachen, prüft die Versicherung, ob der Schaden durch ein alternatives Verhalten hätte vermieden werden können.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Verkehrssicherheit
Der zentrale Grundsatz im Straßenverkehrsrecht, der die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer gewährleisten soll. Er verpflichtet jeden Fahrer, sich so zu verhalten, dass keine anderen Personen gefährdet oder geschädigt werden. Geregelt in §1 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Beispiel: Ein Autofahrer muss seine Geschwindigkeit den Straßen- und Wetterverhältnissen anpassen, auch wenn ein höheres Tempo erlaubt wäre.
Fahrerhaftung
Die rechtliche Verantwortung eines Fahrzeugführers für Schäden, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs entstehen. Basiert auf §7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und kann auch ohne Verschulden bestehen (Gefährdungshaftung). Die Haftung kann bei Mitverschulden anderer prozentual aufgeteilt werden. Beispiel: Bei einem Auffahrunfall haftet der Auffahrende in der Regel zu 100%, bei einer Vorfahrtsverletzung kann die Haftung zwischen beiden Beteiligten aufgeteilt werden.
Schadensregulierung
Der rechtliche Prozess der Feststellung, Bewertung und des Ausgleichs von Schäden nach einem Verkehrsunfall. Umfasst die Ermittlung der Schadenshöhe, Festlegung der Haftungsquoten und die Durchsetzung von Ersatzansprüchen nach §249 BGB. Beispiel: Nach einem Unfall wird der Fahrzeugschaden durch einen Gutachter festgestellt und die Versicherung zahlt entsprechend der Haftungsquote.
Kollisionsgeschwindigkeit
Die tatsächliche Geschwindigkeit eines Fahrzeugs im Moment des Zusammenstoßes, die durch unfallanalytische Gutachten ermittelt wird. Sie ist ein wichtiger Faktor bei der Bewertung des Unfallhergangs und der Schuldfrage nach §17 StVG. Beispiel: Bremsspuren, Beschädigungen und Endpositionen der Fahrzeuge ermöglichen Rückschlüsse auf die Geschwindigkeit beim Aufprall.
Unfallanalytisches Gutachten
Ein von Sachverständigen erstellter Fachbericht, der den Unfallhergang technisch-wissenschaftlich rekonstruiert. Basiert auf §404 ZPO und ist oft entscheidend für die gerichtliche Beurteilung. Analysiert werden Spurenlage, Fahrzeugschäden, Kollisionswinkel und physikalische Gesetzmäßigkeiten. Beispiel: Ein Gutachter kann anhand von Bremsspuren und Fahrzeugschäden die Ausgangsgeschwindigkeiten und Bewegungsabläufe beim Unfall bestimmen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 7 Absatz 1 StVG: Dieser Paragraph regelt die Haftung des Fahrzeughalters bei einem Unfall. Nach § 7 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) haftet der Halter eines Fahrzeugs für Schäden, die durch den Gebrauch dieses Fahrzeugs verursacht werden, unabhängig davon, wer das Fahrzeug geführt hat. Dies stellt sicher, dass Geschädigte eine verlässliche Anspruchsgrundlage für Schadensersatz haben.Im vorliegenden Fall betrifft dies die Haftung der Beklagtenparteien, da das Fahrzeug, das den Unfall verursacht hat, bei ihnen haftpflichtversichert ist. Die Klägerin konnte somit Ansprüche auf Schadensersatz gemäß dieser gesetzlichen Grundlage geltend machen.
- § 17 StVG: Dieser Paragraph beschäftigt sich mit der Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen. § 17 StVG regelt, wie die Verantwortung zwischen den Unfallbeteiligten aufgeteilt wird, insbesondere durch die Ermittlung einer Haftungsquote basierend auf dem Verschulden jedes Beteiligten.Im Urteil wurde eine Haftungsquote von 75 % zu Ungunsten der Beklagten festgelegt. Dies bedeutet, dass § 17 StVG zur Bestimmung beigetragen hat, wie die Verantwortung für den Unfall zwischen den Parteien verteilt wurde.
- § 11 Absatz 3 StVO: Dieser Abschnitt der Straßenverkehrsordnung (StVO) behandelt das Verhalten von Fahrzeugführern an roten Ampeln. Nach § 11 Absatz 3 StVO ist das Einfahren in eine Kreuzung bei Rotlicht grundsätzlich verboten, es sei denn, es besteht eine besondere Gefahrenlage, wie das Freimachen eines Rettungsfahrzeugs.Im vorliegenden Fall fuhr der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs bei Rotlicht in die Kreuzung, um einem Rettungswagen Platz zu machen. Allerdings wurde festgestellt, dass er dabei nicht die gebotene Sorgfalt walten ließ, was zur Haftungszuweisung gemäß § 11 Absatz 3 StVO führte.
- §§ 280, 286, 288 BGB: Diese Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) regeln den Schadensersatzanspruch und die Verzugszinsen. § 280 BGB legt die Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche fest, während § 286 den Verzug und § 288 die Zinsregelungen bei Zahlungsverzug regeln.Die Klägerin im vorliegenden Fall beanspruchte Schadensersatz sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Die Anwendung dieser Vorschriften ermöglichte es dem Gericht, Zinsen für die verspäteten Zahlungen festzulegen und die finanziellen Ansprüche der Klägerin rechtlich abzusichern.
- § 92 ZPO: Dieser Paragraph der Zivilprozessordnung (ZPO) bestimmt, wer die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen hat. Grundsätzlich trägt die unterliegende Partei die Gerichtskosten und die Kosten der Gegenpartei.Im Urteil wurde festgelegt, dass die Klägerin 47 % und die Beklagten 53 % der Prozesskosten tragen müssen. § 92 ZPO bildete dabei die Grundlage für diese Kostenverteilung, indem er die Regelungen zur Kostentragung im Verfahren festlegte.
Weitere Beiträge zum Thema
- Verkehrsunfall mit Rettungswagen im Einsatz – Haftungsverteilung
Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied, dass bei einem Unfall zwischen einem Rettungswagen im Einsatz und einem anderen Fahrzeug die Haftung nicht automatisch dem Unfallgegner zufällt. Vielmehr wird die Haftung im Einzelfall unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr und der Sorgfaltspflichten beider Parteien verteilt. Im vorliegenden Fall wurde eine Haftungsverteilung von 25 % zu 75 % zu Lasten des Unfallgegners festgelegt. → → Einzelfallentscheidung zur Haftung bei Rettungswageneinsätzen - Verkehrsunfall mit Rettungsfahrzeug an Ampel
Das Oberlandesgericht Frankfurt befasste sich mit einem Unfall zwischen einem Rettungsfahrzeug im Einsatz und einem Privatfahrzeug an einer Ampelkreuzung. Trotz der Sonderrechte des Rettungsfahrzeugs wurde festgestellt, dass beide Fahrer Sorgfaltspflichten verletzten. Die Haftung wurde daher gleichmäßig auf beide Parteien verteilt. → → Haftungsteilung an Ampelknotenpunkten - Verkehrsunfall mit Rettungswagen mit Geschwindigkeitsüberschreitung
Bei einem Unfall mit einem Rettungswagen, der mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war, entschied das Gericht, dass die Haftung nicht automatisch dem Unfallgegner zugewiesen wird. Es ist entscheidend, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Sonderrechten vorlagen und ob die Sorgfaltspflichten beachtet wurden. Die Haftungsverteilung wird im Einzelfall bestimmt. → → Haftungsermittlung bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von Rettungsdiensten - Verkehrsunfall mit überhöhter Geschwindigkeit mit stehenden Rettungswagen
Das Oberlandesgericht Frankfurt urteilte, dass bei einem Unfall mit einem stehenden Rettungswagen auf der Autobahn eine Mithaftung des Unfallgegners besteht, wenn dieser mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war. Die Haftungsverteilung wurde mit 25 % zu Lasten des Unfallgegners festgelegt. → → Mithaftung bei Geschwindigkeitsüberschreitungen und Rettungswagen - Haftungsverteilung bei nicht bewiesenem Unfallgeschehen
Das Landgericht Köln entschied, dass bei einem nicht aufklärbaren Unfallhergang eine hälftige Haftungsverteilung angemessen ist. Da keine der Parteien beweisen konnte, dass der Unfall durch das Verschulden der anderen verursacht wurde, wurde die Haftung gleichmäßig verteilt. → → Gleichmäßige Haftung bei strittigen Unfallhergängen
Das vorliegende Urteil
LG München I – Az.: 19 O 5176/21 – Endurteil vom 19.12.2022
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz