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Kollision dreier Fahrradfahrer – Haftungsverteilung

OLG München – Az.: 10 U 2533/15 – Urteil vom 22.09.2017

1. Auf die Berufung der Kläger vom 15.07.2015 wird das Endurteil des LG München I vom 29.06.2015 (Az. 19 O 25151/15) abgeändert und insgesamt neugefasst wie folgt:

I.1 Die Ansprüche der Klägerin zu 2) auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus dem Verkehrsunfall vom 14.08.2011 gegen 14.10 Uhr in M. auf dem parallel zur BAB A 95 verlaufenden Radweg auf Höhe des Lichtmastes 13 und des BAB-Kilometers 3,0 sind, soweit geltend gemacht, dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

I.2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 2) sämtliche weiteren materiellen Schäden zu 50 % und immaterielle Schäden unter Beachtung eines Mitverschuldens von 50 % zu ersetzen, die ihr auf Grund des Verkehrsunfalls vom 14.08.2011 gegen 14.10 Uhr in M. auf dem parallel zur BAB A 95 verlaufenden Radweg auf Höhe des Lichtmastes 13 und des BAB-Kilometers 3,0 noch entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

I.3. Die weitergehende Feststellungsklage der Klägerin zu 2) wird abgewiesen.

II.1. Die Ansprüche des Klägers zu 1) auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus dem Verkehrsunfall vom 14.08.2011 gegen 14.10 Uhr auf dem parallel zur BAB A 95 verlaufenden Radweg auf Höhe des Lichtmastes 13 und des BAB-Kilometers 3,0 sind, soweit geltend gemacht, dem Grunde nach gerechtfertigt, die materiellen zu 50 % und die immateriellen unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers zu 1) von 50 %, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

II.2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 1) sämtliche weiteren materiellen Schäden zu 50 % und immaterielle Schäden unter Beachtung eines Mitverschuldens von 50 % zu ersetzen, die ihm auf Grund des Verkehrsunfalls vom 14.08.2011 gegen 14.10 Uhr in M. auf dem parallel zur BAB A 95 verlaufenden Radweg auf Höhe des Lichtmastes 13 noch entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

II.3.Die weitergehende Feststellungsklage des Klägers zu 1) wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

2. Zur Entscheidung über den Betrag wird der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht München I zurückverwiesen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zum 10.06.2016 auf 53.536,56 € (Kläger zu 1: 45.218,03 €; Klägerin zu 2: 11.818,53 €), von da an bis 14.07.2017 auf 50.036,56 € (Kläger zu 1: 43.468,03 €; Klägerin zu 2: 10.068,53 €) und von da an auf 53.536,56 € (Kläger zu 1: 45.218,03 €; Klägerin zu 2: 11.818,53 €) festgesetzt.

Gründe

A.

Kollision dreier Fahrradfahrer - Haftungsverteilung
Symbolfoto: Von Photographee.eu/Shutterstock.com

Die Kläger machen gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz, Schmerzensgeld sowie Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden aus einem Verkehrsunfall vom 14.08.2011 gegen 14.30 Uhr in M. auf dem parallel zur BAB A 95 verlaufenden, in beiden Richtungen freigegebenen Radweg auf Höhe des Lichtmastes 13, Autobahnkilometer 3,0 geltend.

Die behaupteten materiellen Schäden sowie das Schmerzensgeld machen die Kläger unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50 % geltend, hinsichtlich des Feststellungsbegehrens für künftige materielle und immaterielle Schäden berücksichtigten die Kläger im Termin vom 10.06.2016 (Bl. 145 d.A.) zunächst ebenfalls ein Mitverschulden von 50 %, machen das Feststellungsbegehren zuletzt aber uneingeschränkt geltend. Hinsichtlich einer Mithaftung von mehr als 50 % betreffend die Feststellungsbegehren wendet die Beklagte Verjährung ein.

Die Kläger befuhren mit ihren Rennrädern, ausgerüstet mit Helm und Handschuhen den Radweg Richtung M., die Klägerin zu 2) fuhr voraus, der Kläger zu 1) folgte ihr in knappem Abstand. Ihnen entgegen fuhr eine Gruppe bestehend aus 3 Radfahrern, vorne weg der Zeuge B., gefolgt von seiner Ehefrau, der Beklagten, und dem Zeugen H. Nachdem die Klägerin zu 2) den Zeugen B. passiert hatte, kam es aus streitiger Ursache zu einem Kontakt zwischen dem Rad der Klägerin zu 2) oder der Klägerin zu 2) und dem Rad der Beklagten oder der Beklagten, woraufhin die Klägerin zu 2) und die Beklagte zu Sturz kamen. Der Kläger zu 1) fuhr sodann auf die Klägerin zu 2) auf und kam ebenfalls zu Sturz. Durch das Sturzgeschehen erlitten der Kläger zu 1) u.a. eine AC Gelenksprengung rechts Rockwood Grad IV, die Klägerin zu 2) u.a. eine Fraktur an der Lendenwirbelsäule, einen Beckenbruch im Bereich der Schambeinkante und eine Prellmarke in der linken Ellenbogenbeuge. An den Rädern der Kläger entstand jeweils Totalschaden. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 29.06.2015 (Bl. 80/90 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG München I hat nach Anhörung der Unfallbeteiligten sowie der Zeugen B. und H. ohne Erholung des von den Klägern beantragten Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses den Klägern am 03.07.2015 zugestellte Urteil haben die Kläger mit einem beim Oberlandesgericht München am 15.07.2015 eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt (Bl. 99/100 d.A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist (Bl. 106 d.A.) mit einem beim Oberlandesgericht München am 02.10.2015 eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten (Bl. 107/114 d.A.) begründet.

Die Kläger tragen vor, sie seien mit etwa 20 km/h rechts orientiert gefahren, die Beklagte sei plötzlich nach links ausgeschert und gegen den Arm der Klägerin zu 2) gestoßen, wodurch diese umgerissen und ebenso wie ihr dahinter fahrender Mann zu Sturz gekommen sei. Die Schulterverletzung des Klägers zu 1) sei in Restfehlstellung mit Bewegungseinschränkung verheilt, wegen eingeschränkter Feinmotorik und Belastbarkeit könne er seinen Beruf als Gravurmeister nicht mehr ausüben und sei in seiner Haushaltsführungsfähigkeit und Freizeitgestaltung beeinträchtigt. Die Prozessus-Transversus-Fraktur des 5. Lendenwirbelkörpers rechts und des Schambeinastes der Klägerin zu 2) sei mit verbliebenem Funktionsdefizit verheilt, nach einer halben Stunde Gehen würden Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule auftreten, es sei eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit von 2,5 % eingetreten.

Die Kläger beantragen zuletzt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 20.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.11.2011 zu bezahlen, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) 2.687,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.491,11 € seit 16.11.2011 sowie aus 1.196,49 € seit 20.01.2015 zu bezahlen, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) 19.030,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.11.2011 zu bezahlen, die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 6.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.11.2011 zu bezahlen, die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) 1.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.11.2011 zu bezahlen, die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) weitere 818,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.11.2011 zu bezahlen, die Beklagte wird verurteilt, 2.110,11 € an den Kläger zu 1) und 985,56 € an die Klägerin zu 2) für außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.01.2015 zu bezahlen, es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihnen auf Grund des Verkehrsunfalls vom 14.08.2011 um 14.10 Uhr in M. auf dem parallel zur BAB A 95 verlaufenden Radweg auf Höhe des Lichtmastes 13 und des BAB-Kilometers 3,0 noch entstehen werden.

Für den Fall, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine eigene Sachentscheidung nicht gegeben sieht: die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht München I.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die zum Unfallzeitpunkt 74-jährige Beklagte sei sportlich und gehe jeden Tag schwimmen und sei eine geübte und sichere Radfahrerin. Sie sei mit ca. 10 km/h – 15 km/h gefahren. So, wie die Kläger gefahren seien, habe es der Zeuge B. noch nicht erlebt. Beide hätten den Lenker ganz unten gegriffen, den Kopf nach unten und seien Vollgas gefahren, bestimmt 3-mal so schnell wie die Beklagte und ihr Mann. Es habe ausgesehen wie bei einem Zielsprint bei der Tour de France, wenn man so stark reintritt in die Pedale, dass das Fahrrad nach links und rechts wackelt, der Kläger zu 1) sei im Windschatten in einem Abstand von weniger als 1 m hinter der Frau gefahren. Die Beklagte habe die Kläger in einem Abstand von ca. 6 – 7 m wahrgenommen und sei ganz rechts gefahren und habe keine ausweichende Lenkbewegung gemacht. Unfallursache sei die schnelle und rücksichtslose Fahrweise der Kläger gewesen.

Der Senat hat gemäß Beweisanordnungen vom 01.02.2016 (Bl. 115/119 d.A.) sowie vom 13.03.2017 (Bl. 226/227 d.A.) und Beweisbeschlüssen vom 10.06.2016 (Bl. 154 d.A.) sowie vom 03.11.2016 Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen B. und H., Erholung eines mündlichen und anschließend eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. R. vom 07.09.2016 (Bl. 152/153 sowie Bl. 158/179 d.A.), eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens vom 05.01.2017 (Bl. 199/212 d.A.) und einer mündlichen Anhörung zur Erläuterung des Gutachtens. Ferner hat der Senat die unfallbeteiligten Parteien informatorisch angehört und die Akten 413 JS 199251/11 der Staatsanwaltschaft München I beigezogen (Bl. 116 d.A.).

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Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 10.06.2016 (Bl. 143/154 d.A., berichtigt durch Vermerk vom 07.03.2017) und vom 14.07.2017 (Bl. 232/237 d.A.) und die Gutachten vom 07.09.2016 und 05.01.2017 verwiesen.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 15.03.2016 (Bl. 126/131 d. A.), auf die weiteren Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschrift vom 14.07.2016 (Bl. 232/237 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthaften sowie form- und fristgerecht eingelegten und begründeten, somit zulässigen Berufungen haben in der Sache jedenfalls teilweise Erfolg. Der Rechtsstreit ist hinsichtlich der Feststellungbegehren vollumfänglich, hinsichtlich der Leistungsanträge dem Grunde nach zur Entscheidung reif.

Die Feststellungsbegehren sind zulässig. Ist, wie vorliegend, bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten, so ist der Kläger grundsätzlich nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und eine Feststellungsklage zu spalten. Er darf auch in vollem Umfang Feststellungsklage erheben (BGH NJW 1984, 1552 [1554]; 1988, 3268; ebenso NJW-RR 1988, 445; NJW 1996, 2725 [2726]; 1999, 3774 [3775]; Senat, Urt. v. 08.09.2006 – 10 U 5438/05 [juris]; v. 29.10.2010 – 10 U 3249/10 [juris]; Beschl. v. 01.08.2013 – 10 W 1319/13). An der Feststellungsklage darf er im Verlauf des Rechtsstreits grundsätzlich ohne Rücksicht auf die weitere Entwicklung des Schadens festhalten (BGH a .a. O.; Senat a. a.O.).

Die Beklagte hat die Kläger durch einen Fahrfehler schuldhaft an Körper und Gesundheit verletzt und deren Eigentum beschädigt, §§ 823 I, II BGB i.V. § 2 II StVO. Hinsichtlich der Leistungsanträge sind die Klagen dem Grunde nach zur Entscheidung reif, weil den Klägern beim vorliegenden Unfallgeschehen jeweils ein der Höhe nach klärungsbedürftiger Schaden entstanden ist und sie jeweils die Gewährung eines Schmerzensgeldes rechtfertigende Verletzungen erlitten haben, wofür die Beklagte hinsichtlich der Klägerin zu 2) vollumfänglich und hinsichtlich des Klägers zu 1) unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50 % einzustehen hat. Die Feststellungsbegehren sind zur Hälfte begründet, im Übrigen wegen Verjährung unbegründet.

I. Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch der Kläger auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden verneint.

1. Unfallhergang:

a) Der Senat geht auf Grund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme von einer Annäherungsgeschwindigkeit der Beklagten von 12 km/h bis 15 km/h und der Kläger von 20 – 25 km/h aus. Hinsichtlich der Beklagten ergibt sich dies aus den Angaben der Beklagten, ihres Ehemannes und des Zeugen H., an denen der Senat insoweit keine Zweifel hat. Insbesondere der Zeuge H. (Bl. 146 d.A.) schilderte Geschwindigkeit und Abstände der „Dreiergruppe“, in deren Mitte sich die Beklagte befand, als gleichbleibend, Die Klägerin zu 2) gab schon in erster Instanz ihre Geschwindigkeit mit ca. 20 km/h bis 21 km/h an, sie bestätigte dies auch in zweiter Instanz (Bl. 148 d.A.) und auch der Kläger zu 1) schätzte, dass er in einem Abstand von 2m – 3m mit ca. 20 km/h hinter seiner Frau herfuhr. Soweit der Ehemann der Beklagten, der Zeuge B., die Fahrweise der Kläger als „rasend schnell und rücksichtslos“ bezeichnete, folgt der Senat seinen Angaben nicht. Eine rücksichtslose Fahrweise hat insbesondere der unbeteiligte Zeuge H. nicht beobachtet, lediglich, dass die Kläger geschätzt zügig und etwas schneller fuhren als die 3er-Gruppe. Der Sachverständige, von dessen hervorragender Sachkunde sowohl auf dem Gebiet der Unfallanalytik als auch der Biomechanik der Senat sich aus einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen vor dem Senat überzeugen konnte, hat ausgeführt, dass, nachdem ein Transport der Räder oder Unfallbeteiligten von den unfallbedingten Endlagen über eine größere Wegstrecke von keinem Unfallbeteiligten oder Zeugen berichtet wurde, ausgehend vom polizeilichen Lichtbild Anlage A 4 zum Gutachten von einer Unfallörtlichkeit um den Lichtmast 13 auszugehen ist (Gutachten S. 13, 15 = Bl. 170, 172 d.A., Ergänzungsgutachten S. 5,6 = Bl. 203/204 d.A.) und daher keine größeren Auslaufwegstrecken über 20 m oder 30 m vorlagen, weshalb eine Geschwindigkeit der Kläger zum Kollisionszeitpunkt von 15 km/h bis 25 km/plausibel und eine höhere Geschwindigkeit technisch höchst unwahrscheinlich ist (Gutachten S. 18, 19 = Bl. 175, 176 d.A., Ergänzungsgutachten S. 6, 7 = Bl. 204, 205 d.A.).

b) Weiter bekundete der Zeuge H., dass die Kläger so weit rechts orientiert fuhren wie auch die 3er-Gruppe, dass ein gefahrloses Passieren möglich gewesen wäre (Bl. 147 d.A). Ihre jeweils rechtsorientierte Fahrweise in der Annäherung bekundeten weiter sowohl die Kläger (Klägerin zu 2): mit den Reifen geschätzt 15 cm bis 20 cm links neben dem Randstein Bl. 149 d.A; Kläger zu 1): Abstand zum Randstein 20 cm bis 30 cm Bl. 149 d.A.), als auch die Beklagte (ich fuhr auf der rechten Seite Bl. 151 d.A.) und die Kläger konnten zunächst problemlos den Zeugen B. passieren, der nach Angaben der Kläger eher mittig fuhr (linke Schulter im Bereich der Radwegmitte). Die Radwegbreite zum Unfallzeitpunkt stellte der Sachverständige an Hand der polizeilichen Fotos mit 1,95 m (Gutachten S. 12 = Bl. 169 d.A.) fest. Der Senat geht daher von einer jeweils rechtsorientierten Fahrweise der Kläger und der Beklagten aus.

c) Wie bereits in erster Instanz berichtete der Zeuge H., dass er ein metallisches Geräusch wahrnahm, das er dem Aufeinandertreffen der Räder zuordnete. Die Wahrnehmung des Zeugen glaubt der Senat. Weiter geht der Senat davon aus, dass die Beklagte wie von ihr berichtet einen Schlag verspürte und mit ihrem Fahrrad nach rechts stürzte und eine Verletzung der linken Hand erlitt (ganz dick und blau = Bl. 150 d.A). Die unfallbedingte Prellmarke der Klägerin zu 2) in der linken Ellenbogenbeuge ergibt sich aus ihren Angaben und dem gefertigten Foto (Anlage A 14 zum Gutachten) und die durch den Unfall erfolgte Beschädigung des linken Handschuhs der Klägerin zu 2) (Aufzug der Naht) folgt ebenfalls aus ihren Angaben. Der Handschuh wurde an den Sachverständigen übersandt und von diesem ausgewertet (GA S. 4 mit Fotos 5, 6 sowie Anlage A 3 = Bl. 161 d.A.).

d) Ausgehend von diesen Anknüpfungstatsachen konnte der Sachverständige aus den Schäden an den noch vorhandenen Rädern, insbesondere den jeweils linken Lenkerenden und dem Höhenunterschied zwischen den Lenkerenden den Unfallhergang überzeugend rekonstruieren. Die Prellmarke am linken Oberarm bzw. in der Ellbogenbeuge der Klägerin zu 2) passt danach fingerabdruckgleich insbesondere hinsichtlich ihres Verlaufs zum linksseitigen Lenkerende des Fahrrads der Beklagten (Gutachten S. 14 = Bl. 171 d.A.). Der Hochzug der linken Naht des Handschuhs ist erklärbar mit der Verhakung zwischen Naht des Handschuhs und dem linken Ende des Bremshebels der Beklagten (GA S. 17 = Bl. 174 d.A.). Weiter kann es zu einem Aufschlag Metall auf Metall und damit einem metallischen Geräusch. Dieses kann in der hier vorliegenden Anstoßkonfiguration ohne Frontalkollision und wesentliche Verhakung der Räder bei einem Sturzgeschehen wie von der Klägerin zu 2) und der Beklagten bekundet nur beim Kontakt des linksseitigen Lenkerendes des Rades der Beklagten mit der Vorderseite des linken Bremshebels des Rades der Klägerin zu 2) entstehen (GA S. 16 = Bl. 173 d.A.). Die Beschädigungen des linksseitigen Lenkerendes der Beklagten sind im Gutachten (S. 13, 14 = Bl. 170, 171 d.A.) und im Ergänzungsgutachten (S. 9 = Bl. 207 d.A.) näher beschrieben. Wegen des Höhenunterschieds von 10 cm – 15 cm (Oberkante der Lenkerenden) muss danach weiter die Beklagte nach links gekippt sein, das linksseitige Lenkerende der Beklagten kontaktierte zunächst die Vorderseite des linken Bremshebels des Rades der Klägerin zu 2), verhakte sich mit dem linken Handschuh der Klägerin zu 2) und zog die Naht auf, das linke Lenkerende des Rades der Beklagten glitt im weiteren Verlauf zur Ellenbogenbeuge der Klägerin zu 2) auf und verursachte dort mit stumpfem Anprall die intensive Prellmarke (Gutachten S. 16/18 = Bl. 173/175 d.A., ErgGA S. 10 = Bl. 208 d.A.). Der Sachverständige führte in seinem Ergänzungsgutachten auf die Einwendungen der Beklagten hin weiter aus, dass der abrupte Lenkeinschlag nach links durch die Verhakung dazu führte, dass die Beklagte nach rechts über den Lenker wegkippte, wie von ihr geschildert (ErgGA S. 12, 13 = Bl. 210/211). Plausibel ist nach dem Ergebnis des Sachverständigen, dass die Klägerin zu 2) den Kontakt der Lenkerenden und den Aufzug der Naht des Handschuhs nicht bemerkt, sondern erst den Anstoß an die Ellenbogenbeuge bzw. den Oberarm, wie von ihr geschildert (ErgGA S 10 = Bl. 208 d.A.) wahrgenommen hat. Die Verletzungen an der linken Hand der Beklagten lassen sich mit dem Kontakt mit dem linken Lenkerende der Klägerin zu 2) erklären (ErgGA S. 10 = Bl. 208 d.A.), gleich ob die Beklagte den Lenker am Horn oder in Normalstellung hielt. Der Sachverständige führte im Termin vom 14.07.2017 weiter aus (Protokoll S. 4 = Bl. 235 d.A.), dass der metallische Kontakt nur beim Kontakt zwischen den Lenkerenden entstanden sein kann, weil es in der vorliegend plausibel zu rekonstruierenden Kollisionsposition die einzigen möglichen metallischen Kontaktflächen sind, insbesondere könnte bei einem anderen Primärkontakt zwischen linkem Lenkerende Beklagter und linker Ellbogenbeuge Klägerin zu 2) wegen des Abstandes der Fahrzeuge zueinander von 40 cm mangels direkter Berührung der Fahrzeuge ein metallisches Geräusch nicht entstehen und auch die Verletzung an der linken Hand der Beklagten nicht erklärt werden.

Dass die Angabe der Klägerin zu 2) wie auch des Klägers zu 1), sie hätten in der Annäherung die Beklagte zunächst nicht gesehen, plausibel ist und sich die Sichtlinien der Unfallbeteiligten unterscheiden, hat der Sachverständige ebenfalls in seinem Ergänzungsgutachten erläutert (dort S. 7, 8 = Bl. 205, 206 d.A.) und darauf hingewiesen, dass aus der Erkennbarkeit der Beklagten für die Klägerin zu 2) aus einer Entfernung von 5 m – 10 m nicht folgt, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Instabilität als Gefahr erkennbar war.

Der Senat folgt den Ausführungen des Sachverständigen und geht davon aus, dass es in der Annäherung, wie letztlich von den Klägern auch geschildert, zu einem plötzlichen Ausscheren des linken Lenkerendes des Rades der Beklagten kam, weil die Beklagte einen Fahrfehler beging, sei es weil sie unaufmerksam war oder entgegen ihrer Darstellung gerade eine unsichere Radfahrerin ist, wofür die zufälligen Beobachtungen des Sachverständigen (Protokoll v. 14.07.2017, S. 3, 4 = Bl. 234/235 d.A.) anlässlich des Ortstermins sprechen. Nach § 286 I 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine – ohnehin nicht erreichbare (vgl. RGZ 15, 338 [339]; BGH NJW 1998, 2969 [2971]; BAGE 85, 140; Senat NZV 2006, 261; Urt. v. 28.7.2006 – 10 U 1684/06 (juris Rz. 20); v. 11.6.2010 – 10 U 2282/10 [juris Rz. 4] sowie NJW 2011, 396 [397]; v. 6.7.2012 – 10 U 3111/11 [juris Rz. 16]; NJW-RR 2014, 601; KG NJW-RR 2010, 1113) – absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (grdl. BGHZ 53, 245 [256], st. Rspr., insbesondere BGH NJW 1992, 39 [40], NJW 1998, 2969 [2971]; 2008, 2845; NJW-RR 2008, 1380; NJW 2014, 71 [72] und zuletzt VersR 2014, 632 f.; BAGE 85, 140; OLG Frankfurt a. M. zfs 2008, 264 [265]; Senat in st. Rspr., u. a. VersR 2004, 124 [Revision vom BGH durch Beschl. v. 1.4.2003 – VI ZR 156/02 nicht angenommen]; NZV 2006, 261; NJW 2011, 396 [397]; SP 2012, 111; LG Leipzig NZV 2012, 329 [331]). Diesen Grad von Gewissheit hält der Senat vorliegend für gegeben.

Wegen des Sturzes der Klägerin zu 2) fuhr der Kläger zu 1) auf diese auf und kam ebenfalls zu Sturz (GA S. 18 = Bl. 175 d.A.).

2. Bewusstlosigkeit der Beklagten:

Mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen im Schriftsatz vom 06.07.2017, eingegangen am 07.07.2017 kann die Beklagte nicht durchdringen.

a) Bei der nunmehrigen Behauptung, der plötzliche Lenkeinschlag nach links unter Überwindung einer Höhendifferenz von 10 – 15 cm (der nach der ergänzenden Gutachten und der mündlichen Anhörung des Sachverständigen auch ohne die Kollision wahrscheinlich zum Sturz der Beklagten geführt hätte (ErgGA S. 12 = Bl. 210 d.A., Protokoll v. 14.07.2017, S. 4 = Bl. 235 d.A.), handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme resultierende Behauptung ins Blaue hinein. Für eine plötzliche Ohnmacht (Synkope) fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Die Beklagte wurde persönlich sowohl vor dem Landgericht München I als auch vor dem Senat angehört, sie schilderte, wie sie die sich nähernden Kläger wahrnahm und es während der Vorbeifahrt zu einer Berührung kam bzw. sie einen Schlag verspürte und sie nach rechts fiel (Bl. 53, 150 d.A.) Schon im Ermittlungsverfahren gab die Beklagte an, dass es zu einer Berührung kam, als die Frau auf ihrer Höhe war (Ermittlungsakte Bl. 26). Davon, dass sie vor der Kollision das Bewusstsein verloren hätte oder ihr schwarz vor Augen geworden wäre, war zu keinem Zeitpunkt die Rede. Allein die vormalige Angabe, nach dem Unfall hätte sie eine Gedächtnislücke gehabt, im ersten Moment nicht gewusst, warum sie an der Unfallstelle war und auch nicht, dass sie vom Waldfriedhof gekommen wäre, ändert daran nichts. Zu früheren Synkopen oder Erkrankungen, welche diese hervorrufen können, ist nichts vorgetragen, im Gegenteil war die Beklagte eigenem Vorbringen nach sportlich und ging jeden Tag schwimmen.

b) Weiter ist die Beklagte mit ihrem nunmehrigen Vorbringen nebst Beweisangebot auf Erholung eines Sachverständigengutachtens ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen des § 531 II ZPO nicht dargetan sind. Die Kläger haben bereits in der Klageschrift vorgetragen, die Beklagte sei während der Vorbeifahrt der Klägerin zu 2) plötzlich nach links ausgeschwenkt und gegen den Arm der Klägerin gestoßen. Die Beklagte durfte sich ohne Nachlässigkeit nicht darauf verlassen, dass das Landgericht sich nicht etwa auf Grund der Anhörung der Beteiligten von einer plötzlichen Lenkbewegung der Beklagten nach links überzeugt und hatte das Vorbringen, diese sei nach § 827 BGB nicht vorwerfbar, bereits in erster Instanz zu erheben.

c) Unabhängig davon ist vorliegend nicht beweisbar, dass die Beklagte bei Verursachung des Schadens nicht bei Bewusstsein war. Bringt der Schädiger vor, der Verletzungsvorgang sei unter physischem Zwang erfolgt oder als unwillkürlicher Reflex durch fremde Einwirkung ausgelöst worden, so beruft er sich auf außerhalb seiner Person liegende Umstände, welche die Willenssteuerung seines Verhaltens ausgeschlossen haben sollen. In derartigen Fallgestaltungen, bei denen bereits das äußere Erscheinungsbild eines eigenständigen Handelns des Täters in Frage steht, hat der Geschädigte den Beweis für eine vom Willen getragene Handlung des Schädigers zu führen. Anderes gilt jedoch für die Fälle, in denen, wie vorliegend eine der Willenslenkung unterliegende Handlung des Schädigers aufgrund innerer Vorgänge, nämlich deshalb fraglich erscheint, weil der Täter möglicherweise bei der Schadensverursachung bewusstlos war. Im Gegensatz zu der Schadensverursachung durch ein Reflex- oder Zwangsverhalten ist für die Verursachung von Schäden im Zustand der Bewusstlosigkeit in § 827 S.1 BGB eine gesetzliche Regelung dahin getroffen worden, dass bei solcher Sachlage die Verantwortlichkeit des Schädigers ausgeschlossen ist. Den Änderungen im Strafrecht wurde die Vorschrift nicht angepasst. Insbesondere für die Frage der Beweislast, die sich im Strafprozess völlig anders darstellt, verbleibt es deshalb für die Haftung aus unerlaubter Handlung nach § 827 S. 1 BGB dabei, dass der Beweis für einen Zustand der Bewusstlosigkeit bei der Schadensverursachung vom Schädiger zu führen ist (BGH DAR 1986, 353). Ein Sachverständiger könnte vorliegend zu dem Ergebnis gelangen, dass eine plötzliche Ohnmacht als Folge einer harmlosen Fehlregulation des Kreislaufs oder einer ernsthaften Krankheit möglich ist. Da aber in mehreren Anhörungen keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen wurden, die Beklagte das Annäherungsverhalten der Kläger noch beobachtet und es sich bei ihr nach den Angaben des Sachverständigen um eine unsichere Radfahrerin handelt, vermag auch ein Gutachten mit einem Ergebnis, dass eine Bewusstlosigkeit möglich ist, zum Beweis einer Zurechnungsunfähigkeit nicht zu genügen.

3. Mitverschulden der Kläger:

a) Ein Mitverschulden wegen unangepasster Geschwindigkeit im Hinblick auf § 3 II a StVO besteht nicht. Bei der Beklagten handelte es sich, wie den am Unfalltag gefertigten Fotos entnommen werden kann, nicht um eine hilfsbedürftige Person oder einen älteren Menschen, der sich in einer Verkehrssituation befand, die er erfahrungsgemäß unter Umständen nicht mehr voll übersehen oder meistern kann. Auch anlässlich ihrer Anhörung hinterließ sie einen rüstigen Eindruck und dass ihre fahrerische Unsicherheit bereits während der Annäherung hätte bemerkt werden können, ist insbesondere im Hinblick auf die zunächst in Betracht zu ziehende Sichtverdeckung für die Kläger durch den Zeugen B. (vgl. Ergänzungsgutachten S. 7, 8 = Bl. 205/206 d.A.) nicht bewiesen. Eine Mitverantwortlichkeit der Klägerin zu 2) im Übrigen besteht nicht.

b) Hingegen besteht ein Mitverschulden des Klägers zu 1). Nach seinen Angaben lag eine deutliche Abstandsunterschreitung vor und die Einhaltung des Sicherheitsabstandes hätte eine kollisionsverhütende Bremsung ermöglicht (GA S. 18, 20 = Bl. 175, 177 d.A.). Der Senat bewertet das Mitverschulden, nachdem die plötzliche Linksbewegung der Beklagten nicht beweisbar vorhersehbar war, andererseits der einzuhaltende Sicherheitsabstand auch nach eigenen Angaben des Klägers zu 1) deutlich unterschritten wurde, mit 50 % (vgl. BGH DAR 2008, 337).

4. Da beiden Klägern ein der Höhe nach streitiger und klärungsbedürftiger Schaden an Eigentum und Vermögen entstanden ist und sie beide schwere Verletzungen erlitten haben, die ein Schmerzensgeld rechtfertigen, ist der Rechtsstreit insoweit nur dem Grunde nach zur Entscheidung reif. Beide Kläger haben von dem behaupteten Schaden je Position nur 50 % eingeklagt und bezüglich des Schmerzensgelds einen Mindestbetrag genannt. Die jeweils zur Hälfte eingeklagten Ansprüche der Klägerin zu 2) stehen dieser dem Grunde nach zu, ohne dass ein Mitverschulden zu berücksichtigen wäre. Beim Kläger zu 1) ist nach Klärung der Schadenshöhe ein Mitverschulden von 50 % zu berücksichtigen, welches je nach Schadensumfang in dem vom Kläger zu 1) bei Klageerhebung bereits berücksichtigten hälftigen Abzug je Schadensposition bereits enthalten ist oder zur teilweisen Klageabweisung führen kann.

5. Die Feststellungsbegehren sind teilweise begründet.

a) Die Kläger haben sowohl hinsichtlich des materiellen als auch des immateriellen Zukunftsschadens zuletzt ein Mitverschulden nicht mehr berücksichtigt. Soweit die Kläger die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden zu mehr als 50 % begehren, waren die Klagen wegen eingetretener Verjährung abzuweisen. Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB), die vorliegend mit Schluss des Jahres 2011 begann, wurde zwar zunächst durch Eingang der Klage (23.12.2014) und alsbaldige Zustellung (19.01.2015, Anl. zu Bl. 26/27 d.A.) gehemmt (§§ 204 I Nr. 1 BGB, 167 ZPO), die Hemmung endete aber 6 Monate nach der teilweisen Klagerücknahme im Termin vom 10.06.2016 (Protokoll S. 3 = Bl. 145 d.A.), § 204 II 1 BGB. Der Umfang der Hemmung wird durch den Streitgegenstand der Klage bestimmt (BGH NJW 2004, 3772) und die neuerliche Klageerweiterung im Termin vom 14.07.2017 erfolgte erst nach eingetretener Verjährung, auf die sich die Beklagte beruft. Ein weitergehender Hemmungstatbestand ist nicht ersichtlich, insbesondere endeten die Verhandlungen der Parteien auch nach dem Vorbringen der Kläger bereits im Jahr 2012, § 203 BGB.

Im Umfang von 50 % bzw. hinsichtlich eines Mitverschuldens der Kläger betreffend den immateriellen Zukunftsschaden von weniger als 50 % sind die Feststellungsklagen daher ab- und die Berufungen zurückzuweisen.

b) Hinsichtlich der Begründetheit der Anträge im Übrigen ist anzumerken, dass insoweit die Rechtsprechung stets nur maßvolle Anforderungen gestellt hat (OLG Saarbrücken OLGR 2000, 452 [455]; KG VRS 111 [2006] 16 [29]; Senat, Urt. v. 24.11.2006 – 10 U 2555/06 [juris]; v. 09.10.2009 – 10 U 2309/09 [juris]; v. 29.10.2010 – 10 U 3249/10 [juris]). Eine Klage auf Feststellung einer (deliktischen) Haftung ist begründet, wenn die sachlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen Schäden führen kann (BGH MDR 2007, 792 = VRS 112 [2007] 442 ff.; Senat, Urt. v. 09.10.2009 – 10 U 2309/09 [Juris]; v. 29.10.2010 – 10 U 3249/10 [juris]). Nach der Lebenserfahrung können insbesondere alle Knochenverletzungen, aber auch schwere Gelenkverletzungen zu Komplikationen und Folgeschäden [insbesondere Arthrosen] führen, BGH VersR 1973, 371 [372]; OLG Hamm NZV 1996, 69 [70]; OLG Saarbrücken OLGR 2000, 452 [455]; Senat, Urt. v. 13.02.2004 – 10 U 4186/03; v. 24.11.2006 – 10 U 2555/06 [juris]; v. 09.10.2009 – 10 U 2309/09 [juris]), BGH NJW 2001, 1431 [1432]; MDR 2007, 792 = VRS 112 [2007] 442 ff.). Der Feststellungsanspruch kann in Fällen dieser Art – auch hinsichtlich des immateriellen Schadens – nur verneint werden, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen wenigstens zu rechnen (OLG Saarbrücken OLGR 2000, 452 [455]; KG VRS 111 [2006] 16 [28]; Senat, Urt. v. 24.11.2006 – 10 U 2555/06 [juris]; v. 09.10.2009 – 10 U 2309/09 [juris]; v. 29.10.2010 – 10 U 3249/10 [juris]). Derartige Spätfolgen kommen vorliegend angesichts der Schwere der Verletzungen aber gerade in Betracht.

II. Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber – entgegen seiner sonstigen Praxis – dagegen entschieden, nachdem vorliegend die Voraussetzungen des § 538 II Nr. 4 ZPO vorliegen und die erstmalige Beweisaufnahme zur Schadenshöhe umfangreich und mit der Erholung einer Vielzahl medizinischer Gutachten verbunden wäre. Die Frage der Zurückverweisung wurde auch in der mündlichen Verhandlung mit den Parteivertretern ausführlich erörtert. Beide Parteivertreter sind einer Zurückverweisung nicht entgegengetreten, der Klägervertreter hat sie hilfsweise beantragt.

III. Die Kostenentscheidung war der Endentscheidung vorzubehalten.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 II 1, 47 I 1, 40, 48 I 1 GKG, 3 ff. ZPO.

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