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Kontokorrentkredit – Verjährung Rückzahlungsanspruch nach Girovertragskündigung

LG Bremen – Az.: 2 O 1604/18 – Urteil vom 01.04.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 5.524,68 EUR.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen den Beklagten eine Forderung aus abgetretenem Recht bzw. aus einem gekündigten Girokontovertrag geltend.

Der Beklagte führte bei der D. AG ein Girokonto mit der Nr. XY. Das Konto wurde als Kontokorrentkonto geführt. Dieses Konto war am 30.09.2011 mit dem Betrag in Höhe von 5.298,98 EUR überzogen. Mit dem Kontoauszug–Nr. 8 vom 25.10.2011 wurde dem Beklagten dieser Saldo per Rechnungsabschluss mitgeteilt, ohne dass dieser widersprach (Bl. 3 ff. der Akte).

Mit Schreiben vom 20.12.2011 teilt die D. AG dem Beklagten mit, dass sie das zuvor genannte Konto nach wiederholten Zahlungsbitten aufgelöst habe. Gleichzeitig forderte sie den Beklagten auf, die noch offene Gesamtforderung in Höhe von 5.524,68 EUR auszugleichen (Bl. 6 der Akte).

Die streitgegenständliche Forderung wurde anschließend von der D. AG zur weiteren Beitreibung an den Kläger abgetreten (Bl. 7 der Akte). Der Kläger will den Beklagten – was streitig ist – mit Schreiben vom 06.02.2012 nochmals zur Zahlung des streitigen Betrages gemahnt haben (Bl. 19 der Akte). Eine Zahlung nahm der Beklagte jedenfalls nicht vor.

Der Kläger ist der Ansicht, einen Zahlungsanspruch in geltend gemachter Höhe aus einem Saldoanerkenntnisvertrag gemäß § 675f BGB i.V.m. § 780 BGB, in jedem Fall aber aus der dem Beklagten gewährten Kontoüberziehung gemäß § 488 BGB i.V.m. § 355 HGB nebst Zinsen in Höhe von 195,46 EUR zu haben. Daneben stünde ihm ein Zinsanspruch aus § 497 Abs. 2 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB sowie ein Anspruch auf Erstattung weiterer Gebühren und Auslagen zu (Bl. 2 der Akte).

Der Anspruch des Klägers sei auch nicht verjährt. Die Verjährung des streitgegenständlichen Anspruches sei im Jahr 2011 für die Dauer von zehn Jahren gemäß § 497 Abs. 3 S. 3 gehemmt worden. Diese Vorschrift sei auch auf gekündigte Darlehensverhältnis und insbesondere auch auf Kontokorrentüberziehungen anwendbar (Bl. 24 f., 39 der Akte).

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 5.524,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.12.2011 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,69 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beruft sich auf die Einrede der Verjährung und ist der Ansicht, der Anspruch des Klägers auf Darlehensrückzahlung unterliege der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Verjährung sei damit zum 31.12.2014, spätestens aber zum einen 30.12.2015 eingetreten. § 497 Abs. 3 S. 3 BGB sei auf ein gekündigtes Darlehensverhältnis bzw. auf einen gekündigten Überziehungskredit nicht anwendbar (Bl. 19 f. der Akte).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Dem Kläger steht kein Zahlungsanspruch in geltend gemachter Höhe aus abgetretenem Recht zu. Die Forderung ist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt.

1. Die D. AG hat das maßgebliche Vertragsverhältnis mit dem Beklagten wirksam mit Schreiben vom 20.12.2011 beendet und die Restforderung in Höhe von 5.524,68 EUR zugleich fällig gestellt (Bl. 6 der Akte). Damit ist der – zwischenzeitlich an den Kläger abgetretene – Rückzahlungsanspruch zu diesem Zeitpunkt entstanden, welcher sodann nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren zum 31.12.2014 verjährt ist (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB).

Kontokorrentkredit - Verjährung Rückzahlungsanspruch nach Girovertragskündigung
(Symbolfoto: Daniela Staerk/Shutterstock.com)

2. Der Lauf dieser Frist ist auch nicht gemäß § 497 Abs. 3 S. 3 BGB gehemmt worden. Die Vorschrift betrifft die Ansprüche des Darlehensgebers auf Zahlung der vertraglichen Raten und der darauf zu zahlenden Verzugszinsen, nicht dagegen der durch die Kündigung entstehende Anspruch auf Zahlung der gesamten Restschuld (unabhängig davon, ob aus einem Raten- oder aus einem Überziehungskredit). Das Gericht schließt sich insoweit umfassend der Rechtsansicht des Landgerichts Hamburg und Landgerichts München I sowie gewichtigen Stimmen der Literatur an (LG Hamburg, Urteil vom 29.12.2017 – 307 O 142/16 – juris Rn. 31 unter Hinweis auf BGH v. 05.04.2011 – XI ZR 201/09 – NJW 2011, 1870 f. Rn. 21, 22; LG München I, Urteil vom 19.09.2018 – 35 O 3953/18 –, Rn. 28 ff., juris; Derleder/Horn, ZIP 2013, 709, 711; so auch Schwintowski in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 497 BGB, Rn. 12_1; BeckOK BGB/Möller, 48. Ed. 1.8.2018, BGB § 497 Rn. 11; Nietsch in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 497 BGB, Rn. 45; a.A. Schürnbrand in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017§ 497 Rn. 33). Der Anspruch auf Zahlung der gesamten Restschuld ist mit dem von § 497 Abs. 3 S. 3 BGB erfassten bisherigen Erfüllungsanspruch nicht identisch (Derleder/Horn, a.a.O). Sowohl hinsichtlich der Leistungsmodalitäten, als auch inhaltlich unterscheiden sich die Ansprüche voneinander. Während es sich bei dem Anspruch auf Zahlung der gesamten Restschuld um einen einheitlich mit der Kündigung entstehenden und fällig werdenden Gesamtanspruch handelt, entsteht der ursprüngliche Erfüllungsanspruch mit Erhalt des Darlehens und wird nur ratenweise fällig (LG München I, a.a.O., Rn. 32).

Besonders teleologische Gesichtspunkte sowie die Gesetzgebungs-geschichte streiten für eine restriktive Auslegung des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB. Sinn und Zweck der Verjährungshemmung ist es, zu verhindern, „dass der Darlehensgeber allein zur Vermeidung des Verjährungseintritts die Titulierung betreibt, was die Schuldenlast des Darlehensnehmers noch weiter erhöhen würde“ (BT-Drs. 14/6857, S. 66; vgl. auch BT-Drs. 14/6857, S. 34). § 497 Abs. 3 S. 3 BGB dient also in erster Linie dem Verbraucherschutz. Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung die davor in § 11 Abs. 3 S. 3 VerbrKrG enthaltenen Verjährungsvorschriften dem mit dem Gesetz zur Schuldrechtsmodernisierung (BGBl. I 2001 S. 3138) geänderten Verjährungsrecht anpassen (vgl. BT-Drs. 14/6857, S. 34). § 11 Abs. 3 S. 3 VerbrKrG erfasste lediglich „Ansprüche auf Zinsen“. Die Ausweitung auch auf den Darlehensrückzahlungsanspruch sollte ebenfalls nur dazu dienen, zu verhindern, dass „der Darlehensgeber trotz Tilgungsleistungen des Schuldners seine unstreitige Forderung vor Ablauf von drei Jahren titulieren“ muss (vgl. BT- Drs. 14/6857, S. 34). Damit sollen zusätzliche Belastungen der Vertragsparteien sowie der Gerichte vermieden werden. Solche können in der Tat bei der Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs beim ungekündigten Darlehen entstehen, da hier Tilgungsraten und Zinsen sukzessive fällig werden, so dass der Gläubiger zur Verhinderung der Verjährung entsprechende vielfache schrittweise Titulierung vornehmen müsste. Der mit Kündigung des Darlehens entstehende Restbetragszahlungsanspruchs wird hingegen einheitlich mit Wirksamwerden der Kündigung fällig und bedarf nur einer einzigen Titulierung, um eine neue dreißigjährige Verjährungsfrist nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB auszulösen. Durch das Erfordernis, diese Titulierung innerhalb von drei Jahren vornehmen zu müssen, werden weder die Parteien, noch die Gerichte zusätzlich belastet. Die Verjährungsvorschriften dienen allgemein dem Schuldnerschutz, dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (vgl. BGH, Urt. v. 25.07.2017 – VI ZR 222/16). Bei einem ungekündigten Darlehen würde die dreijährige Regelverjährung der einzelnen Erfüllungsansprüche diese Zwecke indes nicht erfüllen, da der Schuldner durch das daraus folgende Erfordernis der Titulierung der einzelnen Ansprüche im Ergebnis mehr belastet, als geschützt werden würde und auch Rechtsfrieden und Rechtssicherheit nicht eintreten, solange nur einzelne Erfüllungsansprüche verjährt sind, der Darlehensgeber andere jedoch noch geltend machen kann. Dem trägt § 497 Abs. 3 S. 3 BGB Rechnung. Geht es hingegen um den mit der Kündigung entstehenden Gesamtanspruch, kommen die Zwecke der Verjährung wieder zum Tragen. In diesem Fall ist nicht einzusehen, warum dem Darlehensgeber, der es versäumt, diesen einheitlichen Anspruch zu titulieren, der Hemmungstatbestand zugutekommen soll (vgl. Derleder/Horn, aaO). Ein Herausschieben der Titulierung entlastet weder die Gerichte, noch den Verbraucher. Der Darlehensgeber hat es zudem selbst in der Hand, ob er bei Verzug des Darlehensnehmers den bisherigen Erfüllungsanspruch weiterhin geltend macht, mit der Folge, dass er sich auf § 497 Abs. 3 S. 3 BGB berufen kann, oder ob er das Darlehen kündigt, mit der Folge, dass die Regelverjährung greift (LG München I, a.a.O., Rn.- 35 f.; vgl. Derleder/Horn, a.a.O).

3. Etwas anderes ergibt sich nach Ansicht des Gerichts auch nicht aus den vom Kläger zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 – XI ZR 27/10 –, juris; BGH, Urteil vom 05. April 2011 – XI ZR 201/09 –, BGHZ 189, 104-112). In dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.07.2010 ging es in erster Linie um die Frage des Verzugseintritts. Soweit der Bundesgerichtshof § 497 Abs. 3 S. 3 BGB (in der seinerzeit gültigen Fassung) auf eine Rückzahlungsforderung aus einem gekündigten Dispositionskredit ohne nähere Begründung anwendet hat (BGH, a.a.O., Rn. 11), stimmt das hiesige Gericht dieser Ansicht unter Bezugnahme auf die überzeugenden Entscheidungen des Landgerichts Hamburg vom 29.12.2017 und des Landgerichts München I vom 19.09.2018 nicht zu.

In der Entscheidung vom 05.04.2011 nimmt der Bundesgerichtshof lediglich Stellung zu der Frage, ob geltend gemachte Ansprüche der dortigen Klägerin auf Zahlung der vertraglich geschuldeten Raten (Tilgung, Vertragszinsen, Bearbeitungsgebühr) sowie auf Zahlung der hierauf zu entrichtenden Verzugs- zinsen bereits verjährt sind, oder ob die Verjährung wegen § 497 Abs. 3 S. 3 BGB zwischenzeitlich gehemmt wurde (vgl. BGH, a.a.O, Rn. 7, 11, 21 f.). Auf die Frage, ob hiernach auch die Verjährung eines Anspruchs auf Rückzahlung einer Restforderung aus einem Darlehensverhältnis (oder einem Kontokorrentverhältnis) nach Kündigung der Geschäftsbeziehung gehemmt wird, ist der XI. Zivilsenat an dieser Stelle nicht eingegangen.

4. Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Zinsanspruch oder ein Anspruch auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert entspricht der Klagforderung.

 

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