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Kontrollbesuche der Steuerfahndung bei Prostituierten

BUNDESFINANZHOF

Az.: VII B 121/06

Beschluss vom 22.12.2006


Leitsätze:

1. Kontrollbesuche der Steuerfahndung in Räumlichkeiten, die an Prostituierte zur Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit vermietet worden sind, sind grundsätzlich –in angemessener und zumutbarer Häufigkeit– zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle i.S. des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 hinreichend veranlasst. Der mögliche (Neben-)Effekt, die Prostituierten zu veranlassen, ihre steuerlichen Pflichten zu erfüllen bzw. am „Düsseldorfer Verfahren“ teilzunehmen, ist mit dem Ermittlungsauftrag der Steuerfahndung nicht unvereinbar.

2. Der Vermieter kann sich gegenüber den Kontrollbesuchen nicht auf ein Abwehrrecht als Inhaber des Hausrechts an den vermieteten Räumen bzw. an den gemeinschaftlich zu nutzenden Bereichen berufen, da die Kontrollbesuche bei den Mieterinnen selbst nicht als „Eingriffe und Beschränkungen“ i.S. des Art. 13 Abs. 7 GG zu qualifizieren sind.


Tatbestand:

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), eine GmbH & Co. KG, vermietet in Räumlichkeiten, die sie selbst gemietet hat, einzelne Zimmer nach Tagesmieten an Prostituierte, die dort ihre Tätigkeit ausüben. Neben Flur und Eingangsbereich ist ein sog. Frühstücksraum vorhanden, in dem sich der für die Räumlichkeiten zuständige Verwalter der Antragstellerin und während seiner Anwesenheit auch die Mieterinnen aufhalten können. Beim Abschluss eines Mietvertrages meldet die Antragstellerin mit Zustimmung der Mieterin deren Namen, weitere persönliche Daten sowie die Nummer des gemieteten Raumes an das Sittendezernat der zuständigen Polizeidirektion. Ebenso meldet sie die Beendigung des Mietverhältnisses.

Seit dem Jahr 2003 bis August oder September 2004 beteiligte sich die Antragstellerin an dem sog. Düsseldorfer Verfahren der Finanzverwaltung. Dabei handelte es sich um ein gesetzlich nicht geregeltes, vereinfachtes Vorauszahlungsverfahren, an dem sich die Betreiber von Bordellen und bordellähnlichen Betrieben und die dort arbeitenden Prostituierten freiwillig beteiligen konnten. Danach zieht der Vermieter mit der Miete einen bestimmten Tagessatz, der sich aus Ertragssteuern, Solidaritätszuschlag und Umsatzsteuer zusammensetzt, –seinerzeit 15 EUR– ein und führt den Betrag vierteljährlich an das zuständige Finanzamt ab. Zugleich legte er eine Liste der im abgelaufenen Quartal in seinem Etablissement tätig gewesenen Prostituierten mit vollständigem Namen, Geburtstag und Nationalität vor und teilte die Anzahl der Miet-/Tätigkeitstage mit.

Im Januar 2006 teilte die Steuerfahndung des Antragsgegners und Beschwerdeführers (Finanzamt –FA–) unter erneuter Darstellung des Verfahrens der Antragstellerin und den bei ihr tätigen Prostituierten die Erhöhung des Tagessatzes auf 25 EUR mit. Nachdem die Antragstellerin einen vereinbarten Gesprächstermin am 25. Januar 2006 kurzfristig abgesagt hatte, führte die Steuerfahndung am 26. Januar, 1. Februar, 13. Februar und 16. Februar 2006 gegen den erklärten Willen der Vertreter der Antragstellerin und trotz Aufforderung, die betretenen Räumlichkeiten zu verlassen, im Beisein von Polizeibeamten Besuche durch, um die Prostituierten vor Ort nach Namen, Anschrift, Aufenthaltsdauer und Tätigkeitsumfang sowie deren Kunden nach ihrem Namen zu befragen.

Gegen die „Durchsuchungsmaßnahme“ der Steuerfahndungsstelle am 26. Januar 2006 „in den Geschäftsräumlichkeiten“ legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde.

Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2006 beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG), dem FA im Wege einer einstweiligen Anordnung Kontrollbesuche in der bislang vorgenommenen Art vorläufig zu untersagen. Sie machte Eingriffe in ihre subjektiven Rechte als Inhaberin des Hausrechts und in ihren –insbesondere auf die Wahrung der Anonymität der Kunden der Prostituierten angewiesenen– Geschäftsbetrieb geltend. Für die Maßnahme fehle die gesetzliche Grundlage, da es sich um eine Fahndung „ins Blaue hinein“ handele, bei der es in Wahrheit darum gehe, sie, die Antragstellerin, wieder zur Teilnahme am „Düsseldorfer Verfahren“ zu bewegen. Sie sei im Übrigen ungeeignet und unverhältnismäßig, da durch die stichprobenartige Kontrolle der Umfang der Tätigkeit der Mieterinnen ohnehin nicht festgestellt werden könne und sie, die Antragstellerin, bereit sei, dem FA künftig Aufstellungen über Namen, Steuernummern und Tätigkeitstage der einzelnen Prostituierten jeweils monatsweise zu übersenden.

Das FA trat dem Antrag entgegen. Hinsichtlich der Befragung der Mieterinnen und ihrer Kunden liege kein Eingriff in die Rechte der Antragstellerin vor. Ein Anordnungsanspruch, das Betreten der Räume zu untersagen, bestehe nicht. Durch das Betreten der Räumlichkeiten werde die gewerbliche Vermietungstätigkeit der Antragstellerin –um die allein es angesichts der unstreitig selbstständigen Tätigkeit der Mieterinnen gehen könne– nicht beeinträchtigt. Sofern darüber hinaus eine Eigentumsbeeinträchtigung überhaupt in Betracht komme, finde ein Abwehranspruch seine Grenzen jedenfalls in der gesetzlichen Duldungspflicht nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 i.V.m. § 200 Abs. 3 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Eine besondere Kontrollbedürftigkeit ergebe sich bei selbstständigen Prostituierten schon aus Feststellungen des Bundesrechnungshofs (BRH), wonach –u.a.– weniger als 1 % der im Inland tätigen Prostituierten steuerlich erfasst und Steuerausfälle in Milliardenhöhe zu verzeichnen seien. Deshalb seien ständige Kontrollen erforderlich, selbst –wenn auch im Hinblick auf die schon vereinnahmten Vorauszahlungen in reduziertem Umfang– in Betrieben, die am „Düsseldorfer Verfahren“ teilnähmen. Vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin die Teilnahme am „Düsseldorfer Verfahren“ bereits in der zweiten Hälfte 2004 eingestellt habe, mache ihr Angebot, künftig umfassend Daten zu erheben und abzuliefern, Kontrollbesuche nicht verzichtbar.

Auch ein Anordnungsgrund, insbesondere eine Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin sei nicht ersichtlich. Ihr auf die gewerbliche Vermietung von Räumen beschränkter Geschäftsbetrieb sei durch die Kontrollbesuche schon deshalb nicht besonders gefährdet, weil mit entsprechenden Besuchen durch die Steuerfahndung in allen vergleichbaren Betrieben oder Bordellen gerechnet werden müsse.

Das FG hat dem Antrag stattgegeben und dem FA bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache verboten, die Räumlichkeiten der Antragstellerin zur Befragung der dort anwesenden Prostituierten bzw. Kunden zu betreten. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 947 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde hält das FA an der Erforderlichkeit der Kontrollmaßnahmen fest, zumal die Zuverlässigkeit von Angaben der Antragstellerin in Frage stehe, nachdem sie an dem „Düsseldorfer Verfahren“ nicht mehr teilnehme, von ihren Mieterinnen aber gleichwohl noch im Februar 2006 den Tagessatz von 25 EUR einbehalten habe.

Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen.

Entscheidungsgründe:

II.

Die Beschwerde des FA, über die der Senat gemäß § 90 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheidet, ist zulässig und begründet. Der Beschluss des FG ist daher aufzuheben. Der Senat teilt die Auffassung des FG nicht, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht hat. Der Senat vermag weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch auf Unterlassung von Kontrollbesuchen durch die Steuerfahndung zu erkennen.

Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung; Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 7. Januar 1999 VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818, m.w.N.).

1.

Zutreffend hat das FG bejaht, dass die Sachentscheidungsvoraussetzungen gegeben sind.

a) Die Zulässigkeit des Finanzrechtswegs gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO, die das FG mit eingehender Begründung überzeugend bejaht hat, ist vom BFH als Beschwerdegericht nach § 155 FGO i.V.m. § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mehr zu überprüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juli 2000 VII B 28/99, BFHE 192, 44, BStBl II 2000, 643, m.w.N.).

b) Zutreffend hat das FG auch entschieden, dass die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel, weitere Kontrollbesuche der Steuerfahndung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu verhindern, nur im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO erreichen kann und dass sich die Antragsbefugnis daraus ergibt, dass die Antragstellerin sich –hinreichend substantiiert– auf ihr durch Art. 13 des Grundgesetzes (GG) geschütztes Hausrecht an ihren Geschäftsräumen sowie ihr Recht, Eingriffe in ihren Geschäftsbetrieb abzuwehren, beruft (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juni 1991 VII B 136, 137/90, BFH/NV 1992, 254). Auf diese vom FA im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht angegriffenen Ausführungen des FG nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

2.

Der Eilantrag ist aber unbegründet. Entgegen der Auffassung des FG hat die Antragstellerin schon keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist (Senatsbeschluss vom 25. Februar 1997 VII B 231/96, BFH/NV 1997, 428). Die für den Erlass einer Anordnung geltend gemachten Gründe müssen jedenfalls ähnlich gewichtig und bedeutsam sein wie die im Gesetz ausdrücklich Genannten („wesentliche Nachteile“ und „drohende Gewalt“). Sie müssen so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (Senatsbeschluss vom 12. Mai 1992 VII B 173/91, BFH/NV 1994, 103).

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Die Antragstellerin hat dazu vorgetragen, wegen des mit den Besuchen erweckten Anscheins strafrechtlicher Durchsuchungsmaßnahmen würden potenzielle Kunden der Mieterinnen abgeschreckt und dies habe „selbstverständlich auch Auswirkungen auf das Mietverhalten von Prostituierten“, so dass ihre, der Antragstellerin, wirtschaftliche Existenz „unmittelbar bedroht und betroffen“ sei. Damit ist weder hinreichend konkretisiert, dass die befürchteten weiteren Besuche der Steuerfahndung in der Zeit bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Antragstellerin mehr als andere Etablissements im Einzugsbereich treffen und damit Wettbewerbsnachteile auftreten könnten, noch ist die behauptete Existenzbedrohung durch das Ausbleiben von Mieterinnen in irgendeiner Weise präzisiert. Fehlt es danach bereits an der Darlegung der –zudem noch glaubhaft zu machenden– tatsächlichen Voraussetzungen, die einen gravierenden Nachteil im Sinne eines Anordnungsgrundes ergeben, so erübrigen sich weitere Erwägungen dazu, ob eine einstweilige Anordnung in Betracht kommt, wenn der Betroffene es in der Hand hat, die befürchteten negativen Auswirkungen durch eigenes Tun –im Streitfall die zeitweilige Teilnahme am „Düsseldorfer Verfahren“– abzuwenden.

Anders als das FG meint, ist die Glaubhaftmachung schwerwiegender Nachteile im Streitfall nicht deshalb verzichtbar, weil die Antragstellerin ohne die beantragte Regelung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die vermeintlich rechtswidrigen Kontrollbesuche hinnehmen müsste und damit für diese Zeit „weitgehend rechtsschutzlos gestellt“ wäre. Es verkennt dabei, dass durch das einstweilige Verbot von Kontrollbesuchen –wie das FA zutreffend geltend macht– die durch § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 vorgesehene Steueraufsicht über die Einkünfte der Mieterinnen bis zur Hauptsacheentscheidung weitgehend verhindert würde. Die in dieser Zeit unterbliebenen Sachverhaltsermittlungen könnten nicht mehr effektiv nachgeholt werden, dem Ergebnis des Hauptprozesses wäre für diese Zeit endgültig vorgegriffen. Das aber widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. Senatsbeschluss vom 22. August 1995 VII B 153, 154, 167, 172/95, BFHE 178, 15, BStBl II 1995, 645, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Etwas anderes könnte im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nur dann gelten, wenn die Rechtslage klar und eindeutig für die begehrte Regelung spräche und eine abweichende Beurteilung im Hauptverfahren zweifelsfrei auszuschließen wäre (BFH-Beschluss vom 13. November 2002 I B 147/02, BFHE 201, 80, BStBl II 2003, 716). So liegt die Sache aber nicht.

3.

Entgegen der Auffassung des FG hat die Antragstellerin bei der gebotenen summarischen Betrachtung keinen Anspruch darauf, von den Kontrollbesuchen der Steuerfahndung verschont zu bleiben.

a) Es kann dahinstehen, ob die der Steueraufsicht über die Prostituierten dienenden künftigen Kontrollbesuche der Steuerfahnder überhaupt einen Eingriff in den durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Gewerbebetrieb der Antragstellerin –Vermietung von Räumen– darstellen. Jedenfalls hat die Antragstellerin mögliche Nachteile, die ihr durch die rechtmäßige Aufgabenerfüllung der Fahndungsbehörde entstehen, hinzunehmen.

aa) Das Tätigwerden der Steuerfahndung zur Ermittlung unbekannter Steuerfälle und ihre Befugnis, zur Aufgabenerfüllung die Augenscheineinnahme durchzuführen und dazu Grundstücke etc. zu betreten, beruhen auf § 85, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 208 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 99 Abs. 1, § 208 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 200 Abs. 3 Satz 2 AO 1977. Diese verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359; dazu Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 6. April 1989  1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1989, 440; vom 13. Oktober 1971  1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54) gesetzlichen Regelungen bestimmen Inhalt und Schranken des Eigentums i.S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.

bb) Die Kontrollbesuche der Steuerfahndung, die die Antragstellerin mit dem vorliegenden Verfahren verhindern will, sind von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 208 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 99 Abs. 1 AO 1977 gedeckt. Danach ist die Steuerfahndung zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle berechtigt, Grundstücke, (Geschäfts-)Räume etc. zu betreten, soweit dies erforderlich ist, um im Besteuerungsinteresse Feststellungen zu treffen.

Das FG hat unter Hinweis auf die Feststellungen des BRH zur steuerlichen Erfassung von Prostituierten aus dem Jahr 2003 zutreffend und von der Antragstellerin unbeanstandet erkannt, dass ein Tätigwerden der Steuerfahndung zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle i.S. des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 hinreichend veranlasst ist. Ein näheres Eingehen auf die Notwendigkeit eines im Streitfall offensichtlich gegebenen Ermittlungsanlasses erübrigt sich deshalb.

Entgegen der Auffassung des FG ist die Steuerfahndung im Streitfall auch zu der konkreten Maßnahme, zum Aufsuchen der Prostituierten in den von der Antragstellerin gemieteten Räumen, –jedenfalls in einer für die zu treffenden Feststellungen angemessenen und zumutbaren Häufigkeit– befugt. Gemäß § 208 Abs. 1 Satz 2, § 88, § 92 AO 1977 bestimmt die Fahndungsstelle Art und Umfang ihrer Ermittlungen, wobei sie sich der nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlichen Beweismittel, u.a. der Einnahme des Augenscheins, § 92 Satz 2 Nr. 4 AO 1977, bedient. Anhaltspunkte dafür, dass eine künftige Entscheidung des FA, erneut einen Kontrollbesuch in den vermieteten Räumlichkeiten der Antragstellerin durchzuführen, ermessensfehlerhaft sein könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist das FA nicht gehalten, auf die Besuche zu verzichten, weil es steuerlich erhebliche Sachverhalte betreffend die Mieterinnen der Antragstellerin umfassender durch die Einholung von Auskünften bei der zuständigen Polizeibehörde, insbesondere aber der aussagebereiten Antragstellerin erhalten könnte. Auch wenn durch Besuche offensichtlich keine lückenlose Erfassung der steuerpflichtigen Einkünfte der Mieterinnen möglich ist, sind doch Erkenntnisse zu gewinnen, die der Steuerfestsetzung dienen, zumindest als tragfähige Grundlage für künftige Steuerschätzungen. Anders als Auskünfte Dritter kann der Steuerpflichtige unmittelbar bei ihm getroffene Feststellungen nicht in Zweifel ziehen oder bestreiten. Auch liegt es in der Natur des Sache, dass die Augenscheineinnahme Erkenntnisse zu Tage fördern kann, die weitere Ermittlungen erst möglich und nötig machen und die damit über das hinausgehen, was die Antragstellerin dem FA mitteilen könnte. Der mögliche (Neben-)Effekt der Kontrollbesuche, die Prostituierten zu veranlassen, ihre steuerlichen Pflichten zu erfüllen oder zumindest wieder am „Düsseldorfer Verfahren“ teilzunehmen, ist zweifellos wünschenswert. Dass es sich wegen dieses Effektes –wie das FG meint– bei den Besuchen der Fahnder ausschließlich um „Aufklärungs- und Präventionstätigkeit“ handele, zu der sie durch § 208 AO 1977 nicht ermächtigt sein sollen, ist nicht nachvollziehbar. Hingegen sind die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Informationen der Antragstellerin, die das FA auf die Nichtabführung der von den Mieterinnen einbehaltenen Steuerpauschalen seit Ende 2004 stützt, ein hinreichend plausibler Grund, sich nicht auf die Auskunft der Antragstellerin zu beschränken. Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das FA die von der Polizei erhobenen Daten nicht als ausreichend und die Hausbesuche damit nicht als verzichtbar anerkennt. Es liegt auf der Hand und bedarf daher keiner näheren Begründung, dass sich die zu polizeilichen Zwecken erhobenen und gespeicherten Daten nicht mit den für die Steuerfestsetzung erforderlichen Angaben decken. Das FA weist z.B. zu Recht darauf hin, dass in der Polizeiliste keine Frauen geführt sind, denen Prostitution nicht nachgewiesen werden konnte; gerade die Ermittlung in solchen Fällen ist aber Aufgabe der Steuerfahndung.

b) Ein Abwehranspruch gegen das FA steht der Antragstellerin auch nicht als Inhaberin des Hausrechts an den vermieteten Räumen bzw. an den gemeinschaftlich zu nutzenden Bereichen zu. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit die Antragstellerin unmittelbaren oder mittelbaren Mitbesitz an den Flächen innehat.

aa) Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, schützt Art. 13 GG grundsätzlich auch Geschäftsräume vor „Eingriffen und Beschränkungen“. Entgegen der Auffassung des FG gehören die Kontrollbesuche des FA aber nicht zu den Maßnahmen, deren Abwehr Art. 13 GG bezweckt. In dem vom FG zitierten Beschluss in BVerfGE 32, 54 hat das BVerfG ausgeführt, dass das u.a. den mit der Steueraufsicht betrauten Behörden eingeräumte Recht, Betriebsräume zu betreten, um dort im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Betriebsinhabers zur Auskunftserteilung Geschäftsbücher und Akten zu prüfen oder Waren und Einrichtungen zu besichtigen, nicht als „Eingriff und Beschränkung“ i.S. des Art. 13 Abs. 7 GG zu qualifizieren sei. Daraus folgt, dass selbst die Mieterinnen der Räume die Besuche der Steuerfahndung nicht unter Hinweis auf das Hausrecht des Art. 13 GG abwenden könnten; umso weniger kann dies der Vermieter, der den unmittelbaren Besitz an den Räumen, auf deren Betreten die Besuche abzielen, mit der Vermietung auf die Mieterinnen übertragen hat. Dass das Durchschreiten der zu den Räumen führenden Verkehrsflächen, deren unmittelbarer (Mit-)Besitz der Antragstellerin verblieben ist, keine Hausrechtsverletzung sein kann, folgt aus der mit der Raumvermietung notwendigerweise verbundenen Einräumung des Mitbesitzes an diesen Flächen. Das Hausrecht für solche Flächen kann nur gemeinschaftlich ausgeübt werden; es kann nicht durchgesetzt werden, wenn eine der Mieterinnen ein Betreten durch die Steuerfahndung hinnehmen muss.

bb) Dem FG ist allerdings darin zuzustimmen, dass ein Abwehranspruch gegen den Besuch der Steuerfahndung gleichwohl gegeben ist, wenn die nach der Entscheidung des BVerfG unter Beachtung namentlich des Art. 2 Abs. 1 GG im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zu fordernden Voraussetzungen nicht erfüllt sind, nämlich:

– eine besondere gesetzliche Vorschrift muss zum Betreten der Räume ermächtigen;

– das Betreten der Räume, die Vornahme der Besichtigungen und Prüfungen müssen einem erlaubten Zweck dienen und für dessen Erreichung erforderlich sein;

– das Gesetz muss den Zweck des Betretens, den Gegenstand und den Umfang der zugelassenen Besichtigung und Prüfung deutlich erkennen lassen;

– das Betreten der Räume und die Vornahme der Besichtigung und Prüfung sind nur in den Zeiten statthaft, zu denen die Räume normalerweise für die jeweilige geschäftliche oder betriebliche Nutzung zur Verfügung stehen.

cc) Diese Voraussetzungen sind indes vorliegend alle erfüllt. Die Kontrollbesuche sind –wie oben ausgeführt– von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 208 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 99 Abs. 1 AO 1977 gedeckt. Auch ist der Zweck der Augenscheineinnahme, die zur Festsetzung und Erhebung der Steuern erforderlichen Ermittlungen im Einzelfall gerade auch in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen vorzunehmen, ausdrücklich den gesetzlichen Bestimmungen zu entnehmen. Dass die Kontrollbesuche der Steuerfahndung bei den Prostituierten zu Zeiten stattfinden werden, zu denen diese dort ihre Berufstätigkeit ausüben, ist durch den Fahndungszweck vorgegeben.

4.

Der Senat weist darauf hin, dass mit der Ablehnung des vorliegenden Eilantrags nur das Recht des FA bestätigt wird, Kont

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