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Kontrollbetreuung bei wirksamer Vorsorgevollmacht

BGH

Az: XII ZB 537/10

Beschluss vom 30.03.2011


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. März 2011 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 7. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 128 b KostO).

Gründe

I.

Die Betroffene hat mit notarieller Urkunde vom 10. November 2003 ihren drei Söhnen eine umfassende Vorsorgevollmacht mit der Berechtigung zur Einzelvertretung bestellt. Seit 2007 leidet die Betroffene, die bereits seit 1991 im Haus ihres Sohnes B. lebt, an einer fortschreitenden Demenzerkrankung. Mittlerweile wurde ihr Pflegestufe II bewilligt.

Nach einem Sturz der Betroffenen entstand zwischen den Söhnen Streit darüber, wie zukünftig die Pflege und Betreuung der Betroffenen aussehen sollte. Während der Rechtsbeschwerdeführer die Unterbringung seiner Mutter in einem Pflegeheim für erforderlich hielt, wollte B. die häusliche Pflege der Betroffenen, ggf. mit Unterstützung durch Fachkräfte, übernehmen.

Am 20. April 2010 stellte der Rechtsbeschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Betreuungsvollmacht. Im Hinblick auf die erteilte Vorsorgevollmacht lehnte das Amtsgericht die Einrichtung einer Betreuung ab.

Mit notarieller Urkunde vom 6. Mai 2010 widerrief die Betroffene die dem Rechtsbeschwerdeführer erteilte Vollmacht. Dazu wurde die Betroffene von dem Notar in einem Pflegeheim aufgesucht, in dem sie sich zu dieser Zeit nach einem Krankenhausaufenthalt zur Rehabilitation befand. Der Notar stellte bei der Beurkundung die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen fest.

Den danach gestellten Antrag des Rechtsbeschwerdeführers, für die Betroffene gemäß § 1896 Abs. 3 BGB einen Kontrollbetreuer zu bestellen, hat das Amtsgericht abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Rechtsbeschwerdeführers blieb erfolglos.

Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Rechtsbeschwerdeführer sein Ziel weiter, zum Kontrollbetreuer bestellt zu werden.

II.

Die gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

1.

Das Landgericht hat in seiner Entscheidung die Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung nach § 1896 Abs. 3 BGB verneint, weil ein konkreter Überwachungsbedarf nicht bestehe. Weder sei aufgrund des Umfangs oder der Schwierigkeiten der zu besorgenden Geschäfte eine Überwachung angezeigt noch seien den beiden Söhnen der Betroffenen Unregelmäßigkeiten anzulasten, die eine Kontrollbetreuung erforderlich machten.

2.

Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

a)

Nach § 1896 Abs. 3 BGB kann ein Betreuer auch zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt werden. Mit dieser so genannten Kontrollbetreuung kann im Falle einer wirksamen erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen und ggf. die Vollmacht zu widerrufen (BayObLG FGPrax 2005, 151, 152). Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann errichtet werden, wenn sie erforderlich ist (BayObLG FGPrax 2005, 151, 152; OLG Schleswig FamRZ 2006, 645; OLG München NJW-RR 2007, 294, 295; Prütting/Wegen/Weinreich/Bauer BGB 4. Aufl. § 1896 Rn. 26; Bamberger/Roth/Müller BGB 2. Aufl. § 1896 Rn. 42; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht § 1896 BGB Rn. 91; Kurze NJW 2007, 2220, 2221). Das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung kann nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen (Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1896 BGB Rn. 36). Denn der Vollmachtgeber hat die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden. Dieser Wille ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1 a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist mithin der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (Bay-ObLG FGPrax 2005, 151, 152; NK-BGB/Heitmann § 1896 Rn. 78). Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil die zu besorgenden Geschäfte von besonderer Schwierigkeit und/oder besonderem Umfang sind (OLG Schleswig FGPrax 2004, 70; BayObLG FGPrax 2005, 151, 152) oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Auf einen Missbrauch der Vollmacht oder einen entsprechenden Verdacht kommt es nicht an (Staudinger/Bienwald BGB [2006] § 1896 Rn. 133). Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (OLG Stuttgart BWNotZ 2006, 167; OLG Köln OLGR 2009, 502; NK-BGB/Heitmann § 1896 Rn. 78; vgl. auch Damrau/ Zimmermann Betreuungsrecht § 1896 BGB Rn. 91).

b)

Ausgehend von diesen rechtlichen Grundsätzen hat das Beschwerdegericht zu Recht von der Bestellung eines Kontrollbetreuers abgesehen.

aa)

Aufgrund des gesundheitlichen Zustands der Betroffenen ist die Errichtung einer Kontrollbetreuung nicht erforderlich. Zwar leidet die Betroffene an einem fortgeschrittenen demenziellen Syndrom. Durch ihren Hausarzt wurde jedoch bestätigt, dass die Betroffene in ihrer eigenen Wohnung leben kann und dort die pflegerische Versorgung ausreichend gewährleistet wird. Die zuständige Betreuungsstelle hat dem Amtsgericht auf Anfrage mitgeteilt, dass bei einer Überprüfung keine Mängel in der Pflege und Versorgung der Betroffenen festgestellt werden konnten und der Sohn B. mithilfe seiner Frau und Tochter sowie einer Pflegekraft eine umfassende Aufsicht der Betroffenen gewährleisten kann. Ein konkretes Bedürfnis für eine Heimunterbringung der Betroffenen ist zumindest derzeit jedenfalls nicht gegeben. Durch die Weigerung der beiden Söhne B. und F., dem Ansinnen des Rechtsbeschwerdeführers, die Betroffene in einem Pflegeheim unterzubringen, nachzukommen, werden deshalb die Belange und Interessen der Betroffenen nicht beeinträchtigt.

bb)

Soweit der Rechtsbeschwerdeführer im Beschwerdeverfahren die Befürchtung geäußert hat, dass der Sohn B. aufgrund eigener finanzieller Schwierigkeiten möglicherweise Zugriff auf das Vermögen der Betroffenen nehmen könnte, handelt es sich um einen bloßen Verdacht, der jeglicher tatsächlichen Grundlage entbehrt. Die Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG verpflichtet das Gericht nicht, allen nur denkbaren Möglichkeiten nachzugehen (Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 26 Rn. 17). Insbesondere besteht keine Pflicht zu einer Amtsermittlung „ins Blaue“ hinein (Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 26 Rn. 17 mwN). Der Rechtsbeschwerdeführer hat keinerlei konkrete Umstände vorgetragen, die auf ein unredliches Verhalten des B. hingedeutet hätten. Auch aus den Stellungnahmen der Betreuungsbehörde oder des anderen Bruders F. ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für den vom Rechtsbeschwerdeführer geäußerten Verdacht. Hinzu kommt, dass eine Kontrolle des B. auch durch den weiteren bevollmächtigten Sohn F. erfolgen kann. Für vergleichbare Fallkonstellationen wird im Schrifttum zu Recht die Auffassung vertreten, dass bei mehreren Bevollmächtigten, die sich gegenseitig überwachen, eine Kontrollbetreuung überflüssig sein kann (MünchKommBGB/Schwab 4. Aufl. § 1896 Rn. 149; Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1896 BGB Rn. 36; Bamberger/Roth/Müller BGB 2. Aufl. § 1896 Rn. 43; vgl. auch BT-Drucks. 11/4528 S. 123).

cc)

Schließlich ergibt sich das Erfordernis einer Kontrollbetreuung auch nicht aus dem Umstand, dass sich die Söhne über die Art der weiteren Pflege und Versorgung der Betroffenen nicht einigen können. Die Betroffene hat jedem der Söhne in der notariellen Urkunde vom 10. November 2003 Einzelvertretungsmacht erteilt. Der Betreuungsbedarf kann daher durch jeden der Söhne einzeln sichergestellt werden. Ein Einvernehmen aller drei Bevollmächtigten ist – anders als im Fall einer Gesamtvertretung – nicht erforderlich. Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Bevollmächtigten über die Gestaltung der Fürsorgebedürfnisse des Vollmachtgebers rechtfertigen allein die Bestellung eines Kontrollbetreuers jedoch nicht. Erst wenn die ordnungsgemäße Umsetzung der Vollmachten beeinträchtigt ist, also die Pflege und Wahrnehmung der Interessen des Vollmachtgebers eine konkrete Beeinträchtigung erfahren, entsteht ein Überwachungsbedarf im Sinne vom § 1896 Abs. 3 BGB. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt, weil, wie bereits ausgeführt, die Versorgung der Betroffenen auch bei einer häuslichen Pflege sichergestellt ist.

c)

Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das Landgericht habe der Frage weiter nachgehen müssen, ob der Vollmachtswiderruf vom 6. Mai 2010 wirksam war, kann dies dem Rechtsmittel ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich, da jedenfalls die den beiden anderen Söhnen B. und F. erteilten Vollmachten von dem Widerruf unberührt blieben und somit die Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen unabhängig von der Wirksamkeit der zugunsten des Rechtsbeschwerdeführers erteilten Vollmacht weiterhin sichergestellt war. Eine Indizwirkung für unredliche Absichten des B. lässt sich aus diesem Geschehen ebenfalls nicht ableiten, da B. die Pflege der Betroffenen in ihrem häuslichen und damit gewohnten Umfeld, in dem sie sich – wie es sich aus ihrer Anhörung ergibt – wohl fühlt, übernehmen will und somit ersichtlich im Interesse der Betroffenen handelt.

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