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Anlass zur Ausfertigung von Kontrollmitteilungen – Wann?

BUNDESFINANZHOF

Az.: VII B 290/99

Beschluss vom 02.08.2001

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg


Leitsätze:

1. Ein „hinlänglicher Anlass“ für die Ausfertigung von Kontrollmitteilungen besteht jedenfalls dann, wenn der Betriebsprüfer bei der Prüfung der bankinternen Konten einer Bank feststellt, dass Bankkunden, obwohl sie dort ihre Geldkonten führen, Tafelgeschäfte außerhalb dieser Konten anonymisiert in der Art von Bargeschäften abgewickelt haben.

2. Ist der Anlass, der zur Ausfertigung von Kontrollmitteilungen berechtigt, von einer solchen Qualität, dass sich hieraus sogar ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht ableiten lässt –wie z.B. bei der anonymisierten Abwicklung von Tafelgeschäften (1.)– entfaltet das so genannte Bankengeheimnis keine Schutz- oder Vertrauenswirkung für den Bankkunden.

Normen: § 30a Abs. 3, § 194 Abs. 3 AO 1977


Gründe

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine Bank. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) führte bei ihr eine Außenprüfung durch, die sich nach der Prüfungsanordnung auf die für Kapitalgeschäfte relevanten Steuerarten sowie auf Sachverhalte erstrecken sollte, die für andere Steuerarten von Bedeutung sein können. Im Rahmen der Außenprüfung überprüfte der Betriebsprüfer u.a. die bankinternen Sachkonten „Wertpapiervermittlungen“ bzw. „Wertpapiervermittlungskonto“ für die Jahre 1992 und 1994 sowie das Konto „Kasse“. Auf dem Wertpapiervermittlungskonto verbuchte die Antragstellerin u.a. Tafelgeschäfte ihrer Kunden, nämlich den Erwerb von fremdemittierten, von ihr im eigenen Namen für eigene Rechnung erworbenen Inhaberschuldverschreibungen durch Kunden gegen Barzahlung bei Aushändigung der Wertpapiere an die Kunden. Die Bareinzahlungen wurden auf dem Gegenkonto „Kasse“ erfasst. Anhand der Kassenprimanote stellte der Prüfer fest, dass dort in unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Nähe Barauszahlungen in pfenniggenau identischer Höhe verbucht waren, die regelmäßig von Spar-, Giro- oder anderen Konten der Bankkunden stammten. In elf Fällen überstieg der Wert der Tafelgeschäfte 100 000 DM. Für sieben dieser Fälle –sechs aus dem Jahre 1992, einer aus dem Jahre 1994– erbat und erhielt der Prüfer von der ihm von der Antragstellerin benannten Auskunftsperson die Namen und Anschriften der betreffenden Bankkunden.

Bei der Schlussbesprechung sowie mit Schreiben vom 29. Oktober 1998 teilte das FA der Antragstellerin mit, es sei hinsichtlich der sieben Geschäftsvorfälle beabsichtigt, Kontrollmitteilungen zu fertigen und am 30. November 1998 an die zuständigen Veranlagungsfinanzämter der betroffenen Bankkunden zur Auswertung weiterzugeben. Daraufhin beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG), dem FA im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu untersagen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung der gleichzeitig anhängig gemachten Hauptsache (Unterlassungsklage) aufgrund der schriftlichen Aufzeichnungen des Betriebsprüfers über Tafelgeschäfte ihrer Kunden Kontrollmitteilungen auszuschreiben und diese an die Wohnsitzfinanzämter der Kunden zur Auswertung weiterzuleiten.

Das FG hielt diesen Rechtsschutzantrag unter Bezugnahme auf die entsprechenden Erwägungen im Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Oktober 1997 VII B 40/97 (BFH/NV 1998, 424) für zulässig, jedoch nicht für begründet (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 1999, 1063). Es fehle an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Die Darstellung der Antragstellerin, für die Aufzeichnungen aus den Sachkonten „Wertpapiervermittlungen“ und „Kasse“ hätten die Voraussetzungen des § 194 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht vorgelegen und sie seien insbesondere nicht „anlässlich einer Außenprüfung“ gemacht worden, ergebe nicht schlüssig den behaupteten Unterlassungsanspruch.

Das FG ist der Auffassung, das Wort „anlässlich“ weise auf einen sachlichen –nicht bloß rein zeitlichen– Zusammenhang zwischen der Außenprüfung bei einem Steuerpflichtigen und der Feststellung der Verhältnisse Dritter in dem Sinne hin, dass die Außenprüfung bei dem Steuerpflichtigen den sachlichen Anlass, Anstoß oder Hintergrund für die Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse Dritter abgeben müsse. Eine besondere Qualifizierung, wie von der Antragstellerin gefordert, brauche dieser Zusammenhang aber nicht aufzuweisen; es müsse genügen, dass die vom Prüfer gesichteten Geschäftsunterlagen des Steuerpflichtigen Hinweise auf die Verhältnisse dritter Personen gäben, die für deren Besteuerung möglicherweise erheblich seien. Im Streitfall habe der Betriebsprüfer im Rahmen der Außenprüfung befugterweise die Sachkonten „Wertpapiervermittlungen“ und „Kasse“ gesichtet. Wenn er dabei auf buchmäßig vollzogene Barauszahlungen von Kunden-Guthabenkonten gestoßen sei und gleichzeitig buchmäßig vollzogene entsprechende Bareinzahlungen festgestellt habe, so sei dies selbst dann „anlässlich“ der Außenprüfung und nicht „ins Blaue hinein“ geschehen, wenn die dabei ersichtlich werdenden Geldbewegungen für die eigenen steuerlichen Verhältnisse der Bank keine Bedeutung hätten. Halte der Betriebsprüfer aufgrund seiner Erfahrung die festgestellten Verhältnisse Dritter (hier der Bankkunden, die Tafelgeschäfte trotz bestehender Konten in „bar“ abgewickelt hätten) für kontrollbedürftig, sei er von Rechts wegen an der Ausstellung von Kontrollmitteilungen nicht gehindert. Insbesondere könne nicht verlangt werden, dass dabei Anhaltspunkte für eine Steuerpflicht des Dritten oder gar der Verdacht einer Steuerverkürzung beständen. Auf die außergewöhnliche Art der Abwicklung der Geschäftsvorfälle komme es nicht an. Auch verstoße es nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn das FA in lediglich sieben der festgestellten Fälle, bei denen ein Geschäftswert von 100 000 DM überschritten sei, Kontrollmitteilungen fertigen und übersenden wolle.

Im Streitfall werde § 194 Abs. 3 AO 1977 für den Bankenbereich auch nicht durch § 30a Abs. 3 AO 1977 eingeschränkt, denn die bankinternen Konten „Wertpapiervermittlungen“ und „Kasse“ gehörten nicht zu den legitimationsgeprüften Kundenkonten und fielen deshalb nicht in den Schutzbereich des § 30a Abs. 3 AO 1977. Aus dem Konto „Wertpapiervermittlungen“ sei lediglich ersichtlich, dass ein Umsatz mit „Effekten“ gegen „bar“ getätigt worden sei; ein Bezug zu einem legitimationsgeprüften Kundenkonto bestehe nicht. Auch bei Hinzunahme des „Bar“-Kontos („Kasse“ bzw. dazugehörige Primanota) werde lediglich ersichtlich, dass die Barmittel von einem –durch Angabe der Konto-Nr. identifizierbaren– Kundenkonto stammten. Feststellung und Abschrift des Kassenkontos einschließlich der Nummer des Kundenkontos könne für sich allein die durch die Legitimationsprüfung der Kundenkonten erreichte Schutzwirkung nicht berühren. Eine Identifizierung des betroffenen Kunden sei erst durch Hinzuziehung des Kontenverzeichnisses der Antragstellerin und der Adressliste möglich. Dies genüge aber nicht, um die bankinternen Konten „Wertpapiervermittlung“ und „Kasse“ in den Schutzbereich des § 30a Abs. 3 AO 1977 einzubeziehen.

Selbst wenn man diese Konten als Zwischenkonten begreifen und die daraus gewonnenen Informationen bei funktionaler Betrachtung als vom Schutz des § 30a Abs. 3 AO 1977 erfasst sehen wolle, käme eine solche Betrachtung im Streitfall nicht zum Zuge, weil der Prüfer seine Prüfung nicht bei den legitimationsgeschützten Kundenkonten angesetzt habe, sondern den umgekehrten Weg gegangen sei. Er habe die Sachinformation zunächst außerhalb des Schutzbereichs des § 30a Abs. 3 AO 1977 durch Überprüfung der bankinternen Konten gewonnen. Die Erfragung der Kundennamen sei kein „Feststellen oder Abschreiben“ der Guthabenkonten der Kunden. Schließlich seien die betroffenen Kunden auch nicht schutzwürdig. Sie hätten trotz ihrer bestehenden Guthabenkonten bei der Antragstellerin die Tafelgeschäfte in der Art von Bargeschäften abgewickelt, um diese zu anonymisieren. § 30a Abs. 3 AO 1977 bezwecke aber lediglich, banköffentliche Transaktionen einem gewissen Vertrauensschutz zu unterstellen.

Mit ihrer vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Beschwerde (§ 128 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.

Sie ist der Auffassung, die Überprüfung von Tafelgeschäften gehöre, anders als das FG meine, nicht zu den ureigensten Aufgaben der Betriebsprüfung. Die gezielte Suche nach Drittinformationen weise keinen sachlichen Bezug zur Prüfung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen auf. Das Vorliegen einer gezielten Suche werde durch den tatsächlichen Geschehensablauf belegt, denn der Prüfer habe nicht um die Vorlage der entsprechenden Unterlagen zwecks Prüfung gebeten, sondern die Antragstellerin aufgefordert, im Prüfungszeitraum sämtliche Tafelgeschäfte über 100 000 DM festzustellen und auch die dazugehörigen Namen und Anschriften zu benennen. Die elf streitbefangenen Fälle bildeten somit die Gesamtzahl der Tafelgeschäfte für einen fünfjährigen Prüfungszeitraum (1992 bis 1996). Es habe daher das Rastermerkmal „Tafelgeschäfte über 100 000 DM“ zur Ausfilterung bestimmter Personen aus dem Kreis der Bankkunden geführt. Daher liege eine umfassende Sichtung von Unterlagen vor, die durch die Prüfungsanordnung nicht gedeckt sei. In Wirklichkeit liege ein Sammelauskunftsersuchen vor, für das die Voraussetzungen nicht erfüllt seien, da der Erwerb von Wertpapieren im Tafelgeschäft per se keinen hinreichenden Anlass für ein solches bilde. Das Konto „Wertpapiervermittlungen“ habe der Prüfer tatsächlich nicht geprüft.

Die Schlussfolgerungen des FG zu § 30a Abs. 3 AO 1977 seien auch mit dem funktionalen Kontenbegriff nicht vereinbar. Jedenfalls das Kassenkonto falle in den Schutzbereich des § 30a Abs. 3 AO 1977, da dieses als Gegenkonto bei Ein- und Auszahlungen von Kundenkonten diene. Anhand der Kassenbuchung könne mittels Gegenbuchung das legitimationsgeprüfte Konto festgestellt werden. Schon die Feststellung, dass eine bestimmte Person ein Guthabenkonto unterhalte, sei unzulässig. Wenn aufgrund des funktionalen Kontenbegriffes der Schriftverkehr bezüglich legitimationsgeprüfter Konten geschützt sei, so müsse dies auch für das jeweilige Gegenkonto gelten. Es könne nicht in der Disposition des Prüfers liegen, ob, wie das FG meine, je nach Vorgehen bei der Prüfung eine Anwendung des § 30a Abs. 3 AO 1977 in Betracht komme oder nicht. Werde ein Tafelgeschäft durch Guthaben auf einem Sparkonto finanziert, sei im Übrigen eine unmittelbare Verbuchung –ohne Einschaltung eines Zwischenkontos– technisch nicht möglich. Auch die Ausführungen des FG, dass § 30a Abs. 3 AO 1977 nicht dazu diene, die Anonymität von Tafelgeschäften zu verhindern, seien verfehlt. Tafelgeschäfte seien rechtlich zulässig, und zwar ohne Prüfung der Legitimation bei Erwerb und Einlösung der Papiere.

Das FA beantragt, die Beschwerde aus den Gründen der vorinstanzlichen Entscheidung zurückzuweisen.

Es widerspricht insbesondere den Ausführungen der Antragstellerin, der Betriebsprüfer habe die Prüfung zu einer gezielten Suche nach Drittinformationen genutzt.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin, über die der Senat gemäß § 90 Abs. 1 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet und daher zurückzuweisen. Aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung teilt der Senat die Auffassung des FG, dass der Antragstellerin ein Anordnungsanspruch gegen das FA auf Unterlassung, aufgrund der schriftlichen Aufzeichnungen des Betriebsprüfers über Tafelgeschäfte ihrer Kunden Kontrollmitteilungen auszuschreiben und diese an die Wohnsitzfinanzämter der Kunden zur Auswertung weiterzuleiten, nicht zusteht.

1. Hinsichtlich der Verwirklichung des Rechtsschutzziels im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen (Sicherungs-) Anordnung (§ 114 Abs. 1 Satz 1 FGO), der Antragsbefugnis der Antragstellerin aufgrund der Behauptung, jedenfalls in ihren Eigentumsrechten an den abgeschriebenen Geschäfts- und Kontenunterlagen verletzt zu sein (§§ 903 Satz 1, 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB–, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes –GG–), des besonderen Rechtsschutzbedürfnisses gerade für den Erlass einer einstweiligen Anordnung und des Bestehens eines Anordnungsgrundes verweist der Senat auf die Ausführungen des FG. Da diese auf der Rechtsprechung des Senats beruhen (vgl. insbesondere BFH/NV 1998, 424) und die Beteiligten hiergegen keine Einwendungen erhoben haben, sieht der Senat von einer weiter gehenden Begründung ab.

2. Der von der Antragstellerin aus ihren Eigentumsrechten an den eingesehenen und abgeschriebenen Geschäftsunterlagen abgeleitete Anordnungsanspruch (Abwehranspruch aus § 903 Satz 1, § 1004 BGB, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) findet seine Schranken in den Rechten anderer, der verfassungsmäßigen Ordnung oder dem Sittengesetz (Art. 2 Abs. 1 GG). Ist der Eigentümer einer Sache hiernach zur Duldung verpflichtet, ist sein Abwehranspruch ausgeschlossen (§ 1004 Abs. 2 BGB, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG).

§ 194 Abs. 3 AO 1977 ist eine Vorschrift der verfassungsmäßigen Ordnung, die der Außenprüfung bestimmte Befugnisse zuweist und daher geeignet ist, den geltend gemachten Abwehranspruch zu entkräften.

a) Nach § 194 Abs. 3 1. Alternative AO 1977 ist die Auswertung von anlässlich einer Außenprüfung festgestellten Verhältnissen Dritter insoweit zulässig, als die Kenntnis dieser Feststellungen für deren Besteuerung von Bedeutung ist. Das Wort „anlässlich“ verlangt, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, jedenfalls mehr als einen bloß zeitlichen Zusammenhang zwischen der Außenprüfung und der Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse Dritter. Klar ist, dass die Feststellung solcher Verhältnisse Dritter nicht Grund oder Anlass für eine Außenprüfung sein darf. Eine Außenprüfung darf daher nicht zu dem Zwecke durchgeführt werden, die Verhältnisse dritter Personen zu erforschen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BFHE 183, 45, 62, BStBl II 1997, 499; s. auch Streck, Die Fertigung von Kontrollmitteilungen bei Außenprüfungen in Banken, Deutsches Steuerrecht 1997, 1993, 1997). So wäre die Anordnung einer Außenprüfung bei einem Kreditinstitut zum Zwecke der Erforschung von Tafelgeschäften unzulässig. Anhaltspunkte in dieser Hinsicht bestehen im Streitfall nicht und werden auch nicht von der Antragstellerin behauptet.

Zwischen Außenprüfung und Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse dritter Personen muss, hierin folgt der Senat dem FG, ein sachlicher Zusammenhang in der Weise bestehen, dass bei einer konkreten und im Aufgabenbereich des Prüfers liegenden Tätigkeit ein Anlass auftaucht, der den Prüfer veranlasst, solche Feststellungen zu treffen. Dies muss kein besonderer Anlass sein, etwa ein solcher, der zwingend den Verdacht einer Steuerverkürzung des Dritten erweckt. Es genügt vielmehr, dass die vom Prüfer gesichteten Geschäftsunterlagen des Steuerpflichtigen Hinweise auf die Verhältnisse dritter Personen geben, die bei objektiver Betrachtung für deren Besteuerung von Bedeutung sein können. Wenn ein Teil des Schrifttums einen „hinlänglichen Anlass“ für solche Feststellungen und die daraus zu ziehenden Folgerungen (z.B. Erstellen von Kontrollmitteilungen) verlangt (dazu neigt auch der VIII. Senat des BFH, vgl. in BFHE 183, 45, 61, BStBl II 1997, 499, m.w.N.; a.A. jedoch Niedersächsisches FG, Beschluss vom 30. September 1998 X 437/98 V, EFG 1999, 10, m.w.N.), so ist diese Einschränkung des § 194 Abs. 3 AO 1977 nach Auffassung des beschließenden Senats in erster Linie Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips, welches für jegliches Tätigwerden der staatlichen Organe zunächst das Überschreiten einer Erheblichkeitsschwelle, mithin einen hinlänglichen Anlass, voraussetzt. Aus einem solchen Verständnis folgt zwangsläufig, dass der Betriebsprüfer die Geschäftsunterlagen des Steuerpflichtigen einerseits nicht gezielt unter Anlegung eines vorgegebenen Rasters und andererseits nicht „ins Blaue hinein“, d.h. als beliebige Stichprobe, nach steuererheblichen Verhältnissen Dritter durchforsten darf.

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b) Bei Anlegung dieses Maßstabs wird das Verhalten des Betriebsprüfers im Streitfall von § 194 Abs. 3 AO 1977 gedeckt.

Zurückzuweisen ist zunächst das Vorbringen der Antragstellerin im vorliegenden Beschwerdeverfahren, der Prüfer habe das Konto „Wertpapiervermittlungen“ gar nicht geprüft, sondern ihre Beauftragten unmittelbar aufgefordert, im Prüfungszeitraum sämtliche Tafelgeschäfte über 100 000 DM festzustellen und auch die dazugehörigen Namen und Anschriften der Bankkunden zu benennen. Dieser vom FA ausdrücklich bestrittene Vortrag findet in den Feststellungen des FG keine Stütze. Da ihn die Antragstellerin auch nicht glaubhaft gemacht hat, muss er hier unberücksichtigt bleiben. Wäre es tatsächlich so gewesen, wäre das Vorgehen des Prüfers freilich als rechtswidrig zu qualifizieren.

Unter Zugrundelegung der Feststellungen des FG ist mithin davon auszugehen, dass der Prüfer bei der zu seinem Aufgabenbereich gehörenden Prüfung des Kontos „Wertpapiervermittlungen“ „Bareinzahlungen“ feststellte, denen, wie der Abgleich mit dem ebenfalls von ihm zulässigerweise geprüften Kassenkonto und der Kassenprimanote ergab, dort in unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Nähe „Barauszahlungen“ in pfenniggenau identischer Höhe gegenüberstanden, die regelmäßig von Spar-, Giro- oder anderen Konten der Bankkunden stammten. Damit stand objektiv fest, dass Bankkunden, obschon diese bei der Antragstellerin Geldkonten führten, Wertpapiergeschäfte mit der Antragstellerin außerhalb dieser Konten anonymisiert in der Art von Bargeschäften abgewickelt hatten. Vor diesem Befund konnte und brauchte der Prüfer seine Augen nicht zu verschließen. Es ist keine Frage, dass der Prüfer unter solchen Umständen nach § 194 Abs. 3 AO 1977 berechtigt war, alle Fälle dieser Art anhand der genannten Konten festzustellen. Die Vorschrift erlaubt ferner, nachdem die Antragstellerin Namen und Anschrift der betreffenden Kunden mitgeteilt hatte, die Auswertung dieser Feststellungen durch Erstellen und Versenden von Kontrollmitteilungen, denn es liegt klar auf der Hand, dass die Kenntnis dieser Feststellungen für die zutreffende Besteuerung der betreffenden Bankkunden von Bedeutung ist.

Der dabei angelegte Filter „Wert der Tafelgeschäfte über 100 000 DM“, der nach Auffassung des Senats angesichts der anonymisierten Durchführung der Geschäfte eher hoch angesetzt war, gibt jedenfalls keinen Anlass für eine zugunsten der Antragstellerin wirkende Beanstandung. Deren Auffassung, es handele sich vorliegend um ein unzulässiges Rastermerkmal zur Ausfilterung bestimmter Personen aus dem Kreis der Bankkunden und bei dem ganzen Vorgang in Wirklichkeit um ein unzulässiges Sammelauskunftsersuchen, trifft nicht zu. Denn der Prüfungsbeamte hat seine Prüfungstätigkeit nicht unter Vorgabe dieses Suchrasters aufgenommen, was, wie ausgeführt, unzulässig wäre, sondern dieses Raster zur Beschränkung der weiterzuverfolgenden Fälle erst eingeführt, als er aufgrund seiner konkreten Prüfungsfeststellungen hinlänglichen Anlass für ein Abschreiben der betreffenden Konten und für die naheliegende Folge der Ausschreibung von Kontrollmitteilungen sah. Im Übrigen gab nicht der Erwerb von Wertpapieren im Tafelgeschäft per se, wie die Antragstellerin meint, den erforderlichen hinlänglichen Anlass ab, sondern die Art und Weise der anonymisierten Durchführung dieser Tafelgeschäfte.

c) § 30a Abs. 3 AO 1977, der im Bankenbereich die Auswertungsbefugnis der Betriebsprüfung ihrerseits wieder begrenzt (s. dazu Senat in BFH/NV 1998, 424), steht im Streitfall der Ausschreibung und Weiterleitung von Kontrollmitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter der betreffenden Bankkunden nach § 194 Abs. 3 AO 1977 nicht im Wege. Zwar soll nach § 30a Abs. 3 Satz 2 AO 1977 die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen hinsichtlich von Guthabenkonten oder Depots, bei deren Einrichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO 1977 stattgefunden hat, unterbleiben. Wie der Senat jedoch bereits mehrfach für den Bereich der Steuerfahndung entschieden hat, gilt dieses in Form eines gebundenen Ermessens formulierte Verbot nicht, wenn wegen des Verdachts einer Steuerverkürzung ermittelt wird oder ermittelt worden ist (vgl. BFH in BFH/NV 1998, 424), mithin ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht besteht oder gegeben war (Senatsbeschluss vom 25. Juli 2000 VII B 28/99, BFHE 192, 44, BStBl II 2000, 643). Entsprechendes muss auch gelten, wenn die Außenprüfung, an die sich § 30a Abs. 3 AO 1977 ausdrücklich richtet, ein Kreditinstitut prüft und nach § 194 Abs. 3 AO 1977 Kontrollmitteilungen fertigen will. Ist der Anlass, der zu einem Vorgehen nach § 194 Abs. 3 AO 1977 grundsätzlich berechtigt, von einer solchen Qualität, dass sich hieraus sogar ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht ableiten lässt, entfaltet § 30a Abs. 3 AO 1977 keine Schutz- oder Vertrauenswirkung zugunsten der von diesem Verdacht betroffenen Dritten.

So verhält es sich im Streitfall. Der Senat nimmt Bezug auf seinen Beschluss vom 15. Juni 2001 VII B 11/00 (zur Veröffentlichung in BFHE vorgesehen; seit 2. August 2001 auch auf der Internetseite des BFH –www.bundesfinanzhof.de– einseh- und abrufbar), in dem er ausführlich begründet hat, dass der so genannte Anfangsverdacht einer Steuerstraftat bei der Durchführung von Tafelgeschäften dann gerechtfertigt ist, wenn der Bankkunde solche Geschäfte bei seinem Kreditinstitut, bei dem er seine Konten und/oder Depots führt, außerhalb dieser legitimationsgeprüften Konten durch –buchmäßig betrachtet– Bareinzahlungen und Barabhebungen abwickelt. Denn wer Konten und Depots bei einem Kreditinstitut führt, seine Wertpapiergeschäfte aber gleichwohl durch Bareinzahlungen und Barabhebungen tätigt, sodass sie anhand der über seine legitimationsgeprüften Konten und Depots geführten Unterlagen nicht als Wertpapiergeschäfte ersichtlich sind, muss sich nicht nur die Frage gefallen lassen, warum er dies tut, sondern muss auch den Anfangsverdacht ertragen, er habe mit dieser Art der anonymisierten Geschäftsabwicklung möglicherweise die Weiche für eine nachfolgende Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung gestellt. Dieser Anfangsverdacht rechtfertigt ohne weiteres die Ausschreibung und Versendung von Kontrollmitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter der betreffenden Bankkunden (vgl. ebenfalls den Senatsbeschluss vom 15. Juni 2001 VII B 11/00), ohne dass es darauf ankäme, ob die geprüften und ermittelten Konten zu den zum Schutzbereich des § 30a Abs. 3 AO 1977 gehörenden Konten zählen. Dann ist es an den Bankkunden, den aufgekommenen Anfangsverdacht dem nachforschenden Wohnsitzfinanzamt gegenüber zu widerlegen.

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