OLG Köln, Az.: 17 W 135/91, Beschluss vom 11.11.1991
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung – auch über die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde – an die Zivilkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.
Gründe
Die formell bedenkenfreie sofortige Beschwerde des Beklagten führt in Anwendung des § 575 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Kammer des Landgerichts. Über die Frage, ob der Beklagte von den Kosten, die die Klägerin aufgewandt hat, um den vollstreckbaren Anspruch durchzusetzen und auf der Grenze zwischen den in D in der Zstraße 24 und der Sstraße IV gelegenen Grundstücken eine 2 Meter hohe Mauer aus Stein errichten zu lassen, mehr als die schon vorausgezahlten 15.000,00 DM und die der Klägerin darüberhinaus durch Urteil des Amtsgerichts Düren vom 29. November 1989 – 2 C 98/88 – zuerkannten 528,24 DM zu erstatten hat, kann nicht ohne weitere tatsächliche Feststellungen entschieden werden. Diese Feststellungen werden der Kammer des Landgerichts übertragen.
Nach § 788 ZPO fallen die Kosten der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zur Last, soweit sie notwendig gewesen sind. Das kann in der Regel nur angenommen werden, wenn die Vollstreckungsmaßnahmen, die der Gläubiger ergriffen hat, nach Art und Umfang zur Wahrung seiner Rechte erforderlich und die hierfür aufgewandten Kosten üblich oder angemessen waren. Wie im ordentlichen Rechtsstreit ist der Gläubiger auch in der Zwangsvollstreckung gehalten, die Kosten, die er von dem Schuldner erstattet verlangen will, im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren niedrig zu halten. Für die Kosten der Zwangsvollstreckung zur Erzwingung einer vertretbaren Handlung gelten insoweit keine Besonderheiten. Die Erstattungspflichtigkeit der Kosten einer Ersatzvornahme kann daher nicht ausschließlich danach beurteilt werden, ob die zur Vornahme der vertretbaren Handlung in die Wege geleitete Maßnahme des Gläubigers als solche erforderlich gewesen ist; die zu diesem Zweck verauslagten Kosten müssen vielmehr auch der Höhe nach notwendig gewesen sein. Die Kosten der vom Gläubiger aufgrund einer Ermächtigung nach § 887 ZPO in Auftrag gegebenen Bauarbeiten sind mithin, wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 20. August 1990 – 17 W 276/90 – dargelegt hat, im allgemeinen nicht über die dafür übliche oder angemessene Vergütung hinaus erstattungsfähig.
Die Ansicht der Kammer des Landgerichts, daß die Kosten, die der Gläubiger tatsächlich aufgewandt hat, um die vom Schuldner verweigerte Handlung durch einen Dritten vornehmen zu lassen, in entsprechender Anwendung der haftungsrechtlichen „Grundsätze des BGH zum sogenannten Werkstattrisiko“ auch insoweit den notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne der §§ 788, 91 ZPO zuzurechnen seien, als sie ohne eigene Schuld des Gläubigers – etwa wegen überhöhter Ansätze von Material und/oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise – im Vergleich zu den mit einer Handlung der im Wege der Ersatzvornahme vorgenommenen Art üblicherweise verbundenen Kosten unangemessen hoch seien, begegnet erheblichen Bedenken. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch hat seine Grundlage nicht im materiellen Recht. Als ein an die Tatsache der Prozeßführung oder der Zwangsvollstreckung anknüpfender Anspruch entsteht der prozessuale Kostenerstattungsanspruch nach den §§ 788, 91 ZPO durch bloße Veranlassung. Er ist nach der gesetzlichen Regelung auf dasjenige begrenzt, war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, wobei sich das Maß des Erforderlichen nach objektiven Maßstäben bestimmt. Die für den Umfang der Schadensersatzpflicht maßgeblichen Vorschriften des materiellen Rechts können daher für die Bemessung der prozessualen Kostenerstattungspflicht nur bedingt, nämlich allenfalls insoweit herangezogen werden, als darin eine den materiellen Schadensersatzanspruch und die prozessuale Kostenerstattung gleichermaßen betreffende Grundentscheidung des Gesetzgebers zum Ausdruck kommt (vgl. BGH NJW 1990, 2060). Ob und inwiefern es hiernach gerechtfertigt ist, die Grundsätze zum Umfang der Ersatzpflichtigkeit der vom Geschädigten zur Beseitigung der Rechtsgutverletzung aufgewendeten Kosten auf den Kostenerstattungsanspruch zu übertragen, der dem Gläubiger als Folge einer Ersatzvornahme erwachsen ist, erscheint nicht zuletzt mit Rücksicht darauf, daß für den Umfang des Anspruchs des Geschädigten auf Ersatz seiner Aufwendungen zur Beseitigung seines Schadens auch Schutzzweckgesichtspunkte von Bedeutung sind, zweifelhaft. Im vorliegenden Fall kann dies jedoch dahinstehen. Denn selbst wenn man es für zulässig halten wollte, bei der Bemessung des Kostenerstattungsanspruchs des Gläubigers, der aufgrund einer Ermächtigung gemäß § 887 ZPO die Handlung durch einen Dritten hat vornehmen lassen, auf § 249 Satz 2 BGB und die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze abzustellen, so würde über die Frage, ob und inwieweit die hier streitigen Kosten der Zwangsvollstreckung von dem Beklagten zu erstatten sind, derzeit gleichwohl nicht abschließend entschieden werden können. Es ist anerkannten Rechts (vgl. BGH NJW 1975, 160 = BGHZ 63, 182), daß dem Geschädigten, der die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt und sich hierzu berechtigterweise eines Dritten bedient, ein Anspruch auf Ersatz der die üblichen oder angemessenen Instandsetzungskosten hinausgehenden Aufwendungen nur dann zusteht, wenn der höhere Herstellungsaufwand nicht von ihm verschuldet worden ist, was wiederum aus der Sicht eines verständigen Menschen in der Lage des Geschädigten zu beurteilen ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Hätte die Klägerin sich bei der Ersatzvornahme von wirtschaftlich vertretbaren, das Interesse des Beklagten an einer Geringhaltung der Kosten mitberücksichtigenden Erwägungen leiten lassen und die Kostenseite nicht völlig außer Acht gelassen, dann hätte sie die in ihrem Auftrag von der Bauunternehmung R ausgeführten Bauarbeiten nicht bezahlt, ohne zuvor auf einer Klärung der Unstimmigkeiten zwischen der ihr unter dem 1. Juli 1988 erteilten Rechnung und dem Kostenanschlag der Firma R vom 27. April 1985 bestanden zu haben.
Schon die Tatsache, daß die Firma R die mit der Errichtung der Grenzmauer verbundenen Kosten in ihrem Voranschlag auf weniger als 14.000,00 DM beziffert, alsdann jedoch eine Vergütung von mehr als 17.700,00 DM gefordert hat, hätte die Klägerin zum Anlaß nehmen müssen, Aufklärung über die Gründe für die wesentliche Überschreitung des Kostenanschlages zu verlangen, zumal sich die Preisdifferenz ersichtlich nicht ausschließlich aus zwischenzeitlichen Lohn- und Materialkostensteigerungen erklären läßt. Hinzu kommt, daß dem Kostenanschlag der Firma R vom 27. April 1985 über 13.939,92 DM brutto eine Kalkulation der Baukosten nach Einheitspreisen zugrundegelegen hat, während sie die Bauleistungen tatsächlich auf Stundenlohnbasis abgerechnet hat. Angesichts dieser Widersprüche in der Kalkulation und in der Preisgestaltung der Firma R muß die Klägerin sich entgegenhalten lassen, dem Interesse des Beklagten, nicht mit überhöhten Vollstreckungskosten belastet zu werden, nicht hinreichend Rechnung getragen zu haben, als sie deren Rechnung vom 1. Juli 1988 anstandslos bezahlt hat. Nach den Grundsätzen des Schadensersatzrechts würde die Klägerin sich demnach darauf verweisen lassen müssen, sich mit der Firma R wegen der Höhe der ihr in Rechnung gestellten Baukosten – notfalls auch gerichtlich – auseinanderzusetzen. Damit erweist sich zugleich der auf das im Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Düren eingeholte Gutachten des Sachverständigen S gestützte Einwand des Beklagten, die Bauunternehmung R habe der Klägerin eine unangemessen hohe Vergütung für die in deren Auftrag ausgeführten Bauarbeiten abverlangt, für das vorliegende Kostenfestsetzungsverfahren als erheblich. Da die Kammer des Landgerichts der irrigen Ansicht gewesen ist, der Beklagte könne mit diesem Einwand nicht gehört werden, hat sie sich mit der Frage, ob und inwieweit die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme aufgewendeten Kosten üblich oder angemessen waren, nicht befaßt. Hierzu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen. Der Senat hält es für sachdienlich, die Sache zu diesem Zweck an die Kammer des Landgerichts zurückzuverweisen, die nunmehr die der Klägerin von der Firma R in Rechnung gestellten Kosten unter kritischer Würdigung des auf Ersuchen des Amtsgerichts Düren erstatteten Gutachtens des Sachverständigen S vom 8. Juni 1989 auf ihre Üblichkeit oder Angemessenheit wird überprüfen müssen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde bleibt der Kammer des Landgerichts vorbehalten, da sich derzeit nicht übersehen läßt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem Rechtsmittel Erfolg beschieden sein wird.