Die Kosten für ein familienpsychologisches Gutachten in einem Sorgerechtsstreit beliefen sich auf exakt 24.328 Euro. Die Beteiligten forderten eine Kürzung der Sachverständigenvergütung wegen Unbrauchbarkeit und fehlender Hinweispflicht auf die extreme Summe.
Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Kann man die Vergütung eines Sachverständigen kürzen, wenn die Rechnung astronomisch hoch erscheint?
- Wann gilt ein Gutachten als so schlecht, dass man es nicht bezahlen muss?
- Wie rechtfertigt eine Gutachterin fast 200 Arbeitsstunden für einen Fall?
- Muss ein Sachverständiger in Sorgerechtsfällen vorab vor explodierenden Kosten warnen?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Muss ich ein familienpsychologisches Gutachten bezahlen, auch wenn es mangelhaft oder verspätet ist?
- Wie kann ich mich gegen die extrem hohen Sachverständigenkosten der Justizkasse wehren?
- Wie wird geprüft, ob der Gutachter zu viele Arbeitsstunden für mein Gutachten berechnet hat?
- Hätte das Gericht oder der Gutachter vorab auf die hohen Kosten im Sorgerechtsverfahren hinweisen müssen?
- Wer ist in Familiensachen dafür verantwortlich, die Kostenobergrenze für Gutachter zu kontrollieren?
- Glossar
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 15 WF 30/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
- Datum: 11. Juni 2025
- Aktenzeichen: 15 WF 30/22
- Verfahren: Beschwerde gegen Kostenansatz in einer Kindschaftssache
- Rechtsbereiche: Familienrecht, Kostenrecht
- Das Problem: Ein Beteiligter in einem Sorgerechtsverfahren sollte über 13.000 Euro für ein psychologisches Gutachten an die Landeskasse erstatten. Er forderte die Streichung dieser Kosten, da das Gutachten seiner Meinung nach nutzlos, zeitlich überzogen und die Gesamtkosten (fast 25.000 Euro) nicht rechtzeitig angekündigt wurden.
- Die Rechtsfrage: Kann ein Beteiligter die Zahlung von Gerichtskosten für ein Sachverständigengutachten verweigern, weil der Gutachter schlechte Arbeit geleistet oder nicht konkret vor den voraussichtlich sehr hohen Kosten gewarnt hat?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Beschwerde zurück. Das Gutachten war nicht nutzlos, da es die Entscheidung der Vorinstanzen maßgeblich beeinflusst hatte. Zudem muss ein Gutachter in gerichtlich angeordneten Kindschaftssachen nicht zwingend vorab über die konkrete Höhe der Gesamtkosten informieren.
- Die Bedeutung: Die Parteien müssen für die Gutachterkosten aufkommen, wenn das Gericht das Gutachten in seiner Entscheidung verwendet. Eine fehlende formelle Warnung des Gutachters vor sehr hohen Kosten führt in Sorgerechtsverfahren nicht automatisch zur Streichung der Gebühren.
Der Fall vor Gericht
Kann man die Vergütung eines Sachverständigen kürzen, wenn die Rechnung astronomisch hoch erscheint?
Ein Vater kämpfte um das Sorgerecht für sein Kind. Er rechnete mit einer emotionalen Zerreißprobe. Womit er nicht rechnete, war eine Rechnung der Justizkasse über 13.185,57 Euro – sein Anteil an einem einzigen familienpsychologischen Gutachten. Die Gesamtsumme von 24.328,38 Euro für dieses eine Dokument löste einen zweiten Rechtsstreit aus. In diesem ging es nicht mehr um das Kindeswohl, sondern um Geld. Die Argumente des Vaters waren klar: Das Gutachten sei mangelhaft, verspätet und der Preis sei nie transparent gemacht worden. Er zog vor das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht, um gegen diese Kostenlast anzukämpfen.

Der Fall landete beim 15. Familiensenat. Das Gericht musste klären, ob der Vater zur Zahlung verpflichtet ist oder ob die Forderung des Staates, der das Geld für die Gutachterin verauslagt hatte, unberechtigt war. Der Vater legte eine offizielle Beschwerde gegen den Kostenansatz ein. Er forderte die Streichung der kompletten Summe. Seine Begründung stützte sich auf drei Pfeiler: Die Leistung der Gutachterin sei unbrauchbar, der abgerechnete Zeitaufwand sei überzogen und eine Warnung vor den explodierenden Kosten habe gefehlt.
Wann gilt ein Gutachten als so schlecht, dass man es nicht bezahlen muss?
Der Vater argumentierte, das Gutachten sei „gänzlich unbrauchbar“. Die Beauftragung erfolgte im Oktober 2017. Die letzten Gespräche mit den Kindern fanden ein Jahr später statt. Das fertige Dokument lag aber erst im September 2019 vor – fast zwei Jahre nach Beginn. Durch diese Verzögerung sei es veraltet und wertlos. Ein Beweis dafür, so der Vater, sei die Tatsache, dass das Oberlandesgericht später eine Aktualisierung des Gutachtens anfordern musste.
Das Gericht folgte dieser Logik nicht. Es prüfte, ob das Gutachten tatsächlich unverwertbar war. Die Hürden dafür liegen juristisch hoch. Ein Sachverständigenhonorar entfällt nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (§ 8a JVEG) nur unter strengen Voraussetzungen. Die Leistung muss nicht nur mangelhaft sein – sie muss vom Gericht als unbrauchbar eingestuft werden. Ein entscheidender Maßstab ist, ob das Gericht das Gutachten für seine eigene Entscheidungsfindung herangezogen hat.
Genau das war hier geschehen. Das Amtsgericht hatte seine ursprüngliche Sorgerechtsentscheidung „ganz maßgeblich“ auf die Expertise gestützt. Auch das Oberlandesgericht im späteren Beschwerdeverfahren sah das Gutachten nicht als wertlos an. Es forderte eine Aktualisierung, nicht die Anfertigung eines komplett neuen Gutachtens. Hätten die Richter das Werk für unbrauchbar gehalten, hätten sie es zur Seite gelegt und einen neuen Experten bestellt. Die Tatsache, dass das Gutachten als Grundlage – wenn auch eine zu aktualisierende – diente, zementierte seine Verwertbarkeit. Die bloße Zeitverzögerung allein machte es nicht wertlos. Der Anspruch der Gutachterin auf ihre Vergütung blieb bestehen.
Wie rechtfertigt eine Gutachterin fast 200 Arbeitsstunden für einen Fall?
Der zweite Angriffspunkt des Vaters war der abgerechnete Zeitaufwand. Die Gutachterin hatte 195,5 Stunden in Rechnung gestellt. Das erschien dem Vater exorbitant. Er vermutete, dass Teile des Gutachtens aus Textbausteinen bestanden und der Aufwand künstlich aufgebläht wurde.
Das Gericht führte hier eine Plausibilitätsprüfung durch. Es schaute sich an, ob der angegebene Zeitaufwand im Verhältnis zur Aufgabe nachvollziehbar war. Die Vergütung eines Sachverständigen bemisst sich nach der erforderlichen Zeit (§ 8 Abs. 2 JVEG). Das ist die Zeit, die ein durchschnittlich kompetenter Experte für eine sorgfältige Arbeit benötigt.
Die Richter prüften die detaillierte Aufschlüsselung der Gutachterin:
- Aktenstudium: 24 Stunden
- Vorbereitung und Durchführung der Gespräche: 49,5 Stunden
- Darstellung der Untersuchungsergebnisse: 51 Stunden
- Befunderhebung und Stellungnahme: 53 Stunden
- Auswertung von Tests, Korrespondenz, Fertigstellung: 16,5 Stunden
Diese Zahlen setzte das Gericht in Relation zum Umfang des Falls. Der Gutachterin wurden sieben Aktenordner übergeben. Darunter befanden sich Akten mit Umfängen von 211, 262 und 330 Seiten. Allein eine grobe Schätzung ergab rund 1.500 Seiten Lesestoff. Das fertige Gutachten selbst umfasste 238 Seiten. Die Gutachterin hatte über ein Jahr hinweg zahlreiche Gespräche mit den Eltern und Kindern geführt, psychologische Tests durchgeführt und Kontakt mit dem Jugendamt, Ärzten, Therapeuten, der Schule und dem Kindergarten gehalten. Vor diesem Hintergrund erschien den Richtern der Zeitansatz von 195,5 Stunden nicht nur plausibel, sondern auch erforderlich. Eine tiefere Prüfung wäre nur bei einem außergewöhnlich hohen, nicht mehr nachvollziehbaren Aufwand nötig gewesen. Diesen sah das Gericht hier nicht.
Muss ein Sachverständiger in Sorgerechtsfällen vorab vor explodierenden Kosten warnen?
Der letzte und juristisch komplexeste Punkt war die Frage der fehlenden Kostenwarnung. Der Vater argumentierte, die Gutachterin hätte das Gericht und die Beteiligten frühzeitig darüber informieren müssen, dass die Kosten sich auf fast 25.000 Euro belaufen würden. Eine solche Pflicht gibt es für Sachverständige in Zivilprozessen, etwa bei einem Streit um einen Bauschaden. Dort soll eine Partei abwägen können, ob der finanzielle Aufwand für ein Gutachten noch im Verhältnis zum möglichen Gewinn steht (§ 407a Abs. 4 ZPO).
Das Gericht verneinte eine solche Pflicht für Kindschaftssachen. Es schloss sich der juristischen Meinung an, die diese Regelung hier für unpassend hält. Die Begründung ist vielschichtig. In einem Sorgerechtsverfahren geht es nicht um Geld oder einen wirtschaftlichen „Streitwert“. Das Gericht handelt Von Amts wegen (§ 26 FamFG), weil es die Pflicht hat, die beste Lösung für das Kind zu finden. Es kann nicht aus Kostengründen auf ein notwendiges Gutachten verzichten.
Ein Hinweis auf hohe Kosten würde den Richter kaum davon abhalten, die notwendigen Beweise zu erheben. Die Vorschrift würde ins Leere laufen. Mehr noch: Da fast jedes familienpsychologische Gutachten den pauschalen Verfahrenswert übersteigt, müsste quasi immer eine Kostenwarnung erfolgen, was die Regel ad absurdum führen würde.
Unabhängig von dieser grundsätzlichen Einordnung hatte die Gutachterin im vorliegenden Fall das Gericht sogar mehrfach auf einen erhöhten Aufwand hingewiesen. Eine Pflicht, eine konkrete Endsumme zu prognostizieren, bestand für sie nicht. Die Verantwortung, ausufernde Kosten zu begrenzen, sahen die Richter eher beim Familiengericht selbst. Dieses hätte der Gutachterin im Rahmen seiner Weisungsbefugnis (§ 404a ZPO) eine Kostenobergrenze setzen können. Das war nicht geschehen. Die Beschwerde des Vaters wurde zurückgewiesen. Er muss seinen Anteil an den Gutachterkosten bezahlen.
Die Urteilslogik
Die Reduzierung der Kosten für gerichtlich beauftragte Sachverständige gelingt nur, wenn ein Gericht die erbrachte Leistung explizit als unbrauchbar verwirft oder der Aufwand jeglicher Plausibilität entbehrt.
- Keine Pflicht zur Kostenprognose im Familienrecht: Gerichte priorisieren das Kindeswohl in Kindschaftssachen und können die Beweiserhebung nicht aus Kostengründen unterlassen; daher entfällt die Pflicht des Sachverständigen, frühzeitig vor hohen Gutachtenkosten zu warnen.
- Verwertbarkeit des Gutachtens: Ein Sachverständiger behält seinen Vergütungsanspruch, solange das Gericht die Expertise für die Entscheidungsfindung nutzt; die bloße Notwendigkeit einer Aktualisierung macht die ursprüngliche Leistung nicht wertlos.
- Nachweis der Erforderlichkeit: Gerichte überprüfen Sachverständigenrechnungen auf Plausibilität, indem sie den abgerechneten Zeitaufwand gegen die Komplexität des Falles abwägen; ein hoher Zeitansatz gilt als erforderlich, wenn die Aktenlage und der Umfang der Untersuchungen dies rechtfertigen.
Der Staat schützt den Vergütungsanspruch des Gutachters in Verfahren, in denen die Sachaufklärung und die Suche nach der optimalen Lösung das höchste Rechtsgut darstellen.
Benötigen Sie Hilfe?
Müssen Sie die Sachverständigenkosten trotz mangelhafter Gutachterleistung begleichen? Kontaktieren Sie uns für eine individuelle, unverbindliche Ersteinschätzung Ihres Falles.
Experten Kommentar
Wenn es um das Wohl der Kinder geht, glauben viele, es müssten dieselben Schutzmechanismen gegen Kostenfallen greifen wie bei einem Streit um Geld. Dieses Urteil zieht hier eine klare rote Linie: Eine Warnpflicht des Sachverständigen vor explodierenden Honoraren, wie man sie etwa aus Bauschadenfällen kennt, existiert im Familienrecht schlicht nicht. Wer nach einer Möglichkeit sucht, astronomische Gutachterkosten nachträglich zu kürzen, wird enttäuscht, solange das Gericht die Expertise auch nur ansatzweise zur Entscheidungsfindung nutzen konnte. Das heißt: Die Kostenkontrolle obliegt nicht dem Sachverständigen oder dem beklagten Elternteil, sondern fast ausschließlich dem Familiengericht selbst, das im Vorfeld eine Obergrenze setzen müsste.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Muss ich ein familienpsychologisches Gutachten bezahlen, auch wenn es mangelhaft oder verspätet ist?
In den allermeisten Fällen müssen Sie das Honorar für ein familienpsychologisches Gutachten begleichen, selbst wenn es deutliche Mängel aufweist oder stark verspätet eingereicht wurde. Die juristische Hürde, um die Zahlungspflicht zu beenden, ist extrem hoch. Nach § 8a JVEG entfällt die Vergütung nur, wenn das Gericht das Gutachten offiziell als gänzlich unbrauchbar einstuft.
Entscheidend ist, ob das Gericht das Dokument trotz aller Fehler als Grundlage für seine Entscheidungsfindung herangezogen hat. Selbst wenn die Richter nur eine Aktualisierung des Berichts anfordern, gilt dieser bereits als verwertbar. Bloße Mängel oder eine lange Bearbeitungszeit, beispielsweise eine Verzögerung von zwei Jahren, reichen für sich genommen nicht aus, um die Verwertbarkeit aufzuheben und die Zahlungspflicht zu beenden.
Solange das Familiengericht das Gutachten zur Urteilsfindung nutzt, bleibt der Vergütungsanspruch des Sachverständigen bestehen. Nur wenn die Richter das Dokument komplett zur Seite legen und stattdessen einen völlig neuen Experten beauftragen müssten, entfällt das Honorar. Die Richter entscheiden über die Unbrauchbarkeit des Werkes und nicht die verärgerten Verfahrensbeteiligten.
Rufen Sie die Beschlussbegründung des Familiengerichts auf und prüfen Sie exakt, wie oft und in welchem Umfang das Gericht auf die Inhalte des Gutachtens verwiesen hat.
(188 Wörter)
Wie kann ich mich gegen die extrem hohen Sachverständigenkosten der Justizkasse wehren?
Wenn Ihnen eine astronomische Rechnung der Justizkasse ins Haus flattert, fühlen sich viele Betroffene machtlos, da sie die Leistung nicht selbst bestellt haben. Die formelle Möglichkeit, diese Forderung anzufechten, ist die Beschwerde gegen den Kostenansatz. Konzentrieren Sie Ihren Einwand dabei nicht auf die Notwendigkeit des Gutachtens, sondern gezielt auf die Höhe der Sachverständigenvergütung. Die Erfolgsaussichten hängen maßgeblich davon ab, ob Sie den abgerechneten Zeitaufwand als exorbitant und unplausibel nachweisen können.
Der zentrale Angriffspunkt ist die abgerechnete Zeit des Experten. Gemäß § 8 Abs. 2 JVEG erhält der Sachverständige nur Vergütung für die „erforderliche Zeit“, die ein durchschnittlich kompetenter Fachmann für eine sorgfältige Arbeit benötigt hätte. Sie müssen substantiiert darlegen, warum die Stundenzahl im Verhältnis zur Komplexität des Falles überzogen erscheint. Hierbei reicht es nicht, die Gesamtsumme pauschal als zu hoch zu bezeichnen. Sie müssen konkrete Positionen der Rechnung infrage stellen.
Konkret: Fordern Sie eine detaillierte Aufschlüsselung des Honorars an, um die Zeitansätze für Aktenstudium, Befunderhebung und Darstellung genau zu prüfen. Nur so können Sie einzelne Positionen in Relation zum tatsächlichen Aufwand setzen. Beispielsweise kann argumentiert werden, dass 24 Stunden Aktenstudium für lediglich 300 relevante Seiten nicht plausibel ist. Stützen Sie die Begründung auf die Vermutung, dass der Aufwand künstlich aufgebläht wurde, etwa durch die Nutzung unverhältnismäßiger Textbausteine.
Fordern Sie sofort bei Gericht oder der Justizkasse die detaillierte Aufschlüsselung des Sachverständigenhonorars an, um die Zeitansätze für die Hauptpositionen zu überprüfen.
Wie wird geprüft, ob der Gutachter zu viele Arbeitsstunden für mein Gutachten berechnet hat?
Das Familiengericht nimmt bei Beschwerden gegen das Sachverständigenhonorar eine strenge Plausibilitätsprüfung vor. Richter setzen die abgerechnete Arbeitszeit in Relation zum konkreten Umfang des Falls. Maßstab ist dabei die erforderliche Zeit eines durchschnittlich kompetenten Experten, festgelegt in § 8 Abs. 2 JVEG. Gerichte prüfen, ob die Stunden im Verhältnis zum Aktenumfang, den geführten Gesprächen und der Komplexität des Falles angemessen sind.
Um zu entscheiden, ob der Zeitansatz überzogen ist, verlangt das Gericht eine detaillierte Aufschlüsselung der Tätigkeiten. Die Prüfer untersuchen die Stundenangaben für jede einzelne Kategorie, beispielsweise für das Aktenstudium, die Durchführung der Gespräche oder die Erstellung der Befunde. Ausschlaggebend ist die objektive Komplexität der Materie. Wenn der Gutachter sieben Aktenordner und rund 1.500 Seiten Lesestoff verarbeiten musste, rechtfertigt dies einen signifikant hohen Zeitaufwand.
Die Hürde für eine erfolgreiche Kürzung ist bewusst hoch angesetzt. Gerichte akzeptieren eine hohe Stundenzahl (wie etwa 195,5 Stunden) als plausibel, solange der Fall substanziell umfangreich war und zahlreiche Gespräche mit Dritten (Ärzte, Schulen) notwendig machte. Eine tiefere gerichtliche Nachprüfung wird nur veranlasst, wenn der Aufwand außergewöhnlich hoch und nicht mehr nachvollziehbar erscheint.
Erstellen Sie sofort eine tabellarische Gegenüberstellung, in der Sie die abgerechneten Stunden pro Kategorie mit der Zeit vergleichen, die Sie für Ihren spezifischen Fall als realistisch erachten.
Hätte das Gericht oder der Gutachter vorab auf die hohen Kosten im Sorgerechtsverfahren hinweisen müssen?
Die klare Antwort lautet: Nein, Gerichte sehen in Kindschaftssachen keine gesetzliche Pflicht für eine explizite Kostenwarnung. Die Regelung zur Kostenprognose aus der Zivilprozessordnung (§ 407a Abs. 4 ZPO) ist auf Sorgerechtsverfahren nicht anwendbar. Das Kindeswohl steht im Fokus und darf nicht von der finanziellen Belastbarkeit der Eltern abhängen. Das Gericht kann auf notwendige Beweismittel wie Gutachten nicht verzichten, selbst wenn die Kosten hoch ausfallen.
Der Grund liegt in der unterschiedlichen Natur der Verfahren. In rein zivilrechtlichen Streitigkeiten müssen Parteien die Kosten gegen den möglichen Gewinn abwägen können. Familiengerichte handeln jedoch von Amts wegen (§ 26 FamFG). Sie sind verpflichtet, die bestmögliche Lösung für das Kind zu ermitteln. Die Kostenhöhe darf diese Pflicht nicht beeinflussen. Daher ist die ZPO-Vorschrift über die Kostenprognose im Familienverfahrensgesetz (FamFG) irrelevant.
Eine Pflicht zur Kostenwarnung würde in Sorgerechtsfällen wenig Sinn ergeben. Fast jedes umfassende familienpsychologische Gutachten übersteigt den pauschalen Verfahrenswert deutlich. Müsste deswegen jedes Mal eine formelle Warnung erfolgen, würde dies die Regel ad absurdum führen. Wichtig ist festzuhalten: Die fehlende Warnung ist juristisch kein Formfehler, der die gesamte Rechnung ungültig macht.
Prüfen Sie Ihre Akten daraufhin, ob der Gutachter im Vorfeld zumindest allgemeine Hinweise auf einen erhöhten Aufwand gegeben hat.
Wer ist in Familiensachen dafür verantwortlich, die Kostenobergrenze für Gutachter zu kontrollieren?
Die Verantwortung zur Begrenzung ausufernder Sachverständigenkosten liegt primär beim beauftragenden Familiengericht. Der zuständige Richter hat die Pflicht, die finanzielle Entwicklung eines Verfahrens proaktiv zu steuern. Die Gerichte betrachten die gerichtliche Weisungsbefugnis als entscheidenden Hebel, um eine Kostenexplosion zu verhindern. Das Gericht hätte dem Sachverständigen explizit eine verbindliche Kostenobergrenze setzen müssen.
Das Familiengericht führt die Kontrolle über den Verfahrensablauf und die Beauftragung von Beweismitteln. Im Rahmen dieser Steuerung hat das Gericht nach § 404a ZPO das Recht, dem Sachverständigen Weisungen zu erteilen. Diese Vorschrift ermächtigt den Richter, die Honorarforderungen bereits im Vorfeld zu begrenzen. Versäumt das Gericht, diese Obergrenze proaktiv festzulegen, fehlt der effektivste Mechanismus zur finanziellen Limitierung der Gutachterleistung.
Das Versäumnis, eine Deckelung zu bestimmen, hebt die spätere Zahlungspflicht der Prozessbeteiligten nicht automatisch auf. Es zeigt jedoch, wo die Verantwortung zur proaktiven Begrenzung liegt. Wenn ein Fall absehbar sehr komplex ist und hohe Stundenzahlen erwarten lässt, trägt der Richter die Verantwortung, angemessene finanzielle Vorgaben zu machen. Die Justizkasse oder der Sachverständige selbst sind nicht für die initiale Festlegung der Obergrenze zuständig.
Befinden Sie sich noch im Verfahren, reichen Sie sofort einen Schriftsatz ein, um das Familiengericht unter Verweis auf § 404a ZPO aufzufordern, dem Sachverständigen unverzüglich eine verbindliche Kostenobergrenze mitzuteilen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Beschwerde gegen den Kostenansatz
Eine Beschwerde gegen den Kostenansatz ist das formelle Rechtsmittel, mit dem Verfahrensbeteiligte gegen die von der Justizkasse erstellte Forderung für Gerichtskosten oder Sachverständigenhonorare Einspruch erheben. Dieses Verfahren ermöglicht es, die rechnerische Richtigkeit und die Höhe der angesetzten Kosten durch ein Gericht überprüfen zu lassen, bevor die Zahlung fällig wird.
Beispiel: Der Vater legte eine Beschwerde gegen den Kostenansatz ein, weil er die abgerechneten 13.185,57 Euro für das familienpsychologische Gutachten für überzogen hielt.
Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG)
Das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) regelt die exakten Vergütungssätze und Entschädigungen, die Sachverständige, Zeugen, Dolmetscher und ehrenamtliche Richter für ihre gerichtliche Tätigkeit erhalten. Juristen nutzen das JVEG als verbindliche Grundlage, um festzulegen, wie hoch das Honorar für gerichtlich bestellte Gutachten oder andere Leistungen ausfallen darf, und sichern damit eine transparente Berechnung.
Beispiel: Die Gutachterin rechnete ihren Zeitaufwand gemäß § 8 Abs. 2 JVEG ab, weil diese Vorschrift vorschreibt, dass nur die für die Aufgabe erforderliche Zeit vergütet wird.
Kostenobergrenze
Die Kostenobergrenze ist eine vorab vom Richter festgelegte finanzielle Deckelung, die den Sachverständigen anweist, ein Gutachten nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag anzufertigen. Mithilfe der Weisungsbefugnis aus § 404a ZPO können Gerichte aktiv verhindern, dass Sachverständigenhonorare ausufern und die Prozessbeteiligten mit unerwartet hohen Rechnungen belastet werden.
Beispiel: Die Richter stellten fest, dass das Familiengericht versäumt hatte, der Gutachterin im Vorfeld eine verbindliche Kostenobergrenze zu setzen, weshalb die effektivste Limitierung der Kosten ausblieb.
Plausibilitätsprüfung
Juristen verstehen unter einer Plausibilitätsprüfung die kritische Untersuchung des abgerechneten Zeitaufwands eines Sachverständigen daraufhin, ob die Stundenanzahl im Verhältnis zum Umfang und zur Komplexität des Falles nachvollziehbar ist. Das Gericht führt diesen Check durch, um zu gewährleisten, dass der Experte nur die tatsächlich erforderliche Zeit geltend macht und die Kosten für das Gutachten verhältnismäßig bleiben.
Beispiel: Im vorliegenden Fall führte der Familiensenat eine detaillierte Plausibilitätsprüfung der 195,5 Stunden Arbeitszeit durch und verglich diese mit den sieben Aktenordnern und dem Umfang des Gutachtens.
Unbrauchbarkeit (Gutachten)
Die Unbrauchbarkeit eines Gutachtens ist der sehr hohe juristische Maßstab, der erfüllt sein muss, damit ein Sachverständiger sein Honorar vollständig verliert (gemäß § 8a JVEG). Das Gesetz legt fest, dass Mängel oder Verzögerungen allein nicht genügen; die Leistung gilt nur dann als unbrauchbar, wenn das Gericht sie für die eigene Entscheidungsfindung gänzlich beiseitelegen muss.
Beispiel: Da das Amtsgericht seine Sorgerechtsentscheidung maßgeblich auf die Expertise stützte, war die juristische Hürde der Unbrauchbarkeit nicht erreicht, obwohl der Vater das Gutachten für wertlos hielt.
Von Amts wegen (§ 26 FamFG)
Handelt ein Gericht „von Amts wegen“, bedeutet dies, dass es die Ermittlungen und Beweiserhebungen eigenständig und pflichtgemäß durchführen muss, unabhängig davon, welche Anträge die Parteien stellen. Diese Regelung gilt besonders in Kindschaftssachen, da das Gericht die Pflicht hat, das beste Ergebnis für das Kindeswohl zu finden, welches nicht von der finanziellen Stärke der Eltern abhängen darf.
Beispiel: Weil das Familiengericht in Sorgerechtsverfahren von Amts wegen handeln muss, konnte der Richter die Durchführung des notwendigen Sachverständigengutachtens nicht aus reinen Kostengründen ablehnen.
Das vorliegende Urteil
OLG Schleswig – Az.: 15 WF 30/22 – Beschluss vom 11.06.2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz





