AG Vaihingen – Az.: 1 C 320/19 – Beschluss vom 21.01.2020
1. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Der Streitwert wird auf 1.012,57 € festgesetzt.
Gründe
1. Der Kläger nahm seine Rechtsschutzversicherung, die Beklagte, in Anspruch, um eine Kündigungsschutzklage gegen seinen Arbeitgeber zu führen. Am 18.9.2019 stellte der Klägervertreter eine Deckungsanfrage bei der Beklagten, weil der Arbeitgeber am 15.9.2019 gekündigt hatte. Neben der Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung begehrte er auch Rechtsschutz für einen Weiterbeschäftigungsantrag. Er fügte seine Vorschussrechnung bei, die auf der Grundlage eines Bruttomonatsverdiensts von 2.850 € und einem Streitwert von 11.400 € (4 Monatsgehälter) über 1.820,70 € endete. Die Beklagte erteilte am 20.9.2019 eine Deckungszusage, bat jedoch darum, den Weiterbeschäftigungsantrag erst nach gescheiterter Güteverhandlung zu stellen und wies darauf hin, dass die Selbstbeteiligung 250 € beträgt. Aufgrund der bisher vorliegenden Informationen sei der geltend gemachte Kostenvorschuss auf der Grundlage eines Vierteljahresverdiensts übersetzt, die Beklagte überwies 558,13 €. Der Klägervertreter beanstandete dies sofort durch Schreiben vom 20.9.2019, auch auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 8.850 € und der Selbstbeteiligung belaufe sich der zu zahlende Kostenvorschuss auf 1.282,13 €. Er verlangte unverzügliche Zahlung, er sei bereits mit einer Schadensersatz- und Freistellungsklage beauftragt. Am 24.9.2019 fertigte der Kläger die streitgegenständliche Zahlungsklage über 1.012,52 €, sie ging am 26.9.2019 bei Gericht ein. Die Beklagte bezahlte am 26.9.2019 weitere 563,35 € an den Klägervertreter. Gegen die ihr am 24.10.2019 zugestellte Zahlungsklage verteidigte sich die Beklagte und wies darauf hin, dass zwischenzeitlich insgesamt 1.121,48 € bezahlt seien. Bezüglich des offenen Restbetrages bestehe kein Versicherungsschutz, da der Weiterbeschäftigungsanspruch vor Abschluss der Güteverhandlung nicht erforderlich sei. Die Beklagte sei deshalb lediglich verpflichtet 75 % der Kosten zu tragen, es habe sich sogar eine Überzahlung i.H.v. 5,96 € ergeben. Durch Schriftsatz vom 13.1.2020 nahm der Kläger die Klage zurück und beantragte, der Beklagten nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Tatsächlich habe die Beklagte noch vor Rechtshängigkeit am 26.9.2019 weitere 563,35 bezahlt. Bis zum erledigenden Ereignis habe sich die Beklagte mit der Zahlung im Verzug befunden.
2. Die Kosten des Rechtsstreits waren dem Kläger aufzuerlegen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 269 Abs.3 ZPO. Eine Kostenentscheidung zulasten der Beklagten ist auch aufgrund von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nicht geboten, da die Voraussetzungen nicht vorliegen.
Zwar hat der Kläger die Klage zurückgenommen und es ist eine teilweise Erledigung vor Rechtshängigkeit durch die Zahlung der Beklagten vom 26.9.2019 eingetreten, es entspricht jedoch unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nicht billigem Ermessen, die Kostentragungspflicht der Beklagten aufzuerlegen. Die Beklagte hat zur Klage keine hinreichende Veranlassung gegeben.
a) Veranlassung zur Erhebung einer Klage hat ein Beklagter gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (vgl. nur Herget in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 93 Rn. 3 mwN.). Auf einen Schuldnerverzug kommt es nicht an (vgl. nur Herget, aaO.). Der nicht leistende Schuldner gibt deshalb grundsätzlich schon dann Anlass zur Klage, wenn der Anspruch fällig ist und er zur Leistung aufgefordert worden ist (vgl. Schneider in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 9. Aufl., § 93 Rn. 4). Indes fehlt es an einem Klageanlass, wenn der Beklagte zu Recht die vorprozessual geltend gemachte Forderung für teilweise oder insgesamt nicht nachvollziehbar hält und dem Anspruchsteller mitteilt, welche Informationen oder Unterlagen er benötigt, um die Forderung prüfen zu können.
b) Die Beklagte hat auf das Schreiben vom 18.9.2019 prompt reagiert und grundsätzlich Deckung zugesagt. Ob die Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruchs bereits mit der Kündigungsschutzklage sinnvoll, geboten oder gar erforderlich ist, ist in der Rechtsprechung nach wie vor umstritten. Der BGH hat sich hierzu bislang nicht explizit geäußert. Diverse Gerichte halten es für geboten, zur Kostenvermeidung den Weiterbeschäftigungsanspruch nur hilfsweise oder nach gescheiterter Güteverhandlung geltend zu machen (z. B. OLG Köln, 9 U 174/02 – juris; AG Hagen 16 C 71/07 – juris; LG Arnsberg 3 S 91/13 – juris), andere meinen, eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers liege nicht vor, wenn ein Weiterbeschäftigungsantrag sogleich unbedingt gestellt werde (AG Balingen 4 C 314/12 – juris; AG 13 C 6358/08 – juris, LG Köln 20 S 46/06 – juris; LG Köln 20 O 184/05 – juris). Auch das erkennende Gericht tendiert dazu, die Prozesstaktik des Klägers nicht als vorsätzliche Obliegenheitsverletzung zu bewerten. Auf diesen Gesichtspunkt kommt es jedoch vorliegend nicht maßgeblich an. Der Kläger hat bereits 4 Tage nach der Befassung der Beklagten mit seinem Begehren Klage erhoben. Die Beklagte hatte in Ihrem Schreiben vom 20.9.2019 grundsätzlich Deckungsschutz gewährt und eine zumindest vertretbare Position zum Weiterbeschäftigungsantrag eingenommen. Die Zahlung i.H.v. 558,13 € wird in dem Schreiben nicht erläutert, die Kostenberechnung war offenbar nicht beigefügt. Der Vorschuss war sicher nicht ausreichend, das fehlende Berechnungsschreiben möglicherweise vergessen worden. Allerdings hat die Beklagte um Übersendung der Klageschrift und der Ladung zum Gütetermin gebeten. Eine verzugsbegründende, endgültige und ernsthafte Leistungsverweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB lässt sich dem Wortlaut nicht ohne weiteres entnehmen. Die Formulierung lässt es auch zu, die Zahlung als Anzahlung auszulegen (“Wir überweisen heute ein Betrag von Euro 558,13“). Dafür spricht, dass die Beklagte am 26.9.2019 tatsächlich weitere 563,35 € an den Kläger bezahlt hat. Zwischen den beiden Zahlungen liegen nur fünf Tage. Gerade wegen des fehlenden Abrechnungsschreibens und des scheinbar willkürlich gewählten Zahlbetrages von 558,13 € war es dem Klägervertreter zuzumuten, das Abrechnungsschreiben nachzufordern und eine Überprüfung anzuregen. Zu einer Klageerhebung binnen vier Tagen ab erstmaliger Zahlungsaufforderung gab es keinen hinreichenden Anlass.