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Kostenübernahme eines Treppenlifts durch private Krankenversicherung

OLG Rostock – Az.: 4 U 156/18 – Beschluss vom 25.02.2019

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 13.09.2018, Az. 10 O 873/17 (2), gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird vorläufig auf bis zu 6.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Die zulässige Berufung erscheint nach vorläufiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage unbegründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 5.236,00 € gemäß § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit dem unstreitig zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag. Bei einem Treppenlift handelt es sich nicht um einen orthopädischen Bedarfsartikel oder ein Hilfsmittel im Sinne von Ziffer 2.1.1 des zwischen den Parteien im Rahmen der privaten Krankenversicherung vereinbarten Tarifes, sodass die Kosten des Treppenliftes danach nicht erstattungsfähig sind.

a. Für den Einsatz von Hilfsmitteln ist im Grundsatz kennzeichnend, dass sie unmittelbar eine Ersatzfunktion für ein krankes Organ wahrnehmen, ohne dessen Funktionsfähigkeit wieder herzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 19.05.2004, Az.: IV ZR 29/03, zitiert nach juris -, Rn. 19 m. w. N.).

aa. Bei einem Treppenlift lässt sich davon ausgehend zwar feststellen, dass er geeignet ist, eine Körperfunktion bei einem Grundbedürfnis zu ersetzen, nämlich dem Treppensteigen, das im Alltagsleben von vergleichbarer Bedeutung ist wie Gehen, Stehen oder Sitzen; auch wirkt dieses Mittel behindertenspezifisch, weil es in der Regel nicht – wie etwa ein Fahrstuhl – auch von Gesunden benutzt wird und damit nicht als bloßer allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzuordnen ist.

bb. Aus der beispielhaften Aufzählung von Hilfsmitteln, wie sie in Ziffer 2.1.1 des zwischen den Parteien geltenden Krankenversicherungstarifes genannt sind, nämlich der Brillen, Hör- und Sprechgeräte, Krankenfahrstühle, orthopädischen Stützapparate oder künstlichen Glieder folgt jedoch, dass nur solche technischen Hilfen als Hilfsmittel im Sinne dieser Klausel anzuerkennen sind, die – wie die ausdrücklich aufgeführten Varianten – von dem Behinderten getragen oder mitgeführt und deshalb bei einem Wohnungswechsel auch mitgenommen und benutzt werden können, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtfinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Das Hilfsmittel soll die Körperfunktionen des Behinderten ersetzen, ergänzen oder verbessern, die für die möglichst selbständige Durchführung der Alltagsverrichtungen notwendig sind. Der Behinderte wird dadurch den Erfordernissen der Umwelt angepasst, nicht aber das Umfeld an die Bedürfnisse des Behinderten angeglichen. Andernfalls ließe sich die Leistungspflicht der Krankenversicherung nur schwerlich eingrenzen und würde nicht nur den behinderungsgerechten Umbau eines Hauses umfassen, sondern sich auch auf die Herrichtung der Zufahrtswege oder noch weitergehende Umgestaltungen des Wohnumfeldes erstrecken.

Kostenübernahme eines Treppenlifts durch private Krankenversicherung
(Symbolfoto: Von Daisy Daisy/Shutterstock.com)

Für einen Gehbehinderten ist zugegebenermaßen zumindest die selbständige Beweglichkeit innerhalb der eigenen Wohnung von grundlegender Bedeutung. Dennoch lässt sich auch mit dieser Überlegung eine Leistungspflicht der Krankenversicherung nicht begründen. Denn es ergibt sich daraus nur, dass damit ein Grundbedürfnis betroffen ist, was aber nichts an der Erkenntnis ändert, dass es sich beim Einbau eines Treppenlifts um die Anpassung des Wohnumfeldes handelt, die nur deshalb aus der Sicht des Klägers notwendig geworden ist, weil in seiner Wohnung eine Treppe zu überwinden ist; für einen Versicherten mit gleicher Behinderung, der in einer ebenerdigen Wohnung wohnt, ergibt sich diese Notwendigkeit nicht. Die Hilfsmitteleigenschaft eines Geräts hängt aber nicht von den jeweiligen Wohnverhältnissen ab. Fest in ein Haus oder eine Wohnung eingebaute technischen Hilfen fallen folglich nicht in den Anwendungsbereich der Ziffer 2.1.1 des zwischen den Parteien vereinbarten Krankenversicherungstarifes (vgl. mit entsprechender Begründung BSG, Urteil vom 06.08.1998, Az.: B 3 KR 14/97 R, – zitiert nach juris -, Rn. 13 zu einer fehlenden Ersatzfähigkeit von Kosten eines Treppenliftes nach § 33 Abs. 1 SGB V).

b. Der Verweis des Klägers auf Strukturunterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung, die eine Heranziehung sozialrechtlicher Wertungen für die Anwendung des hier relevanten Versicherungstarifes ausschlössen, geht demgegenüber ins Leere. Denn betroffen ist schlichtweg eine Frage der Vertragsauslegung, in deren Rahmen man zu dem zuvor unter lit. a) dargestellten Ergebnis unabhängig davon gelangen muss, ob der Begriff des Hilfsmittels in der zu beurteilenden Art und Weise in einer Klausel eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages oder in einer sozialgesetzlichen Norm geregelt ist.

aa. Als Maßstab für die Auslegung von Versicherungsbedingungen ist regelmäßig auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse abzustellen, der die Bedingungen aufmerksam liest und unter Abwägung der beteiligten Kreise sowie unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges würdigt; nicht ausgeschlossen ist dabei allerdings die Anforderung, dass sich der Versicherungsnehmer der Unvermeidbarkeit begrifflicher Unschärfen bewusst ist und sich auf der Basis der ihm durchschaubaren Funktionsprinzipien des Versicherungsgeschäftes Gedanken über den versicherungswirtschaftlichen Zweck einer Klausel macht (vgl. Prölss/Martin-Armbrüster, 30. Aufl., 2018, Einleitung Rn. 260 und 264 m. w. N.).

bb. Danach muss sich bei näherer Überlegung auch dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung jedenfalls angesichts der Fassung von Ziffer 2.1.1 des für den Kläger geltenden Tarifes erschließen, dass er ausgehend von den aufgezählten Beispielen an Hilfsmitteln, deren Kosten erstattungsfähig sein sollen, keine fest installierten Geräte oder Einrichtungen erfasst (vgl. etwa auch BGH, a. a. O., Rn. 18 f., zur Einordnung eines CPAP-Gerätes durch den Versicherungsnehmer in der Abgrenzung zwischen den Begriffen Heilgeräte und -apparate einerseits und Hilfsmittel andererseits). Ebenso muss für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer der Zweck einer den Leistungsumfang bestimmenden Klausel erkennbar sein, die zu erbringenden Versicherungsleistungen gleichzeitig dahingehend einzugrenzen, dass nicht eine unübersehbare Leistungspflicht des Versicherers – wie hier etwa ansonsten auch für sämtliche anderen Umgestaltungen der Wohnverhältnisse des Versicherungsnehmers – begründet werden soll.

2. Mit der Hauptforderung entfallen auch Ansprüche des Klägers auf die von ihm geltend gemachten Nebenforderungen, weil letztere von dem Bestehen ersterer abhängig sind.

II. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wird dem Kläger eine Rücknahme seiner Berufung anheimgestellt.

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