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Krankenhaustagegeld ist grundsätzlich nicht auf ALG II anzurechnen

Sozialgericht Dortmund

Az.: S 22 (31,48) AS 532/05

Urteil vom 23.08.2007


Der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2005 in der Fassung der Änderungs- bescheide vom 01.09.2005 und vom 02.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 15.11.2005 wird aufgehoben, soweit damit der Bewilligungs- bescheid vom 29.11.2004 nicht nur bzgl. der dem Kläger bewilligten Leistungen für Februar 2005 i. H. v. 109,44 EUR und für Mai 2005 i. H. v. 310,08 EUR zurückgenommen wird und von dem Kläger mehr als insgesamt 419,52 EUR zurückgefordert werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 3/4 seiner erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Berufung wird auch für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger und seine Ehefrau beziehen seit 01.01.2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Mit Bescheid vom 29.11.2004 bewilligte die Beklagte ihnen für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 1145,55 EUR monatlich. Dabei hatte die Beklagte neben den Regelleistungen von jeweils 311 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 472,42 EUR berücksichtigt und dementsprechend den Bedarf des Klägers mit 547,21 EUR und den seiner Ehefrau (unter Zuerkennung eines Mehrbedarfszuschlags) mit 598,34 EUR in Ansatz gebracht.

Die Ehefrau des Klägers wurde im Jahr 2005 u. a. in der Zeit vom 13.01. bis 21.01.2005, vom 01.02. bis 08.02.2005 sowie vom 08.03. bis 21.04.2005 stationär behandelt. Aufgrund des mit dem Kläger auch zugunsten seiner Ehefrau abgeschlossenen Versicherungsvertrags zahlte die I-Versicherung für diese Zeit- räume Krankenhaustagegeld in Höhe von 276,12 EUR, 245,44 EUR und 1380,60 EUR. Diese Beträge wurden dem gemeinsamen Konto der Eheleute am 03.02., 24.02. bzw. am 19.05.2005 gutgeschrieben.

Auf ein an die die Ehefrau des Klägers gerichtetes Anhörungsschreiben der Beklagten vom 05.07.2005 hin nahmen die Eheleute gemeinsam Stellung. Ergänzend trug der Kläger vor: Er habe bereits in jungen Jahren für sich und seine Ehefrau eine beitragsgünstige Krankenhaustagegeldversicherung abgeschlossen. Seit Ende 2004 habe sich der Gesundheitszustand der Ehefrau stetig verschlechtert und mehrere stationäre Behandlungen erforderlich gemacht. Von dem dafür überwiesenen Kranken- haustagegeld habe die Ehefrau einen Teil der Schulden bei ihrer Mutter zurückzahlen können. Außerdem habe sie das Geld für einen Morgenrock und Nachthemden verwandt, die sie für die Krankenhausaufenthalte benötigt habe. Ohne das Krankenhaustagegeld hätte seine Frau keine neue Brille kaufen und der Fernseher nicht repariert werden können.

Mit an den Kläger gerichtetem Bescheid vom 15.07.2005 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 29.11.2004 unter Hinweis auf § 48 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X) für die Monate Februar, März und Mai 2005 auf und forderte insgesamt 1324,90 EUR zurück.

Nachdem der Kläger gegen diesen Bescheid unter Bezug auf die Ausführungen im Anhörungsverfahren am 11.08.2005 Widerspruch eingelegt hatte, reduzierte die Beklagte mit (ebenfalls an den Kläger gerichtetem) Änderungsbescheid vom 01.09.2005 den Rückforderungsbetrag auf 1291,09 EUR und stützte die Aufhebungsent- scheidung nunmehr auf § 48 Abs. 1 Nr. 3 SGB X.

Mit an den Kläger gerichtetem Änderungsbescheid vom 02.11.2005 setzte die Beklagte den Rückforderungsbetrag auf 1535,31 EUR fest, wobei sie die Leistungsbewilligung auch noch für die Zeit vom 01. bis 04.06.2005 aufhob.

Mit Widerspruchsbescheid an den Kläger vom 15.11.2005 wies die Beklagte den „Widerspruch des Klägers“ gegen den Bescheid vom 15.07.2005 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 01.09. und 02.11.2005 zurück.

Daraufhin hat der Kläger am 05.12.2005 die vorliegende Klage erhoben. Er macht geltend, dass das Krankenhaustagegeld von der Beklagten nicht als Einkommen hätte angerechnet werden dürfen. Die Krankenhaustagegeldversicherung sei keine Versicherung gegen Verdienstausfall. Sie diene als Summenversicherung dazu, nicht die üblichen Kosten des Lebensunterhalts, sondern die mit einem Kranken- hausaufenthalt normalerweise verbundenen zusätzlichen Kosten zu decken. Als in diesem Sinn zweckbestimmtes Einkommen dürfe das Krankenhaustagegeld nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II nicht auf den Bedarf angerechnet werden. Tatsächlich seien aus dieser Versicherungsleistung die Kosten für die täglichen Besuche des Klägers im Krankenhaus sowie für die gemeinsamen Aufenthalte in der Cafeteria, für zusätzlich benötigte Wäsche der Ehefrau und für eine Zuzahlung zu ihrer neuen Brille bestritten worden. Die im Versicherungsvertrag vereinbarte Berechnung des Krankenhaustagegelds nach dem Verdienst diene lediglich der Berechnung, nicht aber dem Ausgleich des Verdienstausfalls. Insoweit verweise er auf die entsprechende Bestätigung seiner Versicherung vom 19.06.2006.

Der Kläger hat schriftsätzlich – sinngemäß – beantragt,

den durch Bescheide vom 01.09.2005 und 02.11.2005 geänderten Bescheid der Beklagten vom 15.07.2005 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 15.11.2005 aufzuheben.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass das Krankenhaustagegeld anrechenbares Einkommen sei. Es handele sich um eine Versicherung gegen Verdienstausfall; aus ihr sei der Lebensunterhalt sicherzustellen. Wie der Kläger das Geld dann tatsächlich verwende, sei unerheblich. Auch habe der Kläger bisher keine unabwend- baren Mehrkosten nachgewiesen, die durch die Krankenhausaufenthalte entstanden seien.

Das Gericht hat die Versicherungsunterlagen beigezogen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- akte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten auf deren Durchführung ausdrücklich verzichtet haben.

Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind allerdings nicht schon aus formellen Gründen rechtswidrig.

Dass das Anhörungsschreiben nicht an den Kläger, sondern nur an dessen Ehefrau gerichtet war, stellte zwar einen Anhörungsfehler dar, der dann aber durch die gemeinsame Stellungnahme der Eheleute im Anhörungsverfahren und die Gelegenheit des Klägers zur Stellungnahme im Widerspruchsverfahren geheilt worden ist.

Des Weiteren verstoßen die Bescheide auch nicht gegen § 33 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X), der die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten vorschreibt:

Allerdings mag auf den ersten Blick fraglich erscheinen, ob sich die Bescheide ausschließlich an den Kläger selbst oder zugleich auch an den Kläger als Bevollmächtigten seiner Ehefrau richten. Letzteres könnte deshalb nahe liegen, weil der Rückforderungsbescheid „actus contrarius“ des Bewilligungsbescheides ist, der seinerseits gemäß § 38 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) an den Kläger auch als Bevollmächtigten seiner Ehefrau adressiert war (vgl. Sozialgericht (SG) Schleswig, Urteil vom 13.6.2006, Az.: S 9 AS 834/07).

Jedoch abgesehen davon, dass § 38 SGB II ausdrücklich nur die „Vertretung der Bedarfsgemeinschaft“ bei der Beantragung und Entgegennahme von Leistungen betrifft und deshalb auf Rücknahme- und Erstattungsbescheide keine Anwendung findet, lassen die Formulierungen der angefochtenen Bescheide keinen Spielraum für die Auslegung im Sinne einer solchen Einbeziehung der Ehefrau des Klägers.

Denn allein der Kläger wird im Anschriftenfeld der Bescheide genannt und nur er selbst wird im Text der Bescheide angesprochen (z.B.: „Somit ergibt sich ein zu berücksichtigender Betrag in Höhe von …, der hiermit …von Ihnen zurückgefordert wird“). Eine auf den objektiven Empfängerhorizont abstellende Auslegung ergibt daher, dass nur der Kläger Regelungsadressat ist und dass dementsprechend der Rückforderungsbetrag in voller Höhe ausschließlich ihm gegenüber geltend gemacht worden ist (vgl. Hessisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 12.3.2007, Az.: L 9 AS 33/06).

Die angefochtenen Bescheide sind aber in materieller Hinsicht (teilweise) rechtswidrig.

Als Rechtsgrundlage hat die Beklagte zutreffend auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X abgestellt. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei wesentlicher Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Diese Vorschrift ist gemäß § 40 SGB II für das Verfahren nach diesem Buch in ihrer durch § 330 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch (SGB III) modifizierten Fassung mit der Maßgabe anzuwenden, dass anstelle einer „Soll-Entscheidung“ die Rücknahme zwingend vorgeschrieben ist.

Bei der Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X hat die Beklagte aber verkannt, dass die hierauf gestützte Aufhebung eines Bewilligungsbescheides dem Kläger gegenüber von vornherein nur insoweit in Betracht kommt, als ihm überhaupt Leistungen bewilligt worden waren. Der Bewilligungsbescheid vom 29.11.2004 umfasst als einheitlicher Verwaltungsakt inhaltlich zwei Regelungen, nämlich zum einen die Bewilligung von Leistungen an den Kläger und zum anderen die Bewilligung von Leistungen an dessen Ehefrau. Es handelt sich also nicht etwa um die Regelung eines Gesamtanspruchs der Bedarfsgemeinschaft. Der Bedarfsgemeinschaft als solcher können in keiner Weise Rechte zugeordnet werden; sie dient lediglich als Rechtskonstrukt zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen (vgl. SG Gießen, Urteil vom 13.11.2006, Az.: S 26 AS 551/05). Jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft steht vielmehr ein individueller Leistungsanspruch zu (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06 R). Dies ist in dem Bescheid vom 29.11.2004 auch hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen, indem es darin heißt, dass die Leistungen „für Sie (d.h. den Kläger) und die mit Ihnen in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen …bewilligt“ werden, und sich in den Berechnungsunterlagen jeweils eine gesonderte Aufschlüsselung der Leistungen an den Kläger und seine Ehefrau finden (vgl. LSG Brandenburg, Urteil vom 9.5.2006, Az.: L 10 AS 102/06).

Dementsprechend kann dem Kläger gegenüber weder auch die seine Frau betreffende Leistungsbewilligung zurückgenommen werden noch ist eine Inanspruchnahme des Klägers als Vertreter der Bedarfsgemeinschaft zulässig (vgl. LSG Brandenburg, Urteil vom 9.5.2006, Az.: L 10 AS 102/06). Die angefochtenen Bescheide sind deshalb jeden- falls insoweit rechtswidrig, als sie nicht nur die im Bescheid vom 29.11.2004 geregelte Leistungsbewilligung an den Kläger aufheben.

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Darüber hinaus ist die Aufhebung der dem Kläger bewilligten Leistungen auch nicht in voller Höhe rechtmäßig. Denn bei dem erst nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 29.11.2004 überwiesenen Krankenhaustagegeld handelt es sich nur teilweise um Einkommen, das im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zu einem Wegfall bzw. einer Minderung des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts geführt haben würde.

Dieser Anspruch hängt gemäß §§ 7,9 SGB II u.a. davon ab, inwieweit zu berücksichtigendes Einkommen zur Verfügung steht. Bei Personen, die – wie der Kläger und dessen Ehefrau – in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 7.11.2006, Az.: B 7b 10/06 R), der die Kammer zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung trotz Bedenken folgt, ist das Einkommen, unabhängig davon, wer es erzielt hat, im Sinne eines horizontalen Ausgleichs im Verhältnis der jeweiligen persönlichen Bedarfe der Ehepartner zum Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen. Es kann daher vorliegend dahinstehen, ob es sich bei dem Krankenhaustagegeld um Einkommen des Klägers handelt, weil nur er der Vertrags- partner des Versicherungsunternehmens ist, oder ob es sich gleichwohl als Einkommen seiner Ehefrau darstellt, weil diese zwar nicht Versicherungsnehmerin, wohl aber (Mit-)Versicherte ist und der Versicherungsfall durch ihre Krankenhausaufenthalte eingetreten ist.

Das Krankenhaustagegeld kann wegen seiner Zweckbestimmtheit nicht in vollem Umfang als Einkommen in Ansatz gebracht werden. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Ausgenommen sind nur die in Abs. 1 Satz 1 SGB II aufgeführten Sozialleistungen sowie die in § 11 Abs. 3 SGB II in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld – Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – (Alg II-V) in der hier maßgeblichen Fassung vom 20.10.2004 aufgeführten Einkommensarten. Von diesen Ausnahmeregelungen ist vorliegend allein die des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II anwendbar, wonach Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, soweit sie als zweckbestimmte Leistungen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären.

Bei dem Krankenhaustagegeld handelt es sich um eine zweckbestimmte Leistung in diesem Sinn. Eine zweckbestimmte Leistung liegt vor, wenn ihr eine bestimmte, entweder vom Gesetzgeber oder vom Leistungserbringer erkennbar gebilligte Zweckrichtung zueigen ist, die im Fall der Anrechnung vereitelt würde (vgl. BSG, Urteil vom 11.1.1990, Az.: 7 RAr 128/88). Allerdings ist der Begriff nicht so eng auszulegen, dass darunter lediglich solche Leistungen fielen, die der Empfänger nur zu dem im Gesetz oder in einer Vereinbarung vorgesehenen Zweck verwenden darf und bei denen der Leistende ein Kontrollrecht oder einen Einfluss auf die Verwendung hat. Vielmehr fallen darunter auch solche Zuflüsse, die aus einem bestimmten Anlass und in einer bestimmten Erwartung gegeben werden und die der Empfänger im allgemeinen für den bestimmten Zweck verwenden wird, dazu jedoch nicht angehalten werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 11.1.1990, a.a.O.). In diesem Sinn sind Versicherungsleistungen stets zweckbestimmt: Ihr Zweck besteht darin, bei Eintritt des Versicherungsfalles den Verlust auszugleichen, der durch die Verwirklichung des versicherten Risikos eingetreten ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch davon auszugehen, dass das Krankenhaustagegeld einem anderen Zweck dient als die Leistungen nach dem SGB II.

Wie schon seine Bezeichnung nahelegt, dient das Krankenhaustagegeld dazu, den im Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt entstehenden Bedarf zu decken. Die Versicherung des Klägers hat insoweit angegeben, dass sie Krankenhaustagegeld-versicherungen ausschließlich anbiete, um die aufgrund eines stationären Aufenthalts entstehenden zusätzlichen Kosten wie z. B. für Fahrten, Kleidung, Geschenke sowie vorübergehende Einstellung von Haushaltshilfen oder Pflegekräften auszugleichen. Ihr zusätzlicher Hinweis, dass sie zum Ausgleich eines Verdienstausfalles ausschließlich Verdienstausfallversicherungen anbiete, steht allerdings nicht der Annahme entgegen, dass der Versicherungsnehmer einer Krankenhaustagegeldversicherung dem mit einem Krankenhausaufenthalt regelmäßig verbundenen Verdienstausfall durch die Auswahl eines entsprechend hohen Tarifs eben doch auch Rechnung trägt (vgl. SG Hamburg, Urteil vom 27.1.2006, Az.: S 53 AS 568/05). Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass der durch Arbeitsunfähigkeit verursachte Verdienstausfall durch eine Krankentagegeldversicherung (vgl. § 178b Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes – VVG -) ausgeglichen wird, während die davon zu unterscheidende Krankenhaustage- geldversicherung (vgl. § 178b Abs. 2 VVG) vorrangig die von der Versicherung des Klägers aufgeführten Bedarfe decken soll.

Diese Bedarfe lassen sich zwar bei isolierter Betrachtung sämtlich den Bedarfen zuordnen, zu deren Deckung die Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II gewährt wird. So fallen z. B. das gemeinsame Kaffeetrinken in der Cafeteria unter Ernährung, der Bademantel unter Kleidung, die Fahrten zum Krankenhaus und etwaige Zuzahlungen unter Bedarfe des täglichen Lebens usw … Da der Regelsatz jedoch insoweit nur das soziokulturelle Minimum gewährleistet und gleichzeitig den allgemeinen Bedarf (bis auf Unterkunft und Heizung) abschließend deckt, werden sich die Empfänger von Arbeitslosengeld II den mit einem Krankenhausaufenthalt üblicherweise verbundenen Mehraufwand wie z.B. neue Nachtwäsche, den eigenen Telefon- und Fernsehanschluss auf dem Zimmer, regelmäßige Besuchsfahrten, Besuche in der Cafeteria und dergleichen mehr in seiner Gesamtheit aus dem Regelsatz nicht „leisten“ können. Gerade wegen dieser Zielsetzung, dass man sich im Fall des Krankenhausaufenthaltes über den Regelsatz hinaus „etwas gönnen“ kann, wird mit dem Krankenhaustagegeld ein anderer Zweck verfolgt als mit den Leistungen nach dem SGB II.

Allerdings kann das Krankenhaustagegeld nicht in vollem Umfang als Einkommen unberücksichtigt bleiben. Denn diese Versicherungsleistung beeinflusst – im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II – die Lage des Klägers und seiner Ehefrau so günstig, dass daneben ungekürzte Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären:

Das Krankenhaustagegeld belief sich für jeden der drei stationären Krankenhaus- aufenthalte der Ehefrau des Klägers auf 30,68 EUR pro Tag und lag damit etwa dreimal so hoch wie die auf den Tag umgerechnete monatliche Regelleistung von 311 EUR, die dem Kläger und seiner Ehefrau seinerzeit jeweils zustand. Diese Relation erscheint unverhältnismäßig, zumal der im Fall eines Krankenhausaufenthalts anfallende Mehr- bedarf nach der Konzeption des SGB II grundsätzlich aus der Regelleistung zu decken ist, erforderlichenfalls durch Einschränkungen und weitgehenden Verzicht auf Annehm- lichkeiten wie z.B. auf Telefon- und Fernsehanschluss im Krankenzimmer. Hinzu kommt, dass Krankenhaustagegelder nach Auskunft des Versicherungsunternehmens auch in deutlich geringerer Höhe versicherbar sind. Im Übrigen war das Krankenhaustagegeld vorliegend offensichtlich gar nicht in vollem Umfang zur Deckung eines durch den Krankenhausaufenthalt bedingten Mehrbedarfs notwendig. Denn den Angaben des Klägers zufolge reichte es teilweise auch noch dazu aus, Reparaturen im Haushalt vornehmen zu lassen, eine Brille zu kaufen und Schulden bei der Schwiegermutter des Klägers zu tilgen.

Andererseits ist das Krankenhaustagegeld nicht in voller Höhe anzurechnen. Bei der durch § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II gebotenen Abwägung steht nämlich außer Frage, dass die Möglichkeit, den im Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt entstehenden Mehrbedarf in angemessenem Umfang zu decken, nur eine Annehmlichkeit, aber keinen Luxus darstellt. Darüber hinaus fällt wesentlich ins Gewicht, dass der Kläger und seine Ehefrau die Versicherungsbeiträge aus ihren Regelleistungen aufgebracht hatten. Jedenfalls dann, wenn solche Beiträge – wie vorliegend – mangels Einkommens (oder weil eine Krankenhaustagegeldversicherung im Regelfall wohl schon dem Grunde nach nicht angemessen sein dürfte) nicht nach § 11 Abs. 2 SGB II abgesetzt werden konnten, sondern aus den Regelleistungen bestritten wurden, ist die Entscheidung des Hilfe- suchenden, sich bei anderen Bedarfen einzuschränken, um für den Fall eines Krankenhausaufenthalts Vorsorge zu treffen zu können, angesichts der den Empfängern von Regelleistungen nach dem SGB II grundsätzlich eingeräumten Dispositionsfreiheit in angemessenem Umfang zu respektieren.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das vom Versicherungsunternehmen angebotene niedrigste Krankenhaustagegeld für Erwachsene bei 15 EUR täglich liegt und der Kläger für sich und seine Ehefrau monatlich immerhin einen Beitrag von insgesamt etwa 16 EUR gezahlt hatte, hält die erkennende Kammer es vorliegend für gerechtfertigt, das Krankenhaustagegeld in Höhe von 15 EUR täglich als geschützte Einnahme nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II anzusehen und dementsprechend nur einen Restbetrag von (30,68 EUR – 15 EUR =) 15,68 EUR als Einkommen in Ansatz zu bringen. Die im Februar 2005 und Mai 2005 überwiesenen Krankenhaustagegelder stellen somit für diese Monate nur in Höhe von (276,12 EUR + 245,44 EUR – 17 x 15 EUR = ) 266,56 EUR bzw. (1380,60 EUR – 45 x 15 EUR = ) 705,60 EUR berücksichtigungsfähiges Einkommen nach § 11 SGB II dar.

Gemäß § 3 Nr. 1 Alg II-V a.F. ist das berücksichtigungsfähige Einkommen um eine Versicherungspauschale von 30 EUR zu bereinigen, so dass für Februar 2005 236,56 EUR und für Mai 2005 675,60 EUR anrechenbares Einkommen verbleiben. Nach § 9 Abs. 2 SGB II sind davon jeweils 47,77 % auf den Bedarf des Klägers und 52,23 % auf den Bedarf seiner Ehefrau zu verteilen. Daraus errechnet sich für den Kläger ein Einkommen von (236,56 EUR: 100 x 47,77 =) 113 EUR im Februar und (675,60 EUR: 100 x 47,77 = ) 322,73 EUR im Mai. Gemäß § 2 Abs. 3 Alg II-V a.F. sind diese Beträge als einmalige Einnahmen in den Monaten, in denen sie dem Kläger zugeflossen sind, zu berücksichtigen, und zwar in der Weise, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zahl von ganzen Tagen nicht erbracht werden sollen, die sich unter Berücksichtigung der anrechenbaren monatlichen Einnahmen bei Teilung der Gesamteinnahmen durch den ermittelten täglichen Bedarf ergibt. Da sich der tägliche Bedarf des Klägers nach Maßgabe des § 41 Abs. 1 SGB II, der eine Berechnung des Monats mit 30 Tagen vorschreibt, auf (547,21 EUR: 30 =) 18,24 EUR belief, wären ihm unter Berücksichtigung des auf seinen Bedarf anrechenbaren Anteils an den Krankenhaustagegeldern im Februar 2005 für (113 EUR: 18,24 EUR = ) 6,20 EUR, also für 6 ganze Tage keine Leistungen nach dem SGB II zu erbringen gewesen, so dass eine Überzahlung von (6 x 18,24 =) 109,44 EUR entstanden ist. Dementsprechend ergibt sich für Mai eine Überzahlung von (322,73 EUR: 18,24 EUR ~ 17 x 18,24 EUR =) 310,08 EUR. Nur insoweit konnte gemäß § 40 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III, §§ 48, 50 SGB X gegenüber dem Kläger die Leistungsbewilligung für diese Monate aufgehoben und ein Betrag von insgesamt (109,44 EUR + 310,08 EUR =) 419,52 EUR erstattet verlangt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem jeweiligen Obsiegen der Beteiligten.

Da die Frage der Anrechenbarkeit von Krankenhaustagegeld nach § 11 SGB II obergerichtlich noch nicht geklärt ist, wird für den Kläger die Berufung zugelassen. Für die Beklagte bedarf es angesichts der Höhe ihrer Beschwer keiner Berufungszulassung.

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