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Krankenversicherung – Erstattungsfähigkeit Brillengestelle einfacher Ausführung

LG Wiesbaden

Az.: 1 O 139/12

Urteil vom 21.12.2012


1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 98,5 Prozent und die Beklagte 1,5 Prozent zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Beklagten wird zudem nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten um Leistungen aus einer privaten Krankheitskostenversicherung für Sehhilfen. Die Beklagte ist ausweislich des Versicherungsscheins Nr. xxx Versicherungsgeberin des Klägers für ambulante Heilbehandlungen gemäß den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu deren Tarif AB05 (im Folgenden: AVB). Nach § 1 Abs. 2 S. 1 AVB ist Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Gemäß § 4 Abs. 7 lit. c) AVB sind Kosten für Heil- und Hilfsmittel erstattungsfähig. Unter Hilfsmittel fallen nach § 4 Abs. 7 lit. c) S. 2 AVB „ärztlich verordnete Brillengläser, Brillengestelle in einfacher Ausführung, Kontaktlinsen, Bruchbänder, Bandagen, Gummistrümpfe und Einlagen“. Gemäß § 5 Abs. 2 AVB kann der Versicherer seine Leistungen auf einen angemessenen Betrag herabsetzen, falls eine Heilbehandlung oder sonstige Maßnahme, für die Leistungen vereinbart sind, das medizinisch notwendige Maß übersteigt.

Am 27.6.2011 reichte der Kläger bei der Beklagten eine Rechnung für eine Fernbrille der Firma A vom 22.6.2011 über 277,20 € nebst ärztlicher Verordnung vom 7.4.2011 zur Erstattung ein. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 6.7.2011 die Regulierung unter Hinweis auf fehlende medizinische Notwendigkeit ab.

Am 6.10.2011 begehrte der Kläger die Erstattung von Kosten für eine Gleitsichtbrille aufgrund ärztlicher Verordnung vom 2.9.2011. Der Rechnung der Firma A vom 21.9.2011 zufolge waren Kosten von 1.323,00 € entstanden. Von diesen entfielen 410 € auf das Brillengestell „xxx“. Das Gestell wird durch den Hersteller ausweislich der Ausdrucke von Internetwerbeseiten (Bl. 144-150 d.A.) mit dem Slogan „Weniger Brille fürs Geld geht nicht“ sowie der Anpreisung, das Brillengestell „xxx“ zeichne sich durch eine „extreme Reduzierung der Schlaufenbefestigung und durch ein neu patentiertes Scharniersystem“ aus, beworben. Xxx stehe für edles Design und pures Understatement. Xxx Brillen hätten mehr internationale Preise als jede andere Marke der Welt erhalten; viele prominente Persönlichkeiten, unter ihnen „der Papst“, hätten sich für eine xxx Brille entschieden. Die Beklagte erstattete für das Brillengestell nur einen Betrag von 80 €. Eine weitere Regulierung lehnte sie mit Schreiben vom 18.10.2011 (Bl. 136-138 d.A.), das mit Schreiben vom 31.10.2011 (Bl. 139-140 d.A.) korrigiert wurde, ab. Im Schreiben vom 18.10.2011 findet sich die Erläuterung: „Sofern keine spezielle medizinische Notwendigkeit besteht, ist nur eine Sehhilfe (Brille oder Kontaktlinsen) erstattungsfähig.“

Ein früheres Schreiben vom 6.7.2011 (Bl. 91 d.A.), das die Erstattung einer Mehrstärkenbrille betraf, enthält die wortgleiche Erläuterung. Zudem ist dort zu lesen: „Für die zusätzlich zur Mehrstärkenbrille bezogene(n) Brille(n) ist eine medizinische Notwendigkeit nicht nachgewiesen. Ein Leistungsanspruch besteht daher nicht.“

Der Kläger ist der Ansicht, der Begriff „einfaches Brillengestell“ in § 4 Abs. 7 lit. c) S. 2 AVB weise keine hinreichende Trennschärfe auf. Die Beklagte verstehe hierunter eine Regulierungspflicht in Höhe von 80 €. Dies sei den Versicherungsbedingungen jedoch so nicht zu entnehmen. Die insoweit unklare Formulierung der Klausel habe deren Unwirksamkeit zur Folge. Erachte man die Klausel für wirksam, ergäbe sich bereits aus dem Werbeslogan „Weniger Brille fürs Geld geht nicht“, dass es sich beim von ihm erworbenen Brillengestell um ein Gestell einfacher Ausführung handele.

Die von der Beklagten vertretene Auffassung, nur zur alternativen Erstattung von Sehhilfen verpflichtet zu sein, ließe sich mit den Versicherungsbedingungen nicht in Einklang bringen. Es könne nämlich bei Versorgung mit Kontaktlinsen auch zusätzlich eine Brille erforderlich sein. So sei es beispielsweise nicht möglich, bei einer Bindehautentzündung Kontaktlinsen zu tragen. Auch müsse einer Mangelversorgung des Auges mit Sauerstoff, die bei ständigem Tragen von Kontaktlinsen eintrete, begegnet werden können.

Der Kläger meint, es sei ihm nicht zumutbar, die Beklagte „jedes Mal“ auf Erstattung ärztlich verordneter Kontaktlinsen und Brillen zu verklagen. Deshalb habe er ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte zur Erstattung von Brillen und Kontaktlinsen auch bei deren kumulativer Verordnung verpflichtet sei.

Ursprünglich hatte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 277,20 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7.7.2011 für die von der Firma A gefertigte und am 22.6.2012 in Rechnung gestellte Fernbrille begehrt. Die Beklagte hat mit beim Kläger am 6.11.2012 eingegangener Zahlung die Rechnung über die Fernbrille nebst Zinsen reguliert. Die Parteien haben den Rechtsstreit insoweit schriftsätzlich übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt zuletzt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 330 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.10.2011 zu zahlen;

2. a) festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger aufgrund des Krankenversicherungsvertrags zu Versicherungsschein Nr. xxxxxxxxx-xxxxx gemäß Teil 2, § 4 Abs. 7 lit. c) i.V.m. Teil 3, Ziffer (1) lit. a) der Tarifbedingungen zur Erstattung der Kosten für ärztlich verordnete Brillengläser, Brillengestelle in einfacher Ausführung und Kontaktlinsen auch bei kumulativer Verordnung von Brillengläsern, Brillengestellen und Kontaktlinsen verpflichtet ist;

b) hilfsweise zu 2. a) festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger aufgrund des Krankenversicherungsvertrags zu Versicherungsschein Nr. xxxxxxxxx-xxxxx gemäß Teil 2, § 4 Abs. 7 lit. c) i.V.m. Teil 3, Ziffer (1) lit. a) der Tarifbedingungen zur Erstattung der Kosten für ärztlich verordnete Brillengläser, Brillengestelle in einfacher Ausführung und Kontaktlinsen auch bei kumulativer Verordnung von Brillengläsern, Brillengestellen und Kontaktlinsen unter der Bedingung verpflichtet ist, dass medizinische Notwendigkeit besteht.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, Brillengestelle in einfacher Ausführung seinen mit 80 € zu bewerten. Das bezogene Brillengestell, das Kosten von 410 € verursacht habe, sei kein einfaches Gestell. „Einfache Ausführung“ eines Brillengestells bedeute: schlicht zweckgerichtet, nicht aufwendig oder luxuriös. Trotz des Bezuges eines Brillengestells in nicht einfacher Ausführung habe sie 80 € diejenigen Kosten erstattet, die auf ein solches Brillengestell entfielen. Ein weitergehender Anspruch sei daher nicht gegeben.

Bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit eines Heilmittels komme es zudem darauf an, inwieweit das Funktionsdefizit – hier also die Sehschwäche des Klägers – wieder hergestellt oder verbessert werden könne. Die Sehschwäche sei aber durch ein Brillengestell zum Preis von 80 € genauso gut zu kompensieren wie durch ein Brillengestell zum Preis von 410 €.

Der Feststellungsantrag ist nach Meinung der Beklagten unzulässig. Der Kläger begehre nicht die Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses, sondern eine künftigen Leistungspflicht. Da keine aktuell geplante, spezifizierte Behandlung, sondern eine allgemeine Feststellung für die Zukunft begehrt werde, sei der Klagegegenstand unzulässig. Zudem lasse der der Hauptfeststellungsantrag außer Betracht, dass ein Versicherungsfall nur bei medizinischer Notwendigkeit gegeben sei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

1. Der Feststellungsantrag zu 2 erweist sich im Haupt- und im Hilfsantrag als unzulässig. Weder liegt ein der Feststellung nach § 256 Abs. 1 ZPO zugängliches gegenwärtiges Rechtsverhältnis vor, noch hat der Kläger eine rechtlich relevantes Feststellungsinteresse.

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Klagt der Versicherte gegen eine Krankenversicherung auf Feststellung der Leistungspflicht, ist eine solche Klage zulässig, wenn die Feststellung ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis in dem Sinne betrifft, dass die zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehenden Beziehungen schon zur Zeit der Klageerhebung wenigstens die Grundlage bestimmter Ansprüche bilden. Das ist der Fall, wenn das Begehren nicht nur auf künftige, mögliche, sondern auf bereits aktualisierte, ärztlich für notwendig erachtete, bevorstehende Behandlungen gerichtet ist. Außerdem muss ein Feststellungsinteresse dahingehend bestehen, dass durch ein Feststellungsurteil eine sachgemäße und erschöpfende Lösung des Streits über die Erstattungspflichten zu erwarten ist (BGH, Urt. v. 8.2.2006 – IV ZR 131/05, NJW-RR 2006, 678, 679, Tz. 14, m.w.N.). Dahinter steht der Gedanke, dass eine Krankenversicherung als Passivenversicherung grundsätzlich nur diejenigen Aufwendungen zu ersetzen hat, die dem Versicherungsnehmer in Bezug auf das versicherte Risiko zur Erfüllung von Verpflichtungen aus berechtigten Ansprüchen Dritter erwachsen sind. Jedoch sollen Versicherungsnehmer auch davor geschützt werden, ein für sie nicht abzuschätzendes Kostenrisiko eingehen zu müssen, obwohl eine medizinische Behandlung angesichts des Beschwerdebildes ärztlicherseits aktuell, unter spezifizierter Darstellung der geplanten Vorgehensweise für geboten erachtet und deswegen angeraten wird (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 15; LG Konstanz, Urt. v. 29.2.2008 – 4 O 106/07, zitiert nach juris, Tz. 26).

Nach diesen Maßstäben sind sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag unzulässig. Das Begehren des Klägers richtet sich auf eine künftig mögliche, noch nicht aktualisierte Behandlung seines Augenleidens. Welche Sehhilfen ärztlicherseits künftig für notwendig erachtet werden, steht nicht fest und ist auch nicht Gegenstand eines Behandlungsplans. Obgleich eine prognostizierbare Wahrscheinlichkeit bestehen mag, dass die Sehstärke des Klägers in Zukunft weiter abnehmen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls offen, in welchem Umfang hieraus medizinischer Behandlungsbedarf erwachsen wird. Daher kann nicht eingeschätzt werden, welche Behandlung des Augenleidens medizinisch notwendig sein wird. Auch lässt sich nicht sicher prognostizieren, welche Behandlungsmethoden aufgrund medizinischen Fortschritts künftig zur Verfügung stehen werden. Der Kläger begehrt im Kern die Feststellung einer allgemeinen Leistungspflicht der Beklagten auf Grundlage des status quo, nicht die Feststellung der Pflicht zur Regulierung einer aktualisierten, ärztlich für notwendig erachteten, bevorstehenden Behandlung.

Ferner steht weder durch die haupt- noch durch die hilfsweise begehrte Feststellung eine sachgemäße und erschöpfende Lösung des Streits über die Erstattungspflichten der Beklagten zu erwarten. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass eine Regulierungspflicht der Beklagten nur bei medizinischer Notwendigkeit besteht. Bisher hat sich die Beklagte gegenüber dem Kläger auch stets auf die fehlende medizinische Notwendigkeit von ihr nicht regulierter Brillen oder Brillengestelle berufen. Der Streitpunkt liegt deshalb in der Frage der jeweiligen medizinischen Notwendigkeit der Verordnung einer bestimmten Sehhilfe. Diese kann der Natur der Sache nach nur von Fall zu Fall beurteilt werden, da sie – wie dargelegt – maßgeblich von der Entwicklung des klägerischen Augenleidens einerseits und zukünftig medizinisch zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten andererseits abhängt.

Für den Hilfsantrag, mit dem der Kläger dem Erfordernis medizinischer Notwendigkeit Rechnung tragen möchte, fehlt es zudem an einem Feststellungsinteresse des Klägers, weil die Beklagte ihre Verpflichtung insoweit weder vorprozessual noch im Prozess ernstlich bestritten hat. Deshalb droht dem Recht des Klägers diesbezüglich keine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit (vgl. Zöller/Greger, 28. Aufl. 2010, § 256 Rn. 7). In der vorprozessualen Korrespondenz hat sie den Ersatz nur einer Sehhilfe stets unter den Vorbehalt spezieller medizinischer Notwendigkeit gestellt. Dies ergibt insbesondere aus den Schreiben vom 18.10.2011 (Bl. 138 d.A.) und vom 6.7.2011 (Bl. 91 d.A.). Sie hat, mit anderen Worten, nicht den Umstand in Frage gestellt, auch mehrere Sehhilfen erstatten zu müssen, sondern die Erstattung nur von entsprechender medizinischer Notwendigkeit abhängig gemacht.

2. Der Antrag zu 1 ist unbegründet.

a)

Die in § 4 Abs. 7 lit. c) S. 2 AVB Beschränkung der Erstattungsfähigkeit von „Brillengestelle[n] in einfacher Ausführung“ ist wirksam.

aa) Die Klausel unterliegt der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB. In Versicherungsverträgen einer Überprüfung entzogen ist lediglich die Leistungsbeschreibung, die den unmittelbaren Gegenstand der geschuldeten Hauptleistung festlegt und ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (BGH, Urt. v. 26.9.2007 – IV ZR 252/06, NJW-RR 2008, 189, 190, Tz. 13). Dies ist bei der vorliegenden Klausel ersichtlich nicht der Fall.

Die beschränkende Konkretisierung der Erstattungspflicht für Brillengestelle in einem Versicherungsvertrag über ambulante Heilbehandlungen ist nicht so ungewöhnlich, dass der Versicherte nicht mit ihr i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB zu rechnen braucht.

bb) Die Klausel hält einer Inhaltskontrolle stand. Sie genügt insbesondere dem Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Gegen die Wirksamkeit der Formulierung in Krankenversicherungsbedingungen, Hilfsmittel seien „in einfacher Ausführung“ erstattungsfähig, haben das LG Stuttgart (Urt. v. 28.1.2009 – 4 S 88/08, r+s 2011, 127) und das AG Stuttgart (Urt. v. 17.4.2008 – 14 C 6415/06, r+s 2011, 125, 126) keine Bedenken geäußert. Implizit hat auch der BGH (Urt. v. 19.5.2004 – IV ZR 176/03, zitiert nach juris, Tz. 23) eine solche Klausel gebilligt. Hingegen hat das LG Dortmund (Urt. v. 18. 11. 2010 − 2 S 39/10, NJW-RR 2011, 903) eine solche Klausel für unwirksam erachtet. Diese Regelung sei so konturenlos, dass der aufmerksame Leser der Versicherungsbedingungen nicht erkennen könne, in welcher Höhe ihm ein Leistungsanspruch zustehen soll.

Die Kammer vermag sich den Bedenken des LG Dortmund für die vorliegende, Brillengestelle betreffende Formulierung nicht anzuschließen.

(1) Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot nur, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt (BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, NJW 2006, 996, 997 f., Tz. 23). Unter dem Gesichtspunkt der Unbestimmtheit ist demnach ein Verstoß gegen das Transparenzgebot zu bejahen, wenn eine Klausel so unpräzise formuliert ist, dass für den Versicherungsnehmer selbst der Kern der von der Klausel erfassten Fälle nicht überblickbar ist (LG Dortmund, a.a.O., NJW-RR 2011, 903 m.w.N.).

(2) Das LG Dortmund wendet gegen die Formulierung „in einfacher Ausführung“ ein, unklar sei, ob damit das Hauptleistungsversprechen konkretisiert oder eingeschränkt werde, d.h., ob beim Erwerb eines Hilfsmittels in nicht einfacher – über das Maß der medizinischen Notwendigkeit hinausgehender – Ausführung gar kein Leistungsanspruch oder dieser nur in der Höhe der Kosten, die das betreffende Hilfsmittel einfacher Ausführung, verursacht hätte, bestehe. Für das vorliegende Vertragsverhältnis wird diese Frage durch § 5 Abs. 2 AVB beantwortet. Danach hat die Beklagte das Recht, bei Überschreitung des medizinisch notwendigen Maßes ihre Leistung auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen. Es handelt sich hierbei auch nicht um ein Problem, das spezifisch durch die Formulierung „in einfacher Ausführung“ verursacht wird. Vielmehr stellt es sich bei der Erstattung jedes Hilfsmittels, das über das medizinisch notwendige Maß hinausgeht, unabhängig davon, ob das Hilfsmittel „in einfacher Ausführung“ erstattungsfähig ist oder nicht.

(3) Außerdem, so das LG Dortmund, lasse sich der Regelung der Erstattung von Kosten für Hilfsmittel in „einfacher Ausführung“ nicht entnehmen, ob es sich bei diesem Merkmal um ein quantitatives, qualitatives oder rein monetäres Kriterium handeln soll.

Bei einem quantitativen Verständnis sei die Klausel so aufzufassen, dass der Versicherer Kosten nicht mehrfache Hilfsmittel erstatten wolle, also der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf Kostenerstattung für Reservehilfsmittel habe. Diese Auslegung mag bei einer allgemeinen Klausel, die generell Hilfsmittel „in einfacher Ausführung“ für erstattungsfähig erklärt und über die das LG Dortmund zu entscheiden hatte, zutreffend sein. Für die vorliegende Klausel ist ein solches Verständnis aber so fernliegend, dass es als Auslegungsvariante ausscheidet. Nach § 4 Abs. 7 lit. c) S. 2 AVB sind „ärztlich verordnete Brillengläser, Brillengestelle in einfacher Ausführung, Kontaktlinsen,[…]“ erstattungsfähig. Dass die Beklagte hiermit erklären wollte, sie erstatte keine Reservebrillengestelle, kann nicht angenommen werden. Eine solche Auslegung wäre höchstens in Betracht zu ziehen, wenn sich auch hinsichtlich der Brillengläser und der Kontaktlinsen eine entsprechende Einschränkung fände. Dies ist aber nicht der Fall.

Die Formulierung „in einfacher Ausführung“ könne jedoch auch, so das LG Dortmund, als qualitatives Kriterium aufgefasst werden. Einfach wäre dann im Sinne von „schlicht“ zu verstehen. In diesem Fall könne der verständige Versicherungsnehmer der Klausel entnehmen, dass er keinen Anspruch auf die beste Qualität habe, sich andererseits aber auch nicht mit der schlechtesten Qualität im Sinne einer „einfachsten“ Ausführung begnügen müsse. Andererseits wäre es nach Ansicht des LG Dortmund möglich, in der Formulierung ein rein monetäres Kriterium zu erblicken, also als eine Preisobergrenze. Zwischen diesen beiden Auslegungsvarianten besteht indes nach Auffassung der Kammer kein Widerspruch, sondern vielmehr ein innerer Zusammenhang. Ein schlichtes Brillengestell verursacht geringere Kosten als ein luxuriöses. Das monetäre Kriterium spiegelt damit regelmäßig die Qualität des Hilfsmittels wider. Der Versicherungsnehmer ist deshalb in der Lage, aus der Formulierung „Brillengestell[e] in einfacher Ausführung“ zu entnehmen, dass ein schlichtes, im unteren Preissegment liegendes Gestell, das leidensgerecht seine Sehbehinderung ausgleicht, von der Beklagten erstattet wird.

(4) Die Offenheit der Formulierung „Brillengestell[e] in einfacher Ausführung“ ist auch dem anerkennenswerten Interesse des Krankenversicherers geschuldet, keine Leistungen erstatten zu müssen, die nicht der Korrektur von Augenleiden dienen, sondern andere Interessen ihres Versicherungsnehmers befriedigen.

Anders als viele medizinische Hilfsmittel dient eine Brille auch als modisches Accessoire. Als preisbildende Faktoren treten bei einem Brillengestell daher Mode- und Designaspekte neben die Frage, ob durch das Gestell das Augenleiden medizinisch adäquat korrigiert wird. Dies zeigen beispielhaft die werbenden Anpreisungen des Herstellers des streitgegenständlichen Brillengestells. Betont werden das edle Design und das pure Unterstatement, für das der Hersteller xxx stehe, die Zahl der gewonnenen internationalen Preise sowie die soziale Stellung einzelner Personen – unter ihnen des Oberhaupts der römisch-katholischen Kirche –, die eine Brille der Marke xxx trügen. In den Vordergrund der Vermarktung des streitgegenständlichen Brillengestells gerückt ist damit nicht die Frage, ob es besondere Qualitäten zur Korrektur von Augenleiden aufweist, sondern welchen ästhetischen Ansprüchen es genügt und welches soziale Prestige mit dem Tragen eines solchen Gestells nach Auffassung des Herstellers assoziierbar ist.

Eine Krankenversicherung möchte Versicherungsschutz prinzipiell für Krankheiten und Unfälle, nicht aber für Mode gewähren. Hersteller von Brillengestellen pflegen ihren Kunden gegenüber ihre Kalkulation, welcher Kostenteil des Brillengestells auf das Design und welcher auf dessen medizinisch notwendige Konstruktion entfällt, nicht offenzulegen. Deshalb bedarf es in den Versicherungsbedingungen einer hinreichend offenen Formulierung, um zu gewährleisten, dass der Versicherungsnehmer einerseits mit einem seinem Leiden adäquaten Brillengestell versorgt ist, er aber andererseits das Brillengestell nicht hauptsächlich unter Modegesichtspunkten wählt.

b) Das Brillengestell „xxx“, dessen Erstattung der Kläger begehrt, ist kein Brillengestell einfacher Ausführung i.S.d. § 4 Abs. 7 lit. c) S. 2 AVB. Zu Recht hat deshalb die Beklagte die Erstattung über einen Betrag von 80 € hinaus verweigert.

Der Kläger ist aus medizinischen Gründen – beispielsweise eine Kontaktdermatitis auf Materialien, die in der Herstellung von Brillengestellen Verwendung finden – in der Wahl seines Brillengestells nicht eingeschränkt. Das streitgegenständliche Brillengestell zeichnet sich insbesondere durch eine „extreme Reduzierung der Schlaufenbefestigung und durch ein neu patentiertes Scharniersystem“ auszeichnet. Dass der Kläger zur leidensgerechten Versorgung seiner Sehschwäche ein Brillengestell mit extrem reduzierten Schlaufenbefestigungen oder besonderen Scharniersystemen benötigt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Preis des Gestells von 410 € ist nach Auffassung der Kammer vor allem dem Design und dem Exklusivitätsanspruch, den der Hersteller vermitteln möchte, geschuldet. Wie dargelegt stehen in der Vermarktung des Brillengestells Mode- und Designüberlegungen im Vordergrund.

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (VG Regensburg, Beschl. v. 27.5.2004 – RO 8 E 04.1007, zitiert nach juris, Tz. 18) wurde im Jahr 2004 ein Betrag von „knapp 20 €“ für ein „einfaches Brillengestell“ im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt für angemessen erachtet. Auch unter Berücksichtigung der Geldentwertung und des Umstandes, dass sich die Erstattung eines von einer privaten Krankenversicherung zu erstattendes Brillengestell einfacher Ausführung nicht auf einen im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt für hinreichend erachteten Betrag beschränkt, erweist sich zumindest das Vierfache dieses Betrags im vorliegenden Fall als angemessen.

3. Über die Kosten war, obgleich die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich eines Betrags von 277,20 € aufgrund Erfüllung der Beklagten übereinstimmend für erledigt erklärt haben, einheitlich im Urteil zu entscheiden (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91a Rn. 54).

Die Kostenmischentscheidung beruht hinsichtlich der geltend gemachten 277,20 € aus der Rechnung für eine Fernbrille der Firma A vom 22.6.2011 auf § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO. Es entsprach billigem Ermessen, die Kosten insoweit der Beklagte aufzuerlegen. Sie hat durch die Zahlung zu erkennen gegeben, dass sie ihre Pflicht zur Regulierung hinsichtlich dieser Rechnung einräumt, und mit Schriftsatz vom 6.11.2012 (Bl. 294 d.A.) ihre Kostentragungspflicht insoweit selbst eingestanden.

Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 2. Alt., 711 ZPO.

Der Streitwert wird endgültig auf 18.588,80 € festgesetzt.

Neben den bezifferten Forderungen von 277,20 € für die Fernbrille und 330 € für das Brillengestell „xxx“ war der Hauptfeststellungsantrag mit 8.990,80 € zu beziffern. Der Kläger hat bei einer Lebenserwartung von noch etwa x Jahren ein prognostizierbares Erstattungsinteresse von 11.238,50 €. Unter Berücksichtigung eines Abschlags von 20 Prozent für die positive Feststellungsklage ergibt sich ein Wert von 8.990,80 €. Denselben Wert hat der Hilfsfeststellungsantrag, da dieser auf dasselbe Erstattungsinteresse gerichtet ist und nur unter der weiteren Voraussetzung der medizinischen Notwendigkeit steht. Dieser Wert war nach § 45 Abs. 1 S. 2 GKG hinzuzuaddieren, weil über den Hilfsantrag eine Entscheidung ergangen ist. Beide Anträge betreffen nicht denselben Gegenstand nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG, mögen sie auch auf demselben Anspruchsgrund beruhen und der Kläger dasselbe Interesse mit ihnen verfolgen. Anspruchsidentität nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG liegt vor, wenn die geltend gemachten Ansprüche einander ausschließen und damit notwendigerweise die Zuerkennung des einen Anspruchs mit der Aberkennung des anderen verbunden ist (BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, NJW-RR 2003, 713). Beim gestellten Hilfsantrag handelt es sich jedoch um eine aus Sicht des Klägers engere Fassung des Hauptantrags, da die Leistungspflicht der Beklagten hier unter einer weiteren Bedingung steht. Dass die beiden Anträge nicht im genannten Ausschließlichkeitsverhältnis stehen, zeigt auch die vorliegende Entscheidung, mit der sowohl Haupt- als auch Hilfsantrag aberkannt wurden.

Der Gesamtstreitwert ist die Summe 277,20 € + 330 € + 8990,80 € x 2, d.h. 18.588,80 €.

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