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Krankenversicherungsvertrag – Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch Versicherungsmakler

KG Berlin – Az.: 6 U 60/14 – Beschluss vom 29.08.2014

Gründe

1.

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers vom 28. April 2014 gegen das am 20. März 2014 verkündete Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat nach Vorberatung der Auffassung ist, dass das Rechtsmittel in der Sache offensichtlich unbegründet ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungsrügen greifen nicht durch, denn sie ergeben nicht, dass die gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigenden Tatsachen eine andere rechtliche Würdigung rechtfertigen; es liegen weder Fehler in der Tatsachenfeststellung noch in der Rechtsanwendung vor (§§ 513, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Krankenversicherungsvertrag ist aufgrund der mit Schreiben vom 05. April 2012 (eingereicht als Anlage K 11) erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 142 BGB rückwirkend entfallen. Zutreffend stellt die angefochtene Entscheidung fest, dass der Beklagten selbst bei Zugrundelegung des Vortrags des Klägers – er habe den Antrag unterzeichnet, als dieser den aus der Anlage K 2 ersichtlichen Inhalt hatte, die Angaben zur Vorversicherung bei der AOK und die Verneinung von Beitragsrückständen habe Herr Sch… erst nachträglich ergänzt – ein Anfechtungsrecht gemäß § 123 BGB zustand.

Der Kläger muss sich entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Rechtsansicht das arglistige Handeln des für die I … Versicherungsservice AG tätigen Herrn Sch… zurechnen lassen. Denn die I … – und damit Herr Sch… – ist im Rahmen des Abschlusses des Krankenversicherungsvertrages nicht als Versicherungsagent der Beklagten, sondern als Versicherungsmakler tätig geworden. Der Kläger selbst hat in der Klageschrift vorgetragen, von sich aus den Kontakt zur Herrn Sch… gesucht zu haben, mit dem Anliegen, eine Analyse hinsichtlich der Krankenkassenbeiträge und des Versicherungsumfangs erstellen zu lassen. Da die Überprüfung des bestehenden Versicherungsschutzes mit dem Ziel, ggf. ein für den Versicherungsnehmer günstigeres Versicherungsprodukt zu ermitteln, eine typische Maklertätigkeit darstellt (vgl. BGH VersR 1985, 930 – 932, zitiert nach juris, dort Rdz. 11; BGH NJW 1988, 60 – 63, zitiert nach juris, dort Rdz. 19; OLG Köln VersR 2004, 851 – 852, zitiert nach juris, dort Rdz. 6), ist mit der Auftragserteilung des Klägers an Herrn Sch… ein Maklervertrag zustande gekommen; dass der Kläger sich in diesem Zusammenhang nicht zu einer Provisionszahlung verpflichtet hat, weil die Provisionen der Versicherungsmakler – aufgrund einer in vielen Ländern gleichförmig bestehenden Übung – vom Versicherer getragen werden (vgl. dazu BGH VersR 1985 a.a.O. m.w.N.), ändert daran nichts (BGH VersR 2001, 1498 – 1499, zitiert nach juris, dort Rdz. 11 m.w.N.). Der Versicherungsmakler ist, weil er seine Tätigkeit – Analyse des Versicherungsstatus und Ermittlung eines passenden Versicherungsprodukts – im Interesse des Versicherungsnehmers ausübt, jedoch grundsätzlich als Sachwalter dem Lager des Versicherungsnehmers zuzuordnen (vgl. BGH VersR 2014, 565 – 567, zitiert nach juris, dort Rdz. 22 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Senats), weshalb dieser sich ein arglistiges Verhalten des Maklers regelmäßig als eigenes zuzurechnen lassen muss (BGH a.a.O.; OLG Köln a.a.O.). Zwar sind im Einzelfall Ausnahmen denkbar, die zu einer Zurechnung des Maklerfehlverhaltens beim Versicherer führen können, Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass der Makler trotz seiner grundsätzlichen Unabhängigkeit – wie ein Versicherungsagent – mit Wissen und Wollen des Versicherers in dessen Pflichtenkreis tätig geworden ist, indem er Aufgaben übernommen hat, die typischerweise dem Versicherungsunternehmen selbst obliegen (BGH VersR 2014 a.a.O.; BGH VersR 2001, 188 – 189, zitiert nach juris, dort Rdz. 19 m.w.N.). Wann eine solche Einschätzung gerechtfertigt ist, lässt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur aufgrund einer die Interessen beider Parteien wertenden Betrachtung der Einzelfallumstände entscheiden (BGH a.a.O.; vgl. auch BGH VersR 1996, 324 – 326, zitiert nach juris, dort Rdz. 15), wobei die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die eine Zurechnung für den Versicherer begründen sollen, dem Kläger obliegt (vgl. VersR 2008, 242 – 243, zitiert nach juris, dort Rdz. 8). Entscheidend ist nach der Rechtsprechung (vgl. BGH VersR 2001, 1498 – 1499, zitiert nach juris, dort Rdz. 11), dass bei Anbahnung und Abschluss des Versicherungsverhältnisses eine klare Rollenverteilung dahingehend bestand, dass der Makler, hier die I…, von der Beklagten mit dem Abschluss von Krankenversicherungsverträgen betraut war. Dafür sind jedoch vorliegend keine ausreichenden Anhaltspunkte vorhanden. Die Tatsache, dass die I… Antragsformulare der Beklagten vorrätig hatte, stellt jedenfalls kein ausreichendes Indiz dafür dar, dass die I… im Lager der Beklagten gestanden und als Agent agiert hat. Denn auch dem vom Versicherungsinteressenten beauftragten Makler stehen häufig, wenn nicht in der Regel, Antragsformulare der von ihm vermittelten Versicherungsgesellschaften zur Verfügung. Die Verwendung von Antragsformularen des jeweiligen Versicherers gehört zur Tätigkeit eines Agenten wie eines Maklers; sie dient jeweils der organisatorischen Abwicklung beim Zustandekommen des Versicherungsvertrages, ohne dass daraus geschlossen werden könnte, der Vermittler stehe auf der einen oder anderen Seite (so BGH VersR 1999, 1481 – 1482, zitiert nach juris, dort Rdz. 13). Dies gilt unter Geltung des neuen Versicherungsvertragsgesetzes um so mehr, weil beispielsweise wegen § 19 Abs. 1 VVG ein Rücktrittsrecht des Versicherers wegen unzutreffender Beantwortung von Antragsfragen nur besteht, wenn der Versicherungsnehmer auf in Textform gestellte Fragen des Versicherers falsche Angaben macht. Der Tatsache, dass dem Vermittler Antragsformulare des Versicherers zur Verfügung stehen und er von diesen Gebrauch macht, kommt deshalb bei der Beantwortung der Frage, ob der Vermittler seitens des Versicherers mit der Entgegennahme von Erklärungen bevollmächtigt wurde, keine indizielle Wirkung zu (BGH a.a.O.). Ebenso wenig rechtfertigt der Inhalt des als Anlage K 13 eingereichten Schreibens den Schluss, die I… habe als Agentin der Beklagten gehandelt, weil diese sie in ihre Betriebsorganisation einbezogen und mit der Entgegennahme von Vertragserklärungen betraut habe. Denn der von dem Kläger wiederholt zitierte Satz „Dieser ist für uns tätig geworden“ darf nicht losgelöst vom restlichen Text des Schreibens gelesen werden. Da die Beklagte in den vorangehenden Sätzen ausdrücklich auf die Stellung der I… als „unabhängigen Makler“ und auch darauf hingewiesen hatte, dass ihr „der Vertrag von der I… GmbH & Co KG…..vermittelt wurde“ und sie zudem in dem nachfolgenden Satz darauf verweist, dass sie für das Handeln eines Maklers nicht verantwortlich sei und dafür auch keine Haftung übernehmen könne, kann diesem Text letztlich kein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, dass die Beklagte die I… mit Aufgaben im Zusammenhang mit dem Abschluss von Krankenversicherungsverträgen betraut hatte, die eigentlich ihr als Versicherer oblagen. Auch aus dem Stempelaufdruck „Antrag wurde geprüft und freigegeben“, mit dem die I… das Antragsformular versehen hat, lässt sich dies nicht herleiten. Denn dieser Aufdruck bestätigt seinem Wortlaut nach nur, dass der Antrag als solcher zur Weiterleitung an die Beklagte freigegeben wurde, nicht aber, dass die I… damit bereits – etwa in Form einer sachlichen Vorprüfung der Annahmefähigkeit des Versicherungsantrages – Feststellungen zur Annahmefähigkeit des Antrages getroffen hat und dadurch im ureigenen Pflichtenkreis der Beklagten tätig geworden ist.

Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind erfüllt. Weder kommt der Rechtssache nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzliche Bedeutung zu (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung vorliegend eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO), weshalb auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

2.

Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, binnen zweier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen oder – schon aus Kostengründen – eine Berufungsrücknahme zu erwägen. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass sich im Falle der Berufungsrücknahme die Gerichtskosten auf die Hälfte reduzieren würden (vgl. KV 1222 zum GKG, dort Anlage 2).

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