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Krankheitsbedingte Kündigung – Eingliederung

LAG Berlin-Brandenburg

Az: 17 Sa 161/09

Urteil vom 03.06.2009


1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 10.12.2008 – 5 Ca 460/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten vor allem über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.

Die Beklagte beschäftigte die am …… 1956 geborene Klägerin jedenfalls seit dem 14. Februar 1998 als Arbeiterin im Betriebsdienst und setzte sie als Paketzustellerin ein. Die Klägerin erhielt eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 2.379,99 EUR.

Die Klägerin erlitt im 2005 einen schweren Verkehrsunfall. Sie fehlte im Anschluss daran krankheitsbedingt wie folgt:

Jahr vom bis Ausfalltage (Kalendertage)

2005 29.06.2005 bis 10.12.2005 165 Ausfalltage

29.12.2005 bis 31.12.2005 3 Ausfalltage

Summe 2005: 168 Ausfalltage

2006 13.03.2006 bis 23.04.2006 42 Ausfalltage

31.05.2006 bis 10.06.2006 11 Ausfalltage

24.07.2006 bis 31.10.2006 100 Ausfalltage

01.11.2006 bis 06.12.2006 36 Ausfalltage (Kur)

07.12.2006 bis 31.12.206 25 Ausfalltage

Summe 2006: 214 Ausfalltage

2007 01.01.2007 bis 01.05.2007 121 Ausfalltage

22.10.2007 bis 31.12.2007 71 Ausfalltage

Summe 2007: 192 Ausfalltage

2008 01.01.2008 bis jedenfalls 18.04.2008 60 Ausfalltage

Ob die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 18. April 2008 endete, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin führte in der Zeit vom 26. September bis 23. Oktober 2005 eine Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben durch. Eine vom 1. November bis 6. Dezember 2006 durchgeführte Kur führte nicht zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit. Weitere Versuche, die Klägerin an eine Tätigkeit als Paketzustellerin heranzuführen bzw. sie in der Briefzustellung einzusetzen, wurden abgebrochen. Die Klägerin wurde ab August 2007 vorübergehend in der Zustellkasse B. eingesetzt, ein anschließender Arbeitsversuch im Innendienst beendet. Der Postbetriebsarzt stellte nach einer Untersuchung der Klägerin am 4. Oktober 2007 fest, dass „befristete gesundheitliche Bedenken“ bestünden und schlug eine Nachuntersuchung in einem Jahr vor.

Ein Personalsachbearbeiter der Abteilung „Auslieferung Paket“ der Beklagten führte am 17. Januar 2008 im Beisein zweier Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung und eines von dem Betriebsrat beauftragen Sachverständigen ein Personalgespräch mit der Klägerin. Dort wurde die Klägerin zum einen gefragt, ob sie bereits einen Rentenantrag gestellt hatte. Zum anderen wurde sie darauf hingewiesen, dass wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) eingeleitet werden müsse, wozu allerdings die Zustimmung und aktive Mithilfe der Klägerin erforderlich sei. In dem Gesprächsprotokoll heißt es hierzu:

„Frage an Frau …: Geben Sie Ihre Zustimmung zur Durchführung des BEM und sind Sie bereit, aktive Mithilfe zu leisten?

Antwort ….: Auf Empfehlung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung möchte ich mich hierzu nicht äußern.“

Zur Zeit des Personalgesprächs hatte der Betriebsrat die Beklagte aufgefordert, in einer Betriebsvereinbarung zu regeln, wie das BEM durchgeführt werden solle. Eine derartige Betriebsvereinbarung wurde im Januar 2009 abgeschlossen.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 23. März 2008, das die Klägerin am 27. März 2008 erhielt, krankheitsbedingt zum 31. August 2008.

Mit ihrer am 15. April 2008 beim Arbeitsgericht Neuruppin eingegangenen und der Beklagten am 23. April 2008 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt und die Verurteilung der Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung und zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses verlangt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch ein am 10. Dezember 2008 verkündetes Urteil entsprochen. Die Kündigung vom 23. August 2008 sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte habe in Bezug auf die Klägerin ein BEM nicht durchgeführt und könne sich deshalb nicht darauf berufen, eine Weiterbeschäftigung sei nicht möglich gewesen. Dass ein BEM eine Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin nicht ergeben hätte, habe die Beklagte nicht hinreichend dargetan. Auch könne die Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen, die Klägerin habe ein BEM abgelehnt; denn die Beklagte habe die Klägerin in dem Gespräch vom 2. August 2007 nicht darauf hingewiesen, dass das Arbeitsverhältnis bei Ablehnung des BEM gekündigt werde. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 14. Januar 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. Januar 2009 eingelegte Berufung der Beklagten, die sie innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet hat.

Die Beklagte hält die streitbefangene Kündigung weiterhin für sozial gerechtfertigt. Die Klägerin habe in der Vergangenheit in erheblichem Umfang krankheitsbedingt gefehlt, ohne dass eine Änderung in der Zukunft erwartet werden könne. Sie – die Beklagte – habe für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit in den Jahren 2005 bis 2007 insgesamt 20.695,87 EUR an Lohnfortzahlungskosten für die Klägerin aufwenden müssen; auch zukünftig seien mit erheblichen Lohnfortzahlungskosten zu rechnen. Die Klägerin könne aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im Zustelldienst oder im Innendienst bei der Paketpost beschäftigt werden. Für eine Tätigkeit in der Zustellkasse B. habe kein Bedarf bestanden. Auch nach einer umfassenden Interessenabwägung sei es – so meint die Beklagte – für sie nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis auf Dauer fortzusetzen. Dass ein BEM nicht durchgeführt worden sei, könne ihr nicht vorgehalten werden, weil die Klägerin die hierzu erforderliche Zustimmung nicht erteilt habe. Da das Arbeitsverhältnis beendet worden sei, könne die Klägerin auch nicht eine vorläufige Weiterbeschäftigung und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses verlangen.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 10. Dezember 2009 – 5 Ca 460/08 – abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Kündigung sei schon deshalb sozial ungerechtfertigt, weil ein BEM nicht durchgeführt worden sei und auch nicht angenommen werden könne, dass es zu keinem Erfolg geführt hätte. Sie habe es nicht endgültig abgelehnt, bei einem BEM mitzuwirken; sie habe sich auch sonst keiner der von der Beklagten für erforderlich gehaltenen Maßnahmen verweigert. Auf Anraten des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung habe sie sich aber in dem Gespräch vom 17. Januar 2008 nicht anders als geschehen äußern wollen. Sie habe den Verkehrsunfall, der Ursache ihrer Arbeitsunfähigkeiten sei, nicht verschuldet. Die Beklagte könne daher zukünftige Lohnfortzahlungskosten von dem Schädiger ersetzt verlangen. Auch hätte die Beklagte ihr durch Umsetzung einen leidensgerechten Arbeitsplatz – z.B. in der Zustellkasse Börnicke – zuweisen können.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet.

I.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. März 2008 nicht aufgelöst worden ist. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1, 2 KSchG).

1. Die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, in drei Stufen zu prüfen. Zunächst ist eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Ist auch zukünftig mit krankheitsbedingten Fehlzeiten oder einem längeren Andauern einer Arbeitsunfähigkeit zu rechnen, muss dies auf der zweiten Stufe zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen; hierbei können Betriebsablaufstörungen sowie wirtschaftliche Belastungen durch Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von jährlich mehr als sechs Wochen in Betracht gezogen werden. Schließlich muss in einem dritten Prüfungsschritt im Rahmen einer Interessenabwägung untersucht werden, ob die Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen (vgl. hierzu nur BAG, Urteil vom 23. April 2008 – 2 AZR 1012/06 – DB 2008, 2091 f.).

Der Arbeitgeber hat ferner gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX bei einem Beschäftigten, der innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig krank gewesen ist, mit der zuständigen Interessenvertretung und mit Zustimmung der betroffenen Person die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement – BEM). Das Erfordernis eines derartigen BEM besteht für alle Arbeitnehmer und nicht nur für behinderte Menschen. Mit ihm soll möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines kranken Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden. Das BEM stellt zwar keine formelle Wirksamkeits-voraussetzung für den Ausspruch einer Kündigung, sondern eine Konkretisierung des dem gesamten Kündigungsschutzrecht innewohnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Hat ein BEM nicht stattgefunden, ist eine krankheitsbedingte Kündigung deshalb nicht ohne weiteres sozial ungerechtfertigt. Der Arbeitgeber muss aber konkret vortragen, dass auch bei der Durchführung eines BEM der Arbeitnehmer – ggf. nach einer leidensgerechten Anpassung oder Veränderung des Arbeitsplatzes – nicht wie bisher beschäftigt werden konnte oder warum eine Einsatz auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit nicht in Betracht kam. Fehlt es an einem derartigen Sachvortrag und lässt sich mithin nicht ausschließen, dass ein BEM Möglichkeiten aufgezeigt hätte, wie das Arbeitsverhältnis zukünftig ohne eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen hätte fortgesetzt werden können, geht dies zu Lasten des Arbeitgebers; denn dieser darf durch seine dem Gesetz widersprechende Untätigkeit keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile erhalten (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 12. Juli 2007 – 2 AZR 716/06 – AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung; Urteil vom 23. April 2008 – 2 AZR 1012/06 – a.a.O.).

2. Im vorliegenden Fall erweist sich die streitbefangene Kündigung bei Anwendung der oben genannten Grundsätze als sozial ungerechtfertigt.

Es bestand allerdings im Zeitpunkt der Kündigung bezüglich der Klägerin eine negative Gesundheitsprognose. Die Klägerin hatte seit ihrem Verkehrsunfall in erheblichem Umfang krankheitsbedingt gefehlt; außerdem war sie bereits seit dem 22. Oktober 2007 und damit gut fünf Monate arbeitsunfähig krank gewesen. Eine Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin war nicht absehbar. Zwar hatte der Postbetriebsarzt im Oktober 2007 lediglich „befristete gesundheitliche Bedenken“ geäußert und eine Nachuntersuchung in einem Jahr angeordnet. Dies bedeutet jedoch lediglich, dass eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit der Klägerin offenbar nicht bestand. Ob und ggf. wann die Klägerin ihre Arbeit wieder würde aufnehmen können und aus welchen Gründen ggf. nicht mehr mit krankheitsbedingten Ausfällen in dem bisherigen Umfang gerechnet werden musste, wurde durch die postbetriebsärztliche Untersuchung nicht geklärt; auch die Klägerin hat Umstände, die auf eine Änderung ihres Gesundheitszustandes hindeuten könnten, nicht vorgetragen. Die Beklagte musste daher im Zeitpunkt der Kündigung mit weiteren erheblichen Fehlzeiten der Klägerin und mit einer Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit rechnen.

Es kann hingegen nicht festgestellt werden, dass im Zeitpunkt der Kündigung eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten durch krankheitsbedingte Ausfälle der Klägerin zu befürchten war. Die Beklagte kann sich dabei zunächst nicht darauf berufen, sie habe mit nicht mehr hinnehmbaren Betriebsablaufstörungen rechnen müssen. Sie hat die Fehlzeiten der Klägerin durch den Einsatz von Vertretungskräften abgedeckt; auch lässt sich ihrem Sachvortrag nicht konkret entnehmen, welche Folgen das Fehlen der Klägerin jeweils hatte und mit welchen Störungen sie deshalb auch zukünftig rechnen musste. Was die zukünftige Belastung mit Entgeltfortzahlungskosten angeht, hatte die Beklagte zwar in der Vergangenheit erhebliche Beträge aufgewendet und es war – die Durchführung eines BEM einmal unberücksichtigt gelassen – nicht absehbar, dass zukünftig eine derartige wirtschaftliche Belastung nicht mehr entstehen werde. Es ist jedoch denkbar, dass die Beklagte jedenfalls die zukünftig entstehenden Entgeltfortzahlungskosten ganz oder teilweise von dem Verursacher des Verkehrsunfalls, den die Klägerin vor Beginn ihrer häufigen Fehlzeiten im Jahr 2005 erlitten hat, gemäß § 6 EntgeltFG erstattet verlangen kann. In diesem Fall fehlte es an einer zur Kündigung berechtigenden wirtschaftlichen Belastung mit Entgeltfortzahlungskosten. Auch lassen sich keine hinreichenden Aussagen darüber treffen, dass die Klägerin nicht auf einem anderen Arbeitsplatz – ggf. nach einer leidensgerechten Ausgestaltung – hätte weiterbeschäftigt werden können, ohne dass die Beklagte weiterhin mit krankheitsbedingten Ausfällen in dem bisherigen Umfang hätte rechnen müssen. Zu einer derartigen Weiterbeschäftigung ist der Arbeitgeber zur Vermeidung einer krankheitsbedingten Kündigung ebenfalls verpflichtet, wobei ein geeigneter Arbeitsplatz ggf. auch durch die Ausübung des Direktionsrechts frei gemacht werden muss (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 29. Januar 1997 – 2 AZR 9/96 – AP Nr. 32 zu § 1 KSchG 1969 Krankheitsbedingte Kündigung; Urteil vom 23. April 2008 – 2 AZR 1012/06 – a.a.O.). Im vorliegenden Fall stand der Gesundheitszustand der Klägerin offenbar einer Beschäftigung einer Zustellkasse nicht entgegen. Die Beklagte hat bezogen auf den Zeitpunkt der Kündigung nur geltend gemacht, in der Zustellkasse Börnicke habe es keinen freien Arbeitsplatz gegeben; ob damals eine Umsetzung einer der dort beschäftigten Mitarbeiter in Betracht gekommen wäre oder ob die Klägerin – weil eine Umsetzung nicht möglich oder eine Schließung der Zustellkasse Börnicke bereits absehbar war – in einer anderen Zustellkasse hätte eingesetzt werden können, hat sie hingegen nicht vorgetragen. Zudem bleibt es möglich, dass die Klägerin bei einer Änderung der Arbeitsabläufe wenn schon nicht in der Briefzustellung, so doch im Innendienst hätte weiterbeschäftigt werden können. Insoweit ist nicht deutlich, ob hinsichtlich der übertragenen Aufgaben Rücksicht auf die gesundheitlichen Probleme der Klägerin genommen werden kann bzw. ob technische Hilfen es der Klägerin erleichtern könnte, die anfallenden Arbeiten zu verrichten, ohne dass es zu einem Gefühl der Überforderung kommt.

Die Beklagte kann in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg geltend machen, eine weitere Beschäftigung der Klägerin sei aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich bzw. eine Inanspruchnahme des Verursachers des Verkehrsunfalls auf Ersatz künftiger Lohnfortzahlungskosten komme nicht in Betracht. Denn die Beklagte hat ein BEM, in dem die genannten Fragestellungen hätten geklärt werden können, nicht durchgeführt; hieraus darf sie – wie ausgeführt – hinsichtlich ihrer darlegungs- bzw. beweisrechtlichen Situation keine Vorteile erhalten. Soweit die Beklagte meint, sie habe ein BEM nicht durchführen können, weil die Klägerin hierzu ihre Zustimmung nicht erteilt habe, triff dies nach Auffassung der Berufungskammer nicht zu. Zwar hat die Klägerin in dem Personalgespräch vom 17. Januar 2008 erklärt, dass sie sich zu einem BEM nicht äußern möchte, was zweifellos keine Zustimmung beinhaltet. Die Beklagte durfte diese Äußerung jedoch nicht dahingehend verstehen, die Klägerin lehne ein BEM vorbehaltlos und endgültig ab. Die Bekundung der Klägerin erfolgte „auf Empfehlung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung“. Für die Beklagte war daher erkennbar, dass sie ihre Ursache in der Auseinandersetzung über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum BEM und nicht in einer Weigerung der Klägerin hatte, ihre gesundheitliche Situation mit dem Arbeitgeber zu erörtern. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin sich bis zu dem Personalgespräch zu keiner Zeit geweigert hatte, sich ärztlich untersuchen zu lassen bzw. an Wiedereingliederungsmaßnahmen teilzunehmen und eine andere als die bisherige Beschäftigung aufzunehmen. Bei dieser Sachlage hätte es der Beklagten oblegen, in Erfüllung ihrer Verpflichtung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX näher auf die Ziele des BEM hinzuweisen und die von ihr – der Beklagten – geplanten Maßnahmen zu erläutern. Die Klägerin hätte dann entscheiden können und müssen, ob sie sich im eigenen Interesse für eine Mitwirkung entscheiden oder im Interesse des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung hierauf verzichten wollte. Die bloße Frage, ob die Klägerin zur aktiven Mitwirkung zu einem BEM bereit war, griff demgegenüber in der konkreten Gesprächssituation zu kurz; die Beklagte durfte sich mit der Antwort der Klägerin, sie wolle sich nicht äußern, nicht zufrieden geben. Kann nach alledem nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Klägerin nach der gebotenen Erläuterung für die Durchführung eines BEM entschieden hätte, kann sich die Beklagte letztlich nicht darauf berufen, die Klägerin habe einem BEM nicht zugestimmt.

II.

Die Beklagte ist zur Beschäftigung der Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verpflichtet, nachdem die Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung nunmehr zweitinstanzlich festgestellt worden ist und besondere Umstände, die gleichwohl gegen eine tatsächliche Beschäftigung der Klägerin sprechen könnten, weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Klägerin gesundheitlich in der Lage wäre, eine Tätigkeit als Zustellerin auszuüben. Denn die Klägerin ist arbeitsvertraglich zu jeder Tätigkeit als Arbeiterin im Betriebsdienst verpflichtet; dass es ihr nicht möglich ist, eine diese Arbeiten auszuüben, kann mangels entsprechendem Sachvortrag nicht angenommen werden.

III.

Die Beklagte ist aus den vom Arbeitsgericht unter III. der Entscheidungsgründe genannten Gründen verpflichtet, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen. Die Berufungskammer sieht insoweit von einer eigenen Darstellung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.

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