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Krawatte nicht angelegt – ungebührliches Verhalten? – von Verhandlung als Verteidiger ausgeschlossen!

 OLG Celle

Az.: 222 Ss 83/02 (Owiz)

Beschluss vom 19.07.2002


In der Bußgeldsache wegen Ordnungswidrigkeit nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die – zugelassene – Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts ####### vom 30. Januar 2002 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 19. Juli 2002 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht ####### zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen „einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit durch Werbung für die selbständige Erbringung handwerklicher Leistungen, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein, gemäß § 4 Abs. 1 SchwarzarbG,“ zu einer Geldbuße von 200 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen ist der Betroffene alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der####### GmbH in #######. Die GmbH ist in der Handwerksrolle nicht eingetragen. In der Zeit von März bis August 2001 befand sich auf der Heckscheibe eines Firmen-Pkws eine Folie, auf der neben anderen Tätigkeitsbereichen der GmbH auch „Pflasterarbeiten“ angeführt wurden. Eine mit einem gleichartigen Text versehene Werbetafel war vor der Werkhalle der GmbH aufgestellt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die zunächst mit einem Zulassungsantrag verbundene Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er Verfahrensrügen und die allgemeine Sachrüge erhebt. Durch Beschluss vom 18. Juni 2002 hat der Einzelrichter die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

II.

1. Das zulässige Rechtsmittel hat bereits mit der auf die ungerechtfertigte Zurückweisung der Verteidiger des Betroffenen in der Hauptverhandlung gestützten Verfahrensrüge Erfolg, sodass es eines Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen sowie die Sachrüge nicht bedarf.

Die Zurückweisung der beiden Verteidiger des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin vom 30. Januar 2002 „wegen ungebührlichen Auftretens vor Gericht“, weil sie sich geweigert hatten, eine Krawatte „anzulegen bzw. sich eine zu besorgen“, war verfahrensfehlerhaft und verletzte das Recht des Betroffenen auf Anwesenheit und Mitwirkung seiner gewählten Verteidiger (§§ 137 Abs. 1 S. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG) in der Hauptverhandlung im Rahmen eines rechtsstaatlichen und fairen Verfahrens (vgl. BVerfGE 38, 105).

Zwar weist der Beschluss, mit dem der Bußgeldrichter die beiden Verteidiger des Betroffenen nicht zur Hauptverhandlung „zugelassen“ hat, keine Rechtsvorschrift auf, auf die die Entscheidung gestützt werden sollte. Durch die Verwendung des rechtstechnischen Begriffs des „ungebührlichen Auftretens“ nimmt der Bußgeldrichter indessen ersichtlich nicht etwa Bezug auf § 176 GVG, sondern allein auf § 178 GVG, der die Rechtsgrundlage für die Ahndung ungebührlichen Verhaltens in der Hauptverhandlung darstellt. Dass der Bußgeldrichter durch das unterbliebene Anlegen einer Krawatte ein entsprechendes ungebührliches Verhalten ihm gegenüber in seiner Funktion als Vorsitzendem gesehen hat, verdeutlicht sein vorangegangener Beschluss aus dem Hauptverhandlungstermin vom 23. Januar 2002, in welchem er den anwesenden Verteidiger des Betroffenen wegen einer „Missachtung der Würde des Gerichts“ von der Verteidigung ausgeschlossen hatte.

Die danach auf § 178 GVG gestützte Zurückweisung beider Verteidiger des Betroffenen in der Hauptverhandlung ist jedoch bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil mit den nach § 178 GVG zur Verfügung stehenden Ordnungsmitteln entsprechend dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes jedenfalls nicht gegen Verteidiger vorgegangen werden darf (vgl. KK-Diemer, StPO, 4. Aufl., § 178 GVG Rdnr. 4 i.V.m. § 177 GVG Rdnr. 2 m.w.N.).

Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Urteil auch. Es ist nicht auszuschließen, dass das Urteil unter Mitwirkung der beiden Verteidiger des Betroffenen für diesen günstiger ausgefallen wäre.

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die bislang vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen insoweit unzureichend sind, als die von der GmbH des Betroffenen angebotenen Pflasterarbeiten ohne weitere Erkenntnisse als handwerkliche Werkleistungen, die die Eintragung in die Handwerksrolle erfordern würden, beurteilt worden sind.

Ob die GmbH des Betroffenen durch die beanstandeten Folie und Werbetafel für Arbeiten im Rahmen eines eintragungspflichtigen handwerksfähigen Gewerbes, die nur ein entsprechender Handwerksbetrieb ausführen darf, werben wollte, lässt sich den getroffenen Feststellungen nicht entnehmen. Handwerksbetrieb ist nur der Betrieb, der einer der in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgezählten Gewerbearten entspricht. Nicht aufgeführte Tätigkeiten können sich unter einen in der Liste geschaffenen Handwerksbegriff einreihen lassen und eine Spezialisierung desselben darstellen. Die Feststellung, dass die Tätigkeiten in den Bereich eines Handwerks fallen, reicht jedoch nicht aus, einen Betrieb bereits als Handwerksbetrieb zu qualifizieren. Zwar kommt es nicht darauf an, dass in vollem Umfang ein handwerksfähiges Gewerbe ausgeübt wird. Ein Handwerksbetrieb kann auch vorliegen, wenn in ihm Tätigkeiten ausgeübt werden, die nur Teilbereiche eines Gewerbes aus der Anlage A der Handwerksordnung umfassen. Erforderlich ist aber, dass die ausgeführten Tätigkeiten zu den „wesentlichen Tätigkeiten“ des betroffenen Handwerks gehören. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, von der abzuweichen kein Anlass besteht, liegen wesentliche Tätigkeiten eines handwerksfähigen Gewerbes vor, wenn es sich bei den Tätigkeiten, Verrichtungen und Arbeitsweisen um solche handelt, die den Kernbereich gerade dieses Handwerks ausmachen und ihm sein essenzielles Gepräge verleihen. Arbeitsvorgänge, die aus der Sicht des vollhandwerklich arbeitenden Betriebes als untergeordnet erscheinen, also lediglich einen Randbereich des betreffenden Handwerks erfassen, vermögen demnach die Annahme eines handwerklichen Betriebes nicht zu rechtfertigen (vgl. Senatsbeschluss vom 23. August 2000 – 322 Ss 69/00 (Owi) – m.w.N.).

Fallen in einem Betrieb nur solche Tätigkeiten an, die ohne Beherrschung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die allein in handwerklicher Schulung erworben werden können, einwandfrei und gefahrlos ausgeübt werden können, liegt nur ein nicht eintragungspflichtiges Minderhandwerk vor. Wird dagegen auch nur eine wesentliche Teiltätigkeit eines Handwerks ausgeübt, ist die Grenze zum erlaubnisfreien Minderhandwerk überschritten (vgl. Ambs in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Handwerksordnung, § 1 Rdnr. 8 m.w.N.). Bei der Abgrenzung ist die Ausstrahlungswirkung von Art. 12 Abs. 1 GG zu beachten (BVerfG GewArch 2000, 240). Deshalb sind tatsächliche Feststellungen nötig, ob die Tätigkeit des Betroffenen die Anwendung der Handwerksordnung erforderlich erscheinen läßt. Daneben ist zu bedenken, dass die Pflasterarbeiten unerhebliche Nebenarbeiten im Rahmen eines nicht eintragungspflichtigen Handwerksbetriebs sein können, wie es zum Beispiel für Garten- und Landschaftsbau gilt, vgl. auch § 3 Handwerksordnung. Bei Pflasterarbeiten von privaten Außenanlagen von Gebäuden, wie Wegen oder Garagenzufahrten im Rahmen des Gewerbes des Garten- und Landschaftsbaues wird davon nicht selten auszugehen sein (vgl. etwa VG Gelsenkirchen, GewArch 1984, 95 f.; OLG Düsseldorf, GewArch 1984, 86, 87).

Ob die von der GmbH des Betroffenen u.a. angebotenen Pflasterarbeiten als eine wesentliche Tätigkeit im Sinne eines Straßenbauer-Handwerks oder aber nur als ein Minderhandwerk oder lediglich als eine unwesentliche Nebenleistung im Rahmen eines Gewerbes, das eine Eintragung in die Handwerksrolle von vornherein nicht erfordert, zu beurteilen ist, wird im Wesentlichen von dem Gesamtcharakter der herzustellenden Anlagen abhängen, die die GmbH zu errichten beabsichtigte (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 2002, 58). Sollte es um Arbeiten gehen, die mit einem nicht eintragungspflichtigen Betrieb verbunden sind, darf dafür auch geworben werden.

3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache zu neuer Entscheidung an ein anderes Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 6 letzter Halbsatz).

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