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Kreuzfahrt – Leistungseinschränkungen aufgrund Corona-Pandemie – Minderung

AG Köln – Az.: 133 C 611/20 – Urteil vom 13.09.2021

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 713,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.08.2020 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 54 % und die Beklagte zu 46 %. Die Kosten der Nebenintervention trägt der Kläger zu 54 %, im Übrigen trägt die Streitverkündete ihre Kosten selbst.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien und der Streitverkündeten wird nachgelassen, die jeweils gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten – einer Reiseveranstalterin – eine Zahlung in Höhe von 3.219 EUR aufgrund von mutmaßlicher Minderung des Reisepreises nachdem der Rechtsstreit i.H.v. 1.379 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

Der Kläger buchte am 12.09.2019 bei der Beklagten für sich und seine Ehefrau eine Kreuzfahrt für den Zeitraum vom 28.02.2020 bis zum 13.03.2020. Als Gesamtreisepreis vereinbarten die Parteien einen Betrag i.H.v. 4.598 EUR. Darin enthalten ist ein separat gebuchtes Getränkepaket, das auf 413 EUR taxiert wurde (vergleiche Reisebestätigung, Anl. K1, Bl. 8 ff. der Akte). Das Getränkepaket stand dem Kläger während der gesamten Reise zur Verfügung.

Vom 28.02.2020 bis zum 07.03.2020 fand die Reise vereinbarungsgemäß statt. Lediglich den Hafen in Basseterre (St. Kitts und Nevis) lief das Kreuzfahrtschiff entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht an. Ab dem 08.03.2020 bis zum 13.03.2020 kam es vor dem Hintergrund der ausbrechenden Corona-Pandemie zu Einschränkungen im Hinblick auf den Service an Bord und im Hinblick auf die Route des Schiffes. Am 08.03.2020 sollte das Schiff vor Trinidad und Tobago ankern und am 09.03.2020 sollte vor Grenada geankert werden. Die örtlichen Behörden teilten jeweils zuvor mit, dass eine entsprechende Genehmigung nicht erteilt werden würde. Der Kapitän beschloss sodann direkt Barbados (Bridgetown) anzusteuern. Dort sollte das Schiff am 10.03.2020 planmäßig anlegen. Der Schiffsleitung wurde seitens der örtlichen Behörden sodann die Einfahrt in den Hafen von Bridgetown verweigert. Der Landgang von Gästen wurde untersagt. Die Behörden gestatteten lediglich das Ankern, um Ladung aufzunehmen. Auch an den weiteren Stationen – Martinique und Guadeloupe – durften die Reisenden aufgrund behördlicher Anordnungen nicht an Land gehen. Es wurden drei Inseln nicht angefahren und drei weitere Inseln konnten nicht besichtigt werden. Jedenfalls ab dem 12.03.2020 gab es an Bord keine Buffets mehr. Bis auf eine Getränkeausgabe und Ausgabe von Mahlzeiten wurde das touristische Leben ansonsten weitestgehend eingestellt. Das Essen wurde zubereitet und sodann an den Tischen serviert. Der Thekendienst im Barbereich wurde eingestellt. Getränke wurden nur noch an den Tischen serviert. Aufgrund der Einschränkungen erhielt der Kläger ein Bordguthaben i.H.v. 700 EUR seitens des ausführenden Leistungsträgers, das aufgrund der Einschränkungen an Bord kaum nutzbar war. Auf einen mutmaßlich erteilten Gutschein hin, teilte der Kläger mit, dass er diesen zurückweise und auf die Rückerstattung des Reisepreises in Geld best ehe. Einen per E-Mail vom 10.06.2020 übersandten Gutschein, seitens des Leistungsträgers, über einen Rabattcode im Wert von 2.225,90 EUR (Anl. K3), wies der Kläger zurück. Der Kläger und seine Ehefrau mussten schließlich über das geplante Ende der Reise hinaus bis zum 15.03.2020 an Bord bleiben. Der auf Medikamente angewiesene Kläger musste sich aufgrund der verlängerten „Reisezeit“ selbige unter Kraftaufwand bei dem Chefarzt organisieren und bezahlen.

Ursprünglich war die Rückreise wie folgt geplant:

  • Abflug: 13.03.2020 um 18:40 Uhr mit Condor
  • Ankunft: 14.03.2020 um „9:10+1“ Uhr in Frankfurt am Main

Tatsächlich erfolgte die Rückreise wie folgt:

  • Abflug: 15.03.2020 um 9:00 Uhr mit Air Belgium
  • Ankunft: 15.03.2020 um 22:21 Uhr in Frankfurt am Main

Einen – vertraglich nicht vereinbarten – Anschlussflug nach Berlin gab es zu dieser Uhrzeit nicht mehr. Der Kläger wartete sodann bis zum nächsten Morgen am Flughafen, um einen Weiterflug wahrnehmen zu können. Er forderte X Kreuzfahrten zur Rückzahlung des Reisepreises i.H.v. 4.598 EUR auf (vergleiche Anl. K4). Unter dem 23.07.2020 antwortete die Beklagte und lehnte die Erstattung unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Reederei ab (vergleiche Anl. K5). Die jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers forderte sodann die Beklagte unter dem 03.08.2020 zur Erstattung des Reisepreises auf (vergleiche Anl. K5). Auf dieses Schreiben reagierte die Beklagte nicht. Der Kläger hat die Kosten für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung gegenüber seiner Prozessbevollmächtigten ausgeglichen.

Der Kläger behauptet, dass er sich am Bord des Schiffes mit Covid-19 infiziert habe. Ausweislich einer Anordnung zur Absonderung in häusliche Quarantäne des Bezirksamts Mitte (Berlin), datierend auf den 02.04.2020 (Bl. 57 f. der Akte), haben sich beim Kläger am 17.03.2020 Krankheitssymptome im Hinblick auf Covid-19 gezeigt. Die Infektion mit dem Coronavirus sei durch einen Rachenabstrich festgestellt worden. Der Kläger behauptet weiterhin, dass die Reederei ihm unter dem 11.03.2020 noch an Bord einen Gutschein im Wert der gesamten Reisekosten erteilt habe (vergleiche Anl. K2). Er ist der Ansicht, dass sich die Reise insgesamt auf einen Wert von Null Euro gemindert habe. Die mangelhaften Tage hätten sich derart ausgewirkt, dass die Reise insgesamt nutzlos geworden sei.

Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.598 EUR nebst Zinsen i.H.v. „5 %“ über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2020 zu zahlen. Die Parteien haben den Rechtsstreit i.H.v. 1.379 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt. Nach Zustellung der Klage am 10.12.2020 leistete die Beklagte einen entsprechenden Betrag an den Kläger.

Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag i.H.v. 3.219 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2020 zu zahlen,

2. die Beklagte ferner zu verurteilen, dem Kläger die hälftige Geschäftsgebühr nach § 13 Nr. 2400 VV RVG i.H.v. 246,27 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass die Gäste täglich im Viertelstundentakt, teilweise bis 24 Uhr nachts, über die aktuelle Lage informiert worden seien. Die Reisenden seien zudem täglich schriftlich über die Situation informiert worden. Ein Gutschein seitens der Reederei über den gesamten Reisepreis sei lediglich Gästen, die ab dem 06.03.2020 eine Reise für 14 Tage angetreten haben, ausgestellt worden. Die Beklagte ist der Ansicht, dass sich der Reisepreis nicht über die bereits erstattete Summe hinaus gemindert habe. Sie ist insofern der Ansicht, dass der Ausschluss des § 651n Abs. 1 Nr. 3 BGB auch im Hinblick auf eine Minderung greife. Die Beklagte ist weiterhin der Meinung, dass der Kläger jedenfalls keinen Ersatz für die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verlangen könne. Gegenüber der Beklagten sei die jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht tätig geworden. Das Mahnschreiben vom 25.06.2020 (vergleiche Anl. K4, Bl. 17 ff. der Akte) sei schließlich an die X Kreuzfahrten gerichtet gewesen. Bei der Zahlungsaufforderung vom 03.08.2020 an die Beklagte (Bl. 25 ff. der Akte) habe sie sich noch nicht im Verzug befunden.

Die Beklagte hat der X Kreuzfahrten per Schriftsatz vom 05.01.2021 den Streit verkündet (vergleiche Bl. 41 f. der Akte). Diese ist dem Streit auf Seiten der Beklagten unter dem 14.07.2021 beigetreten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

I.

Der Kläger hat einen Zahlungsanspruch aufgrund von Minderung des gezahlten Reisepreises gemäß §§ 346 Abs. 1, 651m Abs. 2, S. 1, 651i, 651a BGB in Höhe der tenorierten Summe.

Nach § 651i Abs. 1, 2 BGB ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften aufweist und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Ein Reisemangel liegt vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reiseleistungen von derjenigen abweicht, welche die Parteien bei Vertragsschluss vereinbart oder gemeinsam, auch stillschweigend, vorausgesetzt haben, und dadurch der Nutzen der Reise für den Reisenden beeinträchtigt wird. Sofern Vereinbarungen fehlen, ist die objektive Beschaffenheit der Reiseleistung maßgebend. Im Einzelfall ist von dem Vorliegen eines Mangels die hinzunehmende bloße Unannehmlichkeit abzugrenzen.

1. „Coronabedingte“ Einschränkungen als Mängel im Sinne von § 651i BGB

Kreuzfahrt - Leistungseinschränkungen aufgrund Corona-Pandemie - Minderung
(Symbolfoto: Alexandre Rotenberg/Shutterstock.com)

Die Einschränkungen an Bord sowie die geänderte Route bzw. nicht angebotenen Landgänge stellen einen Mangel im Sinne von § 651i BGB dar.

Die Mängel entstammen dem Verantwortungsbereich der Beklagten. Bei dieser Voraussetzung ist es nicht entscheidend, ob der jeweilige Reiseveranstalter die (äußeren) Umstände beeinflussen kann oder gar zu verschulden hat, die in der Folge zu einem Mangel führen. Der sogenannte Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters ist weit gefasst (Sprau, in: Palandt, 78. Aufl. 2019, § 651i Rn. 10). Im Grundsatz kommt es nicht darauf an, ob etwaige Mängel auf außergewöhnliche Umstände oder das Dazwischentreten Dritter zurückzuführen sind (vergleiche Sprau, in: Palandt, 78. Aufl. 2019, § 651i Rn. 7, Rn. 10; Führich/Staudinger, in: Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 17 Rn. 1). Der Veranstalter trägt grundsätzlich unabhängig von der Ursache des Fehlers die Gefahr des Gelingens einer Pauschalreise (BGH, Urteil vom 23.09.1982 – VII ZR 301/81, in: NJW 1983, 33, 34; Urteil vom 20.03.1986 – VII ZR 182/85, in: NJW 1986, 1748, 1749 f.; Urteil vom 29.06.1995 – VII ZR 201/94, in: NJW 1995, 2629, 2630; Urteil vom 06.12.2016 – X ZR 117/15, in: NJW 2017, 958 Rz. 6; Sprau, in: Palandt, 78. Aufl. 2019, § 651i Rn. 7). Die Haftung für Reisemängel bei Pauschalreisen ist letztlich als Erfolgshaftung ausgestaltet (Führich/Staudinger, in: Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 17 Rn. 1). Das Amtsgericht Neuss (Urteil vom 17.02.2015 – 75 C 3139/14) – später durch den BGH bestätigt – führt im Hinblick auf einen Unfall eines Transferbusses, der durch einen sogenannten „Geisterfahrer“ verursacht wurde, wie folgt aus:

„Nach dem ursprünglichen engen Mangelbegriff liegt eine Einstandspflicht des Reiseveranstalters nur im Rahmen der von ihm übernommenen Pflichten vor; der Reiseveranstalter hafte nur für solche Umstände, die von ihm beherrschbar seien.

Nach einer weiteren Ansicht hat für die Frage, ob ein Mangel i. S. d. § 651c Abs. 1 BGB vorliegt, eine Abgrenzung nach Risikosphären stattzufinden. Dabei sollen nur solche Fehler der Reise einen Mangel darstellen, welche der Risikosphäre des Veranstalters zuzurechnen sind; hierzu soll insbesondere nicht das allgemeine Lebensrisiko, wozu das Privatrisiko und das nicht Vertragsgrundlage gewordene Umfeldrisiko gehören, zählen (vgl. Führich, Reiserecht, 5. Aufl. 2005, § 7 Rn. 220). Es sei auf die vertraglich übernommenen Leistungspflichten abzustellen; soweit Beeinträchtigungen von außen auf dieses Leistungsprogramm einwirken, sei eine Risikoabgrenzung der Störungen vorzunehmen. Bei dieser Risikoabgrenzung hätten solche Störungen außer Betracht zu bleiben, die dem allgemeinen Lebensrisiko des Reisenden unterfielen (Führich a. a. O.).

Nach dem weiten Mangelbegriff haftet der Reiseveranstalter verschuldensunabhängig für den Erfolg der Reise, soweit dieser von seinen Leistungen abhängt, und trägt die Gefahr des Gelingens derselben (vgl. z. B. Staudinger, Neubearb. 2011, § 651c Rn. 51, zitiert nach juris, BGH NJW 2000, 1188, zitiert nach beck-online), wobei auch hier zum Teil eine Ausnahme gemacht wird, soweit das allgemeine Lebensrisiko betroffen ist (Staudinger a. a. O. Rn. 56).

Das Gericht schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an.

Dem engen Mangelbegriff kann bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil dieser nicht berücksichtigt, dass nach der gesetzgeberischen Konzeption die Minderung verschuldensunabhängig eintritt. Diese gesetzgeberische Wertung würde durch das Kriterium der Beherrschbarkeit eingeschränkt und käme einem Verschuldenserfordernis nahe.

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Vielmehr haftet der Reiseveranstalter auch bei einem von außen auf die Reise einwirkenden Ereignis verschuldensunabhängig für das Gelingen der Reise. Die Ursache eines Mangels ist bei der Frage, ob ein Mangel der Reiseleistung vorliegt, nicht von Belang (vgl. z. B. BGH NJW 1983, 33, zitiert nach beck-online). Der Reiseveranstalter hat wie jeder Werkunternehmer für den Erfolg der Reise einzustehen; er trägt die Gefahr des Nichtgelingens seiner Reiseveranstaltung (BGH a. a. O.; BGH NJW 1985, 1165, zitiert nach beck-online, Führich, Reiserecht, 5. Aufl. 2005, § 7 Rn. 199). Bereits aus dem Wortlaut des § 651c Abs. BGB folgt, dass es nicht auf die einzelnen Teilleistungen der Reise ankommt, sondern auf die Gesamtheit der Reise und deren Erfolg, da § 651c Abs. 1 BGB ausdrücklich auf den ‚Nutzen‘  der Reise und dessen Aufhebung oder Minderung abstellt. Haftet der Reiseveranstalter indes nicht nur für die ordnungsgemäße Erbringung seiner einzelnen Reiseleistungen, sondern verschuldensunabhängig für den Erfolg und Nutzen der Reise, so kommt es auf die Ursache für den nicht eintretenden Reiseerfolg nicht an. Das Argument, dass der weite Mangelbegriff deshalb abzulehnen sei, weil dieser letztlich eine Gefährdungshaftung des Reisveranstalters begründe, verfängt nicht. Denn die verschuldensunabhängige Haftung des Reiseveranstalters entspricht gerade der gesetzgeberischen Konzeption. Dabei ist zu bedenken, dass der weite Mangelbegriff allenfalls eine verschuldensunabhängige Minderung des Reisepreises zur Folge hat; eine vollumfängliche verschuldensunabhängige Haftung des Reiseveranstalters resultiert hieraus hingegen nicht, da für Schadensersatzansprüche gemäß § 651f Abs. 1 BGB ein Verschulden erforderlich ist.“

b. Das erkennende Gericht schließt sich den Ausführungen im Ergebnis für das aktuelle Pauschalreiserecht an. Es ist nicht ersichtlich, dass die Pauschalreiserichtlinie vom 25.11.2015 (2015/2302) die Haftung der Reiseveranstalter einschränken sollte (vergleiche mit Einschränkungen Führich/Staudinger, in: Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 17 Rn. 13). Die Haftung ist hier auch nicht im Hinblick auf das allgemeine Lebensrisiko zu begrenzen. Eine Begrenzung der Haftung erfolgt, wenn kein Zurechnungszusammenhang zu einer Pflichtverletzung des Reiseveranstalters besteht (BGH, Urteil vom 06.12.2016 – X ZR 117/15, in: NJW 2017, 958 Rz. 10). Dies ist etwa der Fall, wenn der Reisende außerhalb und unabhängig von der Inanspruchnahme einer Reiseleistung verunglückt, erkrankt oder Opfer einer Straftat wird (BGH, ebenda). Der Reiseveranstalter soll von einer Einstandspflicht ausgenommen sein, wenn sich lediglich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht hat. Zum allgemeinen Lebensrisiko gehören insbesondere persönliche Verletzungsrisiken, welche der Reisende auch im privaten Alltag oder als Individualreisender ausgesetzt wäre (vergleiche BGH, ebenda Rz. 9 f.).

Ein entsprechender Fall liegt nicht vor (vergleiche auch LG Koblenz, Urteil vom 07.05.2021 – 3 O 260/20; AG Hannover, Urteil vom 09.04.2021 – 502 C 12946/20 – juris). Betroffen waren vielmehr wesentliche Vertragsbestandteile (essentialia negotii) des Reisevertrages. Das unbeherrschbare Ereignis i.S.d. Corona-Pandemie hat sich unmittelbar auf Reiseleistungen ausgewirkt und den Erfolg der Reise teilweise vereitelt. Die Beklagte hat sich dazu verpflichtet Reiseleistungen anzubieten, die über die bloße „Schifffahrt“ samt Beherbergung hinausgingen. Tatsächlich war das Leben an Bord des Schiffes ab dem 08.03.2020 eingeschränkt, die Route wurde geändert und Landgänge waren nicht mehr möglich.

Dies entspricht der Einordnung des BGH in der sogenannten „Transfer-Entscheidung“ im Anschluss an die Entscheidung des Amtsgerichts Neuss (BGH, Urteil vom 06.12.2016 – X ZR 117/15, in: NJW 2017, 958). Während eines Bustransfers von Reisenden kam es zu einem Zusammenstoß, der von einem sogenannten Geisterfahrer verursacht worden ist. Das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 09.10.2015 – 22 S 89/15, in: BeckRS 2015, 117276) hat die Klage abgewiesen und darauf abgestellt, dass sich bei dem Zusammenstoß das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht habe. Dem ist der BGH entgegengetreten. Der Reisende habe vielmehr erwarten dürfen, dass der Reiseveranstalter die Transferleistung störungsfrei erbringt (BGH, Urteil vom 06.12.2016 – X ZR 117/15, in: NJW 2017, 958 Rz. 8). Ein Reisemangel sei gerade nicht deshalb zu verneinen, weil sich in dem mangelhaften Transfer das allgemeine Lebensrisiko des Reisenden verwirklicht hätte (ebenda Rz. 9). Der BGH grenzt insoweit zwischen außerhalb der Inanspruchnahme von Reiseleistungen liegenden Umständen und Umständen die auf vertragliche Reiseleistungen einwirken und zur Fehlerhaftigkeit der Reise führen ab (ebenda Rz. 10 und 12). Insofern habe sich bei dem Zusammenstoß mit dem Geisterfahrer eine reisespezifische Gefahr verwirklicht. Dies entspricht der vorliegenden Situation. Es hat sich eine reisespezifische Gefahr verwirklicht. Die vorgetragenen behördlichen Anordnungen waren von der Beklagten nicht zu verantworten. Sie wirkten sich aber unmittelbar auf die vereinbarten Reiseleistungen aus.

Eine Entscheidung des Amtsgerichts Hannovers stellt dahingegen darauf ab, dass Einschränkungen einer Reise aufgrund der Corona-Pandemie zu einem allgemeinen „weltweiten Lebensrisiko“ gehörten (vergleiche AG Hannover, Urteil vom 20.01.2021 – 552 C 7861/20 = NJW-RR 2021, 563). Dem kann aufgrund der obigen Ausführungen nicht gefolgt werden. Die Abteilung des Amtsgerichts Hannover stellt unter anderem darauf ab, dass ein Reiseveranstalter nur die reisespezifischen Gefahren zu tragen habe, die seiner Unternehmenssphäre zuzurechnen sind (AG Hannover, Urteil vom 20.01.2021 – 552 C 7861/20 = NJW-RR 2021, 563 Rz. 13). Die Störung „durch“ Corona hat sich aber gerade auf das Leistungsprogramm der Beklagten ausgewirkt. Es hat sich nicht lediglich das allgemeine Umfeldrisiko verwirklicht. Dies könnte etwa angenommen werden, wenn sich eine Reisende außerhalb der Hotelanlage mit Covid-19 infiziert.

Dass die Störung schließlich auf unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände zurückzuführen sein dürfte, ändert daran nichts (vergleiche Führich/Staudinger, in: Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 17 Rn. 13). Diese Umstände sollen einen Reiseveranstalter gerade nicht entlasten. Aus einem Verweis auf § 651n BGB ergibt sich nichts anderes (a.A. AG Hannover, Urteil vom 20.01.2021 – 552 C 7861/20 = NJW-RR 2021, 563 Rz. 13). Ein Umkehrschluss aus § 651n Abs. 1, Nr. 1-3 BGB bestätigt die Rechtsauffassung der hiesigen Abteilung vielmehr. Der Gesetzgeber schließt dort einen Schadensersatzanspruch aus, wenn der Reisemangel auf ein Verschulden des Reisenden, ein Verschulden eines Dritten bzw. auf unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist. Der Gesetzgeber hat die Problematik einer weiten Veranstalterhaftung also grundsätzlich gesehen und erkannt. Er hat sich aber offensichtlich bewusst dafür entschieden an einem weiten Mangelbegriff im Reiserecht festzuhalten. Wäre ein Reisemangel bereits aufgrund außergewöhnlicher Umstände auszuschließen, hätte es der Regelung des § 651n Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht bedurft. Es ist nicht ersichtlich, dass der Paragraf eine lediglich klarstellende Bedeutung haben soll.

c. Dieses Ergebnis ist sachgerecht. Andernfalls käme es zu Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheit. Insofern wäre es unklar, wann außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände einen Reisemangel begründen können und wann nicht; auch wenn sie unmittelbar auf Reiseleistungen einwirken. Insofern ist nicht ersichtlich, warum eine weltweite Pandemie – für die die Beklagte natürlich keine Verantwortung trägt – anders beurteilt werden sollte, als sonstige Naturereignisse, bei denen ein Reisemangel angenommen wird. Die Beklagte hat schließlich auch auf Naturereignisse keinerlei Einflussmöglichkeit. Wollte man einen Reisemangel in entsprechenden Situationen über den Zurechnungszusammenhang bzw. den sogenannten Verantwortungsbereich ablehnen, käme es letztlich zu einer quasi verschuldensabhängigen Haftung, was der gesetzgeberischen Konzeption des Pauschalreiserechts widerspräche.

d. Schließlich entspricht das Ergebnis einer konzeptionellen Grundentscheidung des BGB. Nach § 326 Abs. 1 BGB kann derjenige, der die Hauptleistung aufgrund von Unmöglichkeit nicht erfüllen kann, keine Gegenleistung verlangen bzw. muss diese zurückerstatten, § 326 Abs. 4 BGB. Der Reiseveranstalter trägt die Preisgefahr.

2. Bezugspunkt der Minderung

Der Bezugspunkt für eine Reisepreisminderung, ist der Gesamtreisepreis (BGH, Urteil vom 14.05.2013 – X ZR 15/11 = NJW 2013, 3170 Rn. 17; Führich/Staudinger, Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 21 Rn. 20 ff.; Tonner, in: MüKo, BGB, 8. Aufl. 2020, § 651m Rn. 9; vergleiche insoweit übereinstimmend AG Hannover, Urteil vom 20.01.2021 – 552 C 7861/20 = NJW-RR 2021, 563 Rz. 11). Etwaige Flugleistungen sind etwa nicht herauszurechnen. Abzugrenzen sind hiervon allerdings zusätzlich gebuchte Nebenleistungen (vergleiche Führich/Staudinger, in Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 21 Rn. 23). Der Gesamtreisepreis betrug demnach 4.185 EUR. Als zusätzliche Nebenleistung buchte der Kläger ein – separat ausgewiesenes – Getränkepaket zu einem Preis von 413 EUR. Diese Summe war in Abzug zu bringen.

3. Minderungshöhe

Eine Kürzung des Reisepreises findet grundsätzlich für die zeitliche Dauer, in der sich der Reisemangel negativ ausgewirkt hat, statt (BGH, Urteil vom 14.05.2013 – X ZR 15/11 = NJW 2013, 3170 Rn. 17). Die Anzahl der betroffenen Tage richtet sich nach der Dauer der Beeinträchtigung. Hierzu wird zunächst anhand des Gesamtreisepreises und der Anzahl der Reisetage ein Reisetagespreis ermittelt. Die Tage der An- und Abreise sind dabei zu berücksichtigen (vergleiche OLG Celle, Beschluss vom 19.05.2020 – 11 U 20/20, Rn. 8 = BeckRS 2020,14423; LG Köln, Urteil vom 06.06.2001 – 10 S 85/01 = RRa 2001, 180, 181; Kramer, in: BeckOGK, BGB, Stand: 01.02.2021, § 651m Rn. 164). Schließlich wird der Tagesreisepreis mit der Anzahl der betroffenen Tage und der Minderungsquote multipliziert.

Der Reisepreis hat sich insgesamt um 2.092,50 EUR gemindert. Unter Berücksichtigung des Gesamtreisepreises i.H.v. 4.185 EUR und 14 Reisetagen/Nächten errechnet sich ein Tagesreisepreis i.H.v. 298,93 EUR.

Im Einzelnen:

a. Eingeschränkter Service an Bord, Änderung der Reiseroute, ausbleibende Landgänge

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die vereinbarten Reiseleistungen zwischen dem 08.03.2020 und dem 13.03.2020 nicht wie vereinbart angeboten werden konnten. Dahingehend hat sich der Reisepreis i.H.v. 1.793,57 EUR gemindert. Insgesamt sind in diesem Zeitraum drei Häfen nicht angelaufen worden. Vor drei weiteren Häfen ankerte das Kreuzfahrtschiff zwar, aber die Reisenden konnten nicht an Land gehen. Darüber hinaus wurde der Service an Bord im Hinblick auf die Verpflegung mit Getränken und Mahlzeiten eingeschränkt und nicht wie vertraglich vereinbart durchgeführt.

Eine Minderung in Höhe des vollständigen Tagesreisepreises für den oben genannten Zeitraum ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls angemessen. Im Rahmen von Kreuzfahrten verbietet sich allerdings eine schematische Berechnung des Minderungsbetrages anhand des Tagesreisepreises (vergleiche m.w.N. Führich/Staudinger, in: Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 21 Rn. 27). Dies ist im Hinblick darauf angemessen, dass eine Kreuzfahrt regelmäßig durch Höhepunkte, wie Landgänge und Besuche von Sehenswürdigkeiten, geprägt ist. Andererseits beinhaltet eine Kreuzfahrt ebenso regelmäßig Fahrzeiten, die weniger schwerwiegend ins Gewicht fallen. Können allerdings keine Landgänge mehr durchgeführt werden und keine Sehenswürdigkeiten besucht werden, kann die bloße „Schifffahrt“ den Zweck der Reise nicht mehr (vollständig) erfüllen. So liegt der Fall hier. Ab dem 08.03.2020 wurden keine Häfen mehr aus touristischen Zwecken angefahren. Sofern das streitgegenständliche Kreuzfahrtschiff vor Häfen ankerte, geschah dies aufgrund der Notwendigkeit zur Aufnahme von Verpflegung und Medikamenten. Die vertraglich versprochenen Landgänge fanden nicht statt. In die Abwägung ist zudem eingeflossen, dass auch die Verpflegung nicht mehr, wie vertraglich vereinbart durchgeführt wurde. Für die Zeit vor dem 08.03.2020 ergibt sich für das Gericht jedoch nicht in greifbarer Form, inwiefern die Reise mit Mängeln behaftet war. Eine Minderungsquote konnte seitens des Gerichts mithin nicht geschätzt werden. Die Beklagte stellte zwar unstreitig, dass ein Hafen (Basseterre, St. Kitts & Nevis) nicht angelaufen wurde und verweist auf die Ausstellung eines Bordguthabens. Es erschließt sich allerdings nicht, welchen Wert dieser Stopp – isoliert betrachtet – gehabt haben soll.

b. Zwei weitere Tage an Bord über den vereinbarten Reisezeitraum hinaus (14.03.2020 und 15.03.2020)

Der Reisepreis hat sich zudem für einen weiteren vollständigen Tag um 100 % gemindert. Dies ergibt eine Summe i.H.v. 298,93 EUR.

Der Kläger musste mit seiner Frau zwei weitere Tage gegen seinen Willen an Bord des Kreuzfahrtschiffes verbringen. Der 15.03.2020 war dahingegen nicht zu berücksichtigen. Dieser Tag wäre als Rückreisetag auch bei ordnungsgemäßer Durchführung der Pauschalreise – wenn auch vom 13.03.2020 auf den 14.03.2020 – angefallen. Insofern haben sich die Einschränkungen an Bord des Schiffes nicht ausgewirkt. Eine Minderung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der betroffene Tag nach dem geplanten Reiseende lag (vergleiche LG Frankfurt, Urteil vom 07.01.1991 – 2/24 S 299/90 = NJW-RR 1991, 630, 631; AG Königstein, Urteil vom 26.03.2001 – 21 C 1585/00(12) = NJW-RR 2002, 633, 634). Die Reise hat sich faktisch verlängert. Einen Vorteil hat der Kläger durch die Verlängerung der Reise nicht erhalten. Vielmehr hat sich die Situation negativ auf den Erholungswert der Reise ausgewirkt.

c. Andere Fluggesellschaft (Rückflug), Ankunft am 15.03.2020, kein Anschlussflug nach Berlin

Der Reisepreis hat sich darüber hinaus nicht weiter gemindert. Der Wechsel der Fluggesellschaft stellt ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keinen Reisemangel dar (vergleiche Führich/Staudinger, in: Reiserecht, 8. Aufl. 2019, Anhang zu § 21 Rn. 32 f.). Entsprechende Umstände sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Reisepreis hat sich auch nicht aufgrund der Ankunft in Frankfurt am Main am 15.03.2020 gegen 22:21 Uhr gemindert. Die verlängerte Zeit an Bord ist durch die oben ausgeführte Minderung (lit. b.) berücksichtigt. Wie vertraglich vereinbart, sind der Kläger und seine Ehefrau in Frankfurt am Main gelandet. Der Umstand, dass der Kläger keinen Anschlussflug nach Berlin erreichen konnte, ist der Beklagten nicht zuzurechnen. Ein Transfer von Frankfurt am Main nach Berlin ist nicht Teil der vertraglich vereinbarten Pauschalreise geworden und war seitens der Beklagten nicht geschuldet. Der Beklagten musste sich eine entsprechende Weiterfahrt des Klägers nicht aufdrängen. Aus den Reiseunterlagen wird zwar ersichtlich, dass der Kläger in Berlin wohnhaft sein dürfte. Daraus ergibt sich allerdings keine dahingehende Vermutung, dass der Kläger zwangsläufig bereits ein Flugticket von Frankfurt nach Berlin gebucht hatte. Es dürfte sich vielmehr um einen Mangelfolgeschaden handeln, der nicht im Rahmen der Minderung zu behandeln ist. Zudem ist kein substantiierter Vortrag zu den konkreten Mehrkosten gehalten worden.

d. Rückwirkung/Ausstrahlung des Mangels auf die nicht betroffene Reisezeit

Inwiefern ein Reisemangel, der zu einem späteren Zeitpunkt auftritt, auf die davor liegende Reisezeit zurückwirken kann, ist umstritten (vergleiche Führich/Staudinger, in: Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 21 Rn. 28). Auszugehen ist grundsätzlich – wie oben ausgeführt – von der Zeit in der die Reise mit einem Mangel behaftet war. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 651m Abs. 1 S. 1 BGB („für die Dauer des Reisemangels mindert sich der Reisepreis.“). Dies korrespondiert mit Art. 14 der Pauschalreiserichtlinie (2015/2302 vom 25.11.2015), auf die das aktuelle Pauschalreiserecht zurückgeht („[…] für jeden Zeitraum hat, in dem eine Vertragswidrigkeit vorlag […]“). Bei besonders schwerwiegenden Mängeln, hat der BGH erkannt, dass eine Rückwirkung möglich ist und sich der Gesamtreisepreis bis hin zu 100 % mindern kann (vergleiche BGH, Urteil vom 15.07.2008 – X ZR 93/07 = NJW 2008, 2775, 2776). Er führt aus:

„Zwar werden im Verlauf der Reise auftretende Mängel in aller Regel die Reise für die vorhergehende und/oder die nachfolgende Zeit nicht entwerten . Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt und in jedem Fall. Denn ein Ereignis, das einen besonders schwerwiegenden Reisemangel herbeiführt, kann selbst dann, wenn es erst nach Abschluss der Erholungsphase der Reise eintritt, dazu führen, dass die Reise insgesamt oder weitgehend ihren Zweck verfehlt. Das gilt auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Reiseveranstalter nur die Bereitstellung der Reiseleistungen und nicht Erholung an sich schuldet [m.w.N.].“ [Hervorhebung hinzugefügt]

Erforderlich ist demnach ein besonders schwerwiegender Reisemangel. Dieser muss zudem dazu geführt haben, dass die Reise ihren Zweck insgesamt bzw. weitgehend verfehlt hat. Ein besonders schwerwiegender Mangel wurde etwa angenommen bei

einem Seenotereignis mit anschließender posttraumatischer Belastungsstörung (LG Köln, Urteil vom 15.01.2019 – 3 O 305/17 = BeckRS 2019, 632), einer Salmonellenvergiftung (LG Frankfurt, Urteil vom 22.01.1990 – 2/21 O 81/89 = NJW-RR 1990,1396), einem schwerwiegendem Pool-Unfall mit anschließendem Krankenhausaufenthalt von zehn Tagen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.06.2003 – 7 U 221/02 = BeckRS 2003, 30321083), einer Vergewaltigung durch einen Mitarbeiter eines Leistungsträgers (AG Neuss, Urteil vom 02.08.2000 – 42 C 6702/99, juris), einem Reitunfall mit Todesfolge (BGH, Urteil vom 14.12.1999 – X ZR 122/97 = RRa 2000, 85 Rn. 33), einem Beinaheabsturz eines Flugzeuges (BGH, Urteil vom 15.07.2008 – X ZR 93/07 = NJW 2008, 2775).

Die vorliegenden Mängel entsprechen derart schwerwiegenden Ereignissen nicht. Vom 28.02.2020 bis zum 07.03.2020 verlief die Reise weitestgehend ohne Einschränkungen. Die darauf folgende Zeit mag sich für den Kläger und seine Ehefrau, wie vorgetragen, als „Horror“ dargestellt haben. Allerdings ergibt sich aus dem Vortrag – auch bei unterstellter Wahrheit des gesamten Vortrages des Klägers – nicht, dass die Reise derart eingeschränkt war, dass sich der Zeitraum vor Eintritt der Mängel als zwecklos erweisen musste. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Kläger und seine Ehefrau etwa Todesängsten ausgesetzt waren, oder dass sie unter Folgeschäden leiden/leiden mussten, die mit den oben genannten Ereignissen vergleichbar wären. Insofern war nicht weiter aufzuklären, ob sich der Kläger an Bord des Schiffes mit dem Coronavirus infizierte. Dies mag aufgrund der Inkubationszeit zwar naheliegen, kann aber offenbleiben. Es ist nicht vorgetragen, dass sich die Infektion durch einen besonders schweren Verlauf ausgezeichnet hat oder es zu sogenannten Langzeitfolgen („long covid“) gekommen ist.

Dem steht das vorgelegte Urteil des Landgerichts Koblenz (Urteil vom 07.05.2021 – 3 O 260/20) nicht entgegen. Die Sachverhalte unterscheiden sich in wesentlichen Aspekten. Ausweislich des Tatbestandes mussten sich dort unter anderem alle Passagiere ab einem gewissen Zeitpunkt in ihren Kabinen aufhalten, ein Verlassen war lediglich in kleinen Gruppen und für kurze Zeit möglich und es brachen vor den Augen der dortigen Klägerin Personen an Deck zusammen. Sie hatte den Eindruck, sich auf einem „Lazarettschiff“ zu befinden. Zudem verstarben vier Personen an Bord und es kam zu vielen Erkrankten. Im Übrigen wird auf den Tatbestand Bezug genommen.

4. (Teilweise) Erfüllung

Der Anspruch ist nicht durch ein Bordguthaben i.H.v. 700 EUR teilweise erfüllt worden. Es handelte sich offensichtlich um eine reine Kulanzleistung seitens des Leistungsträgers und schon nicht um eine (Erfüllungs-)Leistung seitens der Beklagten. Entsprechende Absprachen zwischen den Parteien und der Leistungsträgerin/der Streitverkündeten sind nicht ersichtlich. Eine angemessene Abhilfemaßnahme kann in der Einräumung eines – unstreitig – kaum nutzbaren Bordguthabens nicht gesehen werden.

Wollte man dies anders sehen, gilt zudem Folgendes: Der Kläger hat – wenn auch im Hinblick auf eine andere Summe – bereits vorgetragen, dass er ein entsprechendes Bordguthaben als Erfüllung etwaiger Minderungsansprüche zurückgewiesen hat. Es ist zudem bereits nicht ersichtlich, dass zwischen den Parteien überhaupt eine Ersetzungsbefugnis (vergleiche Grüneberg, in: Palandt, 78. Aufl. 2019, § 364 Rn. 1) im Sinne von § 364 Abs. 1 BGB vereinbart worden ist. Es ist auch aus den sonstigen Umständen nicht ersichtlich, dass der Kläger die Leistung als Erfüllung gelten lassen wollte (vergleiche allgemein Grüneberg, in: Palandt, 78. Aufl. 2019, § 363 Rn. 2). Die Forderung des Klägers ist schließlich nicht durch Annahme erfüllungshalber erloschen. Voraussetzung für eine entsprechende Erfüllung ist, dass sich der Gläubiger aus dem geleisteten befriedigt (vergleiche Grüneberg, in: Palandt, 78. Aufl. 2019, § 364 Rn. 5). Dass der Kläger und seine Ehefrau das Bordguthaben nutzten, ist nicht ersichtlich.

II.

Aus einem mutmaßlichen Reisegutschein im Wert von 100 % des Gesamtreisepreises seitens der Streitverkündeten, kann der Kläger keine Ansprüche auf Zahlung gegen die Beklagte herleiten. Dies würde – gegebenenfalls – einen Vertrag zulasten Dritter darstellen. Die Streitverkündete konnte die Beklagte dahingehend nicht binden.

III.

Ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten steht dem Kläger gegenüber der Beklagten nicht zu. Eine vorgerichtliche Rechtsverfolgung seitens des Klägers persönlich erfolgte zunächst lediglich gegenüber der Streitverkündeten und nicht gegenüber der Beklagten. Das anwaltliche Forderungsschreiben vom 25.06.2020 (Anl. K4, Bl. 17 ff. der Akte) richtete sich sodann gegen die Streitverkündete. Die Gebühr ist für dieses Schreiben vollständig angefallen. Eine hälftige Aufteilung (vgl. Bl. 6 der Akte) auf die Beklagte und die Streitverkündete kommt nicht in Betracht. Die Beklagte ist unabhängig von dem Vorstehenden durch ihre Antwort vom 23.07.2020 auf das vorgenannte Schreiben nicht im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug geraten. Eine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Leistung im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn die Reaktion des Schuldners als „letztes Wort“ ausgelegt werden kann. An diese Voraussetzung sind strenge Anforderungen zu stellen (vergleiche Grüneberg, in: Palandt, 78. Aufl. 2019, § 286 Rn. 24). Das Schreiben der Beklagte kann nicht in diesem Sinne verstanden werden. Es handelt sich vielmehr um das erste Schreiben der Beklagten, in dem sie letztlich unaufgefordert ihre Rechtsauffassung mitteilt. Das Schreiben stellt sich nicht derart dar, dass die Beklagte die Zahlung einer irgendwie gearteten „Entschädigung“ kategorisch ablehnt.

IV.

Der Zahlungsanspruch des Klägers ist gemäß §§ 286, 288 BGB seit dem 20.08.2020 i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen. Der Kläger forderte die Beklagte mittels seiner Prozessbevollmächtigten unter dem 03.08.2020 zur Zahlung bis zum 20.08.2020 auf (Bl. 25 ff. der Akte). Die Frist verstrich fruchtlos. Der auf „5 %“ gerichtete Antrag des Klägers, war dahingehend auszulegen, dass ein Zinssatz i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz begehrt wurde.

V.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen im Übrigen auf §§ 92 Abs. 1, S. 1, 91a ZPO und § 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten der Streitverkündeten waren dem Kläger im Verhältnis seines Unterliegens aufzuerlegen, § 101 Abs. 1 S. 1 ZPO. Darüber hinaus hat die Streitverkündete ihre Kosten selbst zu tragen, § 101 Abs. 1 S. 2 ZPO.

Im Hinblick auf den erledigten Teil waren die Kosten des Rechtsstreits nach dem aktuellen Sach- und Streitstand (siehe oben) nach billigem Ermessen der Beklagten aufzuerlegen. Nach Rechtshängigkeit leistete die Beklagte einen Betrag i.H.v. 1.379 EUR. In dieser Höhe hat sich der Rechtsstreit erledigt. Die Parteien haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Streitwert wird auf 4.598,00 EUR festgesetzt.

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