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Kreuzungsunfall mit einem bei rot querendem Rettungswagen

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 2 O 6051/20 – Urteil vom 08.04.2021

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 5.225,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.08.2020 zu zahlen.

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 571,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.08.2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und 2 trägt die Klägerin 25 %.

Die Beklagten zu 1 und 2 tragen als Gesamtschuldner von den Kosten des Rechtsstreits (mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3) 75 %.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3 trägt die Klägerin zu 100 %.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 6.966,34 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall.

Kreuzungsunfall und mit rot querendem Rettungswagen
(Symbolfoto: Try_my_best/Shutterstock.com)

Am 30.06.2020 gegen 15:20 Uhr kam es auf der Kreuzung Bahnhofstraße/Marientunnel in Nürnberg zu einer Kollision zwischen dem auf einem Motorrad fahrenden Sohn der Klägerin, dem Zeugen T, sowie dem vom Beklagten zu 1 gehaltenen, bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten und vom Beklagten zu 3 gefahrenen Krankenrettungswagen. Das Motorrad befuhr die Bahnhofstraße in stadtauswärtiger Richtung und in die Kreuzung ein, während der Beklagten-Krankenwagen aus Sicht des Motorradfahrers von rechts kommend aus dem Marientunnel in die mit Ampeln ausgestattete Kreuzung einfuhr. Das Motorrad kollidierte mit der linken Seite des Krankenwagens auf Höhe dessen Hinterachse. Am Motorrad entstand Totalschaden in Höhe von 5400 €. Für ein Schadensgutachten entstanden Kosten in Höhe von 994,15 €; weitere Kosten in Höhe von 113,19 € entstanden für die Ummeldung des Motorrads sowie weitere 25 € pauschale Unkosten. Auf ein Aufforderungsschreiben des Klägervertreters vom 27.07.2020 leistete die Beklagte zu 2 binnen gesetzter Frist bis 11.08.2020 keine Zahlung. Mit Schreiben vom 26.08.2020 lehnte die Beklagte zu 2 eine Schadensregulierung ab.

Die Klägerin behauptet, Eigentümerin des vom Zeugen T gefahrenen Motorrades zu sein. Der Beklagten-Krankenwagen sei bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren. Für den mit weniger als 50 km/h bei Grünlicht in die Kreuzung einfahrenden Motorradfahrer sei der Krankenwagen nicht erkennbar gewesen, da auf dem weiteren Geradeaus-Fahrstreifen rechts neben dem Kläger-Motorrad ein weiteres Motorrad gefahren sei. Der Krankenwagen sei bei Rotlicht unter Missachtung der gebotenen Sorgfalt und mit zu hoher Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Sonderrechten hätten nicht bestanden. Die Beklagten hafteten deshalb in vollem Umfang. Der Beklagte zu 3 hafte als Fahrer des Krankenwagens, da der Beklagte zu 1 als e.V. privatwirtschaftlich agiere. Die Klägerin habe zudem einen Nutzungsausfallschaden wegen des Ausfalls des Motorrads bis zu dessen Ersatzbeschaffung in Höhe von – insoweit unstreitig – 434 €.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 6.966,34 € nebst Zinsen hieraus in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.08.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Hohe von 328,57 € nebst Zinsen hieraus in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.08.2020 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen: Die Klage wird abgewiesen

Die Beklagten behaupten, dass der Beklagte zu 3 nicht bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren sei. Die Lichtzeichenanlage habe für ihn vielmehr Gelblicht angezeigt, während er mit Blaulicht und Martinshorn mit ca. 12 km/h in die Kreuzung eingefahren sei. Der Motorradfahrer habe sich der Kreuzung mit überhöhter Geschwindigkeit angenähert und sei mit fliegendem Start beim Umschalten von Rot auf Gelb in die Kreuzung eingefahren. Der Krankenwagen sei bei gebührender Aufmerksamkeit für den Motorradfahrer durch das Blaulicht und Martinshorn rechtzeitig erkennbar gewesen, um dem Krankenwagen das Räumen der Kreuzung zu ermöglichen. Die Beklagten bestreiten, dass der Klägerin kein weiteres Fahrzeug als das Motorrad zur Verfügung stand, sodass diese einen Nutzungsausfall nicht beanspruchen könne.

Es wurde Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin A, S und T sowie durch Erholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens. Der Beklagte zu 3 wurde informatorisch angehört. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2021 Bezug genommen. Die Unfallakte der VPI Nürnberg war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Klage ist hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 2 überwiegend begründet, hinsichtlich des Beklagten zu 3 jedoch als unbegründet abzuweisen.

I. Die Klägerin ist als Eigentümerin des beschädigten Motorrades aktivlegitimiert.

Auf entsprechendes Bestreiten der Beklagten hat die Klägerin auf sie lautende Unterlagen (Zulassungsbescheinigung Teil I, Kraftfahrzeugsteuerbescheid und Beitragsrechnung zur Kfz-Versicherung) vorgelegt. Auch in der Verkehrsunfallakte ist sie als Geschädigte/Fahrzeuginhaberin geführt. Diese Umstände rechtfertigen in der Gesamtschau mit den Angaben des Sohnes der Klägerin, des Motorradfahrers, wonach das Motorrad seiner Mutter gehöre und er das Motorrad zwar fahre, aber nicht selbst verkaufen oder dieses einfach mitnehmen könne, mit hinreichender Sicherheit den Schluss auf das Eigentum der Klägerin am beschädigten Motorrad.

II. Ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 3 als Fahrer des Rettungswagens besteht aus Rechtsgründen nicht.

Wird ein unfallbeteiligtes Fahrzeug von seinem Fahrer in Ausübung eines öffentlichen Amtes geführt, tritt nach Art. 34 S. 1 GG an die Stelle der persönlichen Haftung des Fahrers nach § 839 BGB die Haftung des Staates oder der Körperschaft, in deren Dienst er steht. Die Ersatzpflicht des Kraftfahrzeugführers nach § 18 StVG wird als Verschuldenshaftung durch § 839 BGB verdrängt (BGH v. 04.06.1992 – III ZR 93/91 – VersR 1992, 1397) – anders als die weiterhin mögliche Halterhaftung des Dienstherrn als Halter nach § 7 StVG (BGH v. 13.12.1990 – III ZR 14/90 – VersR 1991, 925).

Der Beklagte zu 3 handelte hier bei der Durchführung der Rettungsfahrt in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes, so dass die Verantwortlichkeit für sein etwaiges Fehlverhalten allein den Träger des Rettungsdienstes trifft. Entscheidend ist, dass der Rettungsdienst in Bayern öffentlich-rechtlich organisiert ist. Dafür ist bestimmend, wer Träger der Rettungsdienste oder Rettungswachen und der zu errichtenden und zu unterrichtenden Leitstellen ist, und wer die Rettungsmittel, insbesondere Kraftwagen und Personal für erforderliche Einsätze bereit hält (vgl. BGH NJW 1991, 2954). In Bayern ist das Rettungsdienstwesen nach dem Bayerischen Gesetz über den Rettungsdienst (BayRDG v. 22.07.2008) dem hoheitlichen Bereich zugerechnet (BGH NJW 1993, 1526; BGH VersR 2003, 455; BGH VersR 2005, 688).

Da der Beklagte zu 3 während der – an sich unstreitigen – Einsatzfahrt somit in Ausübung eines hoheitlichen Amtes tätig war, tritt nach Art. 34 S. 1 GG eine Haftungsverlagerung ein; diese stellt eine befreiende Schuldübernahme kraft Gesetzes dar mit der Folge, dass derjenige, der seine Amtspflicht verletzt hat, persönlich nicht aus unerlaubter Handlung in Anspruch genommen werden kann (st. Rspr. BGH r+s 2014, 251).

III. Die Beklagten zu 1 und 2 haften der Klägerin als Gesamtschuldner in dem Grunde nach zu 80%.

1. Da das im Betrieb befindliche Fahrzeug der Klägerin bei dem Zusammenstoß mit dem Beklagten-Pkw beschädigt wurde, hat die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch gegen die Beklagte zu 1 aus § 7 Abs. 1 StVG und gegen die Beklagten zu 2 aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG. Dass der Unfall durch höhere Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) verursacht worden sei, wird von keiner Partei geltend gemacht. Ein Anspruch der Klägerin ist deshalb nur ausgeschlossen, wenn der Unfallschaden von ihr bzw. dem mit ihr als Halterin eine Haftungseinheit bildenden Fahrer (vgl. BGH VersR 2006, 369) durch ein für den die Beklagten zu 3 unabwendbares Ereignis (§ 17 Abs. 3 Satz 1 StVG) oder jedenfalls ganz überwiegend verursacht bzw. verschuldet wurde, so dass der Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 3 vernachlässigt werden kann (§ 17 Abs. 1, 2 StVG, § 254 Abs. 1 BGB). Dafür, dass die Betriebsgefahr des PKW der Klägerin durch eine – ggf. schuldhafte – Fahrweise gegenüber der des Krankenwagens der Beklagten wesentlich erhöht war und dass den Motorradfahrer an dem Unfall ein Verschulden trifft, sind grundsätzlich die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig (st. Rspr. BGH VersR 2007, 681). Im Übrigen ist die Klägerin dafür, dass die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs durch einen – ggf. schuldhaften – Fahrfehler bzw. Sorgfaltsverstoß erhöht war und dass den Beklagten zu 3 an dem Unfall ein Verschulden trifft, grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig (st. Rspr. BGH VersR 2007, 681).

2. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stellt sich der Unfallhergang zur Überzeugung des Vorsitzenden wie folgt dar:

Der Beklagte zu 3 fuhr mit seinem Rettungswagen auf dem Weg zu einem Notfalleinsatz am Bahnhof zusammen mit einem ihm nachfolgenden Rettungswagen unter Einsatz von Blaulicht und Martinshorn bei Rotlicht in die Kreuzung ein. Dort kam es dann bei einer Geschwindigkeit des Rettungswagens von ca. 13 km/h zu einer Kollision mit dem aus einer Annäherungsgeschwindigkeit von ca. 45 km/h auf eine Restgeschwindigkeit von ca. 20 km/h abgebremsten klägerischen Motorrad. Für den Beklagten zu 3 wäre das sich nähernde Motorrad angesichts der nach links eingeschränkten Sichtverhältnisse in einer Entfernung von ca. 15 m zur Kollisionsstelle erkennbar gewesen. Dies hätte eine Kollision vermeidende Reaktion des Beklagten zu 3 noch ermöglicht. Für den Fahrer des klägerischen Motorrades war infolge einer erschwerten akustischen Wahrnehmbarkeit des aus dem Marientunnels in die Kreuzung einfahrenden Rettungswagens wegen des übrigen Verkehrslärms und insbesondere des von ihm getragenen Sturzhelms, der die Wahrnehmbarkeit von Geräuschen generell einschränkt, der Rettungswagen nicht früher als zwei Sekunden vor der Kollision erkennbar. Eine unfallvermeidende Reaktion war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.

Die Überzeugung vom vorgenannten Unfallablauf lässt sich zum einen aus den Ausführungen des unfallanalytischen Sachverständigen gewinnen, der die Erkenntnisse zur Geschwindigkeit des Rettungswagens, dessen Einsatz von Blaulicht und Martinshorn durch die Auswertung des Unfalldatenspeichers des Rettungswagens gewinnen konnte. Durch die fotografische Dokumentation der Fahrzeuge an der Kollisionsstelle war der Gutachter dann nachvollziehbar in der Lage, die Weg-Zeit-Verhältnisse unmittelbar vor der Kollision für die beteiligten Fahrzeuge rückzurechnen.

Die Angaben zur Ampelschaltung wiederum beruhen zum einen auf den glaubhaften und schlüssigen Angaben des als Zeugen vernommenen klägerischen Motorradfahrers. Diese werden in wesentlichen Aspekten durch weitere Zeugen (beispielsweise hinsichtlich des weiteren Motorradfahrers) und den Gutachter (hinsichtlich gefahrener Geschwindigkeiten und Wahrnehmbarkeit des Martinshorns) bestätigt. Im Übrigen vermochte auch der Beklagte zu 3 selbst nicht auszuschließen, dass die Ampel für ihn bereits von gelb auf rot umgeschaltet hatte. Auch sein Beifahrer, der Zeuge A ging aufgrund des Herunterbremsens des Rettungswagens davon aus, „dass es eventuell schon rot gewesen ist“. Wenngleich nicht „hundertprozentig sicher“ ging auch der Fahrer des nachfolgenden Rettungswagens, der Zeuge S, davon aus, dass der Beklagte zu 3 mit dem Rettungswagen vor ihm bei Rot in die Kreuzung einfuhr. Insoweit gibt es auch keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Motorradfahrer gleichsam mit fliegendem Start bei gerade auf grün umschaltender Ampel in die Kreuzung eingefahren wäre.

3. Auf ein haftungsausschließendes unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1, 2 StVG können sich weder die Klägerin, noch die Beklagten berufen.

a) Ein solches liegt nicht nur bei absoluter Unvermeidbarkeit des Unfalls vor, sondern auch dann, wenn dieser bei Anwendung der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus, so dass der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten haben muss (BGH NJW 1998, 2222; BGH VersR 2006, 369). Dabei darf sich die Prüfung aber nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre, denn der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr (zu spät) „ideal“ verhält. Damit verlangt § 17 Abs. 3 S. 1, 2 StVG, dass der „Idealfahrer“ in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden (BGH VersR 2006, 369). Für die Unabwendbarkeit im Rahmen des § 17 Abs. 3 StVG ist derjenige beweisbelastet, der sich auf sie beruft (OLG Düsseldorf 9.4.2019 – 1 U 170/16; OLG Karlsruhe 10.9.2018 – 1 U 155/17; OLG München, Urt. v. 12.08.2011 – 10 U 3150/10 –, juris mwN).

b) Für die Beklagten ist ein unabwendbares Ereignis schon deshalb auszuschließen, da der Beklagte zu 3 – wie sogleich zu zeigen sein wird – gegen § 35 Abs. 8 StVO verstoßen hat.

Aber auch die Klägerin vermag den Beweis eines tatsächlich unabwendbaren Ereignisses für den Fahrer ihres Motorrades nicht mit hinreichender Sicherheit zu führen. Zwar geht der Sachverständige davon aus, dass durch die eingeschränkte Wahrnehmbarkeit des Martinshorns eine Gefahrenaufforderung für den Motorradfahrer nicht „deutlich früher“ als 2 Sekunden darstellbar ist. Dies lässt aber umgekehrt nicht den hinreichend sicheren Schluss zu, dass bei gebotener sorgfältiger Beobachtung des Kreuzungsbereichs und entsprechender (akustischer) Konzentration auf den Verkehrsraum vor ihm eine unfallvermeidende frühere Reaktion für den Motorradfahrer nicht doch möglich gewesen wäre.

4. Da der Schaden vorliegend durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht wurde (§ 17 Abs. 1, 2 StVG), hängt im Verhältnis der Fahrzeugführer zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Abwägung im Rahmen des § 17 Abs. 1 StVG ist aufgrund aller festgestellten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben. In erster Linie ist hierbei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (BGH r+s 2017, 153; BGH r+s 2017, 93; BGH r+s 2016, 147; BGH r+s 2014, 364; BGH r+s 2012, 195; BGH VersR 2010, 642; BGH VersR 2007, 557). Dabei dürfen nur feststehende Umstände berücksichtigt werden, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt haben (BGH r+s 2017, 93; BGH VersR 1995, 357 m.w.N.).

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5. Die Betriebsgefahr des Beklagten-Krankenwagens ist in zweierlei Hinsicht erhöht.

a) Ein schuldhafter Rotlichtverstoß kann dem Beklagten zu 3 trotz Einfahrens in die Kreuzung bei Rotlicht allerdings nicht entgegengehalten werden: Der Beklagte zu 1 war mit dem von ihm gefahrenen Rettungswagen nach § 35 Abs. 5a StVO von der Halteaufforderung der „Rot“ anzeigenden Ampel (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO) befreit.

Nach § 35 Abs. 5a StVO sind Fahrzeuge des Rettungsdienstes von den Vorschriften der StVO befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Höchste Eile um Menschenleben zu retten bedeutet, dass es wegen einer akuten Notsituation für eine betroffene Person dringend geboten ist, schneller zum Einsatzort zu gelangen, als es bei Beachtung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften möglich wäre (Rogler in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 35 StVO (Stand: 16.09.2019) Rn. 99 ff. m.w.N. zur Rspr.). Sie ist z.B. zu bejahen bei einer Einsatzfahrt zu einer nicht ansprechbaren und hilfsbedürftigen Person (OLG Brandenburg v. 18.11.1997 – 2 U 47/97 – juris). Das Bestehen eines Einsatzbefehls ist für die Annahme höchster Eile zur Rettung von Menschenleben keine zwingende Voraussetzung; liegt jedoch ein entsprechender Einsatzbefehl vor, darf der Fahrer eines Rettungsdienstfahrzeuges i.d.R. davon ausgehen, dass Sonderrechte in Anspruch genommen werden dürfen (LG Saarbrücken v. 01.07.2011 – 13 S 61/11 – ZfSch 2012, 257; Rogler aaO).

Gemessen daran durfte der Beklagte zu 3 bei „Rot“ in die Kreuzung einfahren. Nach seinen eigenen Angaben hatte er einen Einsatzbefehl von der Leitstelle erhalten, weil eine Person im U-Bahnbereich Hilfe brauchte. Es seien zwei Rettungswagen und ein Notarzt angefordert worden. Diese Angaben werden im Wesentlichen durch den Fahrer des zweiten, dem Beklagten zu 3 nachfolgenden Rettungswagens, den Zeugen S, bestätigt.

Da somit der Tatbestand des § 35 Abs. 5a StVO erfüllt war, können sich die Beklagten auf die Privilegierung entsprechend § 35 Abs. 1 StVO berufen (Rogler aaO Rn. 102). Die „Befreiung“ gibt als solche allerdings kein Vorfahrtsrecht (BGH v. 09.07.1962 – III ZR 85/61 – BGHZ 37, 336; OLG Hamm v. 18.12.1981 – 9 U 105/81). Vielmehr gilt auch für die Fahrzeuge des Rettungsdienstes § 35 Abs. 8 StVO, so dass die Sonderrechte nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden dürfen (Rogler aaO Rn. 103).

b) Der Beklagte zu 3 ist allerdings unter Verstoß gegen § 35 Abs. 8 StVO in die Kreuzung eingefahren.

(1) Nach § 35 Abs. 8 StVO dürfen die Sonderrechte nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden.

Dies bedeutet, dass die Fahrweise des Rettungswagens zu der zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe nicht außer Verhältnis stehen darf (KG v. 01.09.2010 – 12 U 205/09 – MDR 2011, 158; KG v. 25.04.2005 – 12 U 123/04 – NZV 2005, 636). In eine Kreuzung darf bei rotem Ampellicht nicht gleichsam blindlings oder auf gut Glück eingefahren werden (OLG Sachsen-Anhalt v. 21.07.2011 – 4 U 23/11 – NJW 2012, 1232). Der privilegierte Fahrer muss sich vielmehr langsam in eine Kreuzung hineintasten. Hineintasten bedeutet, dass der Fahrer mit so geringer Geschwindigkeit fährt, dass er in der Lage ist, sofort anzuhalten, wenn er ein vorfahrtberechtigtes Fahrzeug erkennt, dessen Fahrer sich nicht erkennbar auf die Absicht des Einsatzfahrzeugführers eingestellt hat, die Kreuzung bei rotem Ampellicht zu überqueren (OLG Brandenburg v. 13.07.2010 – 2 U 13/09 – NZV 2011, 26). Allein aus einer Verlangsamung des herannahenden Fahrzeugs des Querverkehrs darf nicht geschlossen werden, dass dessen Fahrer dem Sonderrechtsfahrzeug die Durchfahrt ermöglichen will (KG v. 09.05.1996 – 12 U 7733/95). Bei einer unübersichtlichen Kreuzung kann dies sogar die Verpflichtung bedeuten, nur mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren und das Fahrzeug fast bis zum Stillstand abzubremsen, um sich auf diese Weise eine hinreichende Übersicht über die Verkehrslage zu ermöglichen (OLG Sachsen-Anhalt v. 21.07.2011 – 4 U 23/11 – NJW 2012, 1232; KG v. 22.03.1990 – 12 U 2971/89). Der Fahrer muss sich hinreichend vergewissern, dass sämtliche Fahrbahnen des Querverkehrs frei sind oder die darauf befindlichen Fahrzeuge ihm Vorrang einräumen (OLG Celle v. 29.09.2010 – 14 U 27/10 – juris). Wer ein Sonderrecht in Anspruch nehmen will, muss sich also davon überzeugt haben, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer ihn wahrgenommen und sich auf seine Absicht eingestellt haben. Nur unter dieser Voraussetzung darf er darauf vertrauen, dass ihm freie Fahrt gewährt wird (KG v. 30.04.1992 – (3) 1 Ss 47/92 (14/92) – NZV 1992, 456 m.w.N. zu Rspr. zu § 38 StVO). Dass alle für ihn sichtbaren Fahrzeuge angehalten oder den Weg sonst freigehalten hatten, berechtigt nicht ohne weiteres dazu, dasselbe auch von anderen Fahrzeugen anzunehmen, die seinen Blicken entzogen sind (KG v. 30.04.1992 – (3) 1 Ss 47/92 (14/92) – NZV 1992, 456; OLG Braunschweig v. 24.01.1990 – Ws 175/89 – VersR 1991, 126).

(2) Gemessen daran ist festzuhalten, dass der Beklagte zu 3 unmittelbar vor Erreichen der seine Fahrlinie kreuzenden Fahrspuren von links seine Aufmerksamkeit durchgehend in diese Richtung hätte richten müssen. In diesem Fall wäre es ihm bei einer Erkennbarkeit des Motorrads in einem Abstand von etwa 15 m zur Kollisionsstelle möglich gewesen, noch aus der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit von etwa 13 km/h unfallvermeidend abzubremsen. Eine solche vorrangige Konzentration auf den von links kommenden Verkehr war angesichts der besonderen örtlichen Verhältnisse, die die Sichtverhältnisse nach links einschränken beim Einfahren bei Rotlicht in eine mehrspurige weitläufige Kreuzung auch zu fordern.

c) Ungeachtet des Vorstehenden ist die Betriebsgefahr des Beklagten-Rettungswagens aber auch schon deshalb objektiv erhöht gewesen, da dieser bei eigenem Rotlicht in eine für den querenden Verkehr mit Grünlicht freigegebene Kreuzung eingefahren ist.

Die allgemeine Betriebsgefahr eines Fahrzeugs wird vor allem durch die Schäden bestimmt, die dadurch Dritten drohen (BGH VersR 2010, 642). Nach st. Rspr. des BGH kann die allgemeine Betriebsgefahr durch besondere Umstände erhöht sein, wobei als ein die allgemeine Betriebsgefahr erhöhender Umstand namentlich eine fehlerhafte oder verkehrswidrige Fahrweise der bei dem Betrieb tätigen Personen in Betracht kommt (BGH VersR 2005, 702 m.w.N.). Dabei können besondere Umstände, die die Betriebsgefahr erhöhen, aber nicht nur in einem fehlerhaften, verkehrswidrigen oder besonders risikoreichen Fahrvorgang zu sehen sein. Sie können sich auch aus einem zulässigen Fahrverhalten ergeben, wenn nur besondere, die allgemeine Gefahr des Fahrens mit einem Kraftfahrzeug übersteigende Gefahrenmomente vorhanden sind (BGH aaO). So ist z.B. das Abbiegen nach links ein besonders gefahrenträchtiger Vorgang, der häufig zu schweren Unfällen führt. Ein Fahrzeug, das nach links abbiegt, hat deshalb eine höhere Betriebsgefahr als ein Fahrzeug, das lediglich unter normalen Umständen geradeaus fährt. Ist die Gegenfahrbahn nur schwer einzusehen war, ergibt sich eine weitere Gefahrerhöhung. Auch eine den konkreten Verkehrsvorgang beeinflussende schwierige Örtlichkeit kann die Betriebsgefahr erhöhen (BGH aaO).

Nichts anderes kann beim – wenn auch grundsätzlich berechtigten – Einfahren in eine Kreuzung bei Rotlicht gelten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der querende Verkehr grundsätzlich auf den Vorrang des für ihn geltenden grünen Lichts vertrauen kann. Dass sich dieser Umstand konkret unfallursächlich ausgewirkt hat, liegt auf der Hand.

5. Auch die Betriebsgefahr des Kläger-Motorrades ist in objektiver Hinsicht erhöht gewesen.

a) Ein Verstoß gegen die Haltepflicht wegen eines für ihn angezeigten Rotlichts (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO), kann auf der Grundlage des festgestellten Unfallhergangs nicht angenommen werden. Der Motorradfahrer fuhr bei grünem Licht in die Kreuzung ein.

b) Auch ein Verstoß des Motorradfahrers gegen einen Vorrang des Rettungswagens nach § 38 Abs. 1 S. 2 StVO lässt sich nicht feststellen.

Demnach haben andere Verkehrsteilnehmer bei Einsatz von Blaulicht und Martinshorn einem Einsatzfahrzeug sofort freie Bahn zu schaffen. Zwar steht nach der Beweisaufnahme fest, dass der Beklagte zu 3 während seiner Einsatzfahrt sowohl blaues Blinklicht als auch Einsatzhorn verwendete und auch im Übrigen die Voraussetzungen des sog. „Wegerechts“ nach § 38 Abs. 1 S. 1 StVO vorlagen.

Allerdings kann ein Vorrang des Wegerechtsfahrzeuges nur dann geschaffen werden, wenn Blaulicht und Einsatzhorn zusammen so eingeschaltet werden, dass den übrigen Verkehrsteilnehmern ein ausreichender, wenn auch kurz bemessener Zeitraum zur Verfügung steht, um unter Berücksichtigung der konkreten Situation hierauf angemessen reagieren zu können (Vgl. KG v. 31.05.2007 – 12 U 129/06 – NZV 2008, 149; KG v. 30.08.2010 – 12 U 175/09 – SVR 2011, 228). Denn der Fahrer eines Wegerechtsfahrzeugs muss sich immer bewusst sein, dass andere Verkehrsteilnehmer der Verpflichtung, ihm freie Bahn zu schaffen, erst nachkommen können, nachdem sie diese Signale wahrgenommen haben oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten wahrnehmen müssen (vgl. KG v. 08.01.2001 – 12 U 7095/99 – VRS 100, 329; KG v. 31.05.2007 – 12 U 129/06 – NZV 2008, 149; KG v. 30.08.2010 – 12 U 175/09 – SVR 2011, 228; LG Saarbrücken v. 01.07.2011 – 13 S 61/11 – Zfs 2012, 257).

Ausgehend vom allgemeinen Beweislastgrundsatz, dass die Beklagten der Klägerin einen Verstoß des Motorradfahrers gegen § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO nachweisen müssen, gelingt der Nachweis nicht, dass für den Motorradfahrer der Rettungswagen trotz Einsatzes von Blaulicht und Martinshorn so rechtzeitig hätte wahrgenommen werden können, dass eine rechtzeitige und gefahrlose Reaktion hierauf noch möglich gewesen wäre. Verbleibende Zweifel wirken sich insoweit zulasten der Beklagten aus.

In diesem Zusammenhang überzeugt der wiederholte Hinweis der Beklagten darauf nicht, dass der vom klägerischen Motorradfahrer beschriebene, rechts auf der Spur neben ihm befindliche „zweite Motorradfahrer“ rechtzeitig auf den Beklagten-Krankenwagen habe reagieren können, sodass der Krankenwagen auch für den Fahrer des klägerischen Motorrades rechtzeitig hätte erkennbar sein müssen. Dies gilt schon deshalb nicht, da dieser weitere Motorradfahrer nach den Angaben des Zeugen T zwischen zwei Krankenwagen, also hinter dem Beklagten-Fahrzeug, zum Stehen gekommen ist. Dies wird durch den Zeugen S, der den Rettungswagen hinter dem Beklagten zu 3 fuhr so ausdrücklich bestätigt. Dann aber besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass der andere Motorradfahrer schlicht Glück hatte, indem er in die Lücke zwischen den beiden Rettungswagen einfahren konnte, da er rechts versetzt neben dem Kläger-Motorrad fuhr. Einen Rückschluss auf die rechtzeitige Erkennbarkeit des Beklagten-Krankenwagens lässt dieser Umstand jedenfalls nicht zu.

Bei dieser Sachlage ist auch ein – wenn man insoweit überhaupt dessen subsidiäre Anwendbarkeit annehmen wollte – unfallursächlicher Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO durch den klägerischen Motorradfahrer nicht bewiesen.

c) Nach den Ausführungen des Sachverständigen steht allerdings fest, dass der vom Motorradfahrer getragene Schutzhelm die rechtzeitige akustische Wahrnehmbarkeit des Rettungswagens beeinträchtigte.

Die Tatsache, dass der Motorradfahrer nach § 21 a Abs. 2 Satz 1 StVO verpflichtet war, einen Schutzhelm zu tragen, ändert nichts daran, dass die dadurch beeinträchtigte Wahrnehmbarkeit z.B. eines Martinshorns die objektive Betriebsgefahr des insoweit „träger reagierenden“ Motorrads für Dritte unfallursächlich erhöhte.

5. Für die konkrete Abwägung der beiderseitigen Betriebsgefahren ist damit maßgeblich zunächst darauf abzustellen, dass die wesentliche Ursache für die Kollision im Einfahren des Beklagten-Krankenwagens bei Rotlicht in die Kreuzung lag. Da dem Fahrer des klägerischen Motorrades ein schuldhaftes Fehlverhalten in der konkreten Situation nicht nachgewiesen werden kann, muss die ganz überwiegende Haftung auf Beklagtenseite liegen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der dem Beklagten zu 3 zu machende Schuldvorwurf angesichts der relativ geringen Einfahrgeschwindigkeit nicht schwer wiegt. Die objektiv massive Erhöhung der Betriebsgefahr des in eine grundsätzlich „gesperrte“ Kreuzung einfahrenden Rettungswagens bleibt hiervon unberührt. Die Tatsache, dass der Motorradfahrer „bauartbedingt“ den Rettungswagen akustisch nicht rechtzeitig wahrnehmen konnte, wiegt demgegenüber deutlich weniger schwer, lässt allerdings ein völliges Zurücktreten der Betriebsgefahr des Motorrads nach Ansicht des Vorsitzenden nicht zu. Insgesamt erscheint damit eine Haftung der Beklagten zu 80% sachgerecht.

IV. Auf der Grundlage des Vorstehenden hat die Klägerin in der Hauptsache einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 5.225,87 €.

1. Hinsichtlich Fahrzeugschaden (Totalschaden), Sachverständigenkosten, Ummeldekosten und Kostenpauschale ist der Schaden der Höhe nach zwischen den Parteien mit insgesamt 6.532,34 € nicht im Streit. Bei einer Haftungsquote von 80 % bedeutet dies einen Anspruch in Höhe von 5.225,87 €.

2. Einen Anspruch auf Nutzungsausfallschaden hat die Klägerin allerdings nicht.

Grundsätzlich ist ein solcher gewohnheitsrechtlich anerkannte Anspruch zwar auch für ein Motorrad nicht ausgeschlossen. Die Entbehrung der Nutzung muss aber stets „fühlbar“ geworden sein, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeugs für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte (BGH NJW-RR 2008, 1198; BGH Beschluss vom 9. Juli 1986 – GSZ 1/86, BGHZ 98, 212, 220; BGH NJW 2008, 913). Im Fall der Beschädigung eines Motorrads besteht deshalb grundsätzlich kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung, wenn der Geschädigte gleichzeitig auch über einen Personenkraftwagen verfügt (BGH, Beschluss vom 11. September 2012 – VI ZR 92/12 –, juris).

Eine fühlbare Beeinträchtigung der Klägerin im vorgenannten Sinne haben die Beklagten unter Hinweis auf ein vorhandenes weiteres Fahrzeug in prozessual zulässiger Weise bestritten. Die insoweit beweisbelastete Klägerin hat hierzu nichts weiter vorgetragen, geschweige denn Beweis angeboten. Die Voraussetzungen für den Zuspruch eine Nutzungsausfallentschädigung sind deshalb nicht dargetan.

3. Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen grundsätzlich auch die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten (BGH NJW 2005, 1112 m.w.N.). Diese errechnen sich nach dem berechtigten Gegenstandswert (BGH, Urt. v. 11. 7. 2017 – VI ZR 90/17, r+s 2017, 494) von 5225,87 € bei einer 1,3 Gebühr zzgl. Auslagenpauschale und Steuer auf insgesamt 571,44 €.

4. Die Klägerin hat schließlich Anspruch auf Verzinsung ihrer berechtigten Schadensersatzansprüche.

Verzug i.S.d. § 286 Abs. 1 S. 1 BGB ist allerdings nicht bereits mit Ablauf der in der vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung vom 27.07.2020 auf den 11.08.2020 gesetzten Zahlungsfrist eingetreten: Es ist anerkannt, dass einem Haftpflichtversicherer auch in einfach gelagerten Fällen eine angemessene Überprüfungszeit zur Klärung des Haftungsgrundes sowie der Schadenshöhe zugestanden wird. Diese Prüfungszeit wird zum Teil aus der entsprechenden Anwendung des § 14 Abs. 1 BGB VVG hergeleitet (OLG München, Beschluss vom 29. Juli 2010 – 10 W 1789/10, NJW-RR 2011, 386; KG VersR 2009, 1262; Langheid/Rixecker/Rixecker, 6. Aufl. 2019, VVG § 14 Rn. 4), zum Teil aus § 286 Abs. 4 BGB, wonach es während der Prüfungsfrist an einem schuldhaften Verzugseintritt fehlt (so z.B. OLG Stuttgart VersR 2010, 1074; OLG Frankfurt, Beschluss vom 06. Februar 2018 – 22 W 2/18, VersR 2018, 928). Die Länge der Prüffrist ist von der Lage des Einzelfalls abhängig (h.M. z.B. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juni 2015 – I-11 W 47/15, Schaden-Praxis 2016, 232). Im Einzelnen werden in der Rechtsprechung Regulierungsfristen im Bereich von zwei Wochen bis zwei Monaten als angemessen betrachtet (vgl. z.B. die Nachweise bei OLG Frankfurt, Beschluss vom 06. Februar 2018 – 22 W 2/18, VersR 2018, 928; OLG München, Beschluss vom 29. Juli 2010 – 10 W 1789/10, NJW-RR 2011, 386). Die Kammer ist der Ansicht, dass bei einem durchschnittlichen Schadensfall ohne besondere Schwierigkeiten und Besonderheiten einem Haftpflichtversicherer eine Regulierung jedenfalls spätestens binnen vier Wochen (bei 20 Arbeitstagen) möglich sein muss (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 13. Mai 2019 – 2 T 7/19 –, juris). Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Zugang eines ersten spezifizierten Anspruchsschreibens (OLG Saarbrücken 17.5.2019 – 4 W 4/19, juris; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juni 2015 – I-11 W 47/15, Schaden-Praxis 2016, 232; OLG Köln, Beschluss vom 31. Januar 2012 – I-24 W 69/11; NZV 2013, 42, OLG Rostock MDR 2001, 935).

Im Streitfall hat der Klägervertreter mit Schreiben vom 27.07.2020 die im hiesigen Verfahren auch streitgegenständlich und anhängig gemachten Kosten im Einzelnen beziffert und eingefordert.

Die bis zum 11.08.2020 gesetzte Frist war nach dem Vorstehenden mit ca. 14 Tagen (10 Arbeitstagen) jedoch zu kurz bemessen. Ausgehend von einer auch im Streitfall angemessenen Regulierungsfrist von 20 Arbeitstagen ist Verzug vielmehr erst zum 25.08.2020 eingetreten. Lediglich ergänzend ist deshalb anzumerken, dass im Schreiben der Beklagten zu 2 vom 26.08.2020 keine verzugsbegründende endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB liegt. Die Beklagte teilt darin ausdrücklich mit, wieder auf die Angelegenheit zurückzukommen, sobald ihre Ermittlungen abgeschlossen sind. Eine endgültige Entscheidung zur (vollständigen) Regulierung Ablehnung war damit erkennbar noch nicht gefallen.

Mit Inverzugsetzung der Beklagten zu 2 kam über die Regulierungsvollmacht des A 1.1.4 AKB 2015 bzw. § 10 Abs. 5 AKB a.F. auch der Beklagte zu 1 selbst in Verzug (§ 164 Abs. 3 BGB; vgl. BGH NJW 1973, 1369; OLG Saarbrücken BeckRS 2015, 08438; OLG Nürnberg NJW 1974, 1950).

Die Zinshöhe ergibt sich aus § 288 Abs. 1 S. 1 BGB.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 100 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.

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