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Kreuzungsunfall und überhöhte Geschwindigkeit

 Oberlandesgericht Düsseldorf

Az: 1 U 150/01

Urteil vom 15.04.2002


Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels das am 9. August 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner 4.615,21 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 8. September 2000 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden zu 54 % der Klägerin und zu 46 % den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

I.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat überwiegend Erfolg. Das angefochtene Urteil ist in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Entgegen der durch das Landgericht vertretenen Auffassung haften die Beklagten nicht im Umfang von 2/3 der der Klägerin entstandenen unfallbedingten Vermögeseinbußen. Vielmehr sind bei einer Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge die Beklagten genau umgekehrt nur mit einem Anteil von 1/3 der unfallbedingten Vermögenseinbußen der Klägerin zu belasten, während sie selbst die Restquote von 2/3 zu tragen hat.

Zwar hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass sowohl den Zeugen S. als Fahrer des klägerischen PKW als auch den Beklagten zu 1) als Fahrer des Taxifahrzeuges jeweils ein Verschulden an der Entstehung des streitigen Kollisionsereignisses trifft. Diese Feststellung läßt sich jedoch in Widerspruch zu der durch das Landgericht vorgenommenen Beweiswürdigung nicht auf die Darlegungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. D. in seinem schriftlichen Gutachten vom 3. April 2001 stützen. Denn der Sachverständige hat zum Nachteil der Beklagten Anknüpfungstatsachen verwertet, deren Richtigkeit nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht erwiesen ist. Unzutreffend ist darüber hinaus die durch das Landgericht vorgenommene Qualifizierung des Fehlverhaltens des wartepflichtigen Fahrers S. als ein bloßes Augenblicksversehen, dem im Vergleich zu dem Verschuldensanteil des vorfahrtsberechtigen Beklagten zu 1) ein deutlich geringeres Gewicht beizumessen sei. In Ansatz zutreffend geht das Landgericht von der Annahme aus, dass gegen den Fahrer S., der das Vorfahrtsrecht des Beklagten zu 1) zu beachten hatte, der Anschein schuldhafter Unfallverursachung spricht. Jedoch hat es aus dieser Tatsache hinsichtlich der Beweislastverteilung die falsche Schlußfolgerung gezogen, indem es die Unaufklärbarkeit des streitigen Unfallhergangs als einen zu Lasten der Beklagten gehenden Umstand gewertet hat.

Die Klägerin muß sich das Verschulden ihres Fahrers S zurechnen lassen, der durch die fahrlässige Mißachtung des Vorfahrtsrechtes des Beklagten zu 1) die ganz überwiegende Ursache für die Entstehung des Kollisionsereignisses gesetzt hat. Andererseits hat sich der Beklagte zu 1) mit einer nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 StVO unangemessenen Geschwindigkeit der späteren Unfallstelle genähert und dabei die nach § 41 Abs. 2 Ziffer 7 StVO im Bereich der Unfallkreuzung zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um knapp 36 % überschritten. Zudem hat er das Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO mißachtet. Zwar ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte zu 1) bei Einhaltung der angemessenen Geschwindigkeit den Zusammenstoß mit dem PKW der Klägerin in räumlicher oder zeitlicher Hinsicht hätte vermeiden können. Jedoch steht fest, dass die deutlich überhöhte Kollisionsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1) zum Umfang der wechselseitigen Kollisionsschäden wesentlich beigetragen hat. Deshalb ist es gerechtfertigt, die Beklagten mit einem Haftungsanteil von 1/3 zu belasten.

Von ihrer Ersatzverpflichtung nicht erfaßt sind die klagegegenständlichen Aufwendungen im Umfang von 1.337,87 DM, die auf die Einholung des durch die Klägerin privat in Auftrag gegebenen Gutachten des Sachverständigen N. entfallen.

II.

Im einzelnen ist folgendes auszuführen:

1) a) Unstreitig hatte der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges S. bei der Annäherung auf der untergeordneten XXX Straße (L 372) an die Kreuzung mit der XXX Straße (B 221) das Zeichen Nr. 206 (Halt! „Vorfahrt gewähren“) zu § 41 Abs. 2 Ziffer 1 StVO zu beachten. Kurz nachdem er die für ihn maßgebliche Haltelinie überquert hatte, kam es im Kreuzungsbereich zu dem Zusammenstoß mit dem durch den Beklagten zu 1) gesteuerten Taxiwagen. Nach den insoweit übereinstimmenden Ausführungen des durch die Klägerin beauftragen Gutachters N. sowie des Sachverständigen D. ereignete sich die Kollision entsprechend der zeichnerischen Darstellung des Erstgenannten in der durch den Beklagten zu 1) benutzten rechten Geradeausspur, in die das Fahrzeug der Klägerin bereits zu 1/3 eingefahren war (Bl. 17, 24, 99 d.A.). Bei dieser Sachlage spricht gegen den Fahrer S. der Anschein schuldhafter Unfallverursachung durch eine Verletzung des seinem Unfallgegner gemäß § 8 StVO zustehenden Vorfahrtsrechtes.

b) Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 StVO darf derjenige Verkehrsteilnehmer, der die Vorfahrt zu beachten hat, nur dann weiterfahren, wenn er übersehen kann, dass er den, der die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert.

Der nach diesen Bestimmungen wartepflichtige Verkehrsteilnehmer hat den Anschein schuldhafter Vorfahrtverletzung gegen sich, sofern der Vorfahrtberechtigte einen typischen Geschehensablauf vorträgt und beweist, der für die Annahme der Verletzung der Wartepflicht spricht. Zu diesem typischen Geschehensablauf gehört bei Kreuzungsunfällen in der Dunkelheit die eigene Sichtbarkeit des Vorfahrtberechtigten als ein die Wartepflicht seines Unfallgegners auslösendes Element (Senat, Urteil vom 20. August 2001, 1 U 160/99).

In ihrer Klageschrift hat die Klägerin unter Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen N. vorgetragen, der Beklagte zu 1) sei noch 103 bis 115 m von der Unfallstelle entfernt gewesen, als der Fahrer S. 3,5 Sekunden vor dem Unfall in den Kreuzungsbereich eingefahren sei; dabei habe er darauf vertraut, dass der Beklagte zu 1) die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h eingehalten oder allenfalls geringfügig überschritten habe (Bl. 2, 3 d.A.). Somit ist nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin davon auszugehen, dass der Fahrer S. bei der Einfahrt in den Kreuzungsbereich seinen späteren Unfallgegner bereits gesehen hatte, jedoch in der Erwartung der Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung durch diesen der irrtümlichen Annahme war, er könne die Kreuzung der B 221 mit der L 372 noch gefahrenlos überqueren.

2) Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme hat die Klägerin den gegen den Fahrer S. sprechenden Anschein schuldhafter Unfallverursachung nicht zu erschüttern oder gar zu widerlegen vermocht.

a) Wie noch auszuführen sein wird, hat sich der Beklagte zu 1) der Kreuzung mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von mindestens 95 km/h genähert. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um knapp 36 % ließ jedoch sein Vorfahrtsrecht unberührt. Vielmehr muß der Wartepflichtige mit Geschwindigkeitsverstößen des Bevorrechtigten rechnen (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 8 StVO, Rdn. 52). Dies gilt im vorliegenden Fall insbesondere mit Rücksicht darauf, dass der Beklagte zu 1) sich dem Kläger außerhalb einer geschlossenen Ortschaft auf einer gut ausgebauten Bundesstraße näherte.

b) Entgegen der durch das Landgericht vertretenen Auffassung (Bl. 11 UA; Bl. 139 d.A.) ist es nach Lage der Dinge nicht gerechtfertigt, die Wartepflichtverletzung des Fahrers S. als ein Augenblicksversehen zu bezeichnen.

aa) Ausweislich der polizeilichen Verkehrsunfallskizze (Bl. 6 BA) und der Lichtbilder (Bl. 46 BA) waren in seiner Fahrtrichtung an der Kreuzung jeweils auf der rechten und der linken Seite der XXX Straße Stop-Zeichen angebracht. Unstreitig war die Lichtzeichenanlage außer Betrieb und es leuchtete an beiden Ampelmasten das gelbe Dauerblinklicht auf. Damit war für den Fahrer S. nicht zu übersehen, dass er nach Maßgabe des § 37 Abs. 1 StVO den Vorrang des vorfahrtsberechtigten Verkehrs auf der Bundesstraße 221 zu beachten hatte. Nach dem Inhalt der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige (Bl. 1 BA) war der Straßenzustand naß oder zumindest feucht. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass sich der Fahrer S. der späteren Unfallstelle in der Dunkelheit näherte und dass die Kreuzung nicht mit einer Straßenbeleuchtung versehen war. Wie die von der Polizei gefertigten Lichtbilder erkennen lassen, war bei der Annäherung an die Lichtzeichenanlage auf der XXX Straße die Einsichtmöglichkeit nach rechts in die B 221 wegen Baum– und Strauchbewuchs behindert (Bl. 46/47 BA).

bb) Nach den Ausführungen des Sachverständigen D. war aus der Fahrtrichtung des klägerischen Fahrzeuges die Bundesstraße nach rechts über mindestens 200 m einsehbar (Bl. 97 d.A.). Hingegen hat der Sachverständige N. eine Sichtgrenze „von über 150 m“ beschrieben (Bl. 7 d.A.). Selbst unter Zugrundelegung des letztgenannten Wertes steht außer Zweifel, dass es dem Fahrer S. ohne weiteres möglich war, das herannahende Fahrzeug wahrzunehmen. Dem Klagevorbringen zufolge hat er dieses Fahrzeug auch in der Annäherungsphase bemerkt. Er hat jedoch in hohem Maße fahrlässig darauf vertraut, die Kreuzung noch gefahrlos rechtzeitig vor dem aufrückenden PKW passieren zu können.

3) Dem Beklagten zu 1) ist anzulasten, mit einer unzulässig hohen Geschwindigkeit von mindestens 95 km/h auf die Unfallkreuzung zugefahren zu sein.

a) Der Sachverständige D. hat unter Berücksichtigung der an den Unfallfahrzeugen eingetretenen Beschädigungen und der für den PKW XXX auf der nachkollisionären Auslaufwegstrecke in Ansatz zu bringenden mittleren Verzögerung eine Kollisionsgeschwindigkeit des durch den Beklagten zu 1) gesteuerten Wagens im Bereich zwischen 97 km/h und 120 km/h ermittelt (Bl. 101 d.A.). Dieses Ergebnis deckt sich in etwa mit den Erkenntnissen des Sachverständigen N., der für den XXX eine Kollisionsgeschwindigkeit in der Größenordnung zwischen 94 km/h und 109 km/h angegeben hat (Bl. 22 d.A.).

b) Der Senat hat keine Bedenken, den Ausführungen des Sachverständigen D. mit der im Hinblick auf die gutachterlichen Darlegungen des Sachverständigen N. gebotenen geringen Abweichung dahingehend zu folgen, dass sich der Beklagte zu 1) mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von mindestens 95 km/h der Kreuzung genähert hat. Die an den beteiligten Fahrzeugen eingetretenen Beschädigungen lassen auf eine beträchtliche Aufprallenergie schließen, die von dem Taxiwagen ausging. Dieser ist ausweislich der von der Polizei gefertigten Lichtbilder (Bl. 22 BA) massiv von vorne nach hinten aufgestaucht, wobei die Stirnwand so stark verformt wurde, dass die Windschutzscheibe platzte. Nach den plausiblen Darlegungen des Sachverständigen D. wirkte auf die vordere linke Fahrzeugecke ein von vorn nach hinten gehender Anstoß, der eine Verformung der linken Vorderachshälfte sowie eine Auffaltung der vorderen linken Einstiegstür zu Folge hatte (Bl. 95 d.A.). Darüber hinaus hat der Sachverständige in bezug auf den PKW der Klägerin in Übereinstimmung mit dem Lichtbildmaterial (Bl. 20 BA; Hülle Bl. 25 d.A.) anschaulich beschrieben, dass der gesamte Vorderwagen massiv von rechts nach links verformt wurde mit der Auswirkung einer „bananenförmigen“ Einknickung der von der Stoßeinwirkung abgewandten linken Fahrzeugseite (Bl. 94 d.A.). Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass nach dem Inhalt der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige durch die Wucht der Kollision der Fahrer S. aus seinem Fahrzeug geschleudert und schwer verletzt wurde (Bl. 2 BA).

c) Eine höhere Ausgangsgeschwindigkeit als der Mindestwert von 95 km/h kann dem Beklagten zu 1) indes nicht zum Vorwurf gemacht werden. Der durch den Sachverständigen D. angebene Höchstwert von 120 km/h ist das Ergebnis seiner Berechnungen. Der Wert kann – mangels zwingender Anhaltspunkte für seine Richtigkeit – ebenso zutreffen wie der untere Grenzwert. Deshalb kann auch nur dieser für eine hinreichend sichere Feststellung eines Verschuldensbeitrages des Beklagten zu 1) wegen überhöhter Fahrtgeschwindigkeit in Ansatz gebracht werden.

d) Aus den durch das Landgericht insoweit zutreffend dargelegten Gründen gibt die Aussage des Zeugen G. keinen Anlaß, die Richtigkeit der durch den Sachverständigen D. angegebenen Mindestgeschwindigkeitsangabe in Zweifel zu ziehen (Bl. 8, 9 UA, Bl. 147, 148 d.A.). Zwar hat der Zeuge bei seiner Befragung durch das Landgericht angegeben, der Beklagte zu 1) sei lediglich mit einer Geschwindigkeit „von 75 bis 80 km/h sowohl auf der Landstraße gefahren als auch in den Kreuzungsbereich eingefahren“ (Bl. 76, 77 d.A.). Abgesehen davon, dass der Beklagte zu 1) bei seiner informatorischen Anhörung selbst angeben hat, er sei „schätzungsweise 80 km/h“ gefahren, und nicht etwa nur 75 km/h, sprechen gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen die auffallenden Ungenauigkeiten bei der Wiedergabe des Randgeschehens und wesentliche Einzelheiten des Unfallgeschehens, wie etwa der Uhrzeit und der Bewegung des klägerischen Fahrzeuges unmittelbar vor der Kollision.

4) Dem Beklagten zu 1) ist aber nicht vorzuwerfen, er habe eine Annäherungsgeschwindigkeit von mindestens 108 km/h gehabt. Ebensowenig läßt sich feststellen, dass er bei Einhaltung der am Unfallort vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h die Kollision in räumlicher oder zeitlicher Hinsicht hätte vermeiden können. Weder die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen D. noch diejenigen des Sachverständigen N. sind eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines überwiegenden unfallursächlichen Mitverschuldens, das das Landgericht dem Beklagten zu 1) anlastet.

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a) Entgegen den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen D. kann nicht „eine theoretische Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges im Bereich V0 Beklagtenfahrzeug = 108 – 132 km/h“ in Ansatz gebracht werden. Dieses Rechenergebnis beruht auf der Annahme, dass der Beklagte zu 1) vor dem Zusammenstoß in der Lage war, „sein Fahrzeug nennenswert zu verzögern“ (Bl. 102, 103 d.A.). Es läßt sich jedoch nicht die Richtigkeit dieser Prämisse feststellen.

aa) Als haftungsbegründende und in die Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile einzubeziehende Umstände dürfen zu Lasten einer Partei nur solche unfallursächlichen Tatsachen Berücksichtigung finden, auf welche sich die Partei entweder selbst berufen hat oder die unstreitig oder bewiesen sind. Die Beklagten machen geltend, da der Fahrer S. völlig unerwartet aus dem linken Einmündungstrichter der L 372 hervorgekommen und ohne anzuhalten in den Kreuzungsbereich eingefahren sei, habe der Beklagte zu 1) in Anbetracht dieses groben verkehrswidrigen Verhaltens eine Abwehrreaktion nicht mehr vornehmen können (Bl. 54, 164 d.A.). Demnach berufen sich die Beklagten darauf, dass der Beklagte zu 1) als Reaktion auf die für ihn überraschende Vorfahrtverletzung auch keine Bremsreaktion mehr habe vornehmen können. Nichts anderes ergibt sich aus dem Ergebnis der informatorischen Anhörung des Beklagten zu 1): Er konnte keine Angaben mehr dazu machen, ob er vor der Kollision noch gebremst hatte oder nicht. Er hat lediglich eingeräumt, es sei möglicherweise gerade dabei gewesen, seinen Fuß vom Gaspedal auf die Bremse zu stellen, es sei aber alles zu schnell gegangen (Bl. 72 d.A.). Damit läßt sich nicht feststellen, dass er vor dem Zusammenstoß noch eine bremsbedingte Verzögerung des durch ihn gesteuerten Fahrzeuges hat bewirken können.

bb) Im Gegensatz dazu hat der Sachverständige D. aber in seinem schriftlichen Gutachten auf der Grundlage der Anahme, „dass das Beklagtenfahrzeug noch über eine Zeitspanne von ca. 0,5 Sekunden vor der Kollision verzögert werden konnte“, ausgehend von der bezeichneten Kollisionsgeschwindigkeit zwischen 97 km/h und 120 km/h „eine theoretische Annäherungsgeschwindigkeit“ im Bereich zwischen 108 km/h und 132 km/h ermittelt (Bl. 101, 103 d.A.). Da für diese theoretische Berechnung jegliche Tatsachengrundlage fehlt, war das Landgericht gehindert dem Beklagten zu 1) anzulasten, er sei statt der erlaubten 70 km/h an der Unfallstelle eine Geschwindigkeit von mindestens 108 km/h gefahren (Bl. 8 UA; Bl. 147 d.A.). Vielmehr muß es bei dem angegebenen unteren Grenzwert der Kollisionsgeschwindigkeit von 95 km/h verbleiben.

cc) Die nachfolgenden Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten zu Ziffer 6.3 die Unfallvermeidbarkeit betreffend beruhen auf der – unzutreffenden – Annahme einer Mindestannäherungsgeschwindigkeit von 108 km/h (Bl. 103, 104 d.A.). Hinsichtlich dieser Geschwindigkeit soll nach der zusammenfassenden Darlegung des Sachverständigen „aus technischer Sicht nicht der geringste Zweifel“ bestehen (Bl. 106 d.A.). Damit können die durch den Sachverständigen in bezug auf die Unfallvermeidbarkeit gezogenen Schlußfolgerungen keine Berücksichtigung finden, weil die wesentliche Prämisse der zugrundegelegen Mindestannäherungsgeschwindigkeit ohne hinreichende Tatsachengrundlage ist.

b) Ebensowenig vermag der Senat der zusammenfassenden Darlegung des Sachverständigen D. zu folgen, es sei „nur bei einer Betrachtung zugunsten der Klägerseite eine Vermeidbarkeit abzuleiten“ (Bl. 107 d.A.). In diesem Zusammenhang nimmt er Bezug auf die Ausführungen des Sachverständigen N. in seinem schriftlichen Gutachten vom 8. Februar 2000, dass im Falle des Einhaltens der im Unfallbereich zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den Beklagten zu 1) die Kollisionsgeschwindigkeit deutlich geringer gewesen wäre. In Abweichung von der im Vorgutachten festgestellten Restgeschwindigkeit von 15 km/h kommt der Sachverständige D. allerdings zu dem Ergebnis einer höheren Restgeschwindigkeit in der Größenordnung zwischen 30 km/h und 40 km/h (Bl. 107 d.A.).

Es findet sich indes weder eine hinreichende Tatsachengrundlage für eine irgendwie geartete räumliche oder zeitliche Vermeidbarkeit des Unfallgeschehens, die dem Beklagten zu 1) anzulasten wäre. Noch läßt sich feststellen, dass bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h eine deutlich geringere Kollisionsgeschwindigkeit in der Größenordnung von 15 km/h oder 30 km/h bis 40 km/h aufgetreten wäre. Es kann zu Lasten der Beklagten lediglich berücksichtigt werden, dass die schadensursächliche Aufprallenergie deutlich geringer ausgefallen wäre, wenn sich der Beklagte zu 1) der Unfallstelle nicht mit 95 km/h genähert hätte, sondern mit der unter Berücksichtigung der vorgegebenen Tempobegrenzung sowie der nach den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angemessenen Ausgangsgeschwindigkeit.

aa) Die Beklagten behaupten, Herr S. sei unter Mißachtung des Stop-Schildes und des gelben Blinklichtes „quasi im fliegenden Start“ auf die Bundesstraße in Querungsabsicht gefahren, als der Beklagte zu 1) etwa 5 bis 7 Fahrzeuglängen von dem Schnittpunkt mit der L372 entfernt gewesen sei. Er sei völlig unerwartet aus dem linken Einmündungstrichter hervorgekommen und sei ohne anzuhalten in den Kreuzungsbereich eingefahren (Bl. 54, 55 d.A.). Die durch den Sachverständigen N. gefertigte Unfallskizze mit dem Kollisionspunkt (Bl. 24 d.A.) läßt in Verbindung mit der maßstabsgerechten polizeilichen Verkehrsunfallskizze (Bl. 6 BA) erkennen, dass der Ort des Zusammenstoßes etwa 23,4 m von der Haltelinie auf der L 372 entfernt ist, die der Fahrer S. zu beachten hatte. Ob dieser nun aber an der Haltelinie in Wahrnehmung seiner Verpflichtung aus § 8 Abs. 2 StVO seine Fahrt unterbrochen hat, läßt sich nicht zweifelsfrei feststellen. Dies behauptet noch nicht einmal die Klägerin in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise. Denn sie macht geltend, dem bei dem nachfolgenden Unfall schwer verletzten Zeugen S. sei nicht bekannt, wie sein eigenes Fahrverhalten gewesen sei; er gehe jedoch davon aus, dass er an der Haltelinie angehalten habe, da er dort täglich fahre und wisse, dass sich dort ein Stop-Schild befinde (Bl. 68 d.A.).

bb) Wie bereits ausgeführt, spricht gegen den Fahrer S. der Anschein schuldhafter Unfallverursachung. Nach den Umständen läßt sich nicht ausschließen, dass er in dem Bemühen, rechtzeitig vor dem herannahenden Taxifahrzeug die Unfallkreuzung zu passieren, entweder überhaupt nicht an der Haltelinie seine Fahrtgeschwindigkeit reduziert hat oder nur in einer solch unzureichenden Weise, dass er damit seiner Wartepflicht aus § 8 Abs. 2 Satz 1 StVO nicht nachkam.

Da er dem Vorbringen der Beklagten gemäß ohne anzuhalten in den Kreuzungsbereich eingefahren sein soll, läßt sich beispielsweise eine Ausgangsgeschwindigkeit des Fahrers S. von 50 km/h nicht ausschließen. Dann benötigte er aber zur Überwindung der Entfernung von der Haltelinie bis zum späteren Kollisionsort (23,4 m) nur einen Zeitraum von weniger als 2 Sekunden.

Nach der durch den Sachverständigen D. übernommenen (Bl. 96, 98, 99 d.A.) zeichnerischen Darstellung des Sachverständigen N. hätte der Beklagte zu 1) zu dem Zeitpunkt eine Abwehrreaktion einleiten müssen, als der Fahrer S die eingetragene Position R mit dem Index „N“ erreichte (Bl. 20, 21 d.A.). Diese Position ist etwa 17 m von der Haltelinie entfernt, die der Fahrer S zu beachten hatte. Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h benötigte er mehr als 1 Sekunde, um zu dieser Position vorzurücken. Mit anderen Worten: Benötigte der Fahrer S von der Haltelinie aus weniger als 2 Sekunden, um die spätere Unfallstelle zu erreichen, und konnte in dieser Bewegungsphase der Beklagte zu 1) erst nach mehr als 1 Sekunde wegen der sich dann erst konkretisierenden Gefahrensituation die Notwendigkeit einer Bremsreaktion erkennen, so verblieb ihm unter Berücksichtigung der für ihn in Ansatz zu bringenden Reaktions- und Bremsschwellzeit von 1 Sekunde keine Möglichkeit mehr, das durch ihn geführte Fahrzeug nennenswert abzubremsen.

Denn nach dem durch die persönliche Anhörung des Beklagten zu 1) bestätigten Verteidigungsvorbringen der Beklagten soll der klägerische PKW nur etwa 5 bis 7 Fahrzeuglängen vom Schnittpunkt der B 221 mit der L 372 entfernt, also etwa 20 bis 30 m, aus dem linken Einmündungstrichter in einem Zug in die Kreuzung hineingefahren sein (Bl. 54, 78 d.A.). Im Falle einer unterstellten Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1) von 70 km/h hätte er in der Sekunde 19,4 m zurückgelegt. Folglich wäre bei einer Annäherung bis auf 20 m die verbliebene Wegstrecke allein schon durch den Reaktions- und Bremsschwellweg verbraucht worden. Selbst wenn der Beklagte zu 1) mit 60 km/h auf die Unfallkreuzung zugefahren wäre, hätte er in der Sekunde immer noch 16,7 m zurückgelegt, so dass der verbliebene Bremsweg nicht zu einer ins Gewicht fallenden Reduzierung der Fahrtgeschwindigkeit hätte genutzt werden können.

cc) Die äußeren Umstände am Unfallort sprechen nicht gegen die Richtigkeit des Verteidigungsvorbringens der Beklagten, der klägerische PKW sei erst unmittelbar vor der Kollision im Kreuzungsbereich sichtbar geworden. Wie bereits ausgeführt, war die Unfallkreuzung in der Dunkelheit nicht durch Straßenlaternen ausgeleuchtet. Ebenso wie für den Fahrer S der Blick nach rechts in die bevorrechtigte Bundesstraße bei der Zufahrt auf die Kreuzung durch Baum- und Strauchwerk versperrt war, konnte umgekehrt der Beklagte zu 1) den PKW seines späteren Unfallgegners nicht frühzeitig auf der L 372 erkennen.

dd) Der Sachverständige N. ist sowohl bei der Betrachtung der Weg-Zeit-Zusammenhänge (Ziffer 6.4 seines Gutachtens) als auch im Zusammenhang mit den Vermeidbarkeitserwägungen (Ziffer 6.5) von der Annahme ausgegangen, dass „der Nissan-Fahrer vor dem Auffahren auf die Bundesstraße aus dem Stillstand angefahren“ sei. Daraus hat er abgeleitet, dass „dieser Anfahrvorgang ca. 3,5 Sekunden vor dem Unfall“ erfolgt sei (Bl. 20, 21 d.A.). In der weiteren Konsequenz hat der Sachverständige dann die Schlußfolgerung gezogen, dass „der XXX-Fahrer ca. 1,5 Sekunden vor dem Unfall reagieren und 1 Sekunde später und somit ca. 0,5 Sekunden vor der Kollision noch eine wirksame Abwehrmaßnahme zur Durchführung bringen konnte“ (Bl. 21 d.A.). Diesen Ausführungen hat sich der Sachverständige D. angeschlossen und hat ergänzend dargelegt, es habe „das Klägerfahrzeug von dieser reaktionsauslösenden Position bis in die spätere Kollisionsstelle eine Zeitspanne von mindestens 1,5 Sekunden „benötigt“, wobei diese Zeitspanne – bei unterstelltem Anfahrvorgang – auch gegebenenfalls länger gewesen sein“ könne (Bl. 102 d.A.).

ee) Das Landgericht hat in den Gründen der angefochtenen Entscheidung insoweit völlig zutreffend dargelegt, es sei nicht mehr aufklärbar, ob sich der Fahrer S an das Gebot des Verkehrszeichens 206 (Halt! „Vorfahrt gewähren“) gehalten habe oder ob er – entsprechend dem Verteidigungsvorbringen der Beklagten – ohne anzuhalten in den Kreuzungsbereich eingefahren sei (Bl. 10 UA; Bl. 138 d.A.). Diese fehlende Aufklärbarkeit geht indes nicht zu Lasten des vorfahrtsberechtigten Beklagten zu 1) und damit auch nicht zu Lasten der Beklagten zu 2) als Haftpflichtversicherer, da gegen den wartepflichtigen Fahrer S der Anschein schuldhafter Unfallverursachung spricht. In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass entgegen der insoweit übereinstimmenden Annahme der Sachverständigen N und D die Weg-Zeit- sowie Vermeidbarkeitsbetrachtungen nicht auf die Prämisse gestützt werden können, der Fahrer S sei ca. 3,5 Sekunden vor dem Unfall angefahren und der Beklagte zu 1) habe deshalb noch die Möglichkeit gehabt, ca. 1,5 Sekunden vor dem Unfall reagieren und 0,5 Sekunden vor dem Zusammenstoß noch abbremsen zu können. Ganz abgesehen davon läßt sich – wie bereits dargelegt – ohnehin nicht feststellen, dass der Beklagte zu 1) in der letzten halben Sekunde vor dem Schadensereignis tatsächlich noch die Bremse betätigt hat.

III.

Bei der Abwägung aller unfallursächlichen Umstände gemäß §§ 17, 18 StVG dürfen zu Lasten einer Partei nur solche unfallursächlichen Tatsachen berücksichtigt werden, auf welche die Partei sich entweder selbst berufen hat oder die unstreitig oder bewiesen sind. Die Abwägung führt hier zu dem Ergebnis, dass die Klägerin 2/3 ihrer unfallbedingten Vermögenseinbußen selbst zu tragen hat und nur im Umfang von 1/3 die Beklagten zum Schadensersatz heranziehen kann.

1) Die von dem klägerischen Fahrzeug ausgegangene Betriebsgefahr war allein schon aufgrund des Umstandes erhöht, dass der Fahrer S kurz vor dem Zusammenstoß den Versuch unternommen hat, eine bevorrechtigte Bundesstraße zu überqueren. Eine zusätzliche Gefahrensteigerung ergab sich daraus, dass der Fahrer in hohem Maße pflichtwidrig gehandelt hat: Trotz ungünstiger Bedingungen (Dunkelheit, nasse oder zumindest feuchte Straßenoberfläche, Einsehbarkeit der bevorrechtigten Bundesstraße erst im Kreuzungsbereich) hat er fahrlässig darauf vertraut, noch vor dem herannahenden und für ihn sichtbaren Taxiwagen die Kreuzung mit den durch ihn zu beachtenden Stop-Zeichen zu passieren. Er hat dabei die ganz naheliegende Erwägung außer acht gelassen, dass sich sein späterer Unfallgegner auf der gut ausgebauten Bundesstraße mit überhöhter Geschwindigkeit nähern konnte.

2) Die Beklagten müssen sich zurechnen lassen, dass der Beklagte zu 1) jedenfalls mit 95 km/h auf die spätere Unfallstelle zugefahren ist und damit die im Kreuzungsbereich zulässige Höchstgeschwindigkeit um knapp 36 % überschritten hat. Überdies hatte der Beklagte zu 1) seine Fahrtgeschwindigkeit u.a. den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen. Er mußte deshalb bei der Wahl der Fahrtgeschwindigkeit die Dunkelheit und die nasse oder zumindest feuchte Straßenoberfläche berücksichtigen, zumal er sich einer Kreuzung näherte, an der die von links einmündende Straße wegen Baum- und Strauchwerk nicht aus der Entfernung eingesehen werden konnte. Hinzu kommt, dass er das Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO zu beachten hatte. Allein schon aus diesem Grund war seine Fahrtgeschwindigkeit deutlich überhöht. Zwar trifft es zu, dass der Vorfahrtsberechtigte im allgemeinen darauf vertrauen darf, dass sein Vorfahrtsrecht beachtet werde. Bei schlechter Sicht oder Dunkelheit hat jeder Kraftfahrer jedoch seine Geschwindigkeit – auch zum Schutz Wartepflichtiger – so einzurichten, dass er innerhalb der Reichweite seiner Scheinwerfer anhalten kann, um auf Hindernisse oder ähnliche Beeinträchtigungen reagieren zu können (Senat Urteil vom 8. Januar 2001, 1 U 87/99). Ein unaufmerksames Fahrverhalten oder eine verspätete Reaktion ist dem Beklagten zu 1) hingegen nicht nachzuweisen. Wie bereits ausgeführt, läßt sich nicht feststellen, dass der Beklagte zu 1) bei Einhaltung der nach der konkreten Verkehrssituation gebotenen Geschwindigkeit das Kollisionsereignis in räumlicher oder zeitlicher Hinsicht hätte vermeiden können.

3) Die ihm 1 ½ Stunden nach dem Unfall entnommene Blutprobe führte zu der Feststellung eines Blutalkoholgehalts von 0,78 Promille (Bl. 17, 18 BA). Deshalb ist ihm zwar die Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 24 a Abs. 1 Ziffer 2 StVG anzulasten. Es läßt sich indes nicht feststellen, dass diese Tatsache zu einer Erhöhung der Betriebsgefahr geführt hat, die von dem durch ihn gesteuerten Taxiwagen ausging.

Einerseits kann der Ursachenzusammenhang zwischen alkoholbedingter Fahruntauglichkeit und einem Unfall grundsätzlich mittels Anscheinsbeweises festgestellt werden (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl., § 16 StVG, Rdn. 381 mit Hinweis auf BGHZ 18, 311 BGH VersR 1986, 142 und weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn Umstände zu dem Unfall geführt haben, die auch ein nüchterner Kraftfahrer nicht hätte meistern können (Greger a.a.O. mit Hinweis auf BGH VersR 1960, 479, BGH VersR 1966, 585 und weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Es läßt sich nicht die Richtigkeit des Vorbringens der Beklagten ausschließen, demzufolge der Zeuge S ohne anzuhalten in den Kreuzungsbereich einfuhr, als der Beklagte zu 1) nur noch wenige Fahrzeuglängen davon entfernt war und er folglich auch in einem vollkommen nüchternen Zustand keine realistische Möglichkeit mehr zur Abwendung der Kollision hatte. Im übrigen ist die deutliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einer gut ausgebauten Bundesstraße außerhalb geschlossener Ortschaften zur Nachtzeit, während der das Verkehrsaufkommen gewöhnlich gering ist, ein typisches Fehlverhalten, welches nicht zwingend den Rückschluß auf eine relative Fahruntauglichkeit des den Verkehrsverstoß begehenden Fahrers zuläßt.

4) Die um knapp 36 % über der zulässigen Höchstgeschwindigketi liegende Fahrgeschwindigkeit des Beklagten zu 1) wirkt sich jedoch insoweit als ein die Betriebsgefahr erhöhender Umstand aus, dass bei dem nach der konkreten Verkehrssituation angemessenen Annäherungstempo die Unfallfolgen deutlich weniger gravierend ausgefallen wären. Die an den beteiligten Fahrzeugen eingetretenen Kollisionsschäden waren wegen der hohen Aufprallenergie beträchtlich. Außerdem ist der Fahrer S wegen der Wucht des Aufpralls auf die Straße geschleudert worden.

IV.

Die Ersatzverpflichtung der Beklagten umfaßt jedoch nicht den Aufwand von 1.337,87 DM, welchen die Klägerin für die Einholung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen N vom 8. Februar 2000 in Ansatz bringt.

1) Zwar zählen die Kosten eines Sachverständigengutachtens über die Schadenshöhe bei der Beschädigung von Kraftfahrzeugen grundsätzlich zum erstattungspflichtigen Folgeschaden (Greger a.a.O. Anhang I, Rdn .141 mit Hinweis auf BGHZ 61, 346 und weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Klägerin hat den Sachverständigen jedoch vorprozessual mit der Erstattung eines umfassenden Unfallrekonstruktionsgutachtens beauftragt. Ihr kam es darauf an, mit Hilfe der gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen die Erfolgsaussichten der klageweisen Durchsetzung ihrer Schadensersatzbegehren gegen die Beklagten zu überprüfen. Sie hatte zuvor in dem Strafverfahren, das gegen den Fahrer S zu dem Aktenzeichen 25 Js 600/99 bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach anhängig war, vergeblich durch ihre damaligen Bevollmächtigten die Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens beantragt (Bl. 26 BA).

2) Fraglich ist, ob die Aufwendungen für ein Unfallrekonstruktionsgutachten, das vorprozessual zur Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Schadensersatzklage eingeholt worden ist, zu den notwendigen Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zählen. Denn die Aufklärung des streitigen Geschehensablaufes muß dem gerichtlichen Erkenntnisverfahren vorbehalten bleiben, im Rahmen dessen die nach der Zivilprozeßordnung zulässigen Beweismittel zu verwerten sind. Allerdings kann hier eine abschließende Entscheidung dieser Rechtsfrage dahinstehen.

3) Denn eine durch den Geschädigten zu vertretende Unbrauchbarkeit des Gutachtens steht einem Erstattungsanspruch entgegen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Geschädigte durch Falschangaben oder Verschweigen wesentlicher Umstände die Unbrauchbarkeit bewirkt hat (Greger a.a.O., Anhang I, Rdn. 144 mit Hinweis auf OLG Hamm NZV 1993, 149 und 228 sowie NZV 1994, 393 und weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Wie bereits ausgeführt, geht das Gutachten des Sachverständigen N vom 8. Februar 2000 ohne eine hinreichende Tatsachengrundlage von der Prämisse aus, dass der Fahrer S vor der Unfallkreuzung angehalten und sodann ca. 3,5 Sekunden vor dem Kollisionsereignis angefahren sei. Die daraus durch den Sachverständigen abgeleiteten Weg-Zeit sowie Vermeidbarkeitsbetrachtungen sind deshalb keine für die Entscheidung des Rechtsstreites geeigneten Erkenntnisgrundlagen. Diesen Umstand hat die Klägerin zu vertreten. Denn sie hätte den Sachverständigen N bei der Auftragserteilung darauf hinweisen müssen, dass die Annahme, der Fahrer S habe an der Unfallkreuzung vor den Stopschildern angehalten, nur auf einer nicht zu beweisenden Vermutung beruhte; dem Zeugen war das eigene Fahrverhalten vor dem Schadensereignis amnesiebedingt nicht mehr bekannt. Mit einer solchen Vorgabe hätte der Sachverständige N. dann bei der Unfallrekonstruktion auch die Möglichkeit berücksichtigen können, dass der Fahrer ohne vorheriges Anhalten in die Unfallkreuzung einfuhr.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 10.122,33 DM. Die Beschwer der Parteien stellt sich jeweils auf unter 20.000 €.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlaß, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. nicht gegeben sind.

 

 

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