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Kündigung wegen sexueller Belästigung

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Az: 5 Sa 10/08

Urteil vom 12.08.2008


1. Auf die klägerische Berufung wird der noch nicht rechtskräftige Teil des arbeitsgerichtlichen Urteils abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 22.08.2005 beendet wurde.

2. Das beklagte Land wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung und um Weiterbeschäftigung. Dem Kläger wird vorgeworfen, er habe ihm als Sportlehrer anvertraute Schülerinnen beleidigt, sie sexuell belästigt oder sei ihnen mit sexuellen Zielen zu nahe gekommen. Der Kläger bestreitet die Tatvorwürfe.

Der Kläger ist Diplomlehrer für Sport und Geografie. Er ist 1955 geboren und ist sei 1982 als Lehrer an staatlichen Schulen tätig. Von September 1989 bis Ende August 1991 war er wegen einer planmäßigen Aspirantur, um die er sich selbst beworben hatte, nicht im Schuldienst tätig. Seit September 1991 ist er im Schuldienst des beklagten Landes tätig.

Der in zweiter Ehe verheiratete Kläger war lange Jahre an Schulen in Rostock eingesetzt und ist dann im August 2003 an die Regionale Schule .. in … versetzt worden. Der Kläger erteilt hier Sport- und Geografieunterricht. Er bezieht Vergütung nach der Vergütungsgruppe III zum BAT-O.

Die dem Kläger im Kern zur Last gelegten Vorfälle sollen sich alle im Sportunterricht der Klasse 9b im Schuljahr 2004/2005 im zweiten Schulhalbjahr ereignet haben. Außerdem spielen weitere Vorwürfe aus dem vorangegangenen Schuljahr sowie im Zusammenhang mit der Parallelklasse Klasse 9c eine Rolle.

Der Kläger war im Schuljahr 2004/2005 Vertretungslehrer für die weiblichen Schülerinnen der Klasse 9b im Sportunterricht. Im Schuljahr davor war er deren regulärer Sportlehrer. Im Jahre 2005 hat der Kläger die Schülerinnen der Klasse 9b zunächst nur gelegentlich als Vertretungslehrer unterrichtet und sodann ab Anfang Mai 2005 wegen des längerfristigen Ausfalls des regulären Sportlehrers ständig.

Die Vorfälle sollen sich alle während der Unterrichtsstunden ereignet haben. Diese haben alle in der Sporthalle stattgefunden, die zu der Schule gehört. Der Sportunterricht wird im Regelfall getrennt für die weiblichen und männlichen Schüler der Klasse durchgeführt. Wenn kein Lehrerausfall vorliegt, werden die männlichen Schüler von einem anderen Lehrer betreut.

Anlass der Kündigung waren die – insgesamt streitigen – Ereignisse in der Sportstunde vom 24. Mai 2005. Entweder noch an diesem Tag oder am nächsten Tag beschwerten sich mehrere Schülerinnen der Klasse 9b und 9c bei der Schulleiterin über den Kläger und schilderten verschiedene Vorkommnisse, die entweder sexuelle Belästigungen darstellen oder die zumindest starke sexuelle Bezüge haben. Nach Abstimmung mit dem Schulamt wurden die Schülerinnen am 26.05.2005 aufgefordert, ihre Wahrnehmungen zu Papier zu bringen (Blatt 384 ff, es wird Bezug genommen). Noch am 26.05.2005 wurde der Kläger zu den Vorfällen angehört. Er verteidigte sich mit dem Argument, sein englischer Humor sei wohl missverstanden worden. Er wurde vom Dienst suspendiert (vgl. Blatt 29) und um schriftliche Stellungnahme gebeten, die er unter dem 31. Mai 2005 abgegeben hat (Blatt 31 ff, es wird Bezug genommen).

Nachdem die für den Bereich des Lehrerhauptpersonalrates gebildete Einigungsstelle des Bildungsministeriums die vom Bezirkspersonalrat der Lehrer des Schulamtes Rostock und vom Lehrerhauptpersonalrat im Stufenverfahren verweigerte Zustimmung zu der beabsichtigten außerordentlichen und ordentlichen Kündigung ersetzt hatte, hat das beklagte Land unter dem 22.08.2005 das Arbeitsverhältnis zum Kläger sowohl außerordentlich als auch parallel dazu ordentlich zum 31. März 2005 gekündigt; der Fristablauf der ordentlichen Kündigung ist mit Schriftsatz vom 23.08.2005 auf den 31.03.2006 korrigiert worden (Blatt 12).

Mit der am 6. September 2005 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage hat sich der Kläger gegen beide Kündigungen zur Wehr gesetzt und die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung verlangt.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,

1. festzustellen, dass die außerordentliche Kündigung vom 22.08.2005 und die ordentliche Kündigung vom 22.08.2005 in der Fassung vom 23.08.2005 unwirksam sind;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat vor dem Arbeitsgericht beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hält es für unzumutbar, den Kläger weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land behauptet, der Kläger hätte die Schülerin …. am 24. Mai 2005 als „kleine blonde Schlampi“ bezeichnet. Diese Beleidigung habe sich zugetragen, als die Schülerin auf der Bank Platz genommen hatte, da sie – unstreitig zum wiederholten Male – ihre Sportsachen beim Sportunterricht nicht dabei hatte. Die Beleidigung sei so laut ausgesprochen worden, dass sie von den umstehenden Schülerinnen …. und …. gehört worden sei.

Das beklagte Land behauptet, am 24. Mai 2005 oder einige Wochen zuvor sei es zu einem Vorfall die Schülerin …. betreffend gekommen. Die Schülerin habe bei einer Gruppe von sitzenden Mädchen neben dem Kläger gestanden als dieser sie am Hinterteil angefasst habe und dabei die Bemerkung habe fallen lassen „geiler Handballerarsch“. Dies sei in einer Lautstärke erfolgt, dass andere Mitschülerinnen das ebenfalls gehört hätten (….).

Außerdem behauptet das beklagte Land, zu einem nicht mehr rekonstruierbaren Zeitpunkt im 2. Halbjahr des Schuljahres 2004/2005 sei es zu einem Vorfall die irakische Schülerin …. betreffend gekommen. Die Schülerin trägt – das ist unstreitig – das Kopftuch und sie ist gläubig. Der Kläger hat – auch das ist unstreitig – immer wieder den Dialog mit dieser Schülerin über ihren Glauben und über das Kopftuch geführt, wobei der Kläger werbend für die offene westliche Lebensart eingetreten ist. Während einer Sportstunde – so die Behauptung des beklagten Landes – waren dann der Kläger und Frau … etwas abseits der übrigen Schülerinnen, weil Frau … den Kläger gebeten hatte, den Ballschrank mit seinem Schlüssel zu öffnen. Auf dem gemeinsamen Weg zum Ballschrank oder aber am Ballschrank angekommen, habe der Kläger die Schülerin wiederholt aufgefordert, das Kopftuch abzunehmen, damit er ihre schönen schwarzen Haare sehen könnte. Die Schülerin habe sich standhaft geweigert. Der Kläger habe dann versucht, selber das Kopftuch zu lösen und habe dazu mit der Hand nach dem Knoten unter dem Kinn gegriffen. Als die Hand des Klägers nur noch etwa 30 cm vom Kinn der Schülerin entfernt gewesen sei, sei die Schülerin geflüchtet.

Schließlich werden weitere Vorwürfe erhoben. Der Kläger habe zu Jaqueline … (9c) gesagt, sie habe „schöne Brüste“. Tina …. hätte er mitgeteilt, dass er von ihr geträumt habe und er habe sie gefragt, ob sie einen Freund habe, weil sie nicht mehr mit ihm spreche; als Frau … keine Auskunft geben wollte, habe er ihre Freundinnen dazu befragt. Auch soll er vor ihr nieder gekniet haben, und sie gefragt haben, ob sie mit ihm gehen wolle.

Der Schülerin …. habe er angeboten, sie könne ihn auch zu Hause besuchen. Als …. einmal ihre Sportsachen vergessen hatte, soll der Kläger angewiesen oder zumindest angeregt haben, die Schülerin solle dann in Unterwäsche am Sportunterricht teilnehmen. Als sie sich geweigert habe, habe er angefügt, dann solle sie eben nackt am Unterricht teilnehmen.

Vor den Schülerinnen der Klasse habe er – was vom Kläger eingeräumt wird – auch über die Wäsche gesprochen, die junge Mädchen heutzutage tragen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Vernehmung der Zeuginnen ……….mit Urteil vom 2. Februar 2006 insgesamt abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

Das Urteil ist dem Kläger am 16.02.2006 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung vom 8. März 2006 ist hier noch am selben Tag per Fax eingegangen. Auf einen Antrag, der hier am 10.04.2006 eingegangen war, ist die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 24.04.2006 verlängert worden. Die Berufung ist sodann mit Schriftsatz vom 23. April 2006, Gerichtseingang am 26. April 2006, begründet worden.

Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 13.03.2007 (damaliges Aktenzeichen 5 Sa 79/06, Blatt 484 ff) der Berufung stattgegeben, soweit sich der Kläger gegen die Klageabweisung wegen der außerordentlichen Kündigung gewandt hatte. Für diese Entscheidung hat sich das Landesarbeitsgericht auf § 626 Absatz 2 BGB gestützt bzw. auf die analoge Anwendung von § 91 Absatz 5 SGB IX. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht die Berufung – nach nochmaliger Vernehmung der Zeuginnen……. – ohne Revisionszulassung zurückgewiesen. Hinsichtlich des Streitgegenstandes „außerordentliche Kündigung“ ist das Urteil in Rechtskraft erwachsen. Im Übrigen ist das Urteil durch das Bundesarbeitsgericht auf die Beschwerde des Klägers hin durch Beschluss vom 28. November 2007 (6 AZN 454/07) wegen Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 72a Absatz 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG) aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen worden (Blatt 510 ff).

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Während des Beschwerdeverfahrens beim BAG hat der Kläger gegen die vom Landesarbeitsgericht und vom Arbeitsgericht vernommenen Zeuginnen ……….Strafanzeige wegen falscher uneidlicher Aussage und wegen Verleumdung erhoben. Der sachliche Kern der Anzeige sind die Einlassungen von ehemaligen Mitschülern (…….die gegenüber dem Kläger bereits im März 2007 wenige Tage nach dem landesarbeitsgerichtlichen Urteil schriftlich bekundet haben, sie hätten nach der Suspendierung des Klägers noch im Mai 2005 auf dem Schulhof ein Gespräch der Mädchen belauscht; dabei sollen diese sinngemäß gesagt haben, sie hätten dem Klägers nur eins auswischen wollen, weil er schlechte Noten angedroht habe.

Aufgrund dieser Anzeige sind dann die Zeuginnen……… von der Polizei am 11.09.2007 als Beschuldigte vernommen worden. Kopien der Vernehmungsprotokolle hat der Kläger mit Schriftsatz vom 03.04.2008 zur Akte gereicht (Blatt 660 ff). Die Ermittlungen sind inzwischen ohne Ergebnis eingestellt worden.

Der Kläger verfolgt auch im Rahmen der Fortsetzung des Rechtsstreits sein ursprüngliches Klageziel im vollen Umfang weiter. Der Kläger bestreitet die ihm zur Last gelegten Vorfälle und lässt sich zu ihnen wie folgt ein.

Die Schülerin . habe er nie als „kleine blonde Schlampi“ bezeichnet. Er gehe vielmehr davon aus, dass Frau . diese Geschichte erfunden habe, um sich an ihm zu rächen, da er das bloße Absitzen der Sportstunde auf der Bank nicht geduldet habe und angedroht habe, es werde schlechte Noten geben, wenn das mit dem sogenannten „vergessen“ der Sportsachen nicht aufhöre.

Das Vorkommnis mit …. bezüglich seiner angeblichen körperlichen Berührung der Schülerin sei ebenfalls aus der Luft gegriffen. Auch insoweit müsse er davon ausgehen, dass man sich an ihm durch solche falsche Anschuldigungen nur habe rächen wollen. Dazu behauptet der Kläger, er habe Zeugen dafür, die bezeugen könnten, dass F. schon wenige Tage nach seiner Suspendierung Mitschülerinnen gegenüber eingeräumt hätte, dass sich die Vorfälle nicht wie behauptet zugetragen hätten (…).

Einen Vorfall, wie von Frau . geschildert, habe es nicht gegeben. Er wolle zwar Frau . nicht der Lüge bezichtigen, es habe aber tatsächlich nichts gegeben, was sich mit dem behaupteten Vorfall in Übereinstimmung bringen lasse. Außerdem sei es nicht möglich durch einen Griff unter das Kinn das Kopftuch zu lösen, da es im Nacken gebunden werde.

Im Übrigen behauptet der Kläger, die Mädchen hätten sich abgesprochen, um sich an ihm zu rächen, weil er schlechte Zensuren angekündigt habe, falls man sich nicht aktiv am Sportunterricht beteilige. Auch die Schulleiterin Frau habe schon von Anfang an versucht, ihn wieder los zu werden. Sie habe daher dafür gesorgt, dass die Schülerinnen gegen ihn aussagen würden. Noch auf dem Flur am Tag der arbeitsgerichtlichen Beweisaufnahme habe Frau die Zeuginnen auf die „richtige“ Aussage eingeschworen. Auch im Schulamt und im Bildungsministerium habe man schon lange auf die Gelegenheit zur Kündigung gewartet, da er als kritischer Lehrer es sich nicht habe nehmen lassen, sich öffentlich kritisch zur Bildungspolitik der Landesregierung zu äußern.

Der Kläger beantragt unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils,

1. festzustellen, dass auch die ordentliche Kündigung vom 22. August 2005 in der Fassung vom 23. August 2005 unwirksam ist;

2. das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das Gericht hat die vom beklagten Land benannten Zeuginnen….. abermals vernommen sowie im Weiteren erstmals im Berufungsrechtszug die Zeuginnen…..

Außerdem sind die vom Kläger gegenbeweislich aufgebotenen Zeuginnen und Zeugen…… vernommen worden. Schließlich sind weitere vom Kläger benannte Zeugen vernommen worden, nämlich ……….Bezüglich der Einzelheiten der Aussagen wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 4. März 2008 (Blatt 586 ff), vom 3. April 2008 (642 ff) und vom 21. Mai 2008 (Blatt 738 ff) Bezug genommen.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die dem Streitgegenstand nach ohne Weiteres statthafte Berufung, die auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, hat in der Sache Erfolg. Der Kläger obsiegt mit seiner Kündigungsschutzklage, da die dem Kläger zur Last gelegten Vorfälle nicht als erwiesen angesehen werden können.

Das Landesarbeitsgericht bleibt bei seinem im aufgehobenen Urteil vom 13.03.2007 eingenommenen Rechtsstandpunkt, dass die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt wäre, wenn die dem Kläger zur Last gelegten hauptsächlichen Vorwürfe („Geiler Handballerarsch“ gegenüber Frau …., „Kleine blonde Schlampi“ gegenüber Frau …. und der Versuch bei Frau … das Kopftuch gegen deren Willen abzunehmen) festgestellt werden könnten. Insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil vom 13.03.2007 Bezug genommen.

1. Nach abermaliger Durchführung der Beweisaufnahme sieht sich das Gericht allerdings nicht in der Lage, die für die Kündigung notwendigen tatsächlichen Feststellungen abermals zu treffen. Bereits die Vernehmung der vom beklagten Land benannten Zeuginnen hat dazu geführt, dass das Gericht nicht ausräumbare Zweifel hinsichtlich der im Raum stehenden Vorwürfe hat. Die zahlreichen vom Kläger aufgebotenen und gegenbeweislich vernommenen Zeugen haben daher bei der Entscheidungsfindung allenfalls am Rande eine Rolle gespielt.

a) Die Beweisaufnahme musste nochmals durchgeführt werden, da die bisherigen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils durch das BAG nicht mehr gültig sind. Eine Verwertung der bisherigen Beweisaufnahme im Wege der Verlesung der Protokolle oder durch eine andere indirekte Rezeption scheidet aus, da es bei der Streitigkeit des Sachverhalts insbesondere auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen und die Glaubwürdigkeit der Zeugen ankommt. Beides kann nur dann beurteilt werden, wenn alle beteiligten Richter insbesondere auch die ehrenamtlichen Richter, die an der Beweisaufnahme, die zu dem Urteil vom 13.03.2007 geführt hatte, nicht teilgenommen haben, einen unmittelbaren Eindruck von den Zeuginnen und Zeugen gewinnen können. Eine bloße Bezugnahme auf die Beweiserhebung des Arbeitsgerichts kommt ebenfalls nicht in Betracht, da die Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht lückenhaft und damit formal angreifbar ist.

b) Die Zeugin …. hat zwar auch bei ihrer erneuten Vernehmung bestätigt, dass der Kläger sie am Hinterteil berührt habe und dazu gesagt habe, „geiler Handballerarsch“. Sie konnte auch berichten, wie es zu dem Ereignis kam und wie sie selbst darauf reagiert hat, was dafür spricht, dass sie eigens Erleben bekundet. Die Bekundungen der Zeugin werden auch bestätigt durch die Aussage der Zeugin …. und der Zeugin ..

Als Gericht muss man sich jedoch auch der Erkenntnis stellen, dass es nicht ausreicht, einem oder mehreren Zeuginnen glauben zu wollen. Eine gerichtliche Feststellung setzt vielmehr zusätzlich voraus, dass den glaubhaften Einlassungen auch keine weiteren objektiven Umstände entgegenstehen, die andeuten, dass sich die Dinge auch anders zugetragen haben könnten. Verbleiben am Ende Zweifel, kann die gerichtliche Feststellung nicht getroffen werden. Das hat der BGH als „Nullhypothese“ bezeichnet; eine Aussage gelte so lange als unwahr, bis diese Negation mit den gesammelten Fakten nicht mehr vereinbar ist (BGH 30.07.1999 – 1 StR 618/98 – BGHSt 45, 164 = NJW 1999, 2746). Die auf das Strafrecht bezogene Aussage gilt auch für die Bewertung der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage im Zivilprozess (Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 3. Auflage München 2007 RNr. 309). Da hier Zweifel verbleiben, kann die gewünschte Feststellung nicht getroffen werden.

Zum einen hat die Zeugin . bei ihrer erneuten Vernehmung einen deutlich verstockten Eindruck gemacht. Sie wollte sich nicht mehr mit dem Thema befassen und reagierte auf Fragen des Gerichts gelegentlich abweisend. Dies passt zu dem Umstand, dass die Zeugin dieses Mal zur Vernehmung in Begleitung ihrer Mutter erschienen war. Das Gericht interpretiert dieses Verhalten dahin, dass die Zeugin sich geweigert hat, sich ihrer Erinnerung nochmals zu stellen und daher nur das wiederholt hat, was bereits schriftlich in diversen Protokollen festgehalten ist. Das Gericht geht im Weiteren davon aus, dass diese Einstellung zu einem guten Teil auf die Strafanzeige des Klägers und auf der polizeilichen Vernehmung der Zeugin als Beschuldigte im September 2007 zurückzuführen ist. Allerdings lassen sich aus dieser Erkenntnis keine Rückschlüsse auf die streitigen tatsächlichen Vorkommnisse ziehen. Die tatsächlichen Vorgänge bleiben aufgrund der Weigerung der Zeugin, sich tatsächlich ihren Erinnerungen an die seinerzeitigen Vorgänge nochmals zu stellen und diese dem Gericht zu schildern, vielmehr unklar.

Ergänzend hat das Gericht berücksichtigt, dass die Zeugin F. nicht erklären konnte, wie die Unterschiede zwischen ihrer Einlassung bei Gericht und gegenüber der Polizei zu erklären sind.

Schließlich hat das Gericht berücksichtigt, dass auch die in der Akte befindlichen bisherigen Einlassungen der Zeugin was die Einordnung des Geschehenen in einen historischen Kontext anlangt, sehr zurückhaltend geblieben sind. Das betrifft sowohl die Frage des Datums des Vorfalls bzw. des Zeitraums des Vorfalls (vor oder nach der Projektwoche? Vor oder nach der ersten Beschwerde bei Frau ) als auch das Geschehen unmittelbar vor dem Vorfall und die Reaktion auf den Vorfall. In der handschriftlichen Einlassung der Zeugin nach Aufforderung durch die Schulleitung (Blatt 387) wird überhaupt keine zeitliche Einordnung des Ereignisses vorgenommen und der Vorfall selbst wird nur stichwortartig umschrieben ohne jedes weitere Detail. Ähnlich offen bleibt die zeitliche Einordnung und das Geschehen vor und nach dem Vorfall bei der Vernehmung am 02.02.2006 durch das Arbeitsgericht (Blatt 105 ff). Die Aussage Blatt 106 oben deutet zunächst darauf hin, dass der Vorfall sich längere Zeit vor dem 24. Mai 2005 zugetragen haben müsste, dann stellt die Zeugin jedoch die zeitliche Verbindung zum Vorfall H. her, der unzweifelhaft am 24. Mai 2005 gewesen sein soll. In der Mitte auf diesem Blatt gibt die Zeugin sodann an, sie könne über das weitere Geschehen nach dem behaupteten Vorfall keine Aussage machen. Auch die abermalige Vernehmung der Zeugin durch das Landesarbeitsgericht am 1. Februar 2007 (Blatt 463 ff) hat insoweit keine neuen Erkenntnisse hervorgebracht. Die zeitliche Einordnung des Ereignisses hat die Zeugin ausdrücklich als nicht möglich bezeichnet und das Geschehen kurz vor und nach dem Vorfall blieb weiter sehr blaß.

Diese Umstände dürfen bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit der Einlassung der Zeugin nicht außer Acht gelassen werden. Denn die Erzähldichte einer Zeugenaussage ist anerkanntermaßen eines der zentralen Kriterien zur Bewertung der Glaubhaftigkeit einer Aussage (Bender/Nack/Treuer a.a.O. RNr. 310 ff).

Auch die Vernehmung der weiteren Zeuginnen zu diesem Vorfall war wenig hilfreich. Die Zeugin . hat sich zu Beginn ihrer Vernehmung sogar ausdrücklich geweigert, sich ihrer eigenen Erinnerung durch eine Befragung erneut zu stellen und hat ausdrücklich nur auf ihre bisherige Einlassung verwiesen. Auch auf die weitere Befragung des Gerichts hat die Zeugin lediglich bekunden können, dass sie außerhalb des eigentlichen Vorfalls keine weiteren Erinnerungen mehr an die seinerzeitige Situation habe. Das ist für die Beurteilung der Wahrhaftigkeit des behaupteten Vorfalls nicht gerade viel. Die Zeugin G. hat vor dem Landesarbeitsgericht bekundet, zu dem Vorfall zu F. keine eigene Wahrnehmung gehabt zu haben; sollte sich aus der polizeilichen Vernehmung etwas anders ergeben, sei das eben falsch aufgenommen worden (Blatt 644). Die weitere Zeugin P. ist in ihrer Aussage sehr oberflächlich geblieben. Sie spricht nur davon, dass man im Kreis gestanden und sich unterhalten habe; zu dem streitigen Ereignis selbst hat sie nichts bekundet. Auch H. hat sich dazu nur sehr oberflächlich eingelassen in dem Sinne, dass sie den Vorfall wirklich gesehen habe. Auch diese Bekundungen muss das Gericht anhand der üblichen Kriterien der Aussagenanalyse bewerten. Die Bewertung muss wegen der auffälligen Detailarmut hier zu Lasten des behaupteten Vorfalls gehen.

Schließlich müssen die von den Zeuginnen geschilderten Umstände berücksichtigt werden. Denn der Vorfall soll sich ereignet haben, als die Zeugin F neben dem Kläger stand und ihnen gegenüber in einem geringen Abstand mehrere Schülerinnen auf der Bank gesessen haben. Der Kläger und Frau F. standen sozusagen im Fokus der Schülerinnen auf der Bank. Wenn es in dieser Situation tatsächlich zu dem Übergriff gekommen sein sollte, hätte er eigentlich nicht nur von den Zeuginnen M., H. und P. gesehen werden müssen, sondern auch von den anderen Schülerinnen; weitere Zeuginnen, die den Vorfall direkt beobachtet haben, sind aber nicht aufgeboten worden. Dabei muss man auch berücksichtigen, dass der behauptete Vorfall so viele Klischees bedient, dass er sich eigentlich wie ein Lauffeuer sofort in der ganzen Schule hätte verbreiten müssen.

Weitere Zeugen oder sonstige Beweismittel hat das beklagte Land nicht angeboten.

Ausgehend von der Nullhypothese des BGH kann angesichts der beschriebenen Auffälligkeiten die behauptete Tatsache nicht als erwiesen angesehen werden. Die Überzeugungskraft, die Frau . als Zeugin bei ihrer Vernehmung am 1. Februar 2007 noch ausgestrahlt hatte, war bei ihrer letzten Vernehmung nicht mehr vorhanden und sie konnte daher die Kammer in Angesicht der geschilderten Gegenumstände nicht mehr von der Wahrhaftigkeit des Geschehenen überzeugen.

c) Auch der Vorwurf, der Kläger habe die Zeugin . beleidigt, in dem er sie als „kleine blonde Schlampi“ bezeichnet habe, kann so vom Gericht nicht nochmals festgestellt werden. Denn auch die Zeugin . war nicht in der Lage, mehr zu schildern als nur den Vorfall selbst. Es fiel ihr bereits schwer, den Vorgang in ein weiteres Geschehen einzubinden. Daher gilt bezüglich dieser Zeugin das Gleiche, wie bei der Zeugin .. Das Gericht ist nach wie vor bereit, der Zeugin zu glauben, muss aber einräumen, dass es objektive Anzeichen dafür gibt, die gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage sprechen. Bei dieser Bewertung hat für das Gericht auch das Verhalten der Zeugin gegenüber dem Kläger bei der Zeugenvernehmung eine Rolle gespielt. Die Zeugin war während der Vernehmung nicht in der Lage, den Kläger anzusehen, und ihre Körpersprache drückte sehr deutlich ein Unbehagen gegenüber ihrer Rolle als Zeugin gegen den Kläger aus. Daraus folgert das Gericht, dass die Zeugin ein schlechtes Gewissen hat, was jedenfalls nicht für die Glaubhaftigkeit der Aussage spricht.

Die weiteren für das streitige Ereignis aufgebotenen und vernommenen Zeuginnen reichen zur Überzeugungsbildung des Gerichts ebenfalls nicht aus. Frau . hat zwar auch das Ereignis selbst bekundet, konnte aber keine weiteren Details zu den Vorgängen vor und nach dem streitigen Ereignis beitragen, was wie bereits dargelegt als Indiz gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage anzusehen ist. Die Zeugin . hat sich eingangs ihrer Aussage sogar ausdrücklich geweigert, sich der Erinnerung zu stellen und hat dann nur auf ihre bisherigen Aussagen verwiesen (Blatt 646). Daraus ergeben sich durchgreifende Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage, da es dem Gericht gar nicht möglich war, die Glaubhaftigkeit der Einlassungen der Zeugin durch unmittelbare Eindrücke zu ermessen.

Hilfsweise geht das Gericht davon aus, dass man der Zeugin H. tatsächlich glauben könne, denn sie hat immerhin auf die Frage, in welchem Ton der Kläger seine Worte geäußert habe, auf ihre Art sehr präzise und lebendig geantwortet („… war wohl so schlacksig gesagt …“). Diese Frage hatte bisher noch in keiner Vernehmung eine Rolle gespielt und dennoch konnte die Zeugin spontan darauf antworten. Das spricht dafür, dass sie tatsächlich persönlich Erlebtes geschildert hat. Diese von der betroffenen Zeugin selbst gegebene Einschätzung korrespondiert im Übrigen mit der Einlassung der Zeugin ., die auf gerichtliche Nachfrage sagte, sie selbst habe die Worte des Klägers „so zwischen bös und scherzhaft eingeschätzt“ (Blatt 644). Selbst wenn man sich aber hierauf stützen würde, würde sich der Vorwurf des beklagten Landes dennoch nicht bestätigen lassen, denn beide Zeuginnen haben eingeräumt, dass in dem Tonfall des Klägers auch etwas Scherzhaftes mitgeklungen habe. Damit ist es jedenfalls nicht möglich, den für die Beleidigung erforderlichen Vorsatz des Klägers festzustellen. Denn wenn die Zeuginnen tatsächlich auch eine scherzhafte Ebene in der Aussage wahrgenommen haben, dann wird man die Einlassung des Klägers, da müsse man seinen „englischen Humor“ wohl missverstanden haben, nicht widerlegen können.

Damit hätte sich der Kläger zwar immer noch gemessen am Leitbild eines guten Lehrers bis auf die Knochen blamiert, da aber ein strafrechtlich relevanter Vorwurf damit nicht mehr aufrechterhalten werden könnte, könnte dieses Verhalten des Klägers nur nach einer entsprechenden Abmahnung kündigungsrelevant werden.

2. Die abermalige Vernehmung der weiteren Zeugin . zu dem dritten Vorwurf (Versuch, das Kopftuch abzunehmen) ist auf Basis der Bewertung der beiden anderen Vorwürfe durch das Gericht nicht mehr erforderlich. Denn selbst wenn man die Behauptungen des beklagten Landes zu dem Verhalten des Klägers auf Frau R. bezogen als wahr unterstellt, reicht das zur sozialen Rechtfertigung der streitgegenständlichen Kündigung nicht aus. Dies gilt selbst dann, wenn man die weiteren Vorwürfe gegenüber dem Kläger, die das Gericht weder 2007 noch heute einer näheren Aufklärung unterzogen hat, in die Bewertung mit einfließen lässt.

a) Das Gericht hat in dem aufgehobenen Urteil vom 13.03.2007 festgestellt, dass der Kläger versucht hat, der Schülerin . das Kopftuch abzunehmen, um ihre schwarzen Haare sehen zu können. In der Bewertung hat das Gericht ausgeführt, der Kläger habe die Würde der gläubigen Schülerin R. dadurch nachhaltig verletzt. Erschwerend hat das Gericht berücksichtigt, dass die Empörung der Zeugin über dieses Verhalten bei ihrer Vernehmung vor dem Landesarbeitsgericht fast zwei Jahre nach dem Vorfall noch deutlich zu spüren gewesen war. An dieser Bewertung hält das Gericht uneingeschränkt fest.

Dieser Vorfall ist allein aber nicht ausreichend, um die streitgegenständliche Kündigung sozial zu rechtfertigen, denn es fehlt an der vorausgegangenen Abmahnung dieses Verhaltens. Eine Kündigung ist nicht eine Art Strafe oder Sanktion für in der Vergangenheit begangenes Unrecht, sondern sie ist dann sozial gerechtfertigt und damit möglich, wenn sich aus der Analyse des Fehlverhaltens ergibt, dass zukünftig mit weiterem Fehlverhalten zu rechnen ist; es ist also eine negative Prognose für das Verhalten erforderlich. „Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde zukünftig den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Die Abmahnung ist insoweit notwendiger Bestandteil bei der Anwendung des Prognoseprinzips“ (BAG 31.05.2007 – 2 AZR 200/06 – Privatnutzung des Internets – NZA 2007, 922 = NJW 2007, 2653 = AP Nr. 57 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung sowie im gleichen Sinne Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern 25.04.2007 – 3 Sa 294/06 – sowie ebenfalls vom 25.04.2007 – 3 Sa 295/06 -).

Wegen der fehlenden Abmahnung kann vorliegend nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass sich der Kläger zukünftig ähnlich schwerer Vertragsverletzungen schuldig gemacht hätte. Das Gericht hatte die negative Prognose ohne Abmahnung im aufgehobenen Urteil vom 13.03.2007 auf die Häufung der Vorfälle in einem relativ engen Zeitrahmen gestützt. Wenn jetzt davon ausgegangen werden muss, dass die beiden anderen Hauptvorwürfe nicht als erwiesen angesehen werden können, ist diese Möglichkeit ausnahmsweise ohne Abmahnung zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung zu kommen, verbaut.

Angesichts der offensichtlich fehlenden Führung und Kontrolle des Klägers durch seine vorgesetzte Behörde sieht sich das Gericht auch außer Stande, allein aus der Schwere der Vertragsverletzung im Falle . auf eine negative Zukunftsprognose zu schließen. Die im hiesigen Prozess zur Sprache gekommenen Vorwürfe sieht das Gericht nur als die Spitze des Eisbergs an; sie sind der derzeit aktuelle Endpunkt einer Fehlentwicklung des klägerischen Verständnisses seines Berufes, deren Beginn schon Jahre zurückliegen muss. Durch seine Sucht nach Anerkennung und Bewunderung durch die Schüler hat er schon vor Jahren den Pfad der Tugend verlassen und hat gemeint, er sei ein besserer Lehrer, wenn er die gegebenen Unterschiede zwischen Schülern und Lehrern durch ein kumpelhaftes, lockeres oder cooles Auftreten verwische. Dieser Prozess ist offensichtlich schon so weit vorangeschritten, dass dem Kläger selbst manchmal die vorhandenen Grenzen, auch die Grenzen des Anstandes und des guten Geschmacks, nicht mehr deutlich vor Augen stehen. In dieser Situation wäre es eine überzogene Reaktion, wenn man anlässlich des ersten sichtbaren Skandals aus dieser Fehlentwicklung sofort und ohne Anwendung der üblichen Künste der Personalführung zum Mittel der Kündigung greifen würde.

b) An dieser Bewertung ändert sich auch unter Hinzuziehung aller weiteren Vorwürfe, die gegen den Kläger erhoben wurden, nichts. Auch diese können daher hier als wahr unterstellt werden.

aa) Einige der Vorwürfe brauchen keiner näheren Betrachtung unterzogen werden, da sie dem Personalrat nicht als Teil des Kündigungsgrundes mitgeteilt worden sind. Insoweit wird Bezug genommen auf die beiden Anschreiben zur Beteiligung des Bezirkspersonalrats der Lehrer im Schulamt Rostock an den Kündigungen vom 03.06.2005 (Blatt 41 ff und Blatt 44 ff). Außerdem wird festgehalten, dass auch im Stufenverfahren und vor der Einigungsstelle vom beklagten Land keine weiteren Umstände in das Beteiligungsverfahren eingeführt wurden.

Das betrifft zum einen den Vorwurf, der Kläger habe der Schülerin . angeboten, sie könne ihn auch zu Hause besuchen. Auch der Vorwurf, der Kläger habe angeregt oder angewiesen, Frau . solle – wenn sie keine Sportsachen dabei habe – in Unterwäsche am Sportunterricht teilnehmen, hat im Rahmen der Personalratsbeteiligung keine Rolle gespielt. Dies gilt auch für den weiteren ebenfalls streitigen Fortgang dieses Dialogs, wo der Kläger dann gesagt haben soll, notfalls könne sie ja auch nackt am Unterricht teilnehmen (vgl. Klageerwiderung vom 17.11.2005, hier Blatt 23).

Zum anderen betrifft das den Vorwurf, der Kläger habe vor den Schülerinnen im Rahmen der allgemeinen Ansprache im Sportunterricht auch über die Art der Wäsche geredet, die heutzutage von jungen Mädchen getragen werde (vgl. Klageerwiderung vom 17.11.2005, hier Blatt 24). Auch davon ist der Personalrat nicht unterrichtet worden.

bb) Der Vorwurf, der Kläger habe der Schülerin . aus der Parallelklasse (9c) gesagt, sie habe schöne Brüste, wäre zwar wieder ein Beweis dafür, dass der Kläger die Orientierung an den Grenzen des Anstands und des guten Geschmacks wohl komplett verloren hat. Diese Aussage hätte jedoch, wenn sie tatsächlich gefallen sein sollte, nur einen geringen Unrechtsgehalt, denn die Äußerung ist nicht herabwürdigend oder anstößig. Sie wäre „nur“ für einen Lehrer völlig deplatziert und könnte daher eine Kündigung nur rechtfertigen, wenn es sich um einen Wiederholungsfall nach vorangegangener Abmahnung handeln würde.

cc) Dasselbe gilt für die Vorwürfe hinsichtlich weiterer Auffälligkeiten des Klägers im Umgang mit der Schülerin .. Wenn er ihr tatsächlich offenbart haben sollte, dass er von ihr geträumt hat, und wenn es stimmen sollte, dass er sich bei ihr selbst und in ihrem Umfeld erkundigt haben sollte, ob sie einen Freund hat, deutet auch das wieder darauf hin, dass der Kläger offensichtlich vergessen hat, was seine Rolle als Lehrer auszeichnet. Das Fehlverhalten hat jedoch ebenfalls keinen herabwürdigenden oder anstößigen Zug und kann daher nicht als schwer bewertet werden. Der in diesem Zusammenhang zusätzlich geäußerte Vorwurf, der Kläger hätte sich während des Unterrichts (!) vor F. hingekniet und habe um ihre Hand angehalten, braucht nicht näher bewertet zu werden, da er ebenfalls dem Personalrat nicht mitgeteilt worden war. Das Niederknien vor F. wird im Personalratsanschreiben nur in dem Zusammenhang mit der Frage nach dem Freund gestellt.

3. Das Gericht möchte nicht verhehlen, dass im Laufe des Rechtsstreits viele Gesichtspunkte gewahr geworden sind, die ernsthafte Zweifel an der persönlichen Eignung des Klägers zur Ausübung des Berufs des Lehrers aufkommen lassen. Das betrifft zum einen das bereits mehrfach angesprochene Selbstverständnis des Klägers in seiner Rolle als Lehrer. Zum anderen betrifft das aber beispielsweise auch die Art und Weise in der er versucht hat, auf die Aussagen der Zeuginnen P2 und B2 Einfluss zu nehmen. Sein gezeigtes Verhalten legt den Verdacht nahe, dass er seine Autorität als Lehrer missbraucht hat, um die beiden Schülerinnen in dem zu beeinflussen, was sie vor Gericht aussagen. Auch dies sieht das Gericht als einen Hinweis, dass dem Kläger gar nicht klar ist, in welcher kritischen Verantwortungsstellung er als Lehrer gerade bei den heranwachsenden Schülerinnen steht. Auch dass es der Kläger auf Basis dürftigster Beweise für nötig gehalten hat, Strafanzeige gegen seine ehemaligen Schülerinnen zu stellen, ist hier negativ aufgefallen. Nimmt man hinzu, wie sich der Kläger gewunden hat, auf einfache Frage zu seinem persönlichen Erleben einfach zu antworten, und wie er die Aufklärung des Sachverhalts durch Eröffnung unnötiger Themenfelder und allgemeiner Spekulationen über den Charakter der heutigen Jugend aktiv behindert hat, ergeben sich zusätzlich Zweifel an der persönlichen Eignung des Klägers überhaupt Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes sein zu können. Dass sich aus der Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst besondere Loyalitäts- und gar Offenbarungspflichten ergeben können, hat der Kläger offensichtlich bisher nicht begriffen.

Da all diese Verhaltensweisen nach Ausspruch der Kündigung erfolgt sind und das beklagte Land auch keinen Antrag nach §§ 9, 10 KSchG gestellt hat, müssen die Einzelheiten dieser Verdachtsmomente gegen die persönliche Eignung des Klägers hier dahinstehen. Der Kläger wäre aber gut beraten, wenn er das Obsiegen im vorliegenden Rechtsstreit nicht zum Anlass nehmen würde, die im Laufe des Rechtsstreits erkennbar gewordenen Versuche, seine bisherige Rolle als Lehrer kritisch zu überprüfen, einzustellen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land, da es den Rechtsstreit insgesamt verloren hat (§ 91 ZPO).

Zur Zulassung der Revision besteht nach wie vor kein Anlass.

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