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Kündigung – wegen zu spät kommen

LAG Mainz

Az.: 4 Sa 573/06

Urteil vom 28.09.2006

Vorinstanz: ArbG Trier, Az.: 1 Ca 403/06


1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 31.05.2006 – 1 Ca 403/06 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Berechtigung einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung. Der Kläger ist seit Juni 2004 bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt hatte er die Funktion als Werkstatt- bzw. Produktionsleiter.

Im Betrieb wird dreischichtig gearbeitet, wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 31.05.2006 verwiesen. Anlass der Beklagten für die Kündigung waren Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der Arbeitsaufnahme des Klägers. Der Kläger hat im Rahmen eines längeren Gesprächs am 13.12.2005 eine Abmahnung erhalten, deren Wortlaut ebenfalls dem angefochtenen Urteil entnommen werden kann. Mit Schreiben vom 23.02.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis, sie nahm Bezug auf die Abmahnung vom 13. Dezember 2005 und nahm das mehrfache verspätete Antreten zum Dienst zum Anlass, die Kündigung auszusprechen. Die einzelnen Zeiten der Dienstaufnahme des Klägers sind in dem Kündigungsschreiben, welches ebenfalls im arbeitsgerichtlichen Urteil wiedergegeben ist, enthalten.

Der Kläger hat mit der am 08.03.2006 eingegangenen Klage vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht, die Abmahnung sei unberechtigt gewesen, die Kündigung sozial ungerechtfertigt. Aufgrund seiner Position als Produktionsleiter habe er seine Arbeitszeit völlig frei einteilen können und demgemäß seine Pausen dann nehmen können, wenn es in dem betrieblichen Ablauf hinein gepasst habe. Es habe keine vertragliche Verpflichtung bestanden, um 6 Uhr die Arbeit aufzunehmen. Vor Erteilung der Abmahnung vom 13.12.2005 sei ihm nicht bekannt gegeben worden, dass er verpflichtet sei, die betrieblichen Pausen einzuhalten. Bei diesem Gespräch habe es sich um ein Streitgespräch gehandelt, wobei die Beteiligten unterschiedlicher Auffassung über die Rechte und Pflichten eines Mitarbeiters gewesen seien. Er habe deutlich gemacht, dass er als Produktionsleiter einen gewissen Spielraum brauche, um seine Tätigkeiten auszuüben. Außerdem könne er Aufgaben delegieren. Wenn der Produktionsablauf gesichert gewesen sei, habe er auch einige Minuten nach 6 Uhr kommen können. Die Abmahnung vom 13.12.2005 sei unwirksam, weil darin u. a. formuliert werde, er sei „beispielsweise“ an nachfolgenden Tagen zu spät gekommen, an welchen weiteren Tagen er zu spät gekommen sein sollte, wisse er nicht.

Die Kündigung sei unverhältnismäßig, insbesondere sei kein Schaden entstanden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23.02. zum 31.03.2006 nicht beendet worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31.03.2006 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, vor Erteilung der schriftlichen Abmahnung sei der Kläger mehrfach mündlich durch seine Vorgesetzten auf die Einhaltung der Pausenzeiten und das pünktliche Erscheinen am Arbeitsplatz hingewiesen worden. Im Gespräch am 13.12.2005 sei dem Kläger nochmals eindringlich vor Augen geführt worden, dass es sich bei den Schichtplänen und Festlegungen der Dienstzeiten um verbindliche Anweisungen handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 31.05.2006 verwiesen. Das Arbeitsgericht hat des Weiteren Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen J und B. Auf die Sitzungsniederschrift vom 31.05.2006 wird Bezug genommen.

In dem angefochtenen Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei entsprechend der Angaben im Kündigungsschreiben im Januar 2006 mehrfach verspätet zum Dienst erschienen und dadurch habe er seine Arbeitspflicht verletzt. Der Einwand des Klägers, er sei als Produktionsleiter in der Einteilung der Arbeitszeit frei gewesen, sei unzutreffend. Auch als Produktionsleiter sei er an die Einteilung der Arbeitszeit und die Weisung durch die Geschäftsführung gebunden. Spätestens durch die Erteilung der Abmahnung vom 13.12.2005 sei dem Kläger auch bekannt gewesen, dass die Beklagte bezüglich des Klägers auf die Einhaltung der Arbeitszeit um pünktliches Erscheinen am Arbeitsplatz insbesondere zu Beginn der Frühschicht um 6 Uhr wert lege. Die vorangegangene Abmahnung sei einschlägig. Der Kläger sei abgemahnt worden, weil er wiederholt zu spät am Arbeitsplatz erschienen sei. Die Abmahnung sei nicht unwirksam, weil es im Abmahnungsschreiben „beispielsweise“ heiße. Der Kläger überspanne die Anforderungen an die Substantiierungspflicht, wenn er aus dem Gebrauch des Wortes den Schluss ziehe, es habe noch weitere Verspätungen gegeben, die hätten konkret dargelegt werden müssen. Der Beginn der Frühschicht sei dem Kläger unstreitig bekannt. Aus der Schichteinteilung sei ihm auch bekannt gewesen, wann er zur Frühschicht eingeteilt sei. Allein hieraus folge, dass der Kläger pünktlich zur Arbeit erscheinen musste. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob entsprechend der Behauptung der Beklagten das Verhalten des Klägers zuvor mehrfach durch den Betriebsleiter und die Geschäftsführung bemängelt worden sei. Die Abmahnung mache deutlich, dass die Beklagte nicht gewillt sei, das Verhalten des Klägers weiter hinzunehmen. Darüber hinaus habe die Beweisaufnahme ergeben, dass der Geschäftsführer den Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen habe, er müsse pünktlich erscheinen. Eine ordentliche Kündigung wäre sogar dann sozial gerechtfertigt, wenn keine vorhergehende einschlägige Abmahnung vorliegen würde. Eine Abmahnung sei dann nämlich entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer zu erkennen gebe, dass er nicht willig sei, sich vertragsgetreu zu verhalten. Diese Voraussetzungen lägen vor, da der Kläger nach Ausspruch der schriftlichen Abmahnung vom 13.12. und nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung noch in der Klageschrift die Auffassung vertreten habe, als Produktionsleiter sei er völlig frei, seine Arbeitszeit einzuteilen. Die Kündigung widerspreche auch nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Das Urteil wurde dem Kläger am 28.06.2006 zugestellt. Hiergegen hat er am 24.07.2006 Berufung eingelegt. Er hat seine Berufung mit am 31.07.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Kläger greift das arbeitsrechtliche Urteil aus Tatsachen- und Rechtsgründen an. Er habe nachvollziehbar vorgetragen, dass der Arbeitsvertrag keine Regelung hinsichtlich des genauen Arbeitsbeginns enthalte und er als Produktionsleiter in der Einteilung seiner Arbeitszeit immer völlig frei gewesen sei, solange der Produktionsablauf sichergestellt sei. Probleme innerhalb des Ablaufs habe es nie gegeben, die durch die Arbeitszeiteinteilung des Klägers hervorgerufen worden wären. Die Abmahnung vom 13.12.2005 sei daher ungerechtfertigt, darüber hinaus zu unbestimmt. Er habe zu keiner Zeit gegenüber der Beklagten zu erkennen gegeben, dass er nicht willig sei, sich vertragsgetreu zu verhalten. Deshalb sei eine Abmahnung auch keinesfalls entbehrlich gewesen. Das Arbeitsgericht lasse auch den Vortrag unberücksichtigt, wonach der Kläger als Produktionsleiter die Möglichkeit habe, Aufgaben zu delegieren und von dieser Möglichkeit auch insofern Gebrauch gemacht habe, als er sich mit einem Kollegen abgesprochen habe, dass dieser Informationen aus der letzten Schicht entgegennehme und an ihn weiterleite. Das Verhalten des Klägers stelle daher weder eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten vor noch sei es unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit geeignet, Grundlage der streitgegenständlichen Kündigung zu sein. Die Beklagte habe nichts vorgetragen, ob und inwieweit der ordnungsgemäße Produktionsablauf durch das Verhalten des Klägers gestört oder gefährdet wurde.

Der Kläger beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23.02.2006 zum 31.03.2006 nicht beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 31.03.2006 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte und Berufungsbeklagte trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 31.05.2006 zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 28.09.2006.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO).

Das Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II.

Die Berufungskammer folgt uneingeschränkt und vollständig dem ausführlich und sorgfältig begründeten Teil des angefochtenen Urteils. Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen würden. Eine erneute Wiedergabe der Entscheidungsbegründung ist daher entbehrlich (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei der Kläger kurz auf Folgendes hinzuweisen:

Wenn der Kläger nach wie vor die Auffassung vertritt, er habe durch Delegation von Aufgaben seiner Arbeitspflicht Genüge getan, verkennt er, dass es nicht seine Sache ist, im abhängigen Beschäftigungsverhältnis die Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis zu bestimmen, soweit der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts ihm bestimmte Verhaltensweisen vorschreibt. Die Beklagte hat ihr Direktionsrecht zulässigerweise dahin ausgeübt, dass sie dem Kläger die Verpflichtung aufgegeben hat, die im Übrigen im Arbeitsvertrag nicht näher bezeichneten Zeiten der Arbeitsaufnahme, die sich zwanglos aus dem Schichtplan ergeben, als verbindlich vorzuschreiben. Dies steht aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Arbeitsgerichts fest. Weiter ist es für die Feststellung von Vertragsverstößen nicht erforderlich, dass diese zu einer Gefährdung oder einer Schädigung von Interessen des Arbeitgebers geführt haben. Allein der Umstand, dass vertraglich verbindliche Anweisungen nicht befolgt werden, stellt eine Vertragspflichtverletzung dar. Denn im Übrigen hat es der Kläger nicht zu bestimmen, in welcher Art der Betrieb der Beklagten organisiert wird, wenn ihm gegenteilige Weisungen der zuständigen Geschäftsführer bekannt sind.

Spätestens nach dem Gespräch am 13.12.2005 und nach dem erhalt der schriftlichen Abmahnung, die dem Kläger eindringlich vor Augen geführt hat, dass eine weitere Nichteinhaltung der vertraglich vorgegebenen Zeiten der Arbeitsaufnahme zu einer Kündigung führen können, hätte es dem Kläger klar sein müssen, dass er sich künftig peinlichst genau nach den Vorgaben der Beklagten zu halten hatte. Der Umstand, dass er bis zur Kündigung in einem relativ kurzen Zeitraum wiederum in häufiger Zahl den Beginn der Arbeitszeit nicht eingehalten hat, zeigt, dass der Kläger nicht willens ist, die verbindlichen Anweisungen der Beklagten zu befolgen.

Damit sind dem Kläger wiederholt Verspätungen bei der Arbeitsaufnahme vorzuhalten, die nach vorheriger Abmahnung grundsätzlich dazu geeignet sind, eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial zu rechtfertigen. Abwägungsgesichtspunkte, die zugunsten des Klägers das Interesse am Erhalt seines Arbeitsplatzes höher anzusetzen haben als das Interesse der Beklagten, sich von dem Mitarbeiter trennen zu können, der als Produktionsleiter auch eine gewisse Vorbildsfunktion hat, sind nicht ersichtlich.

Dem Kläger kann auch weiter nicht gefolgt werden, dass die Abmahnung vom 13.12.2005 zu unbestimmt wäre. Andere als die dort unstreitig vorliegenden Fakten der verspäteten Arbeitsaufnahme sind nicht Gegenstand des Abmahnungsschreibens, sie werden es auch nicht dadurch, dass die Beklagte in dem Abmahnungsschreiben das Wörtchen „beispielsweise“ verwendet hat. Ersichtlich sind weitere als die dort gerügten Fehlverhalten nicht Gegenstand der Abmahnung gewesen.

Da die Abmahnung einschlägig war, dem Kläger bekannt war, welche Art der Arbeitsausführung die Beklagte von ihm verlangte, er sich dieser Weisung nachhaltig widersetzt hatte, war die ausgesprochene ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt, weil sie in dem Verhalten des Klägers bedingt war.

Die gegen die entsprechende Entscheidung des Arbeitsgerichts gerichtete Berufung des Klägers musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO der Zurückweisung unterliegen.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

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