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Kündigung (fristlose) – Annahmeverzugslohn

Hessisches Landesarbeitsgericht

Az.: 8 Sa 548/08

Urteil vom 17.09.2008

Vorinstanz: : Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Az.: 17 Ca 7464/07


In dem Berufungsverfahren hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 8, in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2008 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 12. März 2008 – 17 Ca 7464/07 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen und einer hilfsweise ordentlichen Kündigung sowie über Annahmeverzugslohnansprüche.

Die am 17. August 1932 geborene, unverheiratete Klägerin steht seit 1999 als Sachbearbeiterin in den Diensten der beklagten Xxxx. Ihr Lebensgefährte, mit dem sie in häuslicher Gemeinschaft lebt, ist ebenfalls bei der Beklagten angestellt.

Die Beklagte bietet ihren Mitarbeitern an, nach vorheriger Anmeldung gegen eine Monatspauschale in Höhe von € 50,22 an der Mittagsverpflegung in der Kantine teilzunehmen. Die von der Beklagten ausgegebene Zutrittskarte des Mitarbeiters wird dann für die tägliche Kantinennutzung freigeschaltet. Bei Teilnahme an der Kantinenverpflegung erstattet die Beklagte dem Betreiber jeweils € 3,18. Das Mittagessen erhalten die Teilnehmer, indem sie ihre Zutrittskarte an die Kartenleser der jeweiligen Essensstationen halten. Erfolgt keine Teilnahme an der Mittagsverpflegung, erhalten angemeldete Arbeitnehmer keine Erstattung. Der Kantinenbetreiber hat für seine Kosten einkalkuliert, dass jeden Tag die Mittagsverpflegung in Anspruch genommen wird. Für Mitarbeiter, die nicht angemeldet sind besteht die Möglichkeit, Geldbeträge auf die Zutrittskarte zu laden und in der Kantine ein Gästeessen zu einem Preis von mindestens € 10,00 einzunehmen.

Die Klägerin hatte bis Januar 2003 an der Mittagsverpflegung teilgenommen und sich danach nicht wieder angemeldet. Ihr Lebensgefährte war angemeldet. Während der Lebensgefährte der Klägerin krankheitsbedingt zu Hause blieb, nahm die Klägerin in der Zeit vom 27. August bis 04. September 2007 unter Nutzung von dessen freigeschalteter Zutrittskarte an der betrieblichen Mittagsverpflegung teil.

Am 14. September 2007 kündigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag fristlos. Am 02. Oktober 2007 kündigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag vorsorglich und hilfsweise ordentlich zum 31. März 2008.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es seien keine Kündigungsgründe gegeben. Sie habe keine Kenntnis der genauen Kalkulation und Bezuschussung der Essen gehabt und habe nur die bereits von ihrem Lebensgefährten bezahlten Mittagessen einnehmen wollen. Weiter hat sie die ordnungsgemäße Beteiligung des bei der Beklagten bestehenden Personalrats bestritten.

Sie verlangt aus Annahmeverzug die Zahlung der Vergütung für die Monate Oktober und November 2007 sowie die tarifliche Sonderzulage.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. September 2007 nicht aufgelöst worden ist;

weiter festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25. September 2007 nicht aufgelöst worden ist;

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 3.385,00 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.277,10 netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Oktober 2007 zu zahlen;

die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin € 3.385,00 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.277,10 netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. November 2007 zu zahlen;

die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin 3.385,00 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Dezember 2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, durch den Einsatz der Zutrittskarte ihres Lebensgefährten während dessen krankheitsbedingter Abwesenheit in der Zeit vom 27. August 2007 bis zum 04. September 2007 zur Teilnahme an der betrieblichen Mittagsverpflegung, habe sie schwerwiegend gegen ihre Pflichten verstoßen. Sie habe gewusst, dass eine Teilnahme an der Kantinenverpflegung nur nach Anmeldung möglich ist. Sie verweist auf ihre Bekanntmachung zur Teilnahme an der betrieblichen Mittagsverpflegung (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 30. Oktober 2007, Bl. 36 d.A.). Der Personalrat sei zu den Kündigungen, wie sich aus der schriftlichen Anhörung ergebe, ordnungsgemäß angehört worden. Das Verhalten der Klägerin stelle einen Betrug dar. Die Beklagte habe jegliches Vertrauen in sie verloren.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit Urteil vom 12. März 2008, auf das Bezug genommen wird.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 17. September 2008 verwiesen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte habe einen vollendeten Betrug begangen und auch den Straftatbestand des Erschleichens von Leistungen (§ 265 a StGB) verwirklicht. Die Klägerin habe gewusst, dass die Zutrittskarte nicht weitergegeben und Zutrittskarten Dritter nicht benutzt werden dürften. Einer Abmahnung habe es angesichts der schweren Pflichtverletzung und angesichts eines vollendeten Vermögensdelikts nicht bedurft.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. März 2008 – 17 Ca 7464/07 – die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie habe die Zutrittskarte ihres Lebensgefährten nicht genutzt um sich Zutritt zum Gebäude der Beklagten zu verschaffen und sie auch nicht hinsichtlich der Zeiterfassung verwendet. Dafür habe sie ihre eigene Zutrittskarte verwendet. Sie würde auch niemals die Zutrittskarte externen Dritten überlassen. Sie habe lediglich die Zutrittskarte eines Kollegen, der krankheitsbedingt ausfiel, genutzt, um an seiner Stelle das von ihm vorab angemeldete und bezahlte Mittagessen einzunehmen. Ihr sei nicht ersichtlich gewesen, dass es ihr verboten wäre, die von ihrem Lebensgefährten bezahlten Speisen aufgrund der Verhinderung ihres Lebensgefährten in Anspruch zu nehmen. Sie sei davon ausgegangen, dass das Geld für das Essen bezahlt ist und sie berechtigt gewesen sei es für sich in Anspruch zu nehmen. Nachdem die Beklagte nunmehr klargestellt habe, dass sie die Übertragung und Nutzung der Zutrittskarte in der Kantine unter Kollegen nicht wünscht, werde sie ein entsprechendes Verhalten in der Zukunft natürlich unterlassen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht als begründet angesehen. Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden Gründen des Arbeitsgerichts.

Auf die Angriffe der Berufung ist festzuhalten:

Wie das Arbeitsgericht zutreffend und mit Bezug auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgeführt hat, war im vorliegenden Fall vor Ausspruch einer Kündigung eine erfolglose Abmahnung erforderlich. Es war entschuldbar, wenn die Klägerin glaubte, dass sie die Mittagsverpflegung anstelle ihres erkrankten Lebensgefährten in Anspruch nehmen durfte unter Nutzung von dessen Zutrittskarte – ausschließlich – zu diesem Zweck. Sie musste auch nicht annehmen, dass dadurch irgendjemandem ein Schaden entstehen würde. Aus den bekannt gegebenen Bedingungen zur Teilnahme an der betrieblichen Mittagsverpflegung, auf die sich die Beklagte beruft, geht dies jedenfalls nicht klar hervor. Dabei kann unterstellt werden, dass die auf den 12. Oktober 2007 – also auf einen Zeitpunkt nach der Kündigung der Klägerin – datierten Bedingungen mit gleichem Inhalt auch früher bekannt gemacht worden waren. Aus den Nutzungsbedingungen geht der Zeitpunkt von An- und Abmeldungen und die zuständige Stelle hervor. Weiter heißt es u.a.:

„3. Die Monatspauschale für das Mittagessen beträgt zurzeit € 50,22. Hierbei ist bereits ihr Urlaubsanspruch berücksichtigt, sodass Abmeldungen für die Zeit Ihres Urlaubs nicht zulässig sind. Für Zeiträume, für die Krankengeld bezogen wird, findet keine Belastung statt.

4. Ihr Mittagessen erhalten Sie, indem Sie Ihre Zutrittskarte an die Kartenleser der jeweiligen Essensstationen halten. …

5. Bitte bedenken Sie, dass die Pauschale von € 50,22 nicht einmal den Materialeinsatz deckt. Deshalb bitten wir darum, dass sich jeder MitarbeiterIn – der/die zum Mittagessen angemeldet ist – neben seinem Menü nur einen Nachtisch oder ein Stück Obst nimmt.

6. Selbstverständlich können MitarbeiterInnen, die nicht zum Essen angemeldet sind und somit keinen Anspruch auf Kasinoleistungen haben, auch kein Obst oder Nachtisch nehmen.

Denken Sie bitte daran, dass Sie durch Ihr Verhalten den Essenspreis ebenso maßgeblich mit beeinflussen wie die Beibehaltung der bisher praktizierten Freizügigkeit. …“

Daraus geht unmissverständlich und mit kaum zu überbietender Deutlichkeit hervor, wie bei Obst und Nachtisch zu verfahren ist. Daraus geht nicht hervor, dass Abwesenheitszeiten und Nichtinanspruchnahme der Mittagsverpflegung in die Essenspreise einkalkuliert sind und die Nutzung der Freischaltung eines angemeldeten Kollegen verboten ist. Letzteres mag man sich bei näherer Überlegung und Befassen mit der Thematik zwar denken können. Es ist aber keineswegs offensichtlich. Wenn die Beklagte so deutliche Hinweise hinsichtlich des Umgangs mit Obst und Nachtisch gibt, wäre auch zu erwarten gewesen, dass sie der nahe liegenden Auffassung, mit der Monatspauschale sei eine bestimmte Anzahl von Essen bezahlt, die nicht nur der Angemeldete in Anspruch nehmen kann, ausdrücklich entgegentritt. Auf jeden Fall handelt es sich nicht um eine solche Pflichtverletzung, bei der eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist.

Soweit die Beklagte meint, die Klägerin habe strafbare Handlungen begangen, fehlt es jedenfalls an der subjektiven Tatseite. Nach dem oben Ausgeführten ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin vorsätzlich einen Irrtum erregen wollte (bei wem?) und den Vorsatz hatte, das Vermögen der Beklagten zu schädigen. Ein solcher Vorsatz wäre nur möglich gewesen, wenn die Klägerin den Bewirtschaftungsvertrag zwischen der Beklagten und der Kantinenbetreiberin gekannt hätte und diesem weiterhin hätte entnehmen können, dass der Essenszuschuss von € 3,18 abhängig von der jeweiligen Zahl der Nutzer der Mittagsverpflegung ist. Inwieweit die Betreiberin möglicherweise geschädigt wurde ist ebenfalls nicht ohne weiteres klar.

Aber auch der objektive Tatbestand des § 263 StGB ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirklicht. Eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB kann nur dadurch erfolgen, dass auf die Vorstellungen einer natürlichen Person eingewirkt wird. Dafür ist hier nichts ersichtlich. Ein Kartenleser kann nicht getäuscht werden. Auch das Erschleichen einer Leistung im Sinne des § 265 a StGB liegt nicht vor. Nur das Erschleichen bestimmter Leistungen ist dort unter Strafe gestellt. In Betracht käme nur der Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung. Die Kantine war unstreitig für die Klägerin frei zugänglich. Auch hier würde es im Übrigen an der subjektive Tatseite mangeln.

Auch die Strafvorschrift des § 281 StGB ist nicht verwirklicht. Die Zutrittskarte ist zwar ein Ausweispapier. Die Beklagte hat die Zutrittskarte ihres Lebensgefährten aber nicht wie die Strafvorschrift verlangt als Ausweispapier verwendet und nicht zur Identitätstäuschung eingesetzt. Sie hat lediglich die Freischaltung auf der Zutrittskarte am Kartenleser der Essensstation verwendet. Selbst wenn man annimmt, dass eine Identitätstäuschung dadurch gegeben ist, dass der Name später ausgelesen wurde und ausgelesen werden konnte, fehlte es aber wiederum an subjektiven Tatbestand. Dafür, dass die Klägerin wusste, dass bei Verwendung der Freischaltung am Automaten auch die Identität festgestellt werden kann, ist nichts ersichtlich.

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Im Übrigen erachtet die Kammer eine Kündigung, sei sie außerordentlich oder ordentlich, im Hinblick auf die Beschäftigungsdauer und dem Gewicht der vorgeworfenen Pflichtverletzung als unverhältnismäßig.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sie erfolglos blieb.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.

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