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Kündigung (betriebsbedingte) – vorübergehender Arbeitsrückgang

ArbG Dessau-Roßlau

Az.: 10 Ca 77/09

Urteil vom 18.06.2009


1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. Januar 2009 nicht aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.

4. Der Streitwert wird auf 11.583,24 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine betriebsbedingte Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der am 1969 geborene Kläger ist seit dem 30.06.2006 bei der Beklagten als Teamleiter beschäftigt. Sein letzter Bruttomonatsverdienst betrug 1.645,81 €.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer vollzeitig ausschließlich der Auszubildenden.

Bei der Beklagten wurde im Dezember 2007 ein sogenanntes Betriebsvertretungsteam gewählt. Insoweit wird auf das Schreiben der Beklagten vom 27.11.2007 und die Wahlausschreibung Bezug genommen (Bl. 106 f. d. A.). Im November 2008 wurde ein Wahlvorstand für eine Betriebsratswahl gewählt. Eine Betriebsratswahl fand jedoch nicht mehr statt.

Die Beklagte stellt Dünnschichtsolarmodule her. Sie erhielt Fördermittel des Landes Sachsen-Anhalt.

Mit Schreiben vom 23.12.2008 wandte sich die Beklagte an die Investitionsbank Sachsen-Anhalt mit dem Ziel, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten.

In dem Schreiben führte die Beklagte u. a. Folgendes aus:

„ Auf Grund der oben beschriebenen Entwicklungen befindet sich die C. in einer schwierigen Situation. Die C. beabsichtigt deshalb, die Produktion auf ein notwendiges Maß zu reduzieren, um den Liquiditätsverlust zu minimieren. Hierbei soll jedoch eine Kernmannschaft erhalten werden, die sich darauf konzentriert, die Produktionsstückkosten durch alternative Material- und Maschinenqualifizierung erheblich zu reduzieren. In der bestehenden Produktionslinie wird daher ein minimaler Betrieb aufrechterhalten, der gewährleistet, dass die Entwicklung an leistungsstärkeren Modulen konzentriert vorangetrieben werden kann. Nach erfolgreichem Abschluss dieser Tätigkeiten in 2009 ist geplant, eine Erweiterung der bestehenden Produktionslinie unter Verwendung des größten Teils der bestehenden Maschinenparks zu errichten, die in der Lage sein wird, die erforderlichen Stückzahlen mit höherer Leistung zu produzieren. Eine solche Erweiterung kann frühestens in der 2. Jahreshälfte 2009 in Auftrag gegeben werden und würde ihre volle Kapazität in der 2. Jahreshälfte 2011 erreichen.

Der damit verbundene geplante Personalabbau sieht vor, von insgesamt 164 Mitarbeitern 122 Mitarbeiter betriebsbedingt zum 31.12.2008 zu kündigen, so dass 42 Mitarbeiter am Standort verbleiben könnten. Die C. strebt jedoch an, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, die betroffenen Mitarbeiter über eine Transfer-Gesellschaft bei Partnerfirmen im „S.V.“ oder der Region zu platzieren.

Trotz dieser Maßnahmen ist das Überleben der C. noch nicht abschließend gesichert.

Die C. bittet die Investitionsbank des Landes Sachsen-Anhalt darum, aufgrund der geplanten Personalmaßnahme vorerst keine Rückforderung der Fördermittel zu verlangen, sondern einer temporäre Verschiebung der Erfüllung der Arbeitsplatzziele aufgrund der geschilderten marktstrukturellen Veränderungen von maximal 27 Monaten nach Ziffer 4.2.2. des GA-Rahmenplans zuzustimmen. Eine Rückforderung der erhaltenen GA Mittel würde unmittelbar zur Insolvenz der C. führen. Eine temporäre Verschiebung der Dauerarbeitsplatzverpflichtung für die erhaltenen GA Mittel jedoch versetzt die Firma in die Lage, das vorhandene Know-how in eine wettbewerbsfähige zukünftige Produktion umzusetzen. Die C. plant nach einer Optimierungsphase von 15 Monaten, über einen Zeitraum von weiteren 12 Monaten 74 Dauerarbeitsplätze wieder einzurichten. Daher beantragen wir, die Arbeitsplatzverpflichtungen für den Zeitraum vom 01.04.2009 – 31.06.2010 auf 42 rechnerische Arbeitsplätze zu reduzieren und dann über 9 Monate die Dauerarbeitsplatzverpflichtung wieder auf die Summe von 74 plus 42 = 116 DAP hochzufahren (bis zum 31.06.2011).

Die C. sichert zu, dass der Nachweis-Zeitraum über die jeweils restliche Zeit des fünfjährigen Überwachungszeitraums nach voller Wiederaufnahme der Produktion für die durch Förderbescheide festgelegten 74 gesicherten Dauerarbeitsplätze (Errichtungsinvestition) und 42 neuen Dauerarbeitsplätze (Erweiterungsinvestition) nachgeholt wird und für die restliche Überwachungszeit die vorgenannte Verpflichtung erfüllt wird. Für die Erweiterungsinvestition mit 42 neuen Arbeitsplätzen ist eine Kompatibilität mit der o. g. zu erhaltenden Summe an Arbeitsplätzen gegeben. Insofern betrifft die Reduzierung „nur“ die aus der Errichtungsinvestition stammenden Dauerarbeitsplätze. Ein Nachweis der 74 Dauerarbeitsplätze über einen Zeitraum von inzwischen über 3 Jahren ist jedoch problemlos möglich, so dass die dreijährige Überwachungsfrist für KMU aus den neuen Regionalleitlinien bereits nachgewiesen werden kann. Selbstverständlich sichern wir (nach Unterbrechung der Überwachungsfrist um die o. g. Zeit) einen Nachweis über den Zeitraum von 5 Jahren zu, aber möchten damit die Relevanz der Arbeitsplatzreduzierung beleuchten.

Darüber hinaus benötigt die C. für die Zeit des erfolgreichen Umsetzens der Technologieänderungen Kapital, um die verbleibenden 42 Arbeitsplätze zu finanzieren.“

Wegen des Schreibens wird im Übrigen auf Bl. 165 ff. d. A. verwiesen.

Mit Schreiben vom 29.01.2009, das dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betriebsbedingten Gründen zum 30.04.2009. Wegen des Kündigungsschreibens wird auf Blatt 29 der Akte verwiesen.

Mit seiner am 12.02.2009 beim Arbeitsgericht Dessau-Roßlau eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die ausgesprochene Kündigung.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Er bestreitet das Vorliegen betriebsbedingter Gründe.

Der Kläger bestreitet das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung, die zur Kündigung des Klägers geführt hat.

Der Kläger meint, die Produktion der Beklagten sollte nur gedrosselt werden. Der Kläger trägt in diesem Zusammenhang vor, auf einer Betriebsversammlung am 29.12.2008 habe das Vorstandsmitglied v.B. der Beklagten erklärt, es sei lediglich ein sechsmonatiger Produktionsstopp beabsichtigt. Im Übrigen werde auch in der Zwischenzeit bei der Beklagten nicht nur geforscht, sondern weiter produziert.

Der Kläger verweist ferner darauf, dass die Beklagte widersprüchliche Angaben zur Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer mache. Es werde einmal von 140 Arbeitnehmern, dann von 164 Arbeitnehmern und in der Massenentlassungsanzeige von 116 Arbeitnehmern gesprochen.

Der Kläger meint des Weiteren, die Beklagte habe zur Auswahlentscheidung betreffend die im Unternehmen verbleibenden Arbeitnehmer nicht ausreichend vorgetragen. Der Kläger hält sich für vergleichbar mit im Unternehmen verbliebenen Arbeitnehmern. Wegen des insoweit erfolgten Vortrages wird auf den Schriftsatz der Klägervertreter vom 22.05.2009 (Blatt 149 ff. der Akte) Bezug genommen.

Der Kläger bestreitet schließlich das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige. Er ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, die Beklagte hätte vor der Massenentlassungsanzeige nach der Richtlinie 89/59 EG das Betriebsvertretungsteam als Arbeitnehmervertretung konsultieren müssen, da die Beklagte das Betriebsvertretungsteam wie einen Betriebsrat behandelt habe.

Der Kläger ist weiter der Ansicht, die Massenentlassungsanzeige der Beklagten müsse verspätet bei der Agentur für Arbeit eingegangen sein. Er meint ferner, die Beklagte habe die gesetzliche Sperrfrist nicht beachtet. Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers zur Problematik der Massenentlassungsanzeige wird auf den Schriftsatz der Klägervertreter vom 22.05.2009 (Blatt 136 ff. der Akte) verwiesen.

Der Kläger begehrt schließlich seine Weiterbeschäftigung und verlangt eine Entschädigung für den Fall, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung hierzu nicht nachkommt.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29. Januar 2009 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1) zu den im Arbeitsvertrag vom 23./26. Juni 2006 sowie der Anlage zum Arbeitsvertrag vom 23. Juli 2007 als Teamleiter in C.-Stadt bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

3. Kommt die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Klägers nicht innerhalb einer Frist von einer Woche nach Zustellung der Entscheidung nach, wird sie verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 5.000,00 €, hilfsweise eine ins Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt.

Die Beklagte behauptet, es sei ihr nicht gelungen, eine kostendeckende Produktion zu erreichen. Sie behauptet ferner, sie habe im Jahre 2008 95 % ihrer Produktion an die Firma Q-C geliefert. Der Liefervertrag mit dieser Firma sei bis zum 31.12.2008 befristet gewesen und nicht verlängert worden.

Die Beklagte behauptet des Weiteren, ihr Vorstand habe deshalb den Aufsichtsrat in der Aufsichtsratsitzung am 05.12.2008 über die Notwendigkeit informiert, die Produktion einzustellen und die Arbeitsverträge von ca. 140 Mitarbeitern kündigen zu müssen. Lediglich für Forschungszwecke sollten die Produktionsanlagen weiter benutzt werden mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der CSG-Produkte langfristig herzustellen.

Die Beklagte behauptet ferner, per E-Mail vom 12.12.2008 habe der Vorstandsvorsitzende der Beklagten dann von allen Aufsichtsratsmitgliedern im schriftlichen Verfahren per E-Mail deren Zustimmung zu dieser Maßnahme eingeholt. Die Beklagte legt hierzu die E-Mail des Vorstandsvorsitzenden vom 12.12.2008 vor, die in englischer Sprache abgefasst wurde. Insoweit wird auf Blatt 93 der Akte verwiesen. Hinsichtlich der Antwort-E-Mails der Vorstandsmitglieder wird auf Blatt 94 ff. der Akte verwiesen.

Die Beklagte behauptet, am 16.12.2008 sei die Massenproduktion eingestellt worden, für Forschungszwecke seien lediglich 8 Arbeitnehmer erforderlich, die im Betrieb blieben. Hinsichtlich der Auswahl dieser 8 Arbeitnehmer legt die Beklagte ein Memo vom 22.01.2009 vor, wegen dessen Inhalt auf Blatt 101 ff. der Akte verwiesen wird.

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Die Beklagte ist der Ansicht, das Betriebsvertretungsteam sei kein Betriebsrat im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes und daher vor Ausspruch der Kündigung auch nicht anzuhören gewesen.

Die Beklagte trägt hierzu weiter vor, nach der konstituierenden Sitzung des Betriebsvertretungsteams am 18.12.2007 sei ein vorgesehenes Statut nicht mehr zustande gekommen.

Die Beklagte behauptet, sie habe die Massenentlassung ordnungsgemäß angezeigt. Mit Schreiben vom 02.02.2009 habe die Agentur für Arbeit …Stadt den rechtswirksamen Eingang der Anzeige der Beklagten am 20.01.2009 bestätigt. Wegen dieses Schreibens wird auf Blatt 109 der Akte verwiesen. Mit Bescheid vom 13.02.2009 habe der Ausschuss für anzeigepflichtige Entlassungen bei der Agentur für Arbeit der angezeigten Entlassung von 116 Arbeitnehmern mit Ablauf des 30.04.2009 zugestimmt. Wegen dieses Bescheides wird auf Blatt 110 der Akte verwiesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger hat die Kündigung rechtzeitig im Sinne des § 4 Satz 1 KSchG, das hier anwendbar ist, angegriffen.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 29.01.2009 nicht zum 30.04.2009 aufgelöst worden, da die betriebsbedingte Kündigung nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Absatz 2 KSchG ist.

Betriebliche Erfordernisse zu einer Kündigung können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Umständen ergeben. Diese Umstände reichen jedoch für eine betriebsbedingte Kündigung erst aus, wenn sie greifbare Formen angenommen haben (BAG, AP-Nr. 19 zu § 1 KSchG). Dies ist dann der Fall, wenn zur Zeit des Zugangs der Kündigungserklärung aufgrund betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse vorhersehbar ist, dass für die Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer bei Ablauf der Kündigungsfrist ein Bedürfnis nicht mehr besteht, wenn also durch die Umstände Arbeitsplätze im Betrieb entfallen (BAG, AP-Nr. 6, 24 zu § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung).

Maßgeblich für die Prüfung der streitbefangenen Kündigung auf ihre soziale Rechtfertigung ist daher, ob durch innerbetriebliche Maßnahmen oder außerbetriebliche Umstände der Arbeitsplatz eines oder mehrerer Arbeitnehmer im Betrieb entfällt. Beim Streit um die Kündigung ist daher nicht maßgeblich entscheidend, warum der Arbeitsplatz entfallen ist, sondern der Nachweis, dass er entfallen ist. Erst wenn feststeht, dass ein Bedürfnis für die Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr besteht, kann eine Betriebsbedingtheit der Kündigung bejaht werden (BAG, AP-Nr. 8 zu § 13 KSchG).

Für die Arbeitsgerichte ist deshalb überprüfbar, welche Auswirkungen unternehmerische Entscheidungen im betrieblichen Bereich haben, ob und in welchem Umfang Arbeitsplätze ganz oder teilweise dadurch entfallen (BAG, AP-Nr. 6, 14, 22 zu § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung).

Gemäß § 1 Absatz 2 Satz 4 KSchG hat der Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, ohne dass eine andere Beschäftigung möglich oder zumutbar ist (BAG, AP-Nr. 4 zu § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung).

Dieser Darlegungslast ist die Beklagte hier nicht ausreichend nachgekommen.

Es fehlt hier bereits an einem ordnungsgemäßen Beweisantritt zu der von der Beklagten behaupteten unternehmerischen Entscheidung vom 05.12.2008. Die Beklagte hat insofern lediglich die englischsprachige E-Mail des Vorstandsvorsitzenden vom 12.12.2008 in Kopie vorgelegt. Nach § 184 GVG ist Gerichtssprache deutsch, so dass die Vorlage einer fremdsprachigen E-Mail keinen ordnungsgemäßen Beweisantritt darstellt. Es fehlt auch insgesamt am Vortrag der Beklagten, wann die unternehmerische Entscheidung in welcher Art und Weise zu dem im Prozess vorgebrachten Konzept gefallen ist. Es ist nicht erkennbar, dass zum Zeitpunkt der behaupteten unternehmerischen Entscheidung am 05.12.2008 bereits ein entsprechendes Konzept vorgelegen hat. Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass zum damaligen Zeitpunkt schon die im Prozess behauptete Reduzierung der Produktion zu Forschungszwecken Gegenstand der unternehmerischen Entscheidung war.

Da das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung und eines damit verbundenen tragfähigen Konzepts hier nach den obigen Ausführungen nicht ordnungsgemäß dargelegt wurde, ist die Kündigung bereits aus diesem Grund sozial ungerechtfertigt.

Im Übrigen ist die vorliegende Kündigung auch sozial ungerechtfertigt, da sie wegen des nur vorübergehenden Arbeitsrückgangs wegen Verstoß gegen das ultima ratio-Prinzip unwirksam ist.

Bei einer Produktionseinschränkung ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber die Entlassung durch die Einführung von Kurzarbeit hätte vermeiden können (BAG, Urteil vom 25.06.1964 – 2 AZR 382/63). Liegen im konkreten Einzelfall die Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit vor, so ist diese im Hinblick auf die Beendigungskündigung nicht nur eine mildere Maßnahme, sondern es fehlt der für eine Beendigungskündigung notwendige Dauermangel der Arbeitsmenge. Die Frage, ob materiell-rechtlich ein nur vorübergehender Arbeitsmangel vorlag, dem mit Kurzarbeit hätte begegnet werden können, ist uneingeschränkt nachprüfbar. Hierbei ist Kurzarbeit nur bei einem nach Beurteilung des Arbeitgebers vorübergehenden Arbeitsmangel angezeigt, es muss davon auszugehen sein, dass in absehbarer Zeit wieder Arbeit zur Verfügung steht (Erfurter Kommentar, 9. Auflage, § 1 KSchG Rd-Nr. 287 f., KR 8. Auflage, § 1 KSchG Rd-Nr. 531).

Aus dem Schreiben der Beklagten vom 23.12.2008 an die I.Bank Sachsen-Anhalt geht hervor, dass nach Beurteilung der Beklagten ein vorübergehender Arbeitsmangel vorgelegen hat. Aus dem Schreiben wird deutlich, dass die Beklagte nach der Drosselung der Produktion in der zweiten Jahreshälfte 2009 eine Erweiterung der Produktion beabsichtigte, die ihre volle Kapazität in der zweiten Jahreshälfte 2011 erreichen würde. Damit steht fest, dass die Beklagte selbst am 23.12.2008 davon ausging, die Produktion nur vorübergehend zurückzufahren und in der nahen Zukunft diese wieder voll aufzunehmen. Somit liegt nur ein vorübergehender Arbeitsmangel vor, dem mit Kurzarbeit hätte begegnet werden können. Hierbei ist zu beachten, dass im Rahmen der Wirtschaftskrise durch den Gesetzgeber die Möglichkeit des Bezugs von Kurzarbeitergeld auf bis zu 2 Jahre verlängert wurde. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber den Arbeitgebern im Hinblick auf die Kosten der Kurzarbeit weit entgegengekommen, weil bei Qualifizierungsmaßnahmen der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit dem Arbeitgeber keine Kosten durch die Kurzarbeit entstehen. Die Erleichterungen durch den Gesetzgeber sind gerade für Betriebe gedacht, die unter der derzeit weltweit herrschenden Wirtschaftskrise leiden. Die Beklagte ist aufgrund ihres Geschäftscharakters ein Unternehmen, das von der Krise besonders betroffen ist. Gerade für solche Unternehmen soll nach dem Willen des Gesetzgebers vorrangig Kurzarbeit eingeführt werden, bevor es zu Entlassungen kommt.

Nach den Aussagen des Schreibens der Beklagten vom 23.12.2008 lagen die Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit wegen eines vorübergehenden Arbeitsmangels vor. Es ist nicht erkennbar, dass sich in dem Zeitraum nach dem 23.12.2008 bis zum Ausspruch der Kündigung hier wesentliche Änderungen vollzogen haben. Daher muss auch zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch von einem vorübergehenden Arbeitsmangel ausgegangen werden. Nach alledem wäre hier die Einführung von Kurzarbeit das mildere Mittel im Vergleich zur Beendigungskündigung gewesen. Soweit das BAG in seinen Entscheidungen vom 04.03.1986 – 1 ABR 15/84 und 11.09.1986 – 2 AZR 564/85 ausgeführt hat, die Arbeitsgerichte könnten im Kündigungsschutzprozess nicht überprüfen, ob eine ausgesprochene Kündigung durch die Anordnung von Kurzarbeit hätte vermieden werden müssen, wenn der Betriebsrat von seinem Initiativrecht zur Einführung von Kurzarbeit keinen Gebrauch mache, liegt der Fall hier anders. Ein nach den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes gewählter Betriebsrat besteht bei der Beklagten nicht. Insofern kann nicht auf das Initiativrecht des Betriebsrates bei Einführung von Kurzarbeit abgestellt werden. In den vom BAG zu entscheidenden Fällen hatte der Betriebsrat jeweils die Einführung von Kurzarbeit abgelehnt. In dieser Situation sah das BAG keine Möglichkeit, dem Arbeitgeber die Einführung von Kurzarbeit als milderes Mittel vorzuhalten. Hier liegt der Fall jedoch anders, da ein Betriebsrat nicht existiert. Die Beklagte hätte hier nach Auffassung des Gerichts von sich aus die Einführung von Kurzarbeit prüfen müssen, bevor sie zum letzten Mittel der betriebsbedingten Kündigung greift.

Es kann dahinstehen, ob die Unwirksamkeit der Kündigung auch aus anderen Gründen folgt.

Hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrages des Klägers ist die Klage jedoch unbegründet.

Zur Begründung seines Antrags hat sich der Kläger im vorliegenden Fall allein auf den Beschluss des großen Senates des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1985 (AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) berufen. Soweit der große Senat des Bundesarbeitsgerichtes in dem genannten Beschluss einen allgemeinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses anerkennt, überschreitet er jedoch die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung und verstößt damit gegen Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (vgl. LAG Köln, LAGE Nr. 17 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

Unter dem Grundgesetz sind der richterlichen Rechtsfortbildung durch den Grundsatz der Rechts- und Gesetzesbindung des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz Grenzen gezogen.

Mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung müssen einer solchen schöpferischen Rechtsfindung enge Grenzen gezogen werden. Die Gerichte dürfen keinen eigenen rechtspolitischen Willen zur Geltung bringen, sondern lediglich Grundgedanken der von der Verfassung geprägten Rechtsordnung mit systemimmanenten Mitteln weiterentwickeln (BVerfGE 34, 269, 292).

Die Gerichte sind nur befugt, das Recht zu finden, nicht es zu erfinden. Wenn das Bundesverfassungsgericht eine Lückenfüllung durch Rechtsfortbildung nur zulässt, wenn einsichtig gemacht wird, dass das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen, nicht erfüllt (BVerfG a.a.O. S. 287), so bedeutet dies, dass im Einzelfalle stets zu prüfen ist, ob die bisherige Rechtslage so unbefriedigend ist, dass es bei ihr nicht einmal bis zum Eingreifen des Gesetzgebers sein Bewenden haben kann, ehe zum äußersten Mittel der Rechtsfortbildung gegriffen wird. Jedenfalls darf sich das Gericht bei der Rechtsfortbildung vom geschriebenen Gesetz nur in dem zur Rechtsverwirklichung im konkreten Fall unerlässlichem Maße entfernen (BVerfG a.a. O. S. 292).

Die Rechtssetzungsprärogative des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz bedeutet, dass der Richter nur Recht setzen darf, soweit er dies nicht gegen den Willen des Gesetzgebers tut. Jedenfalls ist es aber dem Richter durch den Verfassungsgrundsatz der Trennung der Gewalten verwehrt, eine im Parlament nicht erreichbare gesetzliche Regelung durch seine Judikative in Kraft zu setzen. Ist ein Gesetzgebungsvorhaben gescheitert, so verbietet es die verfassungsmäßig vorgegebene Arbeitsteilung zwischen Legislative und Justiz, dem Inhalt des gescheiterten Gesetzgebungsvorhabens kurze Zeit nachher durch richterliche Rechtsfortbildung Geltung zu verschaffen.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Anerkennung des Weiterbeschäftigungsanspruches während des Kündigungsschutzprozesses durch Richterrecht mit der Verfassung unvereinbar.

Der vom großen Senat bejahte Weiterbeschäftigungsanspruch, der unter Umständen gerade kein wirksames Arbeitsverhältnis voraussetzt, stattet die nicht rechtskräftige und später eventuell abgeänderte Entscheidung eines Arbeitsgerichtes mit einer Rechtswirkung aus, die sich aus der bisherigen Rechtslage nicht ergibt und die deshalb eine am Verfassungsrecht zu messende Rechtsfortbildung darstellt. Der Sache nach stellt die grundsätzliche Anerkennung des Weiterbeschäftigungsanspruchs die Einführung eines vorläufigen Bestandsschutzes im Kündigungsschutzrecht über die gesetzliche Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 BPersVG hinaus dar, so dass damit der Kündigungsrechtsstreit völlig umgestaltet wird.

Die Anerkennung eines allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches außerhalb der gesetzlichen Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG und der bislang anerkannten Fälle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung verstößt schon deshalb gegen Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz, weil der Wille des Gesetzgebers erkennbar geworden ist, es bei dem bisherigen Rechtszustand zu belassen, der einen derartigen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht kennt. Eine Rechtsfortbildung ist deshalb unzulässig und es ist verfassungsrechtlich geboten, eine Regelung durch den Gesetzgeber abzuwarten.

Der Beschluss des großen Senats handelt dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers zuwider, er verstößt damit gegen die Rechtssetzungsprärogative des Gesetzgebers. Eine planwidrige Regelungslücke, die im Wege der Rechtsfortbildung geschlossen werden könnte, liegt damit nicht vor. Der Wortlaut des § 102 Abs. 5 BetrVG lässt sich nur dahin auslegen, dass der Gesetzgeber davon ausging, außerhalb der getroffenen Regelung bestehe während der Dauer des Kündigungsschutzprozesses kein Weiterbeschäftigungsanspruch.

Noch entscheidender fällt aber ins Gewicht, dass der Gesetzgeber sich mit einem Gesetzgebungsvorhaben, das die Einführung eines allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches über die Regelung des § 102 Abs. 5 BetrVG hinaus zum Ziel hatte, befasst hat, dieses Gesetzgebungsvorhaben aber gescheitert ist unter Umständen, die den Willen des Gesetzgebers erkennen lassen, dass es bei der Regelung des § 102 Abs. 5 BetrVG verbleiben soll.

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 07.10.1983 einen Entschließungsantrag der Länder Hamburg und Hessen, der auf eine Anerkennung eines allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches während des Kündigungsschutzprozesses zielte, ausdrücklich mit Argumenten abgelehnt, die erkennen lassen, dass es nach dem Willen eines der nach dem Grundgesetz an der Gesetzgebung beteiligten Organe bei der bisherigen Rechtslage verbleiben soll. Einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch über § 102 Abs. 5 BetrVG und die Fälle offensichtlich unwirksamer Kündigungen hinaus gibt es nach dem geltenden Arbeitsvertrags- und Kündigungsrecht nicht und soll es nach dem Willen des Bundesrates auch nicht geben.

Da der Kläger nach den obigen Ausführungen nicht weiter zu beschäftigen ist, ist auch der Antrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG unbegründet. Im Übrigen hat der Kläger trotz Hinweis des Gerichts in der Güteverhandlung zu dem insoweit behaupteten Schaden nichts vorgetragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

Der Streitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 42 Abs. 4 GKG im Urteil festgesetzt. Der Feststellungsantrag wurde mit drei Bruttomonatsverdiensten des Klägers bewertet, der Weiterbeschäftigungsantrag wurde mit einem weiteren Bruttomonatsverdienst des Klägers bewertet. Der Antrag zu 3) wurde mit 5.000,00 € bewertet.

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