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Bagatelldelikt – Fristlose Kündigung

Darf ein Arbeitgeber bei „Bagatell-Delikten“ des Arbeitsnehmers ein Arbeitsverhältnis fristlos kündigen?

Eine eindeutige Definition der Begriffe „Bagatelldelikt“ oder „Bagatellkündigung“ gibt es nicht. Gemeint ist damit eine Kündigung, die auf Grundlage eines Sachverhalts ausgesprochen wird, der auf den ersten Blick nicht der Rede wert erscheint, sich jedoch auf das bestehende Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auswirkt.

§ 626 BGB – Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Aktuelle Fallbeispiele der letzten Monate (weitere Urteile unter www.arbeitsrechtsiegen.de):

1. Essensunterschlagung:

Nimmt ein Arbeitnehmer verbotswidrig Pommes Frites und zwei Frikadellen seines Arbeitgebers an sich um diese zu essen, rechtfertigt dies noch keine fristlose oder eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitnehmer zuvor über Jahre hinweg beanstandungsfrei gearbeitet hat. Der Arbeitgeber hätte das Verhalten des Arbeitnehmers zuvor abmahnen müssen, bevor er eine Kündigung aussprach (LAG Hamm, Urteil vom 04.11.2010, Az: 8 Sa 711/10).

2. Schraubenunterschlagung:

Einem Arbeitnehmer der 3 Schrauben, welche im Eigentum seines Arbeitgebers stehen (Wert: 0,28 Euro) an einen früheren Arbeitskollegen verschenkt, kann nicht fristlos gekündigt werden. Zwar kann eine Unterschlagung bzw. ein Betrug eines Arbeitnehmers den Arbeitgeber dazu berechtigten das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen, jedoch muss immer der Einzelfall beachtet werden. Im vorliegenden Fall handelte es sich sogar um den Betriebsratsvorsitzenden des Unternehmens, welcher bereits über 30 Jahre für den Arbeitgeber gearbeitet hatte (ArbG Bremen-Bremerhaven, Beschluss vom 21.10.2010, Az: 1 BV 47/10).

3. 16.000 Privat-SMS von Diensthandy – fristlose Kündigung zulässig?

Ein Arbeitnehmer versandte über sein Diensthandy innerhalb von 22 Monaten über 16.000 private SMS und verursachte hierdurch einen Schaden beim Arbeitgeber in Höhe von 2.500 Euro. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fristlos und hilfsweise fristgerecht. Der Arbeitgeber mahnte den Arbeitnehmer jedoch trotz der hohen monatlichen Handyrechnungen zuvor nicht ab. Die ausgesprochene Kündigung ist aus diesem Grunde nach Ansicht des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main unwirksam (ArbG Frankfurt a. M., Urteil vom 24.09.2010, Az: 24 Ca 1697/10).

4. Gefälligkeitsquittung über Bewirtungskosten eingereicht – fristlose Kündigung?

Die fristlose Kündigung einer langjährigen Mitarbeiterin die eine Gefälligkeitsquittung über Bewirtungskosten bei ihrem Arbeitgeber einreicht (im vorliegenden Fall über 250 Euro für ein Dienstjubiläum, während sich die Bewirtungskosten tatsächlich nur auf 90 Euro beliefen), ist unwirksam, wenn die einzelfallbezogene Interessensabwägung (langjährige Mitarbeit ohne Beanstandungen) für die Arbeitnehmerin spricht (LAG Berlin-Brandenburg , Urteil vom 16.09.2010, Az: 2 Sa 509/10).

5. Unterschrift vom Chef unter Zeugnis gefälscht – Kündigung?

Ein Arbeitnehmer schrieb sich sein Arbeitszeugnis selbst, um sich bei einem anderen Arbeitgeber zu bewerben. Er fälschte hierbei die Unterschrift seines Vorgesetzten. Als der Arbeitgeber von der Zeugnisfälschung Kenntnis erlangte, kündigte er das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fristlos. Die strafbare Handlung des Arbeitnehmers berechtigt den Arbeitgeber jedoch nicht zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Da das Verhalten des Arbeitnehmers nach Ansicht des Arbeitsgerichts Frankfurt ein außerdienstliches Fehlverhalten darstellt, welches den Arbeitgeber jedoch nicht zur Kündigung des Arbeitnehmers berechtigt (Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 23.06.2010, Az:7 Ca 263/10).

Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum sog. Fall „Emmely“:

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.06.2010, Az.: 2 AZR 541/09, im sog. Fall „Emmely“ sind die Instanzgerichte bei dem Ausspruch von fristlosen Kündigungen bei sog. „Bagatelldelikten“ sehr vorsichtig geworden.

Es muss in jedem Fall eine Einzelfall- und Interessensabwägung erfolgen. Hierbei muss die Beschäftigungsdauer des Arbeitsnehmers berücksichtigt werden. Liegt eine langjährige Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers vor, in dem dieser beanstandungsfrei gearbeitet hat, wird der Arbeitgeber zukünftig erstmalige Bagatelldelikte des Arbeitnehmers nur abmahnen können, bevor eine verhaltensbedingte Kündigung oder eine fristlose Kündigung aussprechen kann.

In seinen Leitsätzen führt das BAG im Urteil vom 10.06.2010, Az.: 2 AZR 541/09, hierzu aus:

1. Rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen des Arbeitnehmers, die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, können auch dann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein, wenn die Pflichtverletzung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen, möglicherweise gar keinem Schaden geführt hat.

2. Das Gesetz kennt auch im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers keine absoluten Kündigungsgründe. Es bedarf stets einer umfassenden, auf den Einzelfall bezogenen Prüfung und Interessenabwägung dahingehend, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der eingetretenen Vertrauensstörung – zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.

Vor dem Ausspruch einer Kündigung muss daher vom Arbeitgeber geprüft werden:

1. Ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung geeignet ist.

Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine Rücksichtnahmepflicht und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat.

2. Sodann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht.

Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Zu berücksichtigen sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.

Eine außerordentliche Kündigung kommt jedoch nur in Betracht, wenn es keinen anderen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Reaktionen des Arbeitsgebers sind insbesondere der Ausspruch einer Abmahnung oder der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung anzusehen. Sie sind nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts dazu geeignet, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen zu erreichen.

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