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Kündigung im Kleinbetrieb

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Az: 10 Sa 209/08

Urteil vom 10.07.2008


1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 12. März 2008, Az.: 10 Ca 1254/07, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten vom 12.06.2007 und über Zahlungsansprüche des Klägers.

Der Kläger (geb. am 25.12.1954) war bei der Beklagten, die nur zwei Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem 19.06.2006 als Kraftfahrer zu einem Bruttostundenlohn von EUR 10,50 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 45 Stunden beschäftigt. Er steht seit dem 25.06.2007 in einem neuen Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber.

Am 12.06.2007 war der Kläger für die Beklagte auf einer Baustelle der Firma K. in M. tätig. Er hatte von dort Erdaushub zur Deponie zu transportieren. Von dieser Baustelle brachte der Kläger am Abend des 12.06.2007 auf dem Lkw ein ca. 25 m langes Erdkabel mit einem Gewicht von ca. 300 kg zum Betriebssitz der Beklagten mit, wo er gegen 17.30 Uhr eintraf. Das Kabel hat nach Schätzung beider Parteien einen Altmetallwert von ca. EUR 1.700,00. Der Kläger wollte das Kabel auf dem Betriebsgelände mit einer Schneidemaschine der Beklagten in Stücke schneiden, um es mit seinem Pkw zur Eigenverwertung abtransportieren zu können. Zwischen dem Kläger, dem Sohn und dem Ehemann der Beklagten kam es zu einem lautstarken Streit über die Benutzung der Schneidemaschine. Der Streit ist dann so eskaliert, dass der Ehemann der Beklagten dem Kläger mitteilte, er brauche am nächsten Tag nicht mehr zu kommen, ihm werde fristlos gekündigt. Das Erdkabel, das der Kläger zurückgelassen hatte, ist inzwischen vom Betriebsgelände der Beklagten verschwunden.

Mit Schreiben vom 12.06.2007 (Bl. 8 d. A.), das dem Kläger am 13.06.2007 zugegangen ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 25.06.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Im Wege der Klageerweiterung verfolgt er restliche Zahlungsansprüche und verlangt für:

Januar 2007 weitere EUR 887,25 brutto,

Februar 2007 weitere EUR 63,00 brutto,

März 2007 weitere EUR 120,75 brutto,

Mai 2007 weitere EUR 233,63 brutto,

Juni 2007 (bis 24.06.) weitere EUR 706,13 brutto.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens gemäß § 69 Abs.2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 12.03.2008 (dort S. 2-8 = Bl. 148-154 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich (zuletzt) beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 12.06.2007, zugegangen am 13.06.2007, nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum 15.07.2007 fortbestanden hat,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 2.010,76 brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme über die Frage, ob der Kläger das Erdkabel ohne Erlaubnis von der Baustelle entfernt und am 12.06.2007 zwischen 14.00 Uhr und 17.30 Uhr keine Arbeitsleistung erbracht hat, der Klage mit Urteil vom 12.03.2008 (Bl. 147-169. d. A.) stattgegeben. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.06.2007 aufgelöst worden. Da das Kündigungsschutzgesetz im Kleinbetrieb der Beklagten keine Anwendung finde, habe das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist am 15.07.2007 sein Ende gefunden. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe das Erdkabel auf der Baustelle entwendet, habe sich im Rahmen der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Vielmehr habe der Zeuge J., der Polier der Firma K., ausdrücklich erklärt, dass er dem Kläger erlaubt habe, zur eigenen Verwendung, Kabel, die auf der Baustelle als Abfall anfielen, mitzunehmen. Auch die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe am 12.06.2007 in der Zeit von 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr keine Arbeitsleistung erbracht, habe sich nicht bestätigt. Vielmehr habe der Zeuge J. ausgesagt, dass der Kläger auch am Nachmittag des 12.06.2007 zum Verladen von Abraum auf der Baustelle in M. erschienen sei. Die von der Beklagten vorgelegte Fahrtenschreiberkarte des Lkw des Klägers weise passend zur Aussage des Zeugen J. entsprechende Fahrtzeiten zu den Abladestellen und Verladezeiten in M. auf. Auch aus dem Tourenplan der Disposition der Firma K., den die Zeugin S. vorgelegt habe, ergebe sich, dass der Kläger am 12.06.2007 in der Zeit von 07.00 Uhr bis 17.00 Uhr zur Verladetätigkeit in M. eingeteilt gewesen sei. Aus dem Streit am Abend des 12.06.2007 mit dem Ehemann sowie dem Sohn der Beklagten über die Zerlegung des Kabels lasse sich kein fristloser Kündigungsgrund herleiten. Es hätte genügt, eine Abmahnung auszusprechen.

Die Beklagte sei für die Zeit vom 01.01.2007 bis einschließlich 12.06.2007 verpflichtet, die Differenzlöhne zwischen den arbeitsvertraglich vereinbarten 45 Wochenstunden und den abgerechneten Arbeitsstunden zu vergüten. Sie sei außerdem zur Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 13.06.2007 bis einschließlich 24.06.2007 verpflichtet.

Nach der Aufstellung der Beklagten (Bl. 46 d. A.) habe der Kläger im Monat Januar 2007 142 Arbeitsstunden geleistet, die Beklagte jedoch nur 122,5 Stunden abgerechnet. Im Monat Februar 2007 sei nach der Aufstellung der Beklagten von einer Arbeitsleistung des Klägers von 185 Arbeitsstunden auszugehen, dem Kläger seien jedoch nur 174 Stunden abgerechnet worden. Für den Monat März 2007 habe die Beklagte in ihrer Aufstellung eine Arbeitsleistung von 197,5 Stunden angegeben, sie habe jedoch nur 186 Stunden abgerechnet. Für den Monat Mai 2007 ergebe sich aus der Aufstellung der Beklagten eine Stundenzahl von 205,5 Stunden, sie habe jedoch nur 184,75 Stunden abgerechnet.

Soweit die Beklagte in den Monaten Januar, Februar, März und Mai 2007 weniger Stunden abgerechnet habe, als der Kläger tatsächlich im gleichen Zeitraum geleistet habe, folge der Nachzahlungsanspruch des Klägers unmittelbar aus §§ 611, 614 BGB. Im Übrigen folge der Anspruch des Klägers aus § 615 BGB. Unter Zugrundelegung einer Arbeitszeit von 45 Wochenstunden in der Fünf-Tage-Woche habe der Kläger im Januar 2007 Anspruch auf Beschäftigung im Umfang von 207 Stunden, im Februar 2007 im Umfang von 180 Stunden, im März 2007 im Umfang von 198 Stunden, im Mai 2007 im Umfang von 207 Stunden und im Juni (bis zum 24.06.) 2007 im Umfang von 144 Stunden gehabt. Abgerechnet habe die Beklagte im Juni 2007 nur 76,75 Stunden, so dass ein Restanspruch für den Monat Juni von 67,25 Stunden verbleibe. Die Differenz belaufe sich auf insgesamt EUR 2.010,76 brutto (Januar 84,5 Stunden, Februar 6 Stunden, März 11,5 Stunden, Mai 22,25 Stunden und für Juni 67,25 Stunden, jeweils multipliziert mit einem Stundenlohn von unstreitig EUR 10,50 brutto).

Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Mainz wird auf Seite 9 bis 22 des Urteils (= Bl. 155 – 168 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte, der das Urteil am 26.03.2008 zugestellt worden ist, hat am 17.04.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit am 26.05.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte macht geltend, ihre außerordentliche Kündigung sei wirksam. Zwar habe die Beweisaufnahme eine Entwendung des Erdkabels nicht bestätigt. Es sei jedoch unstreitig, dass der Kläger das Kabel während seiner Arbeitszeit auf ihrem Lkw transportiert habe. Außerdem habe er sich das Kabel auf der Baustelle aufladen, während eines Abladevorgangs auf der Deponie wohl wieder abladen und anschließend erneut aufladen lassen. Sodann habe er das Kabel in ihrem Betrieb zur privaten Weiterverarbeitung während seiner Arbeitszeit mit ihrer Schneidemaschine zerkleinern wollen. Darauf habe er sehr lautstark bestanden. Ein solches Fehlverhalten, insbesondere nach mehreren vorherigen Vorkommnissen, sei durchaus geeignet, die fristlose Kündigung ohne Abmahnung zu rechtfertigen.

Die Zahlungsansprüche des Klägers seien unbegründet. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Berechnung einen entscheidenden Punkt übersehen. Ihre Abrechnungen seien zwar, wie üblich, auf die jeweiligen Monate datiert, jedoch bezögen sich die Stunden in den jeweiligen Monatsabrechnungen nicht auf die geleisteten Stunden vom Monatsersten bis zum Monatsletzten, sondern auf einen Zeitraum vom ca. 20. eines Monats bis zum 20. des Folgemonats. Eine solche Abrechnungsweise sei branchenüblich und vom Kläger auch immer akzeptiert worden. Der Kläger sei damit einverstanden gewesen, dass ihm bei entsprechender Mehrarbeit in einem Monat die Überstunden ausgezahlt würden; er dafür aber bei Minusstunden eben ein geringeres Gehalt bekomme. Der Kläger habe sich nicht auf den Arbeitsvertrag mit der vereinbarten Stundenzahl berufen. Ausweislich ihrer Aufstellung (Bl. 205 d. A.) stünden dem Kläger keine Ansprüche mehr zu.

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 26.05.2008 (Bl. 201-205 d. A.) und vom 09.07.2008 (Bl. 233-235 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 12.03.2008, Az.: 10 Ca 1254/07, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hebt hervor, das Auf- und Abladen des Erdkabels habe lediglich kürzeste Zeit in Anspruch genommen. Seine Tätigkeit sei dadurch unter keinen Umständen beeinträchtigt worden. Es habe keine „vorherigen Vorkommnisse“ gegeben, wie die Beklagte unsubstantiiert behaupte. Auch das Streitgespräch berechtige nicht zur fristlosen Kündigung. Zur Verteidigung gegen seine Zahlungsansprüche könne die Beklagte nicht auf die ihrer Berufungsbegründung beigefügte Anlage (Bl. 205 d. A.) verweisen. Der Verweis auf Anlagen ersetze keinen Sachvortrag.

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 17.06.2008 (Bl. 217-219 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.06.2007 aufgelöst worden ist. Das Arbeitsgericht hat außerdem zutreffend erkannt, dass der Kläger gegen die Beklagte für die Zeit vom 01.01. bis zum 24.06.2007 einen Anspruch auf Zahlung von restlichem Arbeitsentgelt in Höhe von EUR 2.010,76 brutto nebst Zinsen hat.

Die Berufungskammer folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von einer Darstellung eigener Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten erscheinen lediglich folgende Ergänzungen angezeigt:

1. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.06.2007 unwirksam ist. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB liegen auch nach Auffassung der Berufungskammer nicht vor.

Nach dem Ergebnis der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme hat der Kläger das Erdkabel nicht von der Baustelle der Fa. K. in M. gestohlen, wie die Beklagte behauptet hatte. Die Beklagte hat außerdem nicht zu beweisen vermocht, dass der Kläger am 12.06.2007 in der Zeit von 14.00 bis 17.30 Uhr keine Arbeitsleistung erbracht hat. Das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme zieht die Berufung nicht in Zweifel. Die Beklagte will die fristlose Kündigung nunmehr darauf stützen, dass der Kläger das Erdkabel mit ihrem Lkw transportiert und während seiner Arbeitszeit mehrmals auf- und abgeladen hat. Als weiteren fristlosen Kündigungsgrund führt sie an, dass der Kläger ihre Schneidemaschine während der Arbeitszeit zum Zerkleinern des Kabels benutzen wollte und es deshalb zu einem heftigen Wortgefecht mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn gekommen sei.

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Es ist unstreitig, dass sich der Kläger am 12.06.2007 während der Arbeitszeit mit privaten Dingen befasst hat. Er hat sich das Erdkabel organisiert und auf der Baustelle aufladen lassen, um das Altmetall später auf eigene Rechnung zu verkaufen. Er musste das Erdkabel auf der Deponie – mindestens einmal – wieder abladen, um den Erdaushub abkippen zu können; im Anschluss musste das Kabel wieder aufgeladen werden.

Die Verrichtung privater Angelegenheiten während der Arbeitszeit auch in geringem zeitlichen Umfang ist zwar vertragswidrig, rechtfertigt aber als einmaliger Vorgang nicht die fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Die kurzfristige Nichterbringung der geschuldeten Arbeitsleistung ist zwar eine Vertragsverletzung, die – wenn sie mit der gleichzeitigen Erledigung privater Dinge einhergeht – auch gravierender sein mag als eine reine Untätigkeit wie beispielsweise eine Zigarettenpause, sie ist aber, insbesondere wenn sich – wie hier – eine längere Dauer oder eine folgenschwere Vernachlässigung der Arbeitspflicht nicht belegen lässt, nicht so gewichtig, dass in einem einmaligen Fall ohne vorherige Abmahnung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der hier einschlägigen gesetzlichen Kündigungsfrist von vier Wochen zum Fünfzehnten nicht zumutbar wäre. Der Hinweis der Beklagte auf „mehrere vorherige Vorkommnisse“ ist völlig unsubstantiiert und daher unbeachtlich.

Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, rechtfertigt auch das Ansinnen des Klägers, die Schneidemaschine der Beklagten zur Zerkleinerung des Erdkabels zu verwenden und das „heftige Wortgefecht“ zwischen dem Kläger und dem Ehemann sowie dem Sohn der Beklagten nicht den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Die Beschwerdekammer schließt sich der Ansicht des Arbeitsgerichts an, dass es genügt hätte, dem Kläger wegen dieses Verhaltens eine Abmahnung zu erteilen.

Soweit es um ein steuerbares Fehlverhalten des Arbeitnehmers geht, ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit vor Ausspruch einer Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich (vgl. unter vielen: BAG Urteil vom 27.04.2006 – 2 AZR 415/05 – NZA 2006, 1033, m.w.N.). Das Erfordernis der Abmahnung dient u.a. der Objektivierung der negativen Prognose. Ohne vorherige Abmahnung kann aufgrund einer vom Arbeitnehmer begangenen Pflichtverletzung regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Zugleich ist die Abmahnung auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Eine Kündigung ist hiernach nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen (vgl. etwa: BAG Urteil vom 12.01.2006 – 2 AZR 21/05 – NZA 2006, 917).

Weder der Transport des Erdkabels während der Arbeitszeit noch das Ansinnen die Schneidemaschine zu benutzen noch das anschließende Wortgefecht stellen so schwerwiegende Pflichtverletzungen dar, dass auch ohne vorherige Abmahnung am 12.06.2007 die Prognose gerechtfertigt gewesen ist, der Kläger werde sich auch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 15.07.2007 nicht vertragsgerecht verhalten.

2. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung restlichen Arbeitsentgelts in Höhe von EUR 2.010,70 brutto nebst Verzugszinsen verurteilt.

In der Zeit vom 13.06.2007 bis zum 24.06.2007 befand sich die Beklagte mit der Annahme der Arbeitsleistung des Klägers in Verzug, weil sie ihm nach Ausspruch der rechtsunwirksamen fristlosen Kündigung vom 12.06.2007 die Arbeitsmöglichkeit entzogen hat. Dies hat zur Folge, dass sie gemäß § 615 Satz 1 BGB zur Zahlung der Vergütung verpflichtet ist, obwohl der Kläger keine Arbeitsleistung mehr erbracht hat. In diesen Zeitraum fielen acht Arbeitstage. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 45 Stunden sind in der Fünf-Tage-Woche pro Arbeitstag neun Stunden mit dem vereinbarten Stundenlohn von EUR 10,50 brutto zu vergüten, so dass sich ein Anspruch in Höhe von insgesamt EUR 756,00 brutto errechnet (8 x 9 x 10,50).

Die Beklagte hatte den Kläger auch in der Zeit vom 01.01.2007 bis zum 12.06.2007 ausweislich der Vereinbarung im schriftlichen Arbeitsvertrag wöchentlich 45 Stunden zu beschäftigen.

Sie ist deshalb verpflichtet, dem Kläger 45 Wochenstunden mit dem vereinbarten Stundenlohn von EUR 10,50 zu vergüten. Nach § 615 BGB kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung auch dann verlangen, wenn die Arbeit ausfällt und der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls, z.B. aus witterungsbedingten Gründen, trägt. Zur Nachleistung der Arbeit ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet (vgl. BAG Urteil vom 09.07.2008 – 5 AZR 810/07 – Pressemitteilung Nr. 56/08, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Das Argument der Beklagten, der Kläger könne sich nicht auf den Arbeitsvertrag mit der vereinbarten Stundenzahl berufen, weil ihm bei entsprechender Mehrarbeit in einem Monat die Überstunden ausgezahlt worden seien, so dass er sich bei Minusstunden mit einem geringeren Lohn begnügen müsse, verfängt schon deshalb nicht, weil der Kläger nach ihrer eigenen Aufstellung (Bl. 46 d. A.) in den hier streitgegenständlichen Monaten keine Überstunden geleistet hat, mit denen sie Minusstunden verrechnen könnte, selbst wenn dies rechtlich überhaupt zulässig wäre. Dies hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt und den Berechnungsweg im Einzelnen dargestellt. Dem ist nichts hinzuzufügen. Lediglich der Veranschaulichung soll folgende Tabelle dienen:

2007|1.) Stunden abgerechnet und gezahlt|2.) Stunden tatsächlich geleistet|3.) 45 Stunden wöchentlich zu zahlen|4.) Differenz zwischen 1.)
und 3.)
Januar|122,50|142,00|207,00|84,50
Februar|174,00|185,00|180,00|6,00
März|186,00|197,50|198,00|11,50
Mai|184,75|205,50|207,00|22,50
Juni (bis 24.06.)|76,75|76,75|144,00|67,25
Gesamt|744,00|806,75|936,00|191,75

Das Arbeitsgericht hat aufgrund eines – die Beklagte nicht beschwerenden – marginalen Rechenfehlers den Gesamtdifferenzbetrag mit EUR 2.010,70, statt mit EUR 2013,38 berechnet. Weshalb sich aus einer Abrechnung der geleisteten Stunden vom ca. 20. des Vormonats bis zum 20. des laufenden Monats eine für die Beklagte günstigere Berechnung ergeben soll, wie sie mit ihrer in der Berufungsinstanz vorgelegten neuen Aufstellung (Bl. 205 d. A.) darzulegen versucht, erschließt sich nicht. Selbst wenn eine Verrechnung von Überstunden mit Minusstunden zulässig sein sollte, muss die Beklagte dem Kläger zumindest 45 Wochenstunden vergüten. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger nicht mehr und nicht weniger zugesprochen. Auch wenn die Beklagte dem Kläger Überstunden vergütet haben sollte, wofür ihre eigene Aufstellung nichts hergibt, kann sie ihr Betriebsrisiko, den Kläger nicht wöchentlich 45 Stunden beschäftigen zu können, nicht auf ihn als Arbeitnehmer abwälzen, indem sie ihm bei „Minusstunden“ einen geringeren Lohn zahlt.

III. Nach alledem ist die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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