Bundesarbeitsgericht
Az: 2 AZR 520/05
Urteil vom 06.07.2006
In Sachen hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. Juli 2006 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Juli 2005 – 5 Sa 1031/04 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die von der Beklagten auf betriebliche Gründe gestützt wird.
Die 1958 geborene Klägerin ist seit Anfang 1997 bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder, die im Kündigungszeitpunkt noch zur Schule gingen. Ihr Ehemann ist arbeitslos. Die Lohnsteuerkarte der Klägerin weist die Lohnsteuerklasse V sowie als Kinderfreibetrag „0“ aus. Die Beklagte stellt Flaschenverschlüsse aus Aluminium und Kunststoff für die Getränkebranche her. Wegen rückläufiger Produktion beschloss sie ein Restrukturierungs- und Reorganisationskonzept, das auch zu Personalabbau führte. Am 27. Januar 2004 schlossen die Beklagte und der bei ihr gewählte Betriebsrat einen Interessenausgleich. Nach § 1 Nr. 2 f) sollten 87 Mitarbeiter/innen im Jahr 2004 von den geregelten Maßnahmen betroffen sein. In einer Anlage B sind die betroffenen Arbeitnehmer – unter anderem die Klägerin – namentlich mit den zu Grunde gelegten Sozialdaten sowie deren Gewichtung nach „Qualifikation und Sozialkriterien“ aufgeführt. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis unter dem 30. Januar 2004 ordentlich, nachdem sie unter dem 26. Januar 2004 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige erstattet hatte. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz stellte mit Urteil vom 30. November 2004 (- 5 Sa 674/04 -) rechtskräftig fest, dass diese Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat.
Unter dem 16. Juni 2004 unterschrieben die Betriebsparteien eine „Protokollnotiz/Zusatzvereinbarung zum Interessenausgleich vom 27. Januar 2004“ – nachfolgend: Zusatzvereinbarung -. Diese lautet – soweit von Belang – wie folgt:
„1. Zwischenzeitlich wurde ein Teil der Kündigungen umgesetzt und ausgesprochen. Bei den nun vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen stattgefundenen Arbeitsgerichtsprozessen hat sich herausgestellt, dass unsere Sozialauswahl mit der Zusammenfassung von Punkten aus Qualifikations- und Sozialpunktematrix auf Grund der geänderten gesetzlichen Regelungen nicht mehr haltbar ist.
Aufgrund dessen vereinbaren Geschäftsleitung und Betriebsrat, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 des Interessenausgleichs vom 27.01.2004 aufgehoben und wie folgt ersetzt wird:
Die Tätigkeiten der Mitarbeiter wurden im Rahmen der Übersicht „Personalqualifikation“ eingeteilt (als Anlage beigefügt). Die noch auszusprechenden Kündigungen werden im Rahmen der fachlichen Vergleichbarkeit und der Berücksichtigung der persönlichen Sozialdaten wie
– Betriebszugehörigkeit
– Lebensalter
– Unterhaltsverpflichtung
– Schwerbehinderteneigenschaft
vorgenommen.
Für die genannten Auswahlkriterien wird das Punktesystem „Sozialauswahl“, Stand 16.06.2004, zugrunde gelegt, wobei Einigkeit darüber besteht, dass die „Unterhaltsver-pflichtung“ in „unterhaltsberechtigte Kinder“ und „Familienstand verheiratet“ aufgegliedert wird.
2. Es wird vereinbart, dass die „Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter“ Bestandteil des Interessenausgleichs vom 27.01.2004 wird.
…“
Außerdem wurde eine „Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter als Bestandteil des Interessenausgleichs vom 27.01.2004“ gefertigt. Sie wurde von den Betriebsparteien nicht unterschrieben. Ferner wurde noch eine Anlage „Sozialauswahl“ erstellt, die ein Punkteschema beinhaltet. Nachdem der Betriebsrat über die Zusatzvereinbarung seinen Beschluss gefasst hatte und sie vom Betriebsratsvorsitzenden und vom Geschäftsführer der Beklagten unterschrieben worden war, verband der Personalleiter der Beklagten die Namensliste und die weitere Anlage mit der Zusatzvereinbarung mit einer Heftmaschine.
Unter dem 18. Juni 2004 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur Kündigung von insgesamt 21 in einer weiteren Liste „Geplante Kündigungen gem. Anhörung vom 18.06.2004“ aufgeführten Arbeitnehmern an. Die Klägerin ist dort unter Nr. 7 aufgeführt. Auf dieser Liste sind Punkte zu Gunsten der Klägerin für Kinder nicht ausgewiesen.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Juni 2004 zum 31. August 2004. Eine erneute Massenentlassungsanzeige gegenüber der Bundesagentur für Arbeit erstattete die Beklagte nicht.
Die Klägerin macht die Unwirksamkeit der Kündigung geltend. Schon die Betriebsratsanhörung sei fehlerhaft. Die Beklagte habe sich nicht auf die Angaben in der Lohnsteuerkarte verlassen dürfen. Die Kündigung sei auch sozialwidrig. Die Beklagte könne sich hinsichtlich der betrieblichen Gründe und der Sozialauswahl nicht auf § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG berufen, weil die Namensliste bei der Beschlussfassung des Betriebsrats nicht mit der Zusatzvereinbarung verbunden gewesen sei. Die nachträgliche Verbindung durch den Personalleiter reiche nicht aus. Im Übrigen sei die Sozialauswahl grob fehlerhaft. Zudem handele es sich bei der Kündigung um eine Wiederholungskündigung. Die Beklagte habe ihrer Anzeigepflicht nach § 17 KSchG nicht genügt.
Die Klägerin hat – soweit noch von Interesse – beantragt:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28. Juni 2004 nicht beendet wird.
Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Namensliste genüge den Anforderungen des § 1 Abs. 5 KSchG. Bei der Zusatzvereinbarung handele es sich um einen eigenständigen Interessenausgleich. Einer Unterzeichnung der Namensliste habe es nicht bedurft. Die (nachträgliche) Verklammerung mit dem Interessenausgleich reiche vielmehr aus. Die Sozialauswahl sei nicht grob fehlerhaft. Die Beklagte habe auf die Angaben in der Lohnsteuerkarte vertrauen dürfen. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass die Klägerin Kinder habe und ihr Ehemann arbeitslos sei. Jedenfalls sei die Sozialauswahl auch ausreichend iSv. § 1 Abs. 3 KSchG. Einer neuerlichen Massenentlassungsanzeige habe es nicht bedurft. Auch liege keine bloße Wiederholungskündigung vor; denn die Sozialauswahl sei neu durchzuführen gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin nach Beweisaufnahme zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Kündigungsschutzantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Es liege eine Namensliste gem. § 1 Abs. 5 KSchG vor. Auf Grund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles sei die erst nachträglich hergestellte körperliche Verbindung zwischen der Zusatzvereinbarung und der Namensliste unschädlich. Dem Interessenausgleich vom 27. Januar 2004 liege auch eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG zugrunde, von der die Klägerin betroffen sei. Die Sozialauswahl sei nicht grob fehlerhaft. In Literatur und Rechtsprechung werde vertreten, dass der Arbeitgeber bestehende Unterhaltspflichten aus der Lohnsteuerkarte entnehmen könne. Im Übrigen sei die Klägerin gegenüber nichtgekündigten Arbeitnehmern nicht derart sozial schutzwürdiger, dass dies die grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl begründe. Die Kündigung sei nicht als Wiederholungskündigung unzulässig. Die Zusatzvereinbarung nebst der Namensliste ändere die Sachlage im Vergleich zum Zeitpunkt der Kündigung vom 30. Januar 2004 erheblich. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Da dem Personalleiter die Unterhaltspflichten der Klägerin nicht bekannt gewesen seien, habe er den Betriebsrat nicht wissentlich falsch informiert. Hinsichtlich der Frage der Massenentlassungsanzeige genieße die Beklagte jedenfalls Vertrauensschutz. Auf der Grundlage der bei Kündigungsausspruch auch noch vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Auslegung des Begriffs „Entlassung“ seien die Schwellenwerte des § 17 KSchG nicht überschritten worden.
B. Dem stimmt der Senat in Teilen der Begründung, nicht aber im Ergebnis zu. I. Allerdings ist die streitige Kündigung nicht wegen Verstoßes der Beklagten gegen die Pflichten aus § 17 KSchG rechtsunwirksam.
1. Unter „Entlassung“ iSd. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Ausspruch einer Kündigung zu verstehen (Senat 23. März 2006 – 2 AZR 343/05 – NZA 2006, 971, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen verbindlich festgestellt (§ 559 Abs. 2 ZPO), dass die Beklagte Ende Juni 2004 von ca. 276 bzw. 280 Arbeitnehmern 29 Arbeitnehmer kündigte. Damit wäre gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG eine anzeigepflichtige Massenentlassung zu bejahen.
2. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verbietet es aber im vorliegenden Verfahren, die streitige Kündigung wegen fehlender Massenentlassungsanzeige als unwirksam anzusehen (vgl. Senat 23. März 2006 – 2 AZR 343/05 – NZA 2006, 971, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Denn bei Zugrundelegung der vom Senat erst am 23. März 2006 aufgegebenen Rechtsprechung zu § 17 KSchG erreichten zum 31. August 2004 die Entlassungen der Beklagten nicht den Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG. Die Beklagte durfte auf Grund der damals noch nicht aufgegebenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darauf vertrauen, dass sie, wenn sie eine Anzeige nach § 17 KSchG unterließ, sich dem Gesetz entsprechend verhielt. Zu Recht berücksichtigt das Landesarbeitsgericht dabei auch, dass die Beklagte im Zusammenhang mit der am 26. Januar 2004 erstatteten Massenentlassungsanzeige ein Formular der Bundesagentur für Arbeit erhielt, in dem unter „Nr. 4.5 des Merkblattes“ darauf hingewiesen wurde, dass es nicht auf den Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung ankomme, sondern allein auf die „Beendigung des Arbeitsverhältnisses (letzter Arbeitstag)“. Dies entsprach auch der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt umfassend 18. September 2003 – 2 AZR 79/02 – BAGE 107, 318) bis zum Urteil vom 23. März 2006 (- 2 AZR 343/05 – aaO). Die Beklagte konnte sich deshalb darauf verlassen, dass bei der Prüfung, ob eine Massenentlassungsanzeige zu erstatten ist, auf den Entlassungstermin abzustellen sei, nicht aber auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs. Zum 31. August 2004 hat die Beklagte jedoch lediglich 10 Arbeitnehmer entlassen. Dies hat das Landesarbeitsgericht – da nicht mit Verfahrensrügen angegriffen – für den Senat bindend festgestellt (§ 559 Abs. 2 ZPO). Weitere Entlassungen folgten danach erst zum 30. September, 31. Oktober, 30. November und 31. Dezember 2004. Damit war innerhalb des 30-tägigen Zeitraums des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG der Schwellenwert von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG nicht erreicht.
II. Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört wurde. Die insofern von der Revision allein erhobene Rüge, die Unterhaltspflichten der Klägerin gegenüber zwei Kindern seien dem Betriebsrat vorenthalten worden, verfängt nicht.
1. Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei der Betriebsratsanhörung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG ist subjektiv determiniert. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört worden, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat die aus seiner Sicht tragenden Kündigungsgründe mitgeteilt hat (st. Rspr. Senat 24. Juni 2004 – 2 AZR 461/03 – AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9; 6. November 2003 – 2 AZR 690/02 – BAGE 108, 269). Eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung stellt dagegen keine ordnungsgemäße Anhörung dar (Senat 6. Oktober 2005 – 2 AZR 316/04 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 150 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 16; 13. Mai 2004 – 2 AZR 329/03 -BAGE 110, 331; 31. Januar 1996 – 2 AZR 181/95 -; 31. August 1989 – 2 AZR 453/88 -AP LPVG Schleswig-Holstein § 77 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 75). Der Arbeitgeber ist im Rahmen der Betriebsratsanhörung nicht verpflichtet, die Richtigkeit dokumentierter Daten zu überprüfen (Senat 24. November 2005 – 2 AZR 514/04 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 51; LAG Baden-Württemberg 9. November 1990 – 15 Sa 86/90 – LAGE BetrVG 1972 § 102 Nr. 25; LAG Schleswig-Holstein 1. April 1999 – 5 Sa 236/98 – LAGE KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 30; KR-Etzel 7. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 58b; HaKo-Griebeling KSchG 2. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 84; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 396). Er kann deshalb mangels anderweitiger Kenntnisse auch von den Eintragungen in der Lohnsteuerkarte ausgehen, hat dies aber dann gegenüber dem Betriebsrat zu kennzeichnen (Senat 24. November 2005 – 2 AZR 514/04 – aaO; KR-Etzel aaO).
2. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört. a) Dem Betriebsrat war aus der Anlage „Sozialauswahl“ zur Zusatzvereinbarung vom 16. Juni 2004 bekannt, dass die Beklagte sich hinsichtlich der unterhaltsberechtigten Kinder auf die Angaben auf der Lohnsteuerkarte verließ.
aa) Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe sich über Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern erkundigen müssen und habe sich nicht auf Daten aus der Lohnsteuerkarte stützen dürfen, greift dies hier nicht durch. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer für die Unterrichtung des Arbeitgebers über Veränderungen seiner Personalien verantwortlich (Senat 24. November 2005 – 2 AZR 514/04 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 51; 29. Januar 1997 – 2 AZR 292/96 -BAGE 85, 114; HaKo-Griebeling § 102 BetrVG Rn. 84). Überreicht er lediglich eine Lohnsteuerkarte, ohne den Arbeitgeber über davon abweichende persönliche Daten aufzuklären, muss er davon ausgehen, dass der Arbeitgeber sich bei seinen Angaben gegenüber dem Betriebsrat auf die dort dokumentierten Daten verlässt.
bb) Dem Betriebsrat wurde auch nicht bewusst und gewollt das Bestehen von Unterhaltsverpflichtungen der Klägerin vorenthalten, die für die Beurteilung der Kündigung von Bedeutung sein können (vgl. auch Senat 29. Januar 1997 – 2 AZR 292/96 -BAGE 85, 114). Die Klägerin trug zwar in der Berufungsbegründung vor, „Kollegen und Vorgesetzen“ seien die Unterhaltspflichten bekannt gewesen. Daraus folgt aber nicht, die kündigungsberechtigten Personen auf Seiten der Beklagten hätten dem Betriebsrat bewusst die Unwahrheit gesagt.
b) Die weitere Rüge der Revision, die Beklagte habe dem Betriebsrat irreführend mitgeteilt, sie sei verheiratet, nicht dagegen, ob Unterhaltspflichten gegenüber dem Ehepartner bestünden, führt nicht weiter. Auch in der Revision behauptet die Klägerin nicht, dem Personalleiter oder einer sonst zur Entgegennahme bzw. Verwaltung von Personaldaten beauftragten Person sei überhaupt bekannt gewesen, dass ihr Ehemann arbeitslos ist.
3. Auch im Übrigen weist die Anhörung keine Fehler auf. Insbesondere ist ihr unter Berücksichtigung der vorgelegten Anlagen die Art der beabsichtigten Kündigung sowie die Kündigungsfrist zu entnehmen. Auch die Angaben über die betriebsbedingten Gründe, die die Kündigung bedingten, sind ausreichend dargestellt.
III. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, dass die streitgegenständliche Kündigung nicht lediglich eine Wiederholungskündigung ist, der die Präjudizialität des Urteils des Landesarbeitsgerichts im Verfahren – 5 Sa 674/04 – über die Kündigung vom 30. Januar 2004 entgegenstünde. Die Revision erhebt hiergegen auch keine Rügen.
IV. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sind jedoch die Voraussetzungen von § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG nicht gegeben. Die gesetzliche Vermutung des Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse greift nicht ein. Die Zusatzvereinbarung und die Namensliste vom 16. Juni 2004 genügen den Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG nicht. Vielmehr ist die Schriftform, die nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG iVm. §§ 125, 126 BGB für den Interessenausgleich zu wahren ist, nicht eingehalten.
1. Sind bei einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Die Vermutungsbasis, dass nämlich eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorlag, die für die Kündigung des Arbeitnehmers kausal war, und der Arbeitnehmer ordnungsgemäß in einem Interessenausgleich benannt wurde, hat dabei der Arbeitgeber substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen (Senat 7. Mai 1998 – 2 AZR 536/97 – BAGE 88, 363 und – 2 AZR 55/98 – BAGE 88, 375).
a) Zwischen der Beklagten und ihrem Betriebsrat ist – worüber zwischen den 28 Parteien auch kein Streit besteht – am 27. Januar 2004 ein wirksamer Interessenausgleich zustande gekommen.
b) Eine Betriebsänderung liegt vor. Auch insoweit streiten die Parteien nicht. Die Betriebsänderung war ursächlich für die Kündigung. Zwar erfolgte die 30 streitgegenständliche Kündigung erst im Juni 2004 und damit fast fünf Monate nach Abschluss des Interessenausgleichs. Dies ist jedoch darauf zurückzuführen, dass die zunächst ausgesprochene Kündigung von Ende Januar 2004 für unwirksam erklärt wurde und die Beklagte sich nach der entsprechenden gerichtlichen Feststellung erneut für eine Kündigung aussprach. Die dadurch eingetretene zeitliche Verzögerung unterbricht den Kausalzusammenhang zwischen Betriebsänderung und streitgegenständlicher Kündigung nicht (vgl. auch Senat 22. Januar 2004 – 2 AZR 111/02 – AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11).
c) Die Klägerin war von der Betriebsänderung betroffen. Die Klägerin war dem 31 Aluminiumbereich „RO/RC“ zugeordnet und dort auch überwiegend eingesetzt. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht angegriffen, dass das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Klägerin, sie sei auch anderweitig eingesetzt worden, als nicht ausreichend ansieht.
d) Die Klägerin ist als Arbeitnehmerin, die gekündigt werden sollte, in der „Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter“ vom 16. Juni 2004 namentlich bezeichnet. Diese Namensliste ist jedoch weder Bestandteil des Interessenausgleichs vom 27. Januar 2004 noch der Zusatzvereinbarung vom 16. Juni 2004 iSd. § 1 Abs. 5 KSchG.
aa) Nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist ein Interessenausgleich über eine geplante Betriebsänderung schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und vom Betriebsrat zu unterschreiben. Auf das gesetzliche Schriftformerfordernis sind die §§ 125, 126 BGB anwendbar. Das Schriftformerfordernis ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht allein deshalb verletzt, weil die Namensliste nicht im Interessenausgleich selbst, sondern in einer Anlage enthalten ist. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG spricht zwar davon, die namentliche Bezeichnung müsse „in einem Interessenausgleich“ erfolgen. Das Erfordernis ist aber erfüllt, wenn Interessenausgleich und Namensliste eine Urkunde bilden (22. Januar 2004 – 2 AZR 111/02 – AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11; 21. Februar 2002 – 2 AZR 581/00 -EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10; 7. Mai 1998 – 2 AZR 55/98 – BAGE 88, 375). Wird die Namensliste getrennt vom Interessenausgleich erstellt, reicht es aus, wenn sie von den Betriebsparteien unterzeichnet ist und in ihr oder im Interessenausgleich auf sie Bezug genommen ist (22. Januar 2004 – 2 AZR 111/02 – aaO; KR-Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 703a). Aber auch dann, wenn die Namensliste selbst nicht unterschrieben ist, kann die Unterschrift unter dem Interessenausgleich die Namensliste noch als Teil des Interessenausgleichs decken. Ausreichend ist es jedenfalls, wenn die Haupturkunde unterschrieben, in ihr auf die nicht unterschriebene Anlage ausdrücklich Bezug genommen ist und Haupturkunde und nachfolgende Anlage mittels Heftmaschine körperlich derart zu einer einheitlichen Urkunde verbunden sind, dass eine Lösung nur durch Gewaltanwendung (Lösen der Heftklammer) möglich gewesen wäre (7. Mai 1998 – 2 AZR 55/98 – aaO; 6. Dezember 2001 – 2 AZR 422/00 – EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 9).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben ist die Schriftform der §§ 125, 126 BGB nicht gewahrt.
(1) Der Interessenausgleich vom 27. Januar 2004 kann bereits deshalb nicht auf 35 die Zusatzvereinbarung und die Namensliste vom 16. Juni 2004 verweisen, weil er vor dieser vereinbart wurde. Auch die Beklagte behauptet nicht, dass die Zusatzvereinbarung und/oder die Namensliste vom 16. Juni 2004 zu irgendeinem Zeitpunkt mit dem Interessenausgleich vom 27. Januar 2004 körperlich fest verbunden gewesen wären.
(2) Ob es sich bei der Zusatzvereinbarung um einen Interessenausgleich iSd. § 112 BetrVG handelt, kann offen bleiben. Selbst wenn sie mit der Namensliste eine einheitliche Urkunde darstellen würde, wäre die gesetzlich vorgeschriebene Form nicht gewahrt.
(3) Die feste Verbindung zwischen Zusatzvereinbarung und Namensliste wurde nämlich erst nach Unterzeichnung durch die Geschäftsleitung und den Betriebsrat vom Personalleiter hergestellt. Das reicht nicht aus. Das Erfordernis der Einheit der Urkunde, das als Voraussetzung der Schriftform dem in § 126 Abs. 2 BGB vorgesehenen Regelfall eines Schriftstücks zu entnehmen ist, ist nicht bereits dann erfüllt, wenn eine bloß gedankliche Verbindung (Bezugnahme) zur Haupturkunde besteht. Vielmehr muss die Verbindung auch äußerlich durch tatsächliche Beifügung der in Bezug genommenen Urkunde zur Haupturkunde in Erscheinung treten (BGH 13. November 1963 – V ZR 8/62 – BGHZ 40, 255, 263). Deshalb müssen im Augenblick der Unterzeichnung die Schriftstücke als einheitliche Urkunde äußerlich erkennbar werden (BGH 13. November 1963 – V ZR 8/62 – aaO; vgl. auch Senat 7. Mai 1998 – 2 AZR 55/98 -BAGE 88, 375). Die erst nach Unterzeichnung durch die Beklagte und den Betriebsrat vom Personalleiter vorgenommene Zusammenheftung mittels Heftmaschine genügt daher dem Schriftformerfordernis nicht. Die strengen Voraussetzungen an die Schriftform sind – wie gerade der vorliegende Fall zeigt – notwendig: In der Beweisaufnahme vor dem Landesarbeitsgericht sagte der Betriebsratsvorsitzende als Zeuge aus, dass der Betriebsrat die Namensliste nur zur Kenntnis habe nehmen wollen. Die in § 1 Abs. 5 KSchG vorgesehene Vermutungswirkung knüpft aber ihre – für den Arbeitnehmer sehr weitreichenden – Folgen gerade daran, dass beide Betriebsparteien, also auch der Betriebsrat der Namensliste durch Einhaltung der besonderen Form bewusst die besondere Verbindlichkeit geben.
cc) Unerheblich ist, in welchem Verhältnis die Namensliste zur Anlage B des Interessenausgleichs vom 27. Januar 2004 steht, die ihrerseits „freizusetzende“ Arbeitnehmer enthält. Keine der Parteien macht geltend, es habe sich bereits bei dieser Anlage um eine Namensliste iSd. § 1 Abs. 5 KSchG gehandelt. Dahinstehen kann auch, ob ein Zeitraum von fünf Monaten eine Ergänzung des Interessenausgleichs noch zulässt, zumal die im Interessenausgleich vereinbarten Maßnahmen bereits zum Großteil durchgeführt sind (vgl. zur zeitnahen Ergänzung eines Interessenausgleichs um eine Namensliste: Senat 22. Januar 2004 – 2 AZR 111/02 – AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11; KR-Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 703b).
C. Da sich das Berufungsurteil nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO) und die Sache nicht entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), musste das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden (§§ 562, 563 ZPO). Ob die Kündigung auf Grund fehlender betrieblicher Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG oder nach § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt ist, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Das wird nachzuholen sein. Dabei wird das Landesarbeitsgericht ggf. im Rahmen der Prüfung der Sozialauswahl zu beachten haben, dass im vorliegenden Fall eine Betriebsvereinbarung, wie sie § 1 Abs. 4 KSchG fordert, nicht vorliegt. Soweit es auf die Frage ankommen sollte, ob die Beklagte bei der Sozialauswahl die Angaben in der Lohnsteuerkarte auch dann zugrunde legen durfte, wenn diese nicht zutrafen, wird das Landesarbeitsgericht diese Frage danach zu beurteilen haben, ob die Beklagte gleichwohl, wie das Gesetz es verlangt, die sozialen Gesichtspunkte „ausreichend“ berücksichtigt hat. Dies wäre jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Beklagte Anlass hatte – zB wegen der Steuerklasse der Klägerin und wegen Angaben der Klägerin im Vorprozess – an der Richtigkeit ihres Schlusses von den Angaben in der Lohnsteuerkarte auf die tatsächlichen Verhältnisse zu zweifeln.