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Raucherpause – fristlose Kündigung

ArbG Duisburg

Az: 3 Ca 1336/09

Urteil vom 14.09.2009


1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die klagende Partei trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert beträgt 6.947,46 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung

Die 59jährige, geschiedene Klägerin trat zum 1.5.1990 als kaufmännische Angestellte in die Dienste der Beklagten, einer Anstalt öffentlichen Rechts mit mehr als 10 Arbeitnehmern. Zuletzt verdiente die Klägerin monatlich 2.315,82 € brutto. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung.

In einer Bekanntmachung 13/2007 vom 22.3.2007, einer Bekanntmachung 06/2008 vom 18.2.2008 sowie in der Mitarbeiterinformation 33/2008 vom 19.12.2008 wurde seitens der Beklagten darauf hingewiesen, dass vor einer Raucherpause auszustempeln ist. Die Klägerin wurde zudem persönlich mit E-Mail vom 31.5.2007 über diese Regelung informiert.

Die Klägerin wurde aufgrund von Verstößen gegen die Pflicht zum Aus- und Einstempeln bei Raucherpausen am 3.4.2008 und mit zwei zeitgleich erfolgten letztmaligen Abmahnungen vom 7.7.2008 aufgefordert, künftig ihren Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nachzukommen. Die Abmahnungen enthalten eine Kündigungsandrohung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen zur Klageerwiderung (vgl. Bl. 30 – 34 der Akte) Bezug genommen.

Seit Dezember 2008 steht den Beschäftigten und damit auch der Klägerin ein Raucherraum zur Verfügung. Der Stempelautomat befindet sich ca. 5 m nach links versetzt neben der Tür. Die Klägerin hat deshalb von ihrem Büro kommend zunächst am Raucherraum vorbei zu gehen zum Stempelautomat und sodann zum Raucherraum zurückzukehren.

Am 27.4.2009 befand sich die Klägerin um 14:35 Uhr im Raucherraum und rauchte. Am 28.4.2009 wurde die Klägerin erneut um 11:40 Uhr beim Rauchen im Raucherraum gesehen. Am 29.4.2009 wurde die Klägerin wiederum um 10:47 Uhr rauchend im Raucherraum angetroffen.

Für die vorgenannten Zeiten weist die Zeiterfassung der Klägerin weder eine Aus- noch eine Einstempelung auf. Bis zum 5.5.2009 ging kein Korrekturbeleg ein.

Die Klägerin suchte den Raucherraum an den genannten Tagen weitere Male auf. Bei diesen Gelegenheiten bediente die Klägerin die Zeiterfassung ordnungsgemäß.

Am 5.5.2009 wurde die Klägerin um 15:30 Uhr zur Sachverhaltsaufklärung angehört.

Mit Schreiben vom 12.5.2009, das die Klägerin am 12.5.2009 erhielt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist.

Mit bei Gericht am 25.5.2009 eingegangener, der Beklagten am 4.6.2009 zugestellter Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht.

Die Klägerin behauptet, ein wichtiger Grund liege nicht vor. Die Frist nach § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten.

Die hilfsweise erklärte Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Weder in ihrem Verhalten noch in ihrer Person lägen Kündigungsgründe vor.

Sie habe die Stempeluhr nicht wissentlich und vorsätzlich falsch bei den von ihr eingelegten Raucherpausen bedient.

Sie könne sich das fehlende Ausstempeln nur damit erklären, dass sie gedanklich so sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt gewesen sei, dass sie die Bedienung des Stempelautomaten vergessen habe.

Das Computerprogramm sei relativ neu gewesen und habe nicht fehlerfrei gearbeitet.

Sie habe der Beklagten sofort das Angebot unterbreitet, für die Raucherpausen einen Tag Urlaub anzurechnen.

Die ordnungsgemäße Anhörung des bei der Beklagten bestehenden Personalrates sei mit Nichtwissen zu bestreiten.

Die Klägerin ist zudem der Ansicht, die Kündigung sei aus formalen Gründen unwirksam. Der Personalrat sei gemäß § 74 Abs. 1 LPVG zu der hilfsweisen außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung angehört worden. Dort sei jedoch lediglich die ordentliche Kündigung geregelt.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch die hilfsweise erklärte Kündigung der Beklagten vom 12.5.2009 beendet wird,

2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als kaufmännische Angestellte weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Personalbereich habe von Herrn …., Arbeitsgruppenleiter….., am 27.4.2009 die Information erhalten, die Klägerin habe im Raucherraum um 14:35 Uhr geraucht. Herr … habe auch am 28.4.2009 für die Zeit um 11:40 Uhr eine entsprechende Information erhalten. Am 29.4.2009 habe Herr B. die Klägerin um 10.47 Uhr wiederum selbst im Pausenraum rauchen gesehen.

Der Personalrat sei unter dem 6.5.2009 beteiligt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

1. Die Kündigung vom 12.5.2009 hat das Arbeitsverhältnis fristlos beendet.

a) Nach § 34 Abs. 2 TVöD können Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, nach einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden.

Diese Voraussetzungen liegen bei der 59jährigen Klägerin, die seit 1990 bei der Beklagten in Duisburg beschäftigt ist, vor.

Die Anforderungen an einen wichtigen Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses ergeben sich aus den allgemeinen Vorschriften für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis fristlos beendet werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Die Prüfung des wichtigen Grundes erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in zwei Stufen (vgl. BAG v. 26.3.2009, 2 AZR 953/07, DB 2009, 1772; BAG v. 27.4.2006, 2 AZR 386/05, NZA 2006, 1033). Auf der ersten Stufe ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Liegt ein an sich geeigneter Kündigungsgrund vor, ist auf der zweiten Stufe zu prüfen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht.

(1) Die Klägerin hat gegen die ihr obliegenden Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis in besonders schwerwiegender Weise verstoßen.

Unstreitig herrscht bei der Beklagten die Regelung, dass bei Einlegung einer Raucherpause auszustempeln ist. Eine solche Regelung ist zulässig und verletzt nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist berechtigt, das Rauchen am Arbeitsplatz zu untersagen (BAG v. 19.5.2009, 9 AZR 241/08, NZA 2009, 1540; grundlegend BAG v. 19.1.1999, 1 AZR 499/98, NZA 1999, 546). Ein Anspruch auf bezahlte Raucherpausen besteht – sofern nicht vom Arbeitgeber gestattet – nicht. Die Klägerin hat die Verbindlichkeit dieser Regelung, die auch in der Mitarbeiterinformation 33/2008 ausdrücklich vom Vorsitzenden des Personalrates unter der Überschrift „Vorstand und Personalrat informieren gemeinsam“ unterzeichnet worden ist, nicht in Abrede gestellt. Im Gegenteil hat sie die grundsätzliche Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens eingeräumt.

Ist für eine Raucherpause auszustempeln, so bedeutet dies, dass Raucherpausen nicht zur bezahlten Arbeitszeit gehören. Der Arbeitnehmer kann von dem Arbeitgeber keine Bezahlung dieser – allein seinem persönlichen Bedürfnis geschuldeten – Zeit verlangen. Besteht eine Regelung zum Ausstempeln und bedient ein Arbeitnehmer die vorgeschriebene Zeiterfassung nicht, so veranlasst er den Arbeitgeber, ihm Entgelt zu zahlen, ohne die geschuldete Leistung erbracht zu haben.

Verstöße in diesem Bereich rechtfertigen eine fristlose Kündigung. Erledigt ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit private Angelegenheiten, ohne – wie für Arbeitsunterbrechungen vorgesehen – in der Arbeitszeiterfassung eine entsprechende Korrektur vorzunehmen, so rechtfertigt dies auch ohne vorangehende Abmahnung den Ausspruch einer Kündigung (LAG Hamm v. 30.5.2005, 8 (17) Sa 1773/04, NZA-RR 2006, 353). Das unbefugte Verlassen des Arbeitsplatzes kann im Einzelfall nach vorangegangener Abmahnung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (LAG Rheinland-Pfalz v. 1.4.2004, 11 Sa 1383/03, n. v.). Ein – auch einmaliger – Arbeitszeitbetrug rechtfertigt in der Regel eine außerordentliche Kündigung (BAG v. 24.11.2005, 2 AZR 39/05, NZA 2006, 484).

Das Verhalten der Klägerin ist den vorgenannten Fällen gleichzustellen. Sie legt – rein privat – eine Pause ein und erhält entgegen den vertraglichen Vereinbarungen diese Zeit bezahlt. Selbst wenn dies ohne Vorsatz erfolgt sein sollte, was angesichts der vagen Einlassung der Klägerin sehr fraglich ist, ist die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Denn es handelt sich um ein schwerwiegendes Fehlverhalten. Könnte die Beklagte der Klägerin Vorsatz nachweisen, so bedürfte es – wie ausgeführt – der vorhergehenden Abmahnungen nicht. Den wiederholten Entzug von Arbeitsleistung ohne sachlichen Grund hat der Arbeitgeber aber auch dann nicht hinzunehmen, wenn er nicht vorsätzlich erfolgt sein sollte. Zumindest die Erbringung der Arbeitsleistung in der geschuldeten Zeit ist die Hauptpflicht, die der Arbeitnehmer schuldet. Verstöße in diesem Bereich berühren den Kernbereich des gegenseitigen Austauschverhältnisses. Der Arbeitgeber kann von dem Arbeitnehmer, der keinen bestimmten Erfolg seiner Arbeitsleistung schuldet, wenigstens verlangen, dass er die vereinbarte Arbeitszeit tatsächlich erbringt. Nur für diesen Fall schuldet er auch das vollständige Entgelt.

Aufgrund der Abmahnungen war die Klägerin ausreichend gewarnt. Die Klägerin war erst vor gut einem Jahr das erste Mal für ein entsprechendes Verhalten abgemahnt worden. Die Abmahnung beschreibt genau das Fehlverhalten, benennt die beanstandete Pflichtverletzung und enthält den Hinweis auf eine mögliche Kündigung im Wiederholungsfall. Anschließend ist die Klägerin ca. fünf Monate später, also nur neun Monate vor dem jetzigen Verstoß, nochmals zweimal abgemahnt worden. Spätestens seitdem hätte die Klägerin besonders sensibilisiert sein müssen. Ein „Vergessen“ ist kein Rechtfertigungsgrund für ein Fehlverhalten (LAG Hamm v. 17.2.2006, 10 Sa 1869/05, n. v.). Die Klägerin, die zudem selbst einräumt, dass sie mehrmals am Tag den Raucherraum aufsuchte, hatte deshalb besonders darauf zu achten, dass es in Zukunft nicht wieder zu einem „Vergessen“ kommt.

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Ist ein Arbeitnehmer nicht in der Lage, dieser Obliegenheit nachzukommen, so rechtfertigt dies bereits die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber muss es nicht hinnehmen, einen besonders „vergesslichen“ Arbeitnehmer beschäftigen zu müssen, der immer wieder Arbeitszeit bezahlt bekommt, ohne hierfür gearbeitet zu haben.

(2) Die fristlose Kündigung ist auch unter Würdigung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt.

Notwendig ist eine umfassende Güter- und Interessenabwägung. Es sind das Interesse des Kündigenden an der Auflösung und das Interesse des Kündigungsempfängers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses gegenüberzustellen. Hinzutreten können Art und Schwere der Verfehlung, Umfang des verursachten Schadens, Wiederholungsgefahr, Beharrlichkeit des pflichtwidrigen Verhaltens, Grad des Verschuldens, Lebensalter, Folgen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, Größe des Betriebes sowie der soziale Besitzstand des Arbeitnehmers (BAG v. 27.4.2006, 2 AZR 386/05, NZA 2006, 1033).

Zugunsten der Klägerin sind ihr Lebensalter und die lange Beschäftigungsdauer zu berücksichtigen. Andererseits handelt es sich – da es um eine Arbeitszeitverfehlung aus rein privatem Anlass geht – um ein besonders schweres Fehlverhalten. Zudem besteht eine besondere Wiederholungsgefahr. Die Klägerin war mehrfach abgemahnt worden. Gleichwohl hat sie an drei aufeinander folgenden Tagen nicht ausgestempelt. Damit ist das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen zerstört. Auch eine Fortsetzung bis zum Ablauf einer sozialen Auslauffrist entsprechend der längsten Kündigungsfrist gem. § 34 Abs. 1 S. 1 TVöD von sechs Monaten zum Quartalsende, also bis zum 31.12.2009, ist nicht zumutbar. Bei einer Arbeitnehmerin, die mehrfach täglich Raucherpausen in Anspruch nimmt, und die trotz mehrfacher Abmahnungen an drei aufeinander folgenden Tagen das „Ausstempeln“ einfach vergessen haben will, kann nicht erwartet werden, dass sich dieses Verhalten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht wiederholen wird.

Das Fehlverhalten ist auch nicht deshalb nur als gering einzustufen, weil es sich jeweils nur um wenige Minuten gehandelt hat. Wie ausgeführt, ist bei einem Arbeitszeitbetrug auch bei einer geringfügigen Zeitdifferenz die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Gleiches hat zu gelten, wenn es sich um ein nach dreimaliger Abmahnung nochmals an drei aufeinander folgenden Tagen auftretendes Fehlverhalten handelt. Die wenigen Minuten für eine Raucherpause addieren sich zu einem erheblichen Zeitverlust. Würde man argumentieren, der Schaden sei gering, gäbe es letztlich keine Grenze mehr, bei der man von einer Unzumutbarkeit ausgehen könnte.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Toleranz von Verstößen gegen die Zeiterfassung bei Raucherpausen dazu führen würde, dass sich potentiell mehr Beschäftigte nicht mehr an die Vorgaben halten. Eine Generalprävention gegenüber anderen Mitarbeitern ist im Rahmen der Interessenabwägung ein nur begrenzt tragfähiger Gesichtspunkt (BAG v. 28.7.2009, 3 AZN 224/09, NZA 2009, 859; BAG v. 16.12.2004, 2 ABR 7/04, AP Nr. 191 zu § 626 BGB). Auch wenn demnach dieser Aspekt nur begrenzt zu berücksichtigen ist, so fällt er vorliegend zu Lasten der Klägerin ins Gewicht. Raucherpausen sind, wenn sie unbezahlt geduldet werden, gerichtsbekannt in den meisten Betrieben Gegenstand kontroverser Diskussionen. Um solche Diskussionen zu vermeiden und so letztlich die Zusammenarbeit aller zu fördern, besteht ein anerkennenswertes und nachvollziehbares Interesse der Beklagten an der Durchsetzung der getroffenen Regelung.

Dem Umstand, dass jedem Menschen einmal Fehler unterlaufen können, hat die Beklagte bereits hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass sie sich bei den ersten drei Verstößen auf eine Abmahnung beschränkt hat und die Kündigung erst ausgesprochen hat, nachdem die Klägerin weitere dreimal – zudem an unmittelbar aufeinander folgenden Tagen – die Vorschriften nicht eingehalten hat. Der Beklagten kann auch gerade nicht vorgeworfen werden, sie hätte die Klägerin sofort am ersten Tag ansprechen müssen. Es ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte die Klägerin bewusst habe „vorführen“ wollen oder dass sie sie etwa „in ein offenes Messer“ habe laufen lassen wollen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sie es zunächst bei Abmahnungen belassen hat. Es ist einem Arbeitgeber nicht anzulasten, dass er nicht am ersten Tag eines erkannten Fehlverhaltens reagiert. Dies kann sich auch zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirken, nämlich dann, wenn der Arbeitgeber bei einem einmaligen Verstoß von weiteren Maßnahmen absieht. Da die Klägerin sich aus- und einzustempeln hat, hat sie aber insgesamt sechs Handlungen unterlassen, die sie als starke Raucherin routinemäßig beherrscht haben dürfte.

Zugunsten der Klägerin kann auch nicht ihre Einlassung berücksichtigt werden, an den genannten Tagen habe sie ein „relativ“ neues Computerprogramm bedienen müssen und sie sei sehr beschäftigt gewesen, weil das Programm nicht fehlerfrei gearbeitet hätte. Dieser Vortrag ist bereits wenig konkret. Es fehlen jegliche Einzelheiten, was an diesen drei Tagen anders gewesen sein soll. Auch ist nicht angegeben, was unter einem „relativ“ neuen Programm zu verstehen sein soll.

Der Vortrag ist auch wenig überzeugend. Wäre es so gewesen, wie die Klägerin behauptet, ist nicht zu erklären, warum sie bei den ca. fünf weiteren Raucherpausen an den genannten Tagen das Ausstempeln nicht vergessen hat. Da bereits diese Einlassung die Klägerin nicht entlastet, kam es auf den Vortrag der Beklagten, das Programm sei bereits seit mehreren Jahren eingeführt gewesen, die Klägerin sei mehrfach geschult worden und an den genannten Tagen seien keine Störungsmeldungen eingegangen, nicht mehr an. Einer besonderen Schriftsatzfrist zur Erwiderung auf den letzten Schriftsatz bedurfte es deshalb nicht.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des besonderen Kündigungsschutzes gem. § 34 Abs. 2 TVöD, der eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ausschließt. Die tarifliche „Unkündbarkeit“ kann zugunsten des Arbeitnehmers ins Gewicht fallen, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt hätte. Bei einer Wiederholungsgefahr ist dies jedoch anders zu sehen (so ausdrücklich BAG v. 14.2.1996, 2 AZR 274/95, NZA 1996, 873). Auch der ordentlich unkündbare Arbeitnehmer kann nicht darauf vertrauen, dass er immer wieder – sanktionslos – vergessen darf, das erforderliche Ein- und Ausstempeln vorzunehmen. Die mildere Sanktion – nämlich eine Abmahnung – hatte die Beklagte bereits für drei Verfehlungen im Ergebnis erfolglos versucht.

Die Beklagte muss sich auch nicht darauf verweisen lassen, der Klägerin nachträglich einen Tag Urlaub gutzuschreiben. Selbst wenn die Klägerin einen entsprechenden Vorschlag im Rahmen der Anhörung am 5.5.2009 unterbreitet haben sollte – die Beklagte bestreitet dies – so ändert dieser Vorschlag nichts am Fehlverhalten. Ein rechtswidriges Verhalten wird nicht dadurch rechtmäßig, dass nach Entdeckung eine anderweitige Kompensation vorgeschlagen wird.

Aus den gleichen Gründen kam auch eine Kündigung mit sozialer Auslauffrist nicht in Betracht. Grund für die Kündigung ist das fehlende Vertrauen in die Klägerin, die Vorschriften zur Arbeitszeit einzuhalten. Da die Beklagte die Klägerin nicht ständig überwachen kann, ist nicht auszuschließen, dass es in Zukunft zu weiteren Pflichtverletzungen kommen wird.

Schließlich fällt die geschiedene Klägerin, die nach Aktenlage aktuell keine Unterhaltspflichten zu erfüllen hat, auch nicht in den „sozialen Ruin“, wie der Personalrat ausgeführt hat. Sicherlich hat sie erhebliche Einbußen hinzunehmen. Angesichts der vorhandenen sozialen Sicherungssysteme kann dies jedoch nicht als „sozialer Ruin“ bezeichnet werden.

b) Die Kündigung ist rechtzeitig gem. § 626 Abs. 2 BGB innerhalb von zwei Wochen erfolgt.

Die Kündigungserklärungsfrist beginnt gem. § 626 Abs. 2 S. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (BAG v. 23.10.2008, 2 AZR 388/07, AP Nr. 217 zu § 626 BGB).

Die Beklagte hat vom maßgebenden Kündigungsgrund frühestens am 27.4.2009 Kenntnis erlangt. In Bezug auf die Verstöße vom 28.4.2009 und 29.4.2009 ist die Kündigung noch innerhalb der ab dem Zeitpunkt des Pflichtverstoßes berechneten Zwei-Wochen-Frist zugegangen. Auch hinsichtlich des Verstoßes am 27.4.2009 ist die Kündigungserklärungsfrist noch nicht abgelaufen. Bei Dauertatbeständen ist anerkannt, dass die Erklärungsfrist jeden Tag neu beginnt (BAG v. 22.1.1998, 2 ABR 19/97, NZA 1998, 708). Entsprechendes hat zu gelten, wenn maßgeblich für die Kündigung ein an drei Tagen hintereinander fortgesetztes Verhalten ist. Der Vorwurf beschränkt sich nicht darauf, dass die Klägerin gerade am 27.4.2009 ihre Pflichten missachtet hat, sondern umfasst gerade die wiederholte Pflichtverletzung an drei Tagen.

c) Die Kündigung ist auch nicht wegen fehlender oder unrichtiger Personalratsanhörung unwirksam.

Gem. § 74 Abs. 4 LPVG NW ist vor fristlosen Entlassungen und außerordentlichen Kündigungen der Personalrat anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienststellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen schriftlich mitzuteilen.

Die Beklagte hat im Einzelnen vorgetragen, dass sie den Personalrat unter Angabe des wesentlichen Sachverhalts, nämlich der drei Verstöße, der vorangegangenen Abmahnungen sowie der Einlassung der Klägerin am 6.5.2009 angehört hat.

Dies folgt bereits daraus, dass die Klägerin selbst das Antwortschreiben des Personalrates vom 8.5.2009 vorgelegt hat, aus dem sich ergibt, dass der Personalrat am 6.5.2009 angehört worden ist. Wie die ausführliche Stellungnahme des Personalrats zeigt, hat dieser sich mit dem Sachverhalt eingehend auseinandergesetzt. Die Stellungnahme wäre nicht möglich gewesen, wenn der Personalrat nicht die für eine Anhörung erforderlichen Informationen erhalten hätte.

Somit wäre es im Rahmen der ihr obliegenden abgestuften Darlegungs- und Beweislast Sache der Klägerin gewesen, konkret zu beanstanden, in welchen Punkten sie das Verfahren für fehlerhaft hält (vgl. BAG v. 20.01.2000, 2 AZR 378/99, EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 47; BAG v. 16.03.2000, 2 AZR 75/99, NZA 2000, 1332). Die Klägerin hat sich hierzu nicht mehr im Einzelnen geäußert, es ist bei dem Bestreiten mit Nichtwissen innerhalb der Klageschrift geblieben. Im übrigen wurde nur pauschal die Rechtsansicht vertreten, der Hinweis auf § 74 Abs. 1 LPVG NW in der Anhörung führe zu einem Formfehler. Ein solches Bestreiten ist unzureichend mit der Folge des § 138 Abs. 3 ZPO (vgl. BAG v.16.03.2000, 2 AZR 75/99, a.a.O.).

Daneben liegt ein Formfehler nicht vor. Die Beklagte hat hilfsweise eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ausgesprochen. Für diese ist der Personalrat – auch wenn es sich um eine außerordentliche Kündigung handelt – nach den Vorschriften der Mitwirkung bei ordentlichen Kündigungen zu beteiligen (BAG v. 18.1.2001, 2 AZR 616/09, AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1; BAG v. 18.10.2000, 2 AZR 627/99, NZA 2001, 219; entsprechend zum BetrVG BAG v. 12.1.2006, 2 AZR 242/05, AP Nr. 13 z § 626 BGB Krankheit).

Wiederum aus der Stellungnahme des Personalrats ergibt sich bereits, dass er sowohl nach § 74 Abs. 1 LPVG NW für die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist als auch gem. § 74 Abs. 4 LPVG NW für die außerordentliche Kündigung angehört wurde.

2. Da die Kündigungsschutzklage abzuweisen ist, ist der nur für den Fall des Obsiegens gestellte Antrag auf Weiterbeschäftigung nicht mehr zur Entscheidung angefallen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 91 ZPO.

Der Streitwert ist gem. § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO, § 42 Abs. 3 GKG im Urteil festzusetzen. Er entspricht im Übrigen dem gem. § 63 Abs. 2 GKG für die Gerichtsgebühren festzusetzenden Streitwert.

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