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Sozialauswahl Kündigung – psychische Erkrankung

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Az: 7 Sa 1578/10

Urteil vom 06.07.2011


I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 28.09.2010, 8 Ca 871/10, abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die seitens des Beklagten zu 1) ausgesprochene Kündigung vom 16.02.2010 nicht zum 31.05.2010 aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis über den 31.05.2010 hinaus mit der Beklagten zu 2) fortbesteht.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten gesamtschuldnerisch haftend zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass eine seitens des Beklagten zu 1) ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2) fortbesteht.

Der am 01.02.1966 geborene, verheiratete Kläger, der zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, ist am 17.11.1986 bei einer Rechtsvorgängerin der u. T. GmbH, die eine Zulieferin der Automobilindustrie ist, als Maschinenbediener eingestellt worden. Ausweislich des Arbeitsvertrages (Bl. 5 der Akte) bestimmt sich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses nach den für die Metallindustrie in NRW geltenden Tarifverträgen. Der Arbeitsvertrag enthält eine Versetzungsklausel.

Im Betrieb werden Lenksysteme für die Automobilindustrie produziert. Diese Lenksysteme setzen sich aus Stahlgehäusen, Axialen, Druckstangen, Zahnstangen und Ventilen sowie den entsprechenden Ventileinzelteilen wie Input-Shaft, t-bar und pinion zusammen.

Von 1986 bis August 2008 war der Kläger, der gelernter Schlosser ist, in der Schwenklagerfertigung auf der Basis der Lohngruppe 8 tätig. Im August 2008 wurde er in die Lenkungsmontage versetzt und dort in der Lohngruppe 6 beschäftigt. Der Kläger erhielt zuletzt einen monatlichen Bruttolohn in Höhe von 2.621,77 €.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 01.03.2009 wurde über das Vermögen der u. T. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1) zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte zu 1) war bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und stand in dieser Eigenschaft mit dem bei der Insolvenzschuldnerin bestehenden Betriebsrat, für den seit Dezember 2008 ein betriebswirtschaftlicher Sachverständiger tätig war, in Kontakt. In der Zeit ab Dezember 2008 gab es eine Vielzahl von Besprechungen zwischen den Vertretern des Beklagten zu 1) und dem durch den Betriebsratsvorsitzenden B. Z. und dessen Stellvertreter N. I. vertretenen Betriebsrat.

Unter dem Datum vom 15.02.2010 schlossen der Betriebsrat und der Beklagte zu 1) einen Interessenausgleich mit Namensliste ab. Auf der Namensliste sind von den insgesamt 606 beschäftigten Mitarbeitern die Namen von 273 Beschäftigten aufgeführt, und zwar 131 Arbeitnehmer aus dem indirekten Bereich, 130 Arbeitnehmer aus dem direkten Bereich sowie acht Auszubildende, die statt der in § 8 des Tarifvertrages zur Beschäftigungsbrücke vorgesehenen einjährigen Übernahme im Betrieb der Insolvenzschuldnerin in die im Interessenausgleich vorgesehene Transfergesellschaft gewechselt sind und vier ehemalige Auszubildende, denen nach Ablauf der einjährigen Übernahme der Eintritt in die Transfergesellschaft zum 01.03.2010 ermöglicht worden ist.

Nach Ziffer 4 des Interessenausgleichs ist die Betriebsratsanhörung mit der Erstellung der Namensliste eingeleitet worden. Der Betriebsrat hat erklärt, dass er in Anbetracht der ausführlichen Diskussion über die einzelnen Kündigungen keine Stellungnahme mehr abgeben werde, so dass das Anhörungsverfahren mit der Unterschrift des Betriebsrates unter diesem Interessenausgleich beendet sei. Wegen des Inhalts des Interessenausgleichs nebst der Namensliste wird auf Bl. 66 – 82 der Akte Bezug genommen. Ein Sozialplan wurde nicht abgeschlossen, da die Insolvenzschuldnerin noch keine vier Jahre existiert hat.

Der Name des Klägers ist auf der Namensliste enthalten.

Die Massenentlassungsanzeige ist am 15.02.2010 bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen, was diese am gleichen Tag bestätigt hat (Bl. 99 ff. der Akte).

Dem Kläger wurde gemäß Ziffer 5 des Interessenausgleichs der Übergang in eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit innerhalb der Transfergesellschaft, der X. GmbH, angeboten. Dieses Angebot hat der Kläger nicht angenommen.

Mit Schreiben vom 16.02.2010 kündigte der Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis zum Kläger unter Bezugnahme auf die Frist des § 113 Abs. 1 InsO zum 31.05.2010.

Die nach der Namensliste zu kündigenden Arbeitnehmer wurden nach Ausspruch der Kündigung – wie auch der Kläger – mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung freigestellt.

Zum 01.04.2010 wurde der Betrieb von der Beklagten zu 2) übernommen und fortgeführt. Durch Schreiben vom 31.03.2010 ist der Kläger über diesen Betriebsübergang unterrichtet worden.

Der Beklagte zu 1) hat eine nach Vergleichsgruppen sortierte Übersicht mit den Namen und Sozialdaten sämtlicher Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Erstellung der Namensliste im Betrieb beschäftigt waren, zur Akte gereicht. Wegen des Inhalts der Liste wird auf Bl. 128 – 142 der Akte Bezug genommen.

Im Produktionsbereich sind vier Vergleichsgruppen gebildet worden, und zwar die Produktionshelfer, die Produktionsmitarbeiter, die universellen Produktionsmitarbeiter sowie die Anlagenführer. Zwischen den Parteien ist streitig, ob diese Gruppen schon vor der Insolvenz im Betrieb tatsächlich „gelebt“ wurden. Diese Vergleichsgruppen wurden auf die einzelnen Produktionslinien übertragen und sodann in Altersgruppen unterteilt, und zwar in die Altersgruppen bis 25 Jahre (Altersgruppe 1), 25 – 34 Jahre (Altersgruppe 2), 35 – 44 Jahre (Altersgruppe 3), 45 – 54 Jahre (Altersgruppe 4) und ab 55 Jahre (Altersgruppe 5). Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten zu 1) sind die Arbeitnehmer nach der im Moment der Erstellung der Namensliste von ihnen ausgeübten Tätigkeit linienbezogen der jeweiligen Vergleichsgruppe zugeordnet worden. Eine die Produktionslinie überschreitende Sozialauswahl hat nicht stattgefunden. Angabe dazu, wie die Sozialkriterien zu gewichten sind, sind im Interessenausgleich nicht enthalten.

Zumindest dem Betriebsratsvorsitzenden lag vor Abschluss des Interessenausgleichs eine nach den Namen der Mitarbeiter alphabetisch geordnete Liste vor, die die Sozialdaten der Mitarbeiter nebst Betriebszugehörigkeit und etwaiger Schwerbehinderung, ihre Tätigkeit anhand der gebildeten Vergleichsgruppen sowie die Angabe der Lohngruppe enthielt. Wegen des Inhalts der Liste wird auf Bl. 83 – 98 der Akte Bezug genommen.

Der Kläger ist der Vergleichsgruppe „Produktionshelfer Montage“, Altersgruppe 3, Lohngruppe 6, zugeordnet worden.

Ebenfalls in dieser Vergleichsgruppe befindet sich der ledige und kinderlose Mitarbeiter D. H., der auch der Altersgruppe 3 angehört, und seit dem 13.05.1996 bei der Insolvenzschuldnerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt ist. Ausweislich der von der Beklagten zur Akte gereichten Liste erhält dieser Mitarbeiter ebenfalls eine Vergütung nach der Lohngruppe 6.

Der Kläger hat bestritten, dass sein Arbeitsplatz infolge dringender betrieblicher Erfordernisse entfallen sei. In der Abteilung „Lenkung“ werde Mehrarbeit verfahren und Wochenendarbeit geleistet. Er hat behauptet, der Interessenausgleich sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen und der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Zudem sei die Sozialauswahl grob fehlerhaft. Er sei mit den in seiner Vergleichsgruppe befindlichen Mitarbeitern……….. vergleichbar, die aufgrund der geringeren sozialen Schutzwürdigkeit vor ihm hätten gekündigt werden müssen. Außerdem sei die Vergleichsgruppenbildung grob fehlerhaft. Seine jahrelang erworbene Qualifikation und flexible Einsetzbarkeit sei nicht berücksichtigt worden. Er sei als gelernter Schlosser sowohl für den Bereich der Maschinenarbeit als auch für den Bereich der Lenkungsmontagearbeiter einsetzbar. In Anbetracht seiner Beschäftigungszeit sei daher eine alleinige Zuordnung als Lenkungsmontagearbeiter und Festschreibung in dieser Gruppierung grob fehlerhaft. Er habe jahrelang an den kompliziertesten Maschinen gearbeitet. Mit seiner zwanzigjährigen CNC Maschinenerfahrung könne er alle Maschinen sehr schnell beherrschen, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er eine abgeschlossene Schlosserlehre vorweisen könne. Eine Herausnahme des Mitarbeiters H. aus der Sozialauswahl sei nicht schlüssig dargelegt. Außerdem stelle die gewählte Gruppenbildung eine Altersdiskriminierung dar.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung des Beklagten zu 1) vom 16.02.2010, zugegangen am 16.02.2010, nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) zu den im Arbeitsvertrag vom 17.11.1986 geregelten Arbeitsbedingungen als Maschinenarbeiter für alle anfallenden Tätigkeiten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 31.05.2010 hinaus mit der U. T. Systems GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer Herrn S. H. und Herrn U. C., I.-G.-II-Str. 15, X. ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) hat die Auffassung vertreten, die vom Kläger gegen die Betriebsbedingtheit vorgebrachten Einwände könnten die aufgrund des wirksam geschlossenen Interessenausgleichs bestehende Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO nicht widerlegen. Er hat behauptet, in der Produktion falle größer ein Drittel weniger Arbeit an. Daneben sei eine weitergehende Optimierung und Anpassung der verbleibenden Prozesse und Betriebsabläufe durchzuführen. Er – der Beklagte zu 1) – habe gemeinsam mit dem Betriebsrat Vergleichsgruppen gebildet, um eine ausgewogene Personalstruktur zu erhalten bzw. zu schaffen. Innerhalb der Vergleichsgruppen sei – unter Berücksichtigung der Altersstruktur – unter den Mitarbeitern mit gleichem Qualifikationsniveau und gleicher Tätigkeit jeweils eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten erfolgt. Zur Sicherstellung einer reibungslosen Fortführung des Betriebes, welche im Falle einer zügigen Sanierungsbedürftigkeit von entscheidender Bedeutung für das Überleben des Betriebes sei, seien die Vergleichsgruppen unter Berücksichtigung der jeweiligen Produktionsbereiche und der im Moment der Erstellung der Namensliste von den jeweiligen Arbeitnehmern ausgeübten Tätigkeit gebildet worden. Nach Wegfall eines Großteils der Belegschaft sei eine Funktionsfähigkeit des Betriebes nur möglich gewesen, wenn die verbleibenden Mitarbeiter über eine einschlägige Ausbildung verfügten und ohne zeitaufwendige Einarbeitung sofort weiter eingesetzt werden könnten. Der Kläger sei mit den in seiner Altersgruppe befindlichen anderen Mitarbeitern aus der Vergleichsgruppe „Produktionshelfer Montage“ verglichen worden und aufgrund seiner Sozialdaten von der Betriebsänderung betroffen. Wegen der vollständigen Einstellung der Produktionslinie Schwenklagerfertigung im Jahr 2008 und der Tatsache, dass der Kläger neben seiner letzten Tätigkeit als „Produktionshelfer Montage“ keine weitere Tätigkeit ausgeübt habe, die auch aktuell im Betrieb noch benötigt würde, wäre für den Kläger in jedem anderen Einsatzbereich eine Einarbeitungszeit von mindestens acht Wochen nötig. Der Mitarbeiter H. sei psychisch erkrankt. Sein Bruder, der ebenfalls bei der Insolvenzschuldnerin tätig gewesen sei, sei an Lymphknotenkrebs gestorben. Seit dieser Zeit seien bei dem Mitarbeiter H. Angstzustände aufgetreten, an der gleichen Krankheit zu erkranken. Vor dem Hintergrund der besonderen Situation des Mitarbeiters H. seien die Betriebsparteien darin einig gewesen, dass eine Kündigung möglicherweise eine Verschlimmerung des Zustandes nach sich ziehen könne. Aus diesem Grund sei Herr H. aus der Sozialauswahl herausgenommen worden.

Ausweislich des Sitzungsprotokolls des Arbeitsgerichts vom 20.07.2010 ist die Aussage des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Herrn I. in dem Verfahren zu dem Az 8 Ca 629/10 vor dem Arbeitsgericht Wuppertal auch zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht worden. Insoweit wird auf Bl. 189 – 191 der Akte Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die gegen den Beklagten zu 1) erhobene Kündigungsschutzklage sei unbegründet, weil der Kläger die nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestehende Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht widerlegt habe. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 S. 1 InsO lägen vor. Der Vortrag des Klägers erschöpfe sich darin, dass er die unsubstantiierte Behauptung aufgestellt habe, die Auftragsbücher seien voll und die im Unternehmen verbliebenen Mitarbeiter würden Mehrarbeit leisten bzw. Wochenendarbeit erbringen. Selbst wenn man die Richtigkeit der Ausführungen des Klägers unterstelle, bedeute dies nicht, dass sein Arbeitsplatz als „Produktionshelfer Montage“ nicht in Wegfall geraten sei. Die Kündigung sei auch nicht wegen einer grob fehlerhaften sozialen Auswahl sozial ungerechtfertigt. Die auswahlrelevanten Gruppen seien nicht grob fehlerhaft gebildet worden. Eine Vergleichsgruppenbildung nach Abteilungen habe nicht stattgefunden. Zwar sei richtig, dass die Betriebsparteien den Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer enger gezogen habe als die Rechtsprechung dies vorsehe. Nach dem Vortrag des Beklagten zu 1) sei es jedoch zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Betriebes zwingend erforderlich gewesen, bei der Bildung der auswahlrelevanten Gruppen zwischen Mitarbeitern, die die Tätigkeit ohne jede Einarbeitungszeit ausführen könnten und solchen, die nur nach einer gewissen Einarbeitungszeit in der Lage seien, den jeweiligen Arbeitsplatz einzunehmen, zu differenzieren. Dem Kläger sei es im konkreten Fall nicht gelungen, die grobe Fehlerhaftigkeit der Vergleichsgruppenbildung bei den „Produktionshelfern Montage“ darzulegen. Es könne sein, dass der Kläger unter Berücksichtigung einer angemessenen Einarbeitungszeit auch in der Lage sei, Arbeiten eines „universellen Produktionsmitarbeiters Montage“ durchzuführen. Für den konkret vorliegenden Fall komme es jedoch darauf an, ob der Vergleichsgruppenbildung ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler anhafte und diese Vergleichsgruppenbildung jede Ausgewogenheit vermissen lasse. Ein solcher evidenter Fehler sei nicht erkennbar. Ebenso wenig sei die Einordnung des Klägers in die Vergleichsgruppe „Produktionshelfer Montage“ grob fehlerhaft. Der Kläger habe nicht darlegen können, dass er in eine andere Vergleichsgruppe einzuordnen gewesen wäre. Insoweit habe der Kläger sich konkret auch nur auf solche Mitarbeiter berufen, die zur Vergleichsgruppe „Produktionshelfer Montage“ gehörten. Unter Berücksichtigung der Sozialdaten dieser Mitarbeiter sei ein evidenter, ins Auge springender Fehler nicht festzustellen. Hinsichtlich des Mitarbeiters H. habe der Beklagte Ausführungen gemacht, die nach Auffassung der Kammer dazu geeignet seien, keine grobe Fehlerhaftigkeit hinsichtlich der Sozialauswahl anzunehmen. Den Betriebsparteien werde ein weiter Ermessensspielraum zugebilligt. Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß erfolgt.

Gegen das ihm am 04.10.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 28.10.2010 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.01.2011 mit einem am 04.01.2011 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

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Mit seiner Berufung vertritt der Kläger weiterhin unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens die Auffassung, dass sein Arbeitsplatz nicht weggefallen sei. Ergänzend trägt er vor, in der Lenkungsmontage hätten die Mitarbeiter auch in der Insolvenz von sonntags 22.00 Uhr bis samstags 22.00 Uhr produziert. Durch die verbliebenen Mitarbeiter seien im Zeitraum März 2010 bis März 2011 mehr als 100.000 Überstunden abgearbeitet worden. Zudem würden 30 Leiharbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger ist der Auffassung, dass 80 Mitarbeiter zuviel entlassen worden seien. Dies führt er auf S. 7 – 8 seines Schriftsatzes vom 18.03.2011 (Bl. 357 – 358 der Akte) im Einzelnen aus. Im Rahmen der Sozialauswahl beruft er sich erneut auf den Mitarbeiter H.. Dieser Mitarbeiter dürfe trotz seines behaupteten Gesundheitsproblems nicht aus der Sozialauswahl herausgenommen werden. Auf S. 4 – 6 seiner Berufungsbegründung benennt der Kläger weitere Mitarbeiter, die nach seiner Auffassung mit ihm vergleichbar und sozial weniger schutzwürdig seien. Insoweit wird auf Bl. 265 – 267 der Akte Bezug genommen. Die vorgelegte Namensliste lasse jegliche Ausgewogenheit bei der Gewichtung der Kriterien vermissen. Der Kläger rügt, die Betriebsparteien hätten den auswahlrelevanten Personenkreis willkürlich bestimmt. Bezeichnenderweise seien vor der Verabschiedung des Interessenausgleichs Mitarbeiter – zum Beispiel die Mitarbeiter D. und H. – gezielt versetzt worden, um eine Kündigung diesen Mitarbeitern gegenüber zu vermeiden. Der Mitarbeiter Q. L. sei jahrelang im Indirektbereich als Produktaudit mit der Lohngruppe 9 beschäftigt gewesen und im Januar 2010 zur Montagelinie versetzt worden. Auch die Mitarbeiter S. und F. seien Ende 2009 versetzt worden. Seinen diesbezüglichen Vortrag ergänzt er auf S. 2 – 5 seines Schriftsatzes vom 01.07.2011. Insoweit wird auf Bl. 419 – 422 der Akte Bezug genommen. Die Vergleichsgruppenbildung sei grob fehlerhaft, weil alle Mitarbeiter die selbige Arbeit ausgeführt hätten. Die von den Beklagten vorgenommene Aufsplittung von Tätigkeiten innerhalb einer Fertigungslinie habe vor Erstellung des Interessenausgleichs im Unternehmen der Gemeinschuldnerin nicht existiert. Es habe lediglich die Differenzierung zwischen Produktions- und Montagearbeitern gegeben. Die damaligen, aus dem Kreis der Mitarbeiter gewählten Gruppensprecher würden nun als „Anlagenführer“ deklariert. Die Tätigkeiten in der jeweiligen Fertigungslinie seien in Gruppenarbeit unter dem Gesichtspunkt der Rotation durchgeführt worden, so dass turnusmäßig jeder Mitarbeiter mit unterschiedlichen Aufgaben betraut gewesen sei. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung sei für ihn – den Kläger – ein Wechsel innerhalb dieser Bereiche ohne Anlernzeit möglich. Auch die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zeige, dass eine Anlernzeit nicht erforderlich sei. Zudem sei auf der Grundlage der von den Beklagten vorgelegten Liste festzuhalten, dass mehr als zehn Mitarbeiter in fehlerhafte Altersgruppen eingeordnet worden seien. Außerdem seien fehlerhafte Tätigkeitsbeschreibungen vorgenommen worden. Die Auflistung der gekündigten Mitarbeiter sei nicht ordnungsgemäß. Dies führt der Kläger im Einzelnen auf S. 4 – 7 seines Schriftsatzes vom 18.03.2011 aus. Insoweit wird auf Bl. 354 – 357 der Akte Bezug genommen. Seinen diesbezüglichen Vortrag hat er auf S. 5 – 7 seines Schriftsatzes vom 01.07.2011 (Bl. 422 – 424 der Akte) ergänzt. Er behauptet, dass mit dem 01.04.2011 bei der Beklagten zu 2) wieder ein Vierschichtbetrieb in der Produktion aufgenommen worden sei. Gegenwärtig seien noch 24 Leiharbeitnehmer bei der Beklagten zu 2) beschäftigt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 28.09.2010,8 Ca 871/10 abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die seitens der Beklagten erklärte Kündigung vom 16.02.2010 nicht zum 31.05.2010 aufgelöst worden ist.

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 31.05.2010 hinaus mit der Beklagten zu 2) fortbesteht.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und vertreten die Auffassung, dass der Kläger auch mit seinem Berufungsvorbringen die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht widerlegt habe. Eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl sei – selbst bei einer unterstellten Vergleichbarkeit – auch hinsichtlich der weiteren vom Kläger benannten Mitarbeiter nicht gegeben. Bei der Vergleichsgruppenbildung sei zu berücksichtigen gewesen, dass unterschiedliche Fertigungslinien mit unterschiedlichen Maschinen von den jeweiligen Mitarbeitern zu bedienen seien. Selbst innerhalb der Fertigungslinien unterschieden sich die Tätigkeiten der Mitarbeiter einer Tätigkeitsart, d. h. nicht jeder Produktionsmitarbeiter einer Fertigungslinie verrichte notwendig dieselbe Tätigkeit wie sein Kollege. Aus diesen Gründen seien die Vergleichsgruppen dergestalt gebildet worden, dass für die jeweilige Fertigungslinie die Produktionshelfer, Produktionsmitarbeiter, universellen Produktionsmitarbeiter und Anlagenführer in jeweils eine Vergleichsgruppe einsortiert worden seien. Auf diese Weise habe sichergestellt werden können, dass der Geschäftsbetrieb auch nach der Betriebsänderung störungsfrei habe fortlaufen können. Bei den Produktionshelfern betrage die Einarbeitungszeit zirka vier Wochen, bei den Produktionsmitarbeitern rund acht bis zwölf Wochen, bei den universellen Produktionsmitarbeitern und Anlagenführern mehrere Monate, wobei wegen der großen Unterschiedlichkeit der Maschinen pro Fertigungslinie keine einheitliche Grenzziehung getroffen werden könne. Diese Einarbeitungszeiten seien vor dem Hintergrund eines Personalabbaus von nahezu 50 % schlichtweg nicht zumutbar gewesen. Im Falle von Einarbeitungszeiten von mehr als vier Wochen habe der betreffende Mitarbeiter nicht in eine Vergleichsgruppe aufgenommen werden können. Eine Einarbeitung durch einen anderen zu kündigenden Mitarbeiter sei in der betrieblichen Praxis nicht möglich, weil nicht abzusehen sei, welche Konflikte dadurch in die Arbeitnehmerschaft getragen würden. Es könne mit Sicherheit prognostiziert werden, dass durch eine solche Situation erhebliche Produktionsausfälle entstehen würden. Zudem seien die Kündigungsfristlöhne für die Finanzierung der Transfergesellschaft erforderlich gewesen, was bedeutet habe, dass die betreffenden Mitarbeiter direkt in diese wechselten. Außerdem scheine der Kläger die Begriffe „Anlagenführer“ und „Gruppensprecher“ zu verwechseln. Zwar sei richtig, dass die Mitarbeiter innerhalb ihrer Tätigkeit innerhalb einer Produktionslinie gewechselt hätten bzw. mit unterschiedlichen Tätigkeiten betraut gewesen seien. Die Mitarbeiter seien jedoch nicht über ihre jeweiligen grundsätzlichen Tätigkeitsgebiete bzw. über ihre Qualifikation und Erfahrung hinaus eingesetzt worden. Versetzungen im Betrieb seien aufgrund betrieblicher Notwendigkeiten erfolgt. Dazu nimmt der Beklagte zu 2) auf S. 3 des Schriftsatzes vom 16.05.2011 (Bl. 405 der Akte) Stellung. Selbst im unterstellten Fall einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG wäre dem Kläger gekündigt worden, weil er auch in diesem Fall nur mit den Mitarbeitern verglichen worden wäre, welche seiner von den Betriebsparteien gebildeten Vergleichsgruppe angehörten. Ziel der Betriebsparteien sei gewesen, die Personalstruktur dergestalt zu erhalten, dass im Interesse der Fortführung des Betriebes die von der Belegschaft erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen in den jeweiligen Tätigkeitsbereichen erhalten blieben. Schließlich sei die Altersgruppenbildung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig. Selbst wenn – was bestritten wird – Angaben zu einzelnen Mitarbeitern auf der Liste fehlerhaft sein sollten, so hätten diese Fehler keinerlei Einfluss auf die Kündigungsentscheidung den Kläger betreffend. Mit Schriftsatz vom 27.06.2011 hat der Beklagte zu 1) die betrieblichen Auswirkungen einer Minderleistung, die dadurch hätten entstehen können, dass ein Mitarbeiter hätte eingearbeitet werden müssen, dargestellt. Insoweit wird auf Bl. 423 – 428 der Akte Bezug genommen. Um vollwertig als Produktionshelfer einer anderen Linie eingesetzt werden zu können, wäre für den Kläger eine Einarbeitungszeit von vier Wochen erforderlich gewesen.

Auf Befragen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.03.2011 hat der Geschäftsführer der Beklagten zu 2) erklärt, dass ihm ab dem Zeitpunkt seines Eintritts als Geschäftsführer mit Wirkung ab dem 01.05.2009 nur die dargelegte Gruppenbildung bekannt gewesen sei. Es könne sein, dass die Gruppeneinteilung in der Produktion, die wohl im Rahmen des Versuchs der ERA-Einführung erstellt worden seien, tatsächlich im Betrieb nicht gelebt worden sei. Der Vertreter des Beklagten zu 1) hat dazu erklärt, dass ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung, also ab dem 01.03.2009, in der Produktion die sich aus der Namensliste ergebende Gruppenbildung bestanden habe. Auf weiteres Befragen haben die Beklagtenvertreter erklärt, die Sozialkriterien seien gleich gewichtet worden, die Schwerbehinderung in etwas geringerem Umfang. In der Zeit von Juni 2010 bis zum Ende des Jahres 2010 seien insgesamt 11 Leiharbeitnehmer bei der Beklagten zu 2) eingesetzt worden. Dabei habe es sich um in die Transfergesellschaft gewechselte Mitarbeiter gehandelt, die über eine Leihfirma bei der Beklagten zu 2) eingesetzt worden seien. Schriftsätzlich haben die Beklagten dazu ergänzt, der Einsatz von Leiharbeitnehmern sei auf zum Zeitpunkt der Betriebsänderung nicht erwartbare Auftragsentwicklungen bei der Beklagten zu 2) zurückzuführen. Die extern eingesetzten Leiharbeitnehmer verrichteten nur einfachste Aushilfstätigkeiten, die mit der Lohngruppe 4 vergütet würden und keiner besonderen Einarbeitungszeiten bedürften. Im Zeitraum des Laufs der Kündigungsfristen sei kein einziger Leiharbeitnehmer beschäftigt worden.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist zulässig.

II.

Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Auffassung der Berufungskammer zu Unrecht abgewiesen. Im Falle des Klägers ist jedenfalls die Sozialauswahl grob fehlerhaft. Auf die Berufung war das Urteil des Arbeitsgerichts mithin abzuändern und der Klage stattzugeben.

1.

Die streitgegenständliche Kündigung ist sozialwidrig im Sinne von § 1 KSchG. Zwar hat der Kläger die Vermutung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die der Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, bedingt ist, nicht widerlegt. Jedoch ist die Sozialauswahl im Fall des Klägers grob fehlerhaft.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 S. 1 InsO liegen – insoweit zwischen den Parteien unstreitig – vor. Die Kündigung ist aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG ausgesprochen worden, der Interessenausgleich mit Namensliste ist wirksam zustande gekommen und der Kläger ist auf der Namensliste benannt. Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts, die der Kläger mit seiner Berufung nicht angegriffen hat, Bezug genommen.

a)

Kommt der Interessenausgleich – wie vorliegend – wirksam zustande, wird im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens nach § 1 KSchG vermutet, dass die Kündigung der namentlich bezeichneten Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist und eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb fehlt. Diese gesetzliche Vermutung ändert die allgemeine Beweislastregel des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG. Legt der Insolvenzverwalter – wie vorliegend – dar, dass die Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung erfolgt ist, ein wirksamer Interessenausgleich vorliegt und der Arbeitnehmer auf der Namensliste namentlich bezeichnet ist, muss der Arbeitnehmer das Gegenteil darlegen und beweisen. Wie bereits das Arbeitsgericht unter Zitierung der insoweit zu beachtenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgeführt hat, muss der Arbeitnehmer dazu substantiierten Tatsachenvortrag halten, der den vermuteten Umstand nicht nur in Zweifel zieht, sondern ausschließt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts nimmt die Berufungskammer ausdrücklich Bezug.

Die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung ist als widerlegt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebsbedingte Grund nicht vorliegt, weil das Beschäftigungsbedürfnis in Wirklichkeit nicht weggefallen ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Arbeit nach wie vor vorhanden, der Arbeitnehmer aber durch andere Arbeitnehmer, beispielsweise durch einen Leiharbeitnehmer oder dadurch ersetzt worden ist, dass andere Arbeitnehmer seine Tätigkeiten in überobligatorischer Art und Weise, etwa durch Überstunden, mit erledigen (vgl. BAG, Urteil vom 12.03.2009, 2 AZR 418/07, zitiert nach juris).

Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Klägers auch im Berufungsverfahren nicht gerecht. Der Kläger hat keine einer Beweisaufnahme zugänglichen Tatsachen vorgetragen, die die vorstehend dargelegte gesetzliche Vermutungswirkung ausschließen könnten.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger diesbezüglich behauptet, die Beklagte zu 2) habe 30 Leiharbeitnehmer mit einem Stundenvolumen von 50.000 Stunden beschäftigt und die verbliebenen Mitarbeiter hätten im Zeitraum März 2010 bis März 2011 mehr als 100.000 Überstunden geleistet. Diese Angaben des Klägers stehen in Widerspruch zu den Angaben der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung, in dem diese konkrete Angaben zur Anzahl der Leiharbeitnehmer und zum Zeitraum ihrer Beschäftigung gemacht haben. Für die Berufungskammer ist nicht erkennbar, auf welcher tatsächlichen Grundlage der Kläger zu den von ihm aufgestellten Behauptungen kommt. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte müssen diese Behauptungen als Behauptungen „ins Blaue hinein“ gewertet werden mit der Folge, dass sich eine Beweiserhebung durch die vom Kläger benannten Zeugen als unzulässiger Ausforschungsbeweis verbietet. Wie bereits ausgeführt ist der Arbeitnehmer aufgrund der gesetzlichen Vermutung in jeder Hinsicht darlegungs- und beweispflichtig und muss einen substantiierten Tatsachenvortrag halten, der den vermuteten Umstand nicht nur in Zweifel zieht, sondern ausschließt. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens nicht.

An der dem Kläger obliegenden Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung ändert sich auch dann nichts, wenn – möglicherweise – die Vergleichsgruppenbildung in der Produktion grob fehlerhaft sein sollte, weil die Sozialauswahl linien- und damit nicht betriebsbezogen erfolgt ist. In seiner Entscheidung vom 10.06.2010, 2 AZR 420/09, zitiert nach juris, hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, eine möglicherweise grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl habe nicht die Unwirksamkeit der Namensliste und des Interessenausgleichs insgesamt und damit den Wegfall der gesetzlichen Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung zur Folge. Wenn die im Interessenausgleich benannten Arbeitnehmer nach anderen Kriterien auszuwählen seien als von den Betriebsparteien vorgesehen, ändere das nichts daran, dass diese – die Betriebsparteien – ein geringeres Arbeitsvolumen erkannt und für die in dem Interessenausgleich vorgesehene Anzahl von Entlassungen einen betriebsbedingten Grund angenommen hätten.

Dieser Auffassung schließt die Berufungskammer sich uneingeschränkt an. Auch im vorliegenden Verfahren waren die Betriebsparteien sich darüber einig, dass im beschlossenen Umfang Arbeitsplätze abgebaut werden müssen. Bei einer etwaigen groben Fehlerhaftigkeit der Vergleichsgruppenbildung ändert sich möglicherweise die Zusammensetzung der Namensliste, nicht aber die Anzahl der zu kündigenden Arbeitnehmer.

Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen hat der Kläger die Vermutung der Betriebsbedingtheit der streitgegenständlichen Kündigung nicht widerlegt.

b)

Die Kündigung ist jedoch wegen einer grob fehlerhaften Sozialauswahl ungerechtfertigt im Sinne des § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO. Die Betriebsparteien haben – jedenfalls im Fall des Klägers – dessen Vergleichbarkeit zumindest mit dem sozial deutlich weniger schutzwürdigen Mitarbeiter H. verkannt. Im Verhältnis zu diesem Mitarbeiter ist die Sozialauswahl grob fehlerhaft. Dazu gelten folgende Grundsätze:

In die Sozialauswahl sind nur vergleichbare Arbeitnehmer einzubeziehen. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Zur Austauschbarkeit gehört, dass der Arbeitnehmer im Wege des Direktionsrechtes ohne Änderung des Arbeitsvertrages allein durch eine Weisung des Arbeitgebers versetzt werden kann. Das heißt, die zu vergleichenden Arbeitnehmer müssen nach ihrem Arbeitsvertragsinhalt austauschbar sein, sogenannte horizontale Vergleichbarkeit. Arbeitnehmer sind danach nicht austauschbar, wenn sie nur nach einer Änderungskündigung oder einverständlichen Änderung ihres Arbeitsvertrages anderweitig beschäftigt werden können. Zudem muss der sozial schwächere Arbeitnehmer die Tätigkeiten des sozial stärkeren Arbeitnehmers tatsächlich ausüben können. Dabei ist eine Austauschbarkeit der Arbeitnehmer nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze anzunehmen, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausüben kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit einer Vergleichbarkeit nicht entgegen („Qualifikationsmäßige Austauschbarkeit“, vgl. BAG, Urteil vom 02.06.2005, 2 AZR 676/05, zitiert nach juris). Es reicht aus, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner bisherigen Aufgaben im Betrieb und angesichts seiner beruflichen Qualifikation die andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit eines anderen Arbeitnehmers ausüben kann (vgl. BAG, Urteil vom 18.10.2006, 2 AZR 676/05, zitiert nach juris). Bei einer nur partiellen Identität der Aufgabenbereiche bedarf es der Prüfung, ob der unmittelbar vom Wegfall des Arbeitsplatzes betroffene Arbeitnehmer mit solchen Arbeitnehmern, die im Betrieb eine vergleichbare Aufgabenstellung inne haben, ausgetauscht werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 24.05.2005, 8 AZR 398/04, zitiert nach juris). Diese Grundsätze der sozialen Auswahl sind auch bei Massenentlassungen zu berücksichtigen (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.1985, 2 AZR 140/84, zitiert nach juris). Auch der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat dürfen keine von den Vorgaben des § 1 Abs. 3 KSchG abweichenden Vergleichskreise bilden. Bei Hilfstätigkeiten kann der tariflichen Eingruppierung für die Beurteilung der Vergleichbarkeit eine indizielle Bedeutung zukommen (vgl. BAG, Urteil vom 12.03.2009, 2 AZR 418/07, zitiert nach juris).

Nach § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO kann die soziale Auswahl der Arbeitnehmer nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten und auch insoweit allerdings nur auf grobe Fehlerhaftigkeit gerichtlich nachgeprüft werden. Die Sozialauswahl ist nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird.

Grob fehlerhaft ist eine soziale Auswahl insoweit nur, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt. Den Betriebspartnern soll ein weiter Spielraum bei der Sozialauswahl eingeräumt werden. Das Gesetz geht davon aus, dass u.a. durch die Gegensätzlichkeit der von den Betriebspartnern vertretenen Interessen und durch die auf beiden Seiten vorhandene Kenntnis der betrieblichen Verhältnisse gewährleistet ist, dass dieser Spielraum angemessen und vernünftig genutzt wird. Nur wo dies nicht der Fall ist, sondern der vom Gesetzgeber gewährte Spielraum verlassen wird, so dass der Sache nach nicht mehr von einer „sozialen“ Auswahl die Rede sein kann, darf grobe Fehlerhaftigkeit angenommen werden. Dieser Prüfungsmaßstab gilt nicht nur für die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung selbst. Vielmehr wird auch die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen von den Gerichten für Arbeitssachen nur auf ihre groben Fehler überprüft (vgl. BAG, Urteil vom 12.03.2009, 2 AZR 418/07, zitiert nach juris). Dabei ist die Sozialauswahl wegen nicht richtiger Bestimmung des auswahlrelevanten Personenkreises nur dann grob fehlerhaft, wenn die Fehlerhaftigkeit dieser Bestimmung selbst grob ist, also „ins Auge springt“. Solange gut nachvollziehbare und ersichtlich nicht auf Missbrauch zielende Überlegungen für die – etwa sogar auch fehlerhaft – getroffene Eingrenzung des auswahlrelevanten Personenkreises sprechen, ist die Grenze der groben Fehlerhaftigkeit unterschritten (vgl. BAG, Urteil vom 03.04.2008, 879/06, zitiert nach juris).

Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen ist die Sozialauswahl jedenfalls im Hinblick auf den nicht gekündigten Mitarbeiter H. grob fehlerhaft.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger und der Mitarbeiter H. austauschbar und damit vergleichbar sind. Sie gehören beide der Vergleichsgruppe „Produktionshelfer Montage“ an und sind in die Lohngruppe 6 eingruppiert.

Der Kläger ist allerdings verheiratet, zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet, 44 Jahre alt und hat eine Betriebszugehörigkeitszeit von 23 Jahren aufzuweisen.

Demgegenüber ist der Mitarbeiter D. H. ledig, keinen Kindern zum Unterhalt verpflichtet, 36 Jahre alt und hat eine Betriebszugehörigkeitszeit von lediglich 13 Jahren aufzuweisen.

Der Kläger ist danach im Hinblick auf alle Sozialkriterien deutlich schutzwürdiger als der Mitarbeiter H.. Im Gegensatz zum Mitarbeiter H. ist der Kläger drei Personen zum Unterhalt verpflichtet. Er ist zehn Jahre länger beschäftigt und acht Jahre älter. Im Hinblick auf den Altersunterschied ist unerheblich, ob die von den Betriebsparteien vorgenommene Altersgruppenbildung zulässig ist, denn beide Mitarbeiter befinden sich trotz des Altersunterschiedes von acht Jahren in derselben Altersgruppe.

Bei den vorstehend aufgezeigten deutlichen Unterschieden in den sozialen Auswahlkriterien handelt es sich auch um einen offenbaren und evidenten Auswahlfehler, der bei der Gewichtung der Auswahlkriterien jede Ausgewogenheit vermissen lässt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten, die Sozialkriterien in etwa gleich gewichtet zu haben. Der Kläger ist im Hinblick auf jedes Kriterium deutlich schutzwürdiger als der Mitarbeiter H..

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die Berufungskammer der Auffassung, dass die von den Beklagten vorgetragene psychische Erkrankung des Mitarbeiters H. keine andere Beurteilung rechtfertigt. Durch die Einbeziehung dieses Umstandes haben die Betriebsparteien nicht etwa den ihnen zustehenden Wertungsspielraum ausgenutzt, der sich nur auf die Gewichtung der einzelnen Kriterien bezieht, sondern in unzulässiger Weise ein weiteres Kriterium eingeführt, das gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Nach § 125 Abs. 1 Nr. 2 HS 2 InsO kann die soziale Auswahl der Arbeitnehmer nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten überprüft werden. Nach Auffassung der Berufungskammer kann nicht auf weitere Sozialkriterien abgestellt werden, die – wie vorliegend – mit den im Gesetz genannten Merkmalen in keinem inneren Zusammenhang stehen. Zwar mag es zulässig sein, wenn die Betriebsparteien sich auf eine Härteklausel verständigt haben, mit der zugunsten einzelner Arbeitnehmer zum Beispiel auf Berufskrankheiten Rücksicht genommen werden kann (vgl. dazu ErfK, 11. Aufl., § 125 InsO Rn. 12). Ein derartiger Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben, denn die Betriebsparteien haben sich ersichtlich nicht auf eine für alle betroffenen Arbeitnehmer geltende, allgemein gefasste und nach vorgegebenen Voraussetzungen abgrenzbare Härteklausel geeinigt, sondern in einem Einzelfall ein über die gesetzlichen Kriterien hinausgehendes Kriterium, nämlich eine psychische Erkrankung, angewandt, das dazu führen soll, dass der Mitarbeiter H. aus der Sozialauswahl herausgenommen wird. Eine Herausnahme aus der Sozialauswahl gestattet § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG jedoch nur, wenn die Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers insbesondere wegen seiner Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend ersichtlich nicht erfüllt.

Insbesondere im Hinblick darauf, dass die Betriebsparteien keine allgemeingültige Härtefallklausel aufgestellt haben, sondern die behauptete Erkrankung eines einzelnen Mitarbeiters als Kriterium angesehen haben, diesem auch dann hinsichtlich der gesetzlichen Auswahlkriterien Vorrang einzuräumen, wenn ein anderer Arbeitnehmer – wie vorliegend der Kläger – nach den gesetzlich zu berücksichtigenden Kriterien deutlich schutzwürdiger ist, ist die insoweit getroffene Sozialauswahl als grob fehlerhaft anzusehen.

Abgesehen davon geht die Berufungskammer davon aus, dass die Betriebsparteien unter Berücksichtigung des eigenen Vortrags der Beklagten keine betriebs-, sondern eine abteilungsbezogene Sozialauswahl durchgeführt haben, was bereits für sich genommen nach Auffassung der Berufungskammer einen groben Fehler in der Sozialauswahl darstellt. Die Betriebsparteien haben bei der Gruppenbildung auf die im Moment der Erstellung der Namensliste von den jeweiligen Mitarbeitern ausgeübte, linienbezogene Tätigkeit abgestellt. Selbst eine kurze Einarbeitungszeit haben sie mit dem Argument unberücksichtigt gelassen, die sofortige Substituierbarkeit sei für die Aufrechterhaltung des Betriebes dringend erforderlich gewesen. Damit haben die Betriebsparteien zwar die aktuelle Tätigkeit der jeweiligen Arbeitnehmer, nicht aber deren Austauschbarkeit berücksichtigt. Gerade diese ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu berücksichtigen und kann nach Auffassung der Berufungskammer auch bei Massenkündigungen nicht auf „Null“ reduziert werden (vgl. dazu BAG, Urteil vom 25.04.1985, 2 AZR 140/84, zitiert nach juris). Wie bereits ausgeführt, dürften auch der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat keine von den Vorgaben des § 1 Abs. 3 KSchG abweichende Vergleichskreise bilden.

Auch in seiner Entscheidung vom 10.06.2010 (2 AZR 420/09, zitiert nach juris) hat das Bundesarbeitsgericht erneut darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit der Vergleichbarkeit nicht entgegensteht.

Das Bundesarbeitsgericht hat die auf Arbeitnehmer einer Betriebsabteilung (Geschäftsbereich) reduzierte soziale Auswahl bisher zwar nicht als offenkundigen Auswahlfehler eingestuft, wenn die Arbeitnehmer nicht ohne Einarbeitungszeit versetzt werden konnten (vgl. BAG, Urteil vom 28.10.2004, 8 AZR 391/03, zitiert nach juris). Danach war die Sozialauswahl nicht als grob fehlerhaft zu bewerten, wenn die Betriebsparteien den auswahlrelevanten Personenkreis dergestalt bestimmten, dass Arbeitnehmer, die sich erst auf einen bestimmten Arbeitsplatz einarbeiten müssten – fehlende sofortige Substituierbarkeit – aus der Vergleichbarkeit ausschieden. Im Anschluss an die Entscheidung vom 28.10.2004 (a.a.O.) hat das Bundesarbeitsgericht es jedoch offengelassen, ob zukünftig doch von einem groben Auswahlfehler auszugehen ist, wenn die Betriebsparteien die soziale Auswahl im Interessenausgleich innerhalb von Geschäftsbereichen vornehmen (vgl. BAG, Urteil vom 17.11.2005, 6 AZR 107/06, zitiert nach juris).

Im Hinblick auf diese Entscheidung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit Urteil vom 17.01.2008, 7 Sa 730/06 (zitiert nach juris) derartig gebildete Vergleichsgruppen für grob fehlerhaft befunden.

Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen erscheint auch vorliegend die Annahme gerechtfertigt, dass die generelle Nichtberücksichtigung von selbst kurzen Einarbeitungszeiten an einer anderen Anlage zur Annahme einer groben Fehlerhaftigkeit der Vergleichsgruppenbildung führt. Für die Berufungskammer ist nicht ersichtlich, warum ein Produktionsbereich oder eine Anlage anders zu bewerten sein sollte als ein Geschäftsbereich oder eine Abteilung. Die Beschränkung auf einen Produktionsbereich dürfte jedenfalls keine betriebsbezogene Sozialauswahl sein, insbesondere dann, wenn es sich – wie vorliegend – um reine Anlerntätigkeiten handelt.

Zudem haben die Beklagten selbst schriftsätzlich vorgetragen, dass Mitarbeiter, die eine längere Einarbeitungszeit als vier Wochen benötigten, einer anderen Vergleichsgruppe nicht hätten zugeordnet werden können. Dies würde vielleicht eine Vergleichbarkeit des Klägers mit den „Produktionsmitarbeitern“ oder den „Universellen Produktionsmitarbeitern“ derselben oder einer anderen Produktionslinie ausschließen, nicht aber eine Vergleichbarkeit mit den Produktionshelfern der anderen Produktionslinien, denn Produktionshelfer benötigen nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nur eine Einarbeitungszeit von vier Wochen, wobei die Berufungskammer davon ausgeht, dass es sich insoweit um die Einarbeitung eines betriebsfremden Mitarbeiters handelt. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht geklärt, welche Dauer der Einarbeitungszeit einer Austauschbarkeit entgegensteht. Welcher Einarbeitungszeitraum dem Arbeitgeber zugemutet werden kann, hängt auch von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, der beruflichen Vorbildung und dem Lebensalter des Arbeitnehmers (vgl. BAG, Urteil vom 24.05.2005, 8 AZR 398/04, Rn. 37, zitiert nach juris). Diese Umstände haben die Betriebsparteien bei der Vergleichsgruppenbildung offensichtlich völlig außer Acht gelassen und sind pauschal bei allen Arbeitnehmern davon ausgegangen, dass diese die längst mögliche Einarbeitungszeit benötigen.

Ausgehend davon, dass eine Einarbeitungszeit von vier Wochen nach dem eigenen Vortrag der Beklagten unschädlich wäre, hätten die Betriebsparteien den Kläger jedenfalls nicht nur mit den „Produktionshelfern Montage“, sondern betriebsbezogen mit allen Helfern vergleichen müssen, was jedoch unstreitig nicht erfolgt ist.

Hat das Auswahlverfahren objektiv nicht den gesetzlichen Anforderungen der sozialen Auswahl entsprochen, braucht der Arbeitnehmer zunächst nichts weiter darzulegen, vielmehr spricht eine vom Arbeitgeber auszuräumende Vermutung dafür, dass auch die Auswahlentscheidung objektiv fehlerhaft und damit die Kündigung sozialwidrig ist. Der Arbeitgeber muss dann näher darlegen, dass trotz Durchführung eines gegen § 1 Abs. 3 KSchG verstoßenden Auswahlverfahrens gleichwohl der gekündigte Arbeitnehmer nach dem Maßstab des § 1 Abs. 3 KSchG nicht fehlerhaft ausgewählt worden ist (vgl. BAG, Urteil vom 24.05.2005, 8 AZR 398/04, Rn. 38 a.E., zitiert nach juris).

In Übereinstimmung mit dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen geht auch die Berufungskammer davon aus, dass Rechtsfolge einer in diesem Sinne grob fehlerhaften Sozialauswahl ist, dass sich die Beklagten nicht mit Erfolg auf die Namensliste des Interessenausgleichs berufen können, denn welchen Inhalt die Namensliste gehabt hätte, wenn die Betriebsparteien bei Abschluss des Interessenausgleichs die Sozialauswahl betriebsbezogen ausgeführt hätten, lässt sich im Nachhinein nicht objektiv feststellen. Es kann nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen sein, an Stelle der Betriebsparteien eine hypothetische Wertung vorzunehmen. Das muss jedenfalls in Fälle wie dem vorliegenden gelten, wenn sich der Kreis der zu vergleichenden Arbeitnehmer durch die Einbeziehung einer Vielzahl weiterer Arbeitnehmer – vorliegend alle Produktionshelfer – derart verändert, dass angesichts des großen Wertungsspielraums der Betriebsparteien nicht festgestellt werden kann, welche Arbeitnehmer bei einer betriebsbezogenen Vergleichsgruppenbildung in die Namensliste aufgenommen worden wären. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass eine Namensliste nur im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat erstellt werden kann. Die Privilegierung des § 125 InsO beruht gerade auf der Annahme, dass der Betriebsrat die Interessen der Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt. Weder die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits noch das Gericht sind dazu befugt oder dazu in der Lage, die Mitentscheidung des Betriebsrats durch Erstellung einer „mutmaßlichen“ Namensliste zu ersetzen. Das Gericht darf für die Bewertung keine eigene Rangfolge einführen, sondern nur die vom Arbeitgeber zugrunde gelegten Maßstäbe berücksichtigen (vgl. BAG, Urteil vom 09.11.2006, 2 AZR 812/05 Rn. 22, zitiert nach juris). Das ist vorliegend wegen der Mitentscheidung des Betriebsrates nicht möglich, insbesondere auch deshalb nicht, weil keine Punktliste vorliegt, der entnommen werden könnte, dass der Kläger auch im Vergleich mit den Helfern anderer Produktionslinien sozial weniger schutzwürdig wäre.

Ist die Vergleichsgruppenbildung grob fehlerhaft, kann auch nicht ohne weiteres an der Altersgruppenbildung – die die Berufungskammer grundsätzlich für zulässig erachtet – festgehalten werden, weil sich nicht feststellen lässt, wie diese sich bei einer richtigen Vergleichsgruppenbildung durch Einbeziehung der weitere Arbeitnehmer verändert hätte.

Auf diese Rechtsauffassung der Berufungskammer sind die Beklagten mit Beschluss vom 27.01.2011 (Bl. 275 – 279 der Akte) hingewiesen worden. Ihnen ist vorbereitend unter Fristsetzung aufgegeben worden, unter Beweisantritt darzulegen, dass sich die grob fehlerhafte Vergleichsgruppenbildung auf die Kündigungsentscheidung des Klägers nicht ausgewirkt hat.

Da die Beklagten ihren Vortrag nicht entsprechend ergänzt und die Vermutung einer fehlerhaften Sozialauswahl nicht widerlegt haben, ist zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass die Sozialauswahl auch im Ergebnis grob fehlerhaft war.

Auch unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen ist die Kündigung des Klägers mithin unwirksam.

Auf die Berufung des Klägers war das Urteil des Arbeitsgerichts somit abzuändern und der Klage mit den im Berufungsverfahren gestellten Anträgen stattzugeben.

III.

Als unterliegende Parteien haben die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits gesamtschuldnerisch haftend zu tragen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 91 ZPO).

IV.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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