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Kündigung (betriebsbedingte) – trotz Leiharbeitereinsatzes

LArbG Berlin-Brandenburg

Az.: 12 Sa 2468/08

Urteil vom 03.03.2009


I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 15.10.2008 – 6 Ca 1307/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Die Beklagte betreibt ein Entsorgungsunternehmen mit mehreren Betriebsstätten. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Der zum Zeitpunkt der Kündigung 40 Jahre alte, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger begann bei ihr im Februar 1999 ein Arbeitsverhältnis als Fahrer/Lader. Er war eingesetzt am Standort Ludwigsfelde. Bei der Beklagten wurden über den Standort Ludwigsfelde Transporte für die Entsorgung der Anlagen Schwedt/Eberswalde/Lichterfeld unter Verwendung eines Transportfahrzeugs durchgeführt. Weiterhin erbrachte die Beklagte über diesen Standort Speiserestesammlungen unter Einsatz von 2 Sammelfahrzeugen.

Die Beklagte beschäftigt in ihrer Betriebsstätte Ludwigsfelde ständig Leiharbeitnehmer. In der Zeit zwischen dem 15. Juni und dem 5. September 2008 waren dort täglich mindestens 1 und maximal 8 Leiharbeitnehmer in der Tätigkeit von Fahrern beschäftigt. Durchschnittlich waren in diesem Zeitraum 4 bis 5 Leiharbeitnehmer täglich als Fahrer eingesetzt.

Am 18. Juni 2008 hörte die Beklagte den für ihre Betriebsstätte Ludwigsfelde zuständigen Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Mit Schreiben vom 19. Juni 2008, bei der Beklagten am 23. Juni 2008 eingegangen, widersprach der Betriebsrat unter Hinweis auf die im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer. Mit Schreiben vom 25. Juni 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 30. September 2008. Gleichzeitig kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Fahrers K. und erneut auch die Arbeitsverhältnisse der Fahrer M. und St., nachdem das Arbeitsgericht zuvor die diesen beiden Mitarbeitern bereits zum 31. Januar 2008 ausgesprochenen Kündigungen für unwirksam erklärt hatte. Ausweislich der von der Beklagten für die Fahrer erstellten Sozialauswahlliste verfügt der Kläger von diesen vier Mitarbeitern über die höchste Gesamtpunktzahl.

Mit seiner am 9. Juli 2008 beim Arbeitsgericht Potsdam eingegangenen und der Beklagten am 17. Juli 2008 zugestellten Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit dieser Kündigung geltend gemacht und seine vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt. Er hat das Vorliegen von Kündigungsgründen bestritten und eine fehlerhafte Sozialauswahl sowie eine nicht ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung gerügt. Unter anderem hat er bemängelt, dass die Beklagte nur zum Wegfall von zwei Arbeitsplätzen vorgetragen, tatsächlich aber vier Kündigungen ausgesprochen habe. Weiterhin hat er gemeint, er könne anstelle eines Leiharbeitnehmers dauerhaft weiter beschäftigt werden. Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe die Transportfahrten zur Entsorgung der Anlagen Schwedt/Eberswalde/Lichterfeld zum 30. Juni 2008 eingestellt, das hierfür eingesetzte Transportfahrzeug stillgelegt und die Arbeiten an ein Subunternehmen vergeben. Dadurch sei ein Fahrer-Arbeitsplatz entfallen. Die Speiserestesammlung habe sie reduziert und zum 1. September 2008 eines der beiden hierfür eingesetzten Fahrzeuge stillgelegt. Hierdurch sei ein weiterer Fahrer-Arbeitsplatz entfallen. Die Kündigungen der Mitarbeiter M. und St. beruhten auf früheren Umständen und hätten erneut erklärt werden müssen, weil das Arbeitsgericht die Betriebsratsanhörung anlässlich der ersten Kündigungen für nicht ausreichend erachtet habe. Sie hat weiter vorgetragen, sie beschäftige Leiharbeitnehmer nur unregelmäßig und im Wesentlichen zur Vertretung. Dies habe seinen Grund darin, dass am Standort Ludwigsfelde ein im Vergleich zu ihren anderen Standorten überdurchschnittlich hoher Krankenstand zu verzeichnen sei. Diesen müsse sie durch Leiharbeitnehmer kompensieren, es handle sich dabei nicht um Dauerarbeitsplätze.

Am 15. Oktober 2008 haben sich die Parteien zur gütlichen Beilegung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht Potsdam zum Aktenzeichen 6 Ga 24/08 durch gerichtlichen Vergleich darauf geeinigt, dass der Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens weiter beschäftigt wird. Mit anschließend verkündetem Urteil vom selben Tage hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben und antragsgemäß festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. August 2008 nicht aufgelöst worden ist. Weiterhin hat es die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Fahrer/Lader im Rahmen einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtstreits verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die zulässige und fristgerecht erhobene Klage sei begründet. Die Kündigung sei bereits deshalb sozial ungerechtfertigt, weil der Kläger auf einem Arbeitsplatz eingesetzt werden könne, auf dem regelmäßig Leiharbeitnehmer beschäftigt würden. Die Beklagte setze die Leiharbeitnehmer auf Dauerarbeitsplätzen ein und könne sich deshalb nicht auf dringende betriebliche Erfordernisse berufen. Die Beklagte habe den hohen Krankenstand als grundsätzliches Problem bezeichnet, es sei daher nicht nachvollziehbar, warum kein Stammarbeitnehmer zur Abdeckung des durch den hohen Krankenstand verursachten Personalmehrbedarfs beschäftigt werden könne. Die Entscheidung über die Weiterbeschäftigung beruhe auf den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen.

Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, Blatt 86 bis 87 der Akte, verwiesen.

Gegen dieses, ihr am 24. November 2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. Dezember 2008 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene und am 22. Januar 2009 begründete Berufung der Beklagten. Sie trägt vor, Leiharbeitnehmer nur zur Abdeckung eines vorübergehenden krankheitsbedingten Mehrbedarfs zu beschäftigen. Sie meint, es handle sich um einen unzulässigen Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit, wenn sie diesen vorübergehenden Mehrbedarf nicht durch Leiharbeitnehmer abdecken dürfe. Sie trägt weiter vor, der Einsatz der Leiharbeitnehmer sei dem ungewöhnlich hohen Krankenstand in der Betriebsstätte Ludwigsfelde geschuldet. Dieser dauere zwar schon längere Zeit an, was aber kein Indiz dafür sei, dass dies auch zukünftig so bleiben müsse.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 15. Oktober 2008 – 6 Ca 1307/08 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und bestreitet, dass die Beklagte Leiharbeitnehmer nur vorübergehend beschäftige. Er trägt vor, an dem Einsatz von Mitarbeitern im Wege der Arbeitnehmerüberlassung habe sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in diesem Rechtsstreit nichts geändert. Er trägt weiter vor, bei der Beklagten kämen Leiharbeitnehmer auch zum Dauereinsatz. So seien der überlassene Arbeitnehmer B. seit 1. Oktober 2008 auf jeweils der gleichen Tour in jeweils demselben Fahrzeug und der Leiharbeitnehmer R. seit Dezember 2008 mit den gleichen Arbeitsaufgaben unverändert ununterbrochen im Einsatz. Dies zeige, dass die Beschäftigung nicht zur Vertretung erfolge. Im Übrigen rügt er erneut, dass die Beklagte nur zum Wegfall von zwei Arbeitsplätzen vorgetragen, gleichwohl jedoch vier Kündigungen ausgesprochen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Auf die Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils wird insoweit zunächst umfassend gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung war nicht mehr Gegenstand der Berufung, nachdem die Parteien übereinstimmend erklärt haben, diesen bereits erstinstanzlich durch gerichtlichen Vergleich erledigt zu haben.

1. Die Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt, weil sie nicht durch dringende betriebliche Gründe bedingt ist, § 2 Abs. 1, Abs. 2 KSchG. Zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung war davon auszugehen, dass das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger mit Ablauf der Kündigungsfrist nicht entfallen sein wird. Durch den ständigen Einsatz mindestens eines Leiharbeitnehmers hat die Beklagte mindestens einen Arbeitsplatz dauerhaft eingerichtet. Dieser Arbeitsplatz war „frei“, so dass der Kläger hierauf hätte beschäftigt werden können. Auf den Einsatz eines Leiharbeitnehmers auf diesem Arbeitsplatz kann sich die Beklagte nicht berufen. Auf die vom Kläger angeführten weiteren Unwirksamkeitsgründe kommt es daher nicht mehr an.

2. Die Kündigung ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis „bedingt“, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeiten hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen, dass heißt, es darf zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung weder ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz noch ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden sein. Einen solchen Arbeitsplatz hatte die Beklagte jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt zur Verfügung. Denn sie hat dauerhaft Leiharbeitnehmer auf für den Kläger geeigneten Arbeitsplätzen beschäftigt. Einen solchen Arbeitsplatz hätte sie dem Kläger zur Vermeidung einer Kündigung zuweisen müssen.

2.1. Bei den mit Leiharbeitnehmern besetzten Beschäftigungsstellen handelt es sich um betriebliche Arbeitsplätze. Durch die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern gibt der Arbeitgeber seine Arbeitgeberstellung nicht auf. Er beschäftigt nach wie vor Arbeitnehmer und nicht etwa selbständige freie Mitarbeiter. Dass diese Arbeitnehmer nicht zu ihm, sondern zu einem Dritten im Arbeitsvertragsverhältnis stehen, ändert nichts an ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer und an ihrer Beschäftigung auf betrieblichen Arbeitsplätzen. Der Arbeitgeber behält seine Weisungsbefugnis. Gerade diese Weisungsbefugnis kennzeichnet jedoch die für ein Arbeitsverhältnis typische persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten, die Beschäftigung erfolgt nicht im Rahmen einer fremdgesteuerten Arbeitsorganisation, sondern in dem Bereich, den der Arbeitgeber/Entleiher selbst betrieblich organisiert (vgl. BAG vom 26. September 1996, 2 AZR 200/96, NZA 1997, 202; LAG Hamm vom 7. April 2008, 8 (19) Sa 1151/06, n. v.). Durch die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern wird weder die Anzahl der Arbeitsplätze noch die Arbeitsmenge, für deren Bewältigung der Arbeitgeber Arbeitnehmer einsetzt, verändert, es entfällt lediglich der Bedarf an der Beschäftigung von Arbeitnehmern, die in einem durch Arbeitsvertrag begründeten Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen (vgl. BAG vom 16. Juli 2008, 7 ABR 13/07, NZA 2009, 202). Der Arbeitgeber muss sich daher die mit Leiharbeitnehmern besetzten Beschäftigungspositionen als betriebliche Arbeitsplätze zurechnen lassen.

Ein Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ist damit nicht verbunden. Der Arbeitgeber hat sich hier bereits „frei“ unternehmerisch entschieden, indem er den Entschluss gefasst hat, den Arbeitsbedarf nicht mit selbständigen/freien Mitarbeitern oder mit Subunternehmen abzudecken, sondern mit Arbeitnehmern, die in seine betriebliche Organisation eingegliedert sind und seinem Weisungsrecht unterliegen. Die Entscheidung, zu wem diese Arbeitnehmer in einem Vertragsverhältnis stehen, ist keine freie unternehmerische Organisationsentscheidung, die das Beschäftigungsbedürfnis entfallen lässt und nur auf Willkür oder Missbrauch zu überprüfen ist (ebenso LAG Hamm vom 7. April 2008, 8 (19) Sa 1151/06; a.a.O.; LAG Bremen vom 2. Dezember 1997, 1 Sa 88/97, n. v.; a. A. LAG Niedersachsen vom 9. August 2006, 15 TaBV 53/05, EzAÜG BetrVG Nr. 94). Zwar darf der Arbeitgeber zur Abdeckung seines Arbeitsbedarfs auf jeden rechtlich zulässigen Vertragstyp zurückgreifen und daher beispielsweise die unternehmerische Entscheidung treffen, die Arbeiten zukünftig von freien Mitarbeitern ausführen zu lassen (vgl. BAG vom 13. März 2008, 2 AZR 1037/06, NZA 2008, 878). Eine solche Entscheidung hat die Beklagte jedoch gerade nicht getroffen. Vielmehr ersetzt sie einen Arbeitnehmer, der bei ihr eingegliedert und ihrem Weisungsrecht unterliegt, durch einen anderen ebensolchen, der sich lediglich dadurch von ihren Stammarbeitnehmern unterscheidet, dass er zu einem Dritten in einem Arbeitsvertragsverhältnis steht. Sie gibt damit lediglich „formal“ ihre Arbeitgeberstellung auf und verzichtet nur für einen kleinen Teilbereich auf typische Arbeitgeberfunktionen. Auswirkungen auf den betrieblichen Beschäftigungsbedarf von Arbeitnehmern hat dies nicht. Insoweit liegt unter Beachtung der Grundsätze zur Unzulässigkeit der Austauschkündigung eine freie, nur auf Willkür und Missbrauch zu überprüfende freie Unternehmerentscheidung nicht vor (vgl. BAG vom 26. September 1996, 2 AZR 200/96, a.a.O.). Vielmehr handelt es sich hier um ein „schlichtes Abstreifen des Bestandsschutzes unter Beibehaltung des Weisungsrechts“ (vgl. insoweit ausdrücklich BAG vom 13. März 2008, 2 AZR 1037/06, a.a.O.).

2.2. Die Beklagte beschäftigt ihre Leiharbeitnehmer auf Dauerarbeitsplätzen. Selbst wenn hier zugunsten der Beklagten angenommen wird, diese Leiharbeitnehmer würden nur zur Vertretung wegen des in der Betriebsstätte Ludwigsfelde besonders hohen Krankenstandes tätig, so hat sie doch durch deren ständigen ununterbrochenen Einsatz gezeigt, dass die Anzahl der von ihr benötigten Arbeitsplätze dauerhaft höher ist als die, die sie für ihre Stammarbeitnehmer zur Verfügung stellt. Durch den über einen längeren Zeitraum erfolgten ununterbrochenen Einsatz von durchschnittlich 4 bis 5, täglich jedoch mindestens einem Leiharbeitnehmer hat sie nicht lediglich nach Bedarf zu besetzende Vertretungen organisiert, sondern neben den von ihren Stammarbeitnehmern besetzten Arbeitsplätzen zusätzliche Dauer-Arbeitsplätze eingerichtet. Wie die Beklagte selbst vorgetragen hat, beschäftigt sie bereits seit längerer Zeit Arbeitnehmer zur Vertretung im Wege der Arbeitnehmerüberlassung, und zwar ständig. Im Zeitraum zwischen dem 15. Juni und dem 5. September 2008 waren in der Betriebsstätte Ludwigsfelde nebst dazugehörigem Betriebshof Luckenwalde täglich mindestens 1 und maximal 8 Leiharbeitnehmer in der Tätigkeit von Fahrern eingesetzt. Durchschnittlich waren in diesem Zeitraum unstreitig mehr als 4 Leiharbeitnehmer täglich als Fahrer beschäftigt, es gab keinen Tag, an dem nicht wenigstens 1 Leiharbeitnehmer beschäftigt war. Tatsächlich gab es in diesem Zeitraum nur einen Tag, an dem lediglich ein Leiharbeitnehmer eingesetzt war, an allen weiteren Tagen waren dies mindestens drei. Die Beklagte hat keine beachtlichen Angaben über die Anzahl der vor dem genannten Zeitraum eingesetzten Leiharbeitnehmer gemacht. Es ist daher nicht erkennbar, dass lediglich im Monat der Kündigungserklärung ein ständiger Einsatz von Leiharbeitnehmern zu verzeichnen war, was der Annahme einer dauerhaften Beschäftigung und damit einer Beschäftigung auf Dauerarbeitsplätzen entgegenstehen könnte. Die von ihr erstinstanzlich vorgetragenen Zahlen, wonach im Kalenderjahr 2007 zwischen in Ludwigsfelde zwischen 0,77 und 3,35 Leiharbeitnehmer und in Luckenwalde zwischen 0,34 und 0,64 Leiharbeitnehmer beschäftigt waren, lässt nicht erkennen, dass es im Jahr 2007 einen Arbeitstag gab, an dem nicht wenigstens 1 Leiharbeitnehmer zum Einsatz gekommen ist. Die Betriebsstätte Ludwigsfelde und der Betriebshof Luckenwalde bilden offensichtlich einen Betrieb. Die Beklagte hat ihre Sozialauswahlliste für beide Orte gemeinsam erstellt und offensichtlich auch die Leiharbeitnehmer über beide Orte verteilt, andernfalls ließe sich der Einsatz von 0,34 Leiharbeitnehmern nicht erklären. Auch der Betriebsrat ist für beide Orte gemeinsam gebildet. Selbst unter Beachtung dieser Zahlen, die die Beklagte nicht näher erläutert hat, wofür im Hinblick auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe spätestens in der Berufung Anlass bestanden hätte, ergibt sich aus der Summe von 0,77 und 0,34 der Einsatz von mehr als einem Leiharbeitnehmer täglich. Im Übrigen hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass die Beschäftigung der Leiharbeitnehmer zwar zur Abdeckung des hohen Krankenstandes am Standort Ludwigsfelde erfolge, dass dieser hohe Krankenstand jedoch ein grundsätzliches Problem dieser Betriebsstätte darstelle und schon längere Zeit andauere. Sie hat dies in der mündlichen Berufungsverhandlung dahingehend konkretisiert, dass dieses Problem jedenfalls seit 2007 zu verzeichnen sei. Die Beklagte hat daher neben ihren Stamm-Arbeitsplätzen offensichtlich weitere Arbeitsplätze für Vertretungskräfte dauerhaft eingerichtet.

Soweit die Beklagte eingewandt hat, es lasse sich keine Prognose für die Zukunft erstellen, weil mit einem Rückgang der Krankenquote und damit mit einem Rückgang des Vertretungsbedarfs gerechnet werden müsse, so steht dies der Bewertung der Beschäftigungsstellen als Dauerarbeitsplätze nicht entgegen. Ein „dringendes“ betriebliches Erfordernis für die Kündigung liegt nur dann vor, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu erwarten ist, dass mit Ablauf der Kündigungsfrist mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben sein wird (vgl. nur BAG vom 12. April 2002, 2 AZR 256/01, NZA 2002, 1205). Die Beklagte hat sich insoweit auf bloße Spekulationen beschränkt, Tatsachen, die diese Prognose begründen könnten, hat sie nicht vorgetragen. Insbesondere rechtfertigt der Beschäftigungsumfang in der Vergangenheit nicht die Prognose, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde dieser Arbeitskräftebedarf entfallen sein. Auch bei Dauerarbeitsplätzen hat der Arbeitgeber keine Sicherheit, ob sein Arbeitskräftebedarf zukünftig gleich bleiben wird. Die bloße Ungewissheit, der Bedarf könne zukünftig sinken oder wegfallen, kann ein „dringendes“ betriebliches Erfordernis nicht begründen. Sollte zu einem späteren Zeitpunkt der Bedarf entfallen, so mag eine dann ausgesprochene Kündigung sozial gerechtfertigt sein, derzeit ist ein solcher dringender betrieblicher Grund jedenfalls nicht ersichtlich. Dagegen kann der Arbeitgeber auch nicht einwenden, der Beschäftigungsbedarf könne kurzfristig noch vor Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist wegfallen. Die Einhaltung der Kündigungsfrist liegt in seinem unternehmerischen Risiko.

Ein unzulässiger Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ist auch hier nicht gegeben. Zwar liegt es in der nur auf Missbrauch und Willkür überprüfbaren unternehmerischen Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers, ob und für wie lange ein beispielsweise aus Krankheitsgründen unbesetzter Arbeitsplatz besetzt werden soll; der Arbeitgeber kann nicht verpflichtet werden, im Falle einer Krankheitsvakanz Ersatzeinstellungen vorzunehmen (vgl. BAG vom 1. März 2007, 2 AZR 650/05, AP Nr. 164 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Eine solche Arbeitsorganisation hat die Beklagte aber nicht getroffen. Sie entscheidet gerade nicht im Einzelfall, ob und wie lange sie Vakanzen vertreten lassen will. Sie stellt auch nicht nur vorübergehend zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Vielmehr unterhält sie dauerhaft einen (vom Verleiher überlassenen) Personalbestand im ständigen Arbeitseinsatz und hat damit ihren Personalbedarf dauerhaft entsprechend hoch berechnet. Damit hat die Beklagte durchschnittlich mehr als 4, auf jeden Fall aber einen Arbeitsplatz dauerhaft eingerichtet, selbst wenn es ein „Springer“- oder „Vertreter“-Arbeitsplatz sein sollte. An dieser Arbeitsorganisation muss sich die Kündigung messen lassen (vgl. BAG vom 1. März 2007, 2 AZR 650/05, a.a.O.).

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2.3. Letztlich sind diese Arbeitsplätze auch „frei“. „Frei“ sind die Arbeitsplätze, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei werden oder für die der Arbeitgeber die Beschäftigungsmöglichkeit treuwidrig vereitelt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG vom 1. März 2007, 2 AZR 650/05, a.a.O.; vom 5. Juni 2008, 2 AZR 107/07, NZA 2008, 1180 jew. m.w.Nw.). Arbeitsplätze, die mit überlassenen Arbeitnehmern besetzt sind, zu denen der Arbeitgeber in keinen vertraglichen Beziehungen steht, sind als frei anzusehen. Die überlassenen Arbeitnehmer genießen keinen arbeitsvertraglichen Bestandsschutz zum Entleiher, den der Arbeitgeber zu beachten haben könnte, sie sind in eine Sozialauswahl bei Wegefall von Beschäftigungsmöglichkeiten nicht einzubeziehen. Der Arbeitgeber ist daher gehalten, zunächst den Abruf von Leiharbeitnehmern zu unterlassen, bevor er eigene Mitarbeiter kündigt (vgl. LAG Hamm vom 7. April 2008, 8 (19) Sa 1151/06; a.a.O.; vom 5. März 2007, 11 Sa 1338/06, und vom 21. Dezember 2007, 4 Sa 1892/06, LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 78 und 81, mit umfangreichen Nachweisen zum Streitstand). Ob und unter welchen Voraussetzungen etwas anderes gelten könnte, wenn sich der Arbeitgeber langfristig im Rahmen des Überlassungsvertrages mit dem Verleiher vertraglich gebunden hat, braucht hier nicht entschieden zu werden, die Beklagte hat solche Umstände nicht vorgetragen.

3. Der Kläger hätte auf einem solchen Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden können. Die mit Leiharbeitnehmern besetzten Arbeitsplätze sind vergleichbare Fahrerarbeitsplätze. Dabei kann hier offen bleiben, wie viele dieser Dauerarbeitsplätze bei der Beklagten zum Zeitpunkt der Kündigung vorhanden waren. Die Beklagte hat mindestens einen Leiharbeitnehmer ständig im Einsatz gehabt, so dass mindestens ein solcher Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Von den gekündigten vier Mitarbeitern hat der Kläger die höchste Punktzahl in der Sozialauswahlliste. Selbst wenn die Beklagte somit für ihre vier zu kündigenden Arbeitnehmer nur einen freien Arbeitsplatz zur Verfügung gehabt hätte, wäre die dafür vorzunehmende Sozialauswahl zugunsten des Klägers vorzunehmen gewesen.

4. Erweist sich die Kündigung bereits deshalb als unwirksam, weil der Kläger auf einem gleichwertigen freien Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden konnte, so bedurfte es keiner Entscheidung mehr über die anderen, vom Kläger angeführten Unwirksamkeitsgründe.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Die Beklagte und Berufungsklägerin hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

IV.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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