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Kündigungsfrist von zwei Tagen


Arbeitnehmer auf Baustelle

Zusammenfassung:

Welche Folge hat die Vereinbarung einer Kündigungsfrist von zwei Tagen für die Parteien des Arbeitsverhältnisses? Kann die mit der kurzen Kündigungsfrist ausgesprochene Kündigung in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden? Ist die kurze Kündigungsfrist sittenwidrig? Mit diesen Fragen setzte sich das LAG Hamm im anliegenden Urteil auseinander.


Landesarbeitsgericht Hamm

Az: 1 Sa 1666/14

Urteil vom 30.01.2015


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 22.10.2014 – 8 Ca 3028/14 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 14.04.2015 bei der Beklagten, die ein Zeitarbeitsunternehmen für den Bereich des Wach- und Werkschutzes betreibt, als Produktionshelfer mit einem Stundenlohn von 9,78 EUR tätig. In § 1 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 10.04.2015 legten die Parteien fest, dass sich ihre Rechte und Pflichten nach dem zwischen dem Arbeitgeberverband IGZ und den DGB-Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträgen für die Zeitarbeitsbranche richten, sofern nicht abweichende Regelungen tarifvertraglich zugelassen und arbeitsvertraglich vereinbart oder aber für den Kläger günstiger sind.

Nach § 2 Ziff. 2.2. S. 1 des Manteltarifvertrages zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ e.V.) und den DGB Gewerkschaften (im Folgenden: TV IGZ) gelten die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit. In Satz 2 dieser tarifvertraglichen Bestimmung ist festgelegt, dass innerhalb der ersten vier Wochen der Probezeit eine ordentliche Kündigung mit einer zweitägigen Frist möglich ist und sich diese Frist bis zum Ablauf des zweiten Monats auf eine und bis zum Ablauf des sechsten Monats auf zwei Wochen verlängert. In § 1 Abs. 5 hielten die Parteien hingegen folgendes fest:

„Die ersten sechs Monate des Beschäftigungsverhältnisses gelten als Probezeit. Hier kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Tagen gekündigt werden.“

Mit Schreiben vom 18.07.2014 kündigte die Beklagte „das seit dem 14.04.2014 bestehende Probearbeitsverhältnis frist- und formgerecht zum 20.07.2014.“ Wegen des weiteren Wortlauts des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 7 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigungserklärung sei unwirksam. Die Beklagte täusche über den Lauf der Kündigungsfrist „vorsätzlich und systemisch“, um sich zu bereichern. Nicht jeder Arbeitnehmer erkenne, dass die Vereinbarung einer zweitätigen Kündigungsfrist für die Gesamtdauer eines Zeitraums von sechs Monaten unwirksam sei. Die Vereinbarung einer zweitägigen Kündigungsfrist im Arbeitsvertrag stelle eine noch straflose Vorbereitungshandlung dar. Mit Ausspruch der Kündigung unter Angabe einer zweitätigen Kündigungsfrist sei die Grenze zur Strafbarkeit überschritten. Deshalb sei auch eine Umdeutung der Kündigung in eine wirksame Kündigung unter Wahrung der zutreffenden Kündigungsfrist nicht möglich.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 18.07.2014 das Beschäftigungsverhältnis nicht beendet hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Kündigung sei nicht sittenwidrig. Ein verwerfliches Ziel habe sie mit der Kündigung nicht verfolgt. Dies trage der Kläger auch nicht vor. Der Kläger habe die an ihn gerichteten Erwartungen nicht erfüllt. Dies sei Auslöser für die Kündigung gewesen. Eine Täuschungshandlung sei nicht erkennbar. Eine vom Kläger angenommene Bereicherung sei nicht gegeben. Die Vertragsparteien hätten eine kürzere als die tarifvertragliche Kündigungsfrist vereinbart. Sie habe sich auf das vertraglich Vereinbarte berufen und sich dabei – so ihre Behauptung – in gutem Glauben befunden. Das Arbeitsverhältnis habe sie fristgerecht und damit ordentlich gekündigt. Eine solche Erklärung sei regelmäßig als ordentliche Kündigung zum nächstzulässigen Termin auszulegen, auch wenn sie nach ihrem Wortlaut zu einem früheren Termin habe greifen sollen. Einer Umdeutung bedürfe es demgemäß nicht. Letztlich sei die Angabe der Frist im Kündigungsschreiben auch nur ein Berechnungsfaktor und stelle eine Wissenserklärung dar.

Mit Urteil vom 22.10.2014 hat das Arbeitsgericht der Klage unter Abweisung im Übrigen nur insoweit stattgegeben, als festzustellen war, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 01.08.2014 fortbestanden hat. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigungserklärung sei nicht nach den §§ 134, 138 BGB unwirksam. Für den Kläger sei erkennbar gewesen, dass eine ordentliche Kündigung während der Probezeit habe ausgesprochen werden sollen. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung, mit der die Kündigungsfrist während der Probezeit auf zwei Tage habe abgekürzt werden sollen, sei unwirksam. Dies führe allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung. Die Kündigung sei vielmehr als eine solche zum nächstzulässigen Termin auszulegen. Innerhalb der Probezeit sei das Arbeitsverhältnis mit vierzehntätiger Frist kündbar. Ein betrügerisches Verhalten der Beklagten sei nicht erkennbar.

Gegen das dem Kläger am 30.10.2014 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 26.11.2014 eingegangene und zugleich begründete Berufung. Der Kläger wiederholt und vertieft seinen Sachvortrag erster Instanz. Die Beklagte habe ihn – den Kläger – über die Dauer der Kündigungsfrist täuschen wollen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 263 StGB lägen vor. Die Täuschungshandlung bewirke, dass eine Umdeutung der Kündigungserklärung in eine solche, die die gesetzliche oder tarifvertragliche Kündigungsfrist wahre, nicht in Betracht komme. Die Beklagte verhalte sich „systemisch“. Vermutlich seien in allen Arbeitsverträgen derartige Vertragsklauseln enthalten, wie sie in seinem Arbeitsvertrag verwandt worden seien. Auch sei der Tatbestand des § 266a StGB verwirklicht. Rechtsfolge sei eine Unwirksamkeit der Kündigungserklärung nach § 138 BGB.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 22.10.2014 – 8 Ca 3028/14 – abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 18.07.2014 beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und weist erneut darauf hin, dass eine Kündigungserklärung zwar sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB sein könne, dies jedoch nicht gelte, wenn eine Kündigung unter Zugrundelegung einer falschen Kündigungsfrist ausgesprochen werde. Die Ausführungen des Klägers, die Straftatbestände der §§ 263, 266a StGB seien verwirklicht, seien unsubstantiiert.

Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.


Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. c) ArbGG) und nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG am 26.11.2014 gegen das am 30.10.2014 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt und zugleich begründet worden. Sie ist damit zulässig.

II. Die Berufung Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage ganz überwiegend nicht stattgegeben und lediglich festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 18.07.2014 nicht zum 20.07.2014 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 01.08.2014 fortbestanden hat. Denn die Kündigung der Beklagten vom 18.07.2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Wahrung einer vierzehntätigen Kündigungsfrist mit Ablauf des 01.08.2014 aufgelöst.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erweist sich unter keinem Gesichtspunkt als rechtsunwirksam.

1. Ihre Rechtswirksamkeit scheitert zunächst nicht daran, dass sie etwa sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG wäre. Das zum 14.04.2014 begründete Arbeitsverhältnis bestand im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 18.07.2014 noch keine sechs Monate. Eine soziale Rechtfertigung war nach § 1 Abs. 1 KSchG demgemäß für die Rechtswirksamkeit der Kündigung noch nicht erforderlich.

2. Die Kündigung ist auch nicht deshalb nichtig, weil sie auf eine zu kurze, weil fehlerhafte Kündigungsfrist abstellt.

a) Die Arbeitsvertragsparteien haben nach § 1 Abs. 5 S. 1 des Arbeitsvertrages ausdrücklich eine Probezeit von 6 Monaten vereinbart. Dies gilt darüber hinaus auch nach § 2 Ziff. 2.2 S. 1 TV IGZ. Innerhalb einer solchen Probezeit kann das Arbeitsverhältnis nach § 622 Abs. 3 BGB mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden. Ausgehend vom Zugang der Kündigung am 18.07.2014 endete diese Frist – wie vom Arbeitsgericht festgestellt – mit Ablauf des 01.08.2014.

Nach § 622 Abs. 4 S. 1 BGB kann von der Regelung in § 622 Abs. 3 BGB nur durch Tarifvertrag abgewichen werden. Zwar enthält § 2 Ziff. 2.2 S. 2 TV IGZ eine solche abweichende Bestimmung zur Berechnung der Kündigungsfristen während der Probezeit. Allerdings sieht diese tarifvertragliche Regelung eine Verkürzung der gesetzlichen Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit nur für die ersten zwei Monate des bestehenden Arbeitsverhältnisses vor. Danach deckt sich die tarifvertragliche Kündigungsfrist des § 2 Ziff. 2.2 S. 2 TV IGZ mit der in § 622 Abs. 3 BGB geltenden Frist und beträgt 2 Wochen. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bereits mehr als 3 Monate bestanden hat, galt diese Kündigungsfrist.

b) Die Kündigungserklärung vom 18.07.2014 ist nicht deshalb nichtig, weil sie diese Kündigungsfrist nicht vorgesehen, sondern auf eine zweitätige Kündigungsfrist zum 20.07.2014 abgestellt hat. Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist führt dann zur Nichtigkeit der Kündigungserklärung, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit rechtlich gebotener Frist auslegen lässt. Der zweite und sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts gehen davon aus, eine Auslegung scheide aus, wenn der Kündigungstermin „integraler Bestandteil der Willenserklärung“ sei. Allerdings sei bei fehlerhaft berechneter Frist im Regelfall anzunehmen, dass jedenfalls eine fristwahrende Kündigung ausgesprochen werden sollte. Der Empfänger einer Kündigungserklärung dürfe sich nicht einfach auf den wörtlichen Sinn der Erklärung verlassen, sondern müsse seinerseits unter Berücksichtigung aller für ihn sichtbaren Umstände bemüht sein, das Gewollte zu erkennen. Bei einer ordentlichen Kündigung sei für den Erklärungsempfänger ersichtlich, dass dem Kündigenden daran gelegen sei, die zutreffende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren zu wollen, an die er aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen gebunden sei (BAG 06.07.2006 – 2 AZR 215/05 – juris Rn. 15; 15.12.2005 – 2 AZR 148/05 – juris, Rn. 25 ff.; 09.02.2006 – 6 AZR 283/05 – juris Rn. 32).

Der fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts stellt die Annahme einer solchen Regelhaftigkeit in Frage, ohne sie allerdings abschließend und anders entschieden zu haben. Er geht davon aus, dass jedenfalls dann, wenn eine ordentliche Kündigung ohne weiteren Zusatz zu einem bestimmten Datum erklärt worden ist, das Bestimmtheitsgebot einseitiger und rechtsgestaltender Willenserklärungen der Auslegung entgegenstehe, die Kündigung solle zu einem anderen Termin erklärt werden. In einen solchen Fall sei die Nichtigkeit der Kündigungserklärung anzunehmen, die allerdings – sofern rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben worden ist – nach § 140 BGB in eine solche zum nächstzulässigen Termin umgedeutet werden könne (BAG 01.09.2010 – 5 AZR 700/09 – juris Rn 27; vgl. zusammenfassend Ziemann jurisPR-ArbR 3/2011 Anm. 1).

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Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, die Frage zu entscheiden, ob im Regelfall davon auszugehen ist, dass eine Kündigungserklärung mit fehlerhafter Kündigungsfrist in eine solche mit der jeweils geltenden Frist in Betracht kommt, oder ob dies nur dann gegeben ist, wenn noch weitere Anhaltspunkte hinzutreten. Denn nach dem Wortlaut der schriftlichen Kündigungserklärung vom 18.07.2014 sollte das seit dem 14.04.2014 bestehende Probearbeitsverhältnis frist- und formgerecht zum 20.07.2014 gekündigt werden. Alleine die Verwendung der Begriffe „Probearbeitsverhältnis“ und „fristgerecht“ bieten ausreichende Anhaltspunkte, um im Rahmen einer Ermittlung des wahren Willens entsprechend § 133 BGB im Wege der Auslegung zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die Beklagte eine fristgerechte Kündigung des Probearbeitsverhältnisses bewirken wollte. Damit wird für einen objektiven Erklärungsempfänger hinreichend deutlich, dass die Beklagten eine ordentliche Kündigung aussprechen wollte, die das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der vereinbarten Probezeit beenden sollte. Die Angabe des Kündigungstermins, den die Beklagte in fehlerhafter Rechtsanwendung mit dem 20.07.2014 angenommen hat, ist demgemäß nicht „integraler Bestandteil“ der Kündigungserklärung, sondern stellt sich als bloße Wissenswiedergabe dar, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat.

Es bedarf daher nicht mehr des Umwegs der Umdeutung einer nichtigen Kündigungserklärung nach § 140 BGB in eine wirksame Erklärung mit zutreffender Kündigungsfrist. Allerdings wäre dieser Weg auch hier nicht verschlossen gewesen, weil der Kläger – anders als in dem der Entscheidung des fünften Senats des BAG vom 01.09.2010 zugrundeliegenden Fall (BAG 01.09.2010 – 5 AZR 700/09, juris) innerhalb der nach § 4 S. 1 KSchG laufenden dreiwöchigen Klageerhebungsfrist Klage erhoben hat, die auch im nicht-bestandsgeschützten Arbeitsverhältnis zu beachten ist, vgl. § 13 Abs. 3 KSchG.

3. Die Kündigungserklärung ist auch nicht nach den §§ 134, 138 BGB nichtig. Nichtig ist ein Rechtsgeschäft nach § 134 BGB, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. § 138 Abs. 1 BGB ordnet diese Rechtsfolge an, sofern das Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstößt. Weder das eine noch das andere ist hier im Hinblick auf die Kündigungserklärung vom 18.07.2014 ersichtlich.

a) Die Kündigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Auch einseitige Rechtsgeschäfte fallen in den Anwendungsbereich des § 134 BGB (Staudinger/Rolf Sack/Maximilian Seibl, 2011, BGB § 134, Rn. 12). Doch müsste die Kündigung nach dem Wortlaut des § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, denn § 134 ist nur dann anwendbar, wenn das Rechtsgeschäft als solches gegen ein Verbotsgesetz verstößt. Sofern das Rechtsgeschäft nur einem verbotswidrigen Folgeverhalten dienen soll, fehlt es grundsätzlich an der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB (Staudinger/Rolf Sack/Maximilian Seibl, 2011, BGB § 134 Rn 1, Rn. 161, jeweils m.w.N.). Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses selbst verstößt nicht gegen ein Gesetz. Sie stellt ein nach § 622 BGB mögliches und der Privatrechtsautonomie entsprechendes einseitiges Gestaltungsrecht dar, um eine als Dauerschuldverhältnis ausgestaltete Vertragsbeziehung zu beenden. Eine Nichtigkeit der Kündigung nach § 134 BGB scheidet damit aus.

Auch das mit der Kündigung beabsichtigte Folgeverhalten ist nicht verbotswidrig. Es beschränkt sich darauf, mit der einseitigen Willenserklärung rechtsgestaltende Folgen herbeizuführen, nämlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem benannten Zeitpunkt. Der Ausspruch der Kündigung erfüllt für sich gesehen auch nicht den Tatbestand des Betruges im Sinne des § 263 StGB. § 263 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Betrügende durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält. Tatsachen sind objektive Umstände, die einem Beweis zugänglich sind. Als eine Tatsache ist nicht nur das tatsächliche, sondern auch das angeblich Geschehene oder Bestehende anzusehen, sofern dem das Merkmal der objektiven Bestimmtheit und Gewissheit zu eigen ist. Bloße Werturteile, etwa auch Rechtsauffassungen, sind grundsätzlich keine Tatsachen im Sinne des § 263 StGB (BGH 26.08.2003 – 5 StR 145/03, NJW 2004, 375). Die – rechtlich fehlerhafte – Annahme der Beklagten, sie könne das Arbeitsverhältnis mit einer zweitägigen ordentlichen Kündigungsfrist auflösen, ist die Wiedergabe einer solchen – fehlerhaften – Rechtsauffassung. Sie stellt keine Tatsache dar, weil sie nicht dem Beweis, sondern lediglich der rechtlichen Bewertung zugänglich ist.

Der klägerseits benannte Tatbestand des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB ist unter keinen Gesichtspunkten einschlägig. Nimmt die Beklagte – wenn auch rechtsirrig – an, nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein, weil aus ihrer Sicht das Arbeitsverhältnis beendet ist, erfüllt dies nicht die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Strafnorm.

b) Die Kündigungserklärung ist auch nicht nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, weil sie gegen die guten Sitten verstoßen würde. Zwar kommt die Nichtigkeit einer Kündigung nach § 138 BGB in Betracht. Dies ergibt sich bereits aus § 13 Abs. 2 KSchG. Diese Bestimmung sieht ausdrücklich Rechtsfolgen im Falle des Ausspruches einer gegen die guten Sitten verstoßenden Kündigung vor. Aus § 13 Abs. 2 KSchG ist auch zu folgern, dass Kündigungen, die in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fallen, daneben noch der Kontrolle nach § 138 BGB unterliegen (Staudinger/Rolf Sack/Philipp S. Fischinger BGB, 2011, § 138 Rn 528). Allerdings ist zu sehen, dass in den Fällen, in denen die Kündigung bereits mangels sozialer Rechtfertigung im Sinne des § 1 KSchG oder sonstiger, die Rechtsfolgen einer Kündigung regelnder Bestimmungen unwirksam ist, kein Raum für die Anwendung des § 138 BGB besteht (Staudinger/Rolf Sack/Philipp S. Fischinger, BGB, 2011, § 138 Rn. 528; Erfurter Kommentar/Kiel, 15. Aufl. 2015, § 13 KSchG Rn 11). Angesichts dieses weiten Schutzbereichs gegen rechtsunwirksame Kündigungen im Arbeitsverhältnis ist eine Kündigung nach § 138 BGB nur dann sittenwidrig, wenn besondere Umstände hinzutreten, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertigen, wovon nur dann auszugehen ist, wenn die Kündigung in grobem Widerspruch zu allgemeinen Wertvorstellungen steht. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Kündigung auf verwerflichen Motiven beruht oder mit ihr ein sittenwidriger Zweck verfolgt wird (BAG 14.12.2004 – 9 AZR 23/04- NZA 2005, 637, 638).

Das ist hier allerdings nicht ersichtlich. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger nicht substantiiert dazu vorgetragen habe, sie habe ihm und weiteren Arbeitnehmern etwa systematisch und in nicht billigenswerter Weise bewusst vorspiegeln wollen, die von ihr im Arbeitsvertrag vorgesehene und für beide Seiten greifende kurze Kündigungsfrist sei rechtswirksam, um einen so hervorgerufenen Irrtum in verwerflicher Weise zu ihren Gunsten nutzen zu können. Mit Ausnahme des bloßen Umstands, dass eine solche Klausel arbeitsvertraglich im Wege allgemeiner Geschäftsbedingungen vereinbart worden ist, hat der Kläger keine Anhaltspunkte vorgetragen, die darauf schließen lassen könnten, der von der Beklagten behauptete gute Glaube an die Wirksamkeit der von den Parteien arbeitsvertraglich vereinbarten kurzen Kündigungsfrist habe nicht vorgelegen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus den § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde.


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