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Kündigung (außerordentliche) – Berufung auf den Ablauf der Kündigungsfrist

Hessisches Landesarbeitsgericht

Az: 3 Sa 383/06

Urteil vom 09.02.2007


Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Limburg vom 01. September 2005 – 2 Ca 1192/03 – teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 29. September 2003, zugegangen am 30. September 2003, nicht aufgelöst wurde.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die erstinstanzlich entstandenen Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3 zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 2/5 und der Beklagte zu 3/5 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Beklagte ist ein Landkreis in Hessen. Der am 28. Juni 1961 geborene, verheiratete, einer minderjährigen Tochter unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit 01. Oktober 1990 als vollbeschäftigter Angestellter, zuletzt nach Maßgabe des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28. Oktober 1991 (Bl. 15 d.A.), beschäftigt. Nach dessen § 2 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Der Kläger erhielt zuletzt Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT. Seine Tätigkeit bestand in der Leitung des Sachgebiets „Hochbau/Planung“.

Der für den beklagten Landkreis bei verschiedenen Bauvorhaben tätige Diplom-Ingenieur A (Gebäudetechnische Planungsgesellschaft mbH) teilte diesem mit Schreiben vom 08. März 2003, eingegangen am 17. März 2003, u.a. Folgendes mit:

„1. Herr B sagte in Anwesenheit von Herrn C und Frau D, A solle aufhören gegen E in Sachen Schule F zu recherchieren. Der G nutze ihn sowieso nur für solche Schweinereinen aus, um sich selbst nicht die Finger schmutzig zu machen. Er lässt ihn im Endeffekt sowieso wie eine heiße Kartoffel fallen.

Herr B äußerte außerdem: Der G sei ein großes Arschloch und ein Charakterschwein.

2. Herr B erzählte mir damals, er habe sich für die Stelle des Amtsleiters des Bauamtes beworben. Das Arschloch oben (gemeint Herr G) habe die Stelle mit dem Landrat verschoben. Außerdem ist G nicht sachlich kompetent und für diese Stelle nicht geeignet.

3. Herr B hatte mich damals in seinen Neubau nach H bestellt. Ich solle wegen der Heizungsregelung Vorschläge machen und die erforderlichen Teile besorgen. Die Abrechnung solle beim Kreis durch Einrechnung verdeckt in verschiedene Bauvorhaben erfolgen. Dies habe ich abgelehnt.“

Die Richtigkeit dieser Behauptungen versicherte A eidesstattlich.

Dem beklagten Landkreis gelangte ein Schreiben der Firma I GmbH vom 07. Mai 2003 gerichtet an die J zur Kenntnis, in dem folgende Behauptung aufgestellt wird:

„Aufgrund unseres Gespräches teile ich Ihnen mit, dass Herr B, wie in meinem Schreiben vom 11. Februar 2003 bereits erwähnt, am 23. August 2001 in unserem Büro war und mich bat, auf Sie einzureden, nicht ständig Nachprüfungen gegen das Ingenieurbüro E anzustellen.

Der damalige Ausspruch „unter der Gürtellinie“ bedeutet: Herr B sagte bei uns im Büro, dass A von Herrn G für solche Intrigen gegen das Ingenieurbüro E benutzt würde und hinterher ließe Herr G ihn fallen wie eine heiße Kartoffel, weil dieser ein Charakterschwein sei. Außerdem sei Herr G ein ganz großes Arschloch. Er hätte die Stelle als Amtsleiter eigentlich nicht bekommen dürfen, da er keine Fachkompetenz habe. Die Stelle sei mit dem Landrat verschoben worden. Das genaue Datum des Besuchs von Herrn B in unserem Büro konnten wir aus dem Grund feststellen, da Herr B gleichzeitig einen Kundendienstauftrag – für sein Haus in H – gab. Da unser Monteur sowieso im Raum K unterwegs war, wurde dieser Einsatz am gleichen Tag erledigt. Die Kosten für diesen Einsatz sollten bei einer Rechnung für den Kreis eingerechnet werden. Dies haben wir abgelehnt. Dies alles geschah im Beisein meiner Frau.“

Die Eheleute C und D wiederholten diese Behauptungen in einem Gespräch gegenüber dem beklagten Landkreis.

Mit Schreiben vom 21. März 2003 brachte der beklagte Landkreis dem Kläger die genannten Vorwürfe zur Kenntnis. Unter dem 26. März 2003 nahm dieser hierzu Stellung; insoweit wird auf Bl. 23 – 27 d.A. Bezug genommen.

Am 01. April 2003 fand eine Besprechung zwischen dem Landrat des Beklagten, dem Kläger und seinem damaligen Bevollmächtigten statt, in der sich der Kläger mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Auflösungsvertrag einverstanden erklärte. Mit Schreiben vom 02. April 2003 teilte der Bevollmächtigte des Klägers dem Beklagten nochmals mit, dass dieser mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages einverstanden ist, wobei die entsprechenden Modalitäten wie etwa der Beendigungszeitpunkt noch einer Erklärung bedürfen. In einem weiteren Schreiben vom 03. April 2003 bestätigte der Vertreter des Klägers dem Beklagten, dass dieser mit einer Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2003 einverstanden ist und bis zu diesem Zeitpunkt seiner Arbeitsverpflichtung nachkommen wird. Mit Schreiben vom 22. April 2003 teilte der Bevollmächtigte des Klägers dem Beklagten mit, dass er ein Zwischenzeugnis wünscht; ansonsten sei er mit dem ihm vorliegenden Entwurf des Aufhebungsvertrages einverstanden. Anfang Mai 2003 bat der Bevollmächtigte des Klägers in einem Telefonat, die im Aufhebungsvertrag enthaltene Regelung „auf die Freistellung erfolgt eine Anrechnung noch vorhandener Urlaubstage“ zu streichen. Diesem Wunsch entsprach der Beklagte. Am 18. Juni 2003 stellte das Haupt- und Personalamt dem Kläger einen Entwurf des Aufhebungsvertrages zur Unterzeichnung zu. Mitte September 2003 sprach der Leiter des Haupt- und Personalamts den Kläger auf die noch fehlende Unterschrift an. Am 16. September 2003 erklärte dieser, dass er den Aufhebungsvertrag nicht unterschreibt. Am 17. September 2003 erhielt der Landrat hiervon Kenntnis und führte mit dem Kläger ein Gespräch mit dem Ergebnis, dass dem Kläger eine nochmalige Überlegungsfrist von einem Tag eingeräumt wurde. Am 18. September 2003 teilte der Kläger endgültig mit, dass er den Aufhebungsvertrag nicht unterschreiben wird.

Mit Schreiben vom 18. September 2003 (Bl. 88 – 90 d.A.) hörte der Beklagte den bei ihm gebildeten Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 31. März 2004 an. Mit Schreiben vom 23. September 2003 (Bl. 91 – 93 d.A.) lehnte der Personalrat diese Maßnahme ab. Mit Schreiben vom 29. September 2003 (Bl. 17 – 22 d.A.) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 30. September 2003 zu.

Mit einem am 20. Oktober 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung liege nicht vor. Der Kläger habe die behaupteten ehrenrührigen Erklärungen nicht abgegeben. Er habe auch nicht behauptet, die Bauamtsleiterstelle sei verschoben worden. Sämtliche zur Begründung angeführten Kündigungsgründe und die insoweit behaupteten Tatsachen seien falsch. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil der Beklagte die 2-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB bzw. der entsprechenden Tarifvorschrift nicht eingehalten habe. Schließlich sei der Personalrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 29. September 2003, zugegangen am 30. September 2003, aufgelöst wurde, sondern darüber hinaus fortbesteht;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch weitere Beendigungstatbestände beendet wird;

3. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahren zu unveränderten Bedingungen zu beschäftigen;

4. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt;

5. hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt und den Kläger in seinem beruflichen Fortkommen nicht hindert.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Kündigung sei unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung gerechtfertigt. Die Verdachtsmomente seien dringend, weil der Kläger die seitens des A und der Eheleute C und D erhobenen Anschuldigungen nicht habe ausräumen und auch nicht in Zweifel ziehen können. Der Berufung des Klägers auf die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne die Ausschlussfrist solange nicht als abgelaufen behandelt werden, wie die Parteien in zeitlich fest begrenzten Verhandlungen nach einer Möglichkeit suchten, das Arbeitsverhältnis auf andere Weise als durch eine außerordentliche Kündigung des Berechtigten demnächst zu beenden. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger den Beklagten im guten Glauben gelassen habe, dass das Beschäftigungsverhältnis tatsächlich anderweitig beendet werde. Nur deshalb habe dieser von der außerordentlichen Kündigung Abstand genommen. Die Kündigung sei in jedem Fall innerhalb der 2-Wochenfrist ab Kenntnis der Tatsache, dass eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses entgegen der ausdrücklichen Zusagen des Klägers nicht erfolgen wird, erfolgt. Soweit sich der Kläger auf die Formunwirksamkeit des Aufhebungsvertrags berufe, sei auch dies rechtsmissbräuchlich. Der Kläger habe zunächst über seinen Bevollmächtigten erklären lassen, er sei mit einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2003 einverstanden. Sodann habe er sich so verhalten, als scheide er zu diesem Termin aus. Drei Monate später habe er erst erklärt, dass er den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnen werde. Hierin sei ein widersprüchliches Verhalten des Klägers zu sehen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen A. Es hat die Klage – bis auf den Zeugnisanspruch – abgewiesen. Die Berufung des Klägers auf die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB, § 54 Abs. 2 BAT verstoße gegen Treu und Glauben. Der Kläger habe den Ausspruch der ihm in Aussicht gestellten Kündigung vereitelt, indem er sich mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages zum 30. September 2003 ausdrücklich einverstanden erklärt habe. Von diesem Einverständnis habe der Beklagte bis zum 16. September 2003 ausgehen müssen. Der Kläger habe sich in eklatanter Weise zu seinem vorangegangenen Verhalten in Widerspruch gesetzt. Deshalb sei es ihm verwehrt, sich auf eine Verfristung zu Ungunsten des Beklagten zu berufen. Die von der Beklagten vorgetragenen Gründe für die außerordentliche Kündigung seien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bewiesen.

Gegen dieses am 01. September 2005 verkündete und dem Kläger am 16. Februar 2006 zugestellte Urteil wendet sich dieser mit seiner am 28. Februar 2006 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung.

Der Kläger ist der Ansicht, es könne dahinstehen, ob die Berufung auf die Frist des § 626 Abs. 2 BGB rechtsmissbräuchlich sei. In jedem Fall sei das Arbeitsgericht verfahrensfehlerhaft zu seiner Entscheidung gelangt. Die Kammer habe verfahrensfehlerhaft auf die Vernehmung der Zeugen D und A verzichtet. Hinzu komme, dass bei der Vernehmung des Zeugen C gegen wesentliche Verfahrensvorschriften, insbesondere gegen § 396 Abs. 1 ZPO, verstoßen worden sei. Das Arbeitsgericht habe sich bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage darauf beschränkt, diese wiederzugeben. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Aussage habe nicht stattgefunden und hätte zwangsläufig zur Vernehmung der weiteren Zeugen führen müssen. Das Arbeitsgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass im klägerischen Schriftsatz vom 05. April 2004 auf erhebliche Verdachtsmomente des gemeinschaftlichen Zusammenwirkens der Firma I mit dem an der Ausschreibung und Überwachung beauftragten Zeugen A hingewiesen worden sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Limburg vom 01. September 2005

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 29.09.2003, zugegangen am 30.09.2003, aufgelöst wurde, sondern darüber hinaus bis zum 31.12.2004 fortbestanden hat;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch weitere Beendigungstatbestände vor dem 31.12.2004 geendet hat;

3. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ein Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt und den Kläger in seinem beruflichen Fortkommen nicht hindert.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er rügt, dass der Kläger hinsichtlich des Berufungsantrags zu 3. nicht beschwert sei, da ihm der geltend gemachte Zeugnisanspruch erstinstanzlich zuerkannt wurde. Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Die Zeugen seien lediglich vorsorglich geladen worden. Nach der Vernehmung des Zeugen C habe das Arbeitsgericht es als erwiesen angesehen, dass der Kläger die ehrverletzenden Äußerungen getan habe. Deshalb habe es es nicht mehr für erforderlich gehalten, den Beschluss um die Einvernahme weiterer Zeugen zu ergänzen. Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen § 396 Abs. 1 ZPO sei nicht gegeben. Insgesamt seien keine Anhaltspunkte gegeben, die die glaubhafte und sich widerspruchsfreie Aussage des Zeugen C in Zweifel ziehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO). Hinsichtlich des Berufungsantrags zu 3. (Zeugnis) fehlt es jedoch an der nach § 64 Abs. 2 ArbGG erforderlichen Beschwer, weshalb die Berufung insoweit unzulässig ist.

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B.

Die Berufung ist überwiegend begründet.

I.

Durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 29. September 2003 wurde das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.

1.

Nach §§ 626 Abs. 2 BGB, 54 Abs. 2 BAT kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Erforderlich ist eine sichere und möglichst vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. Hierzu gehören im Sinne der Zumutbarkeitserwägungen sowohl die Umstände die für, als auch diejenigen, die gegen die Kündigung sprechen. Regelmäßig ist eine Anhörung des Arbeitnehmers erforderlich, um ihm Gelegenheit zu geben, die gegen ihn sprechenden Tatsachen auszuräumen oder abzumildern. Um den Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht länger als unbedingt notwendig hinauszuschieben, muss die Anhörung des Kündigungsgegners innerhalb einer kurz zu bemessenden Frist erfolgen, die regelmäßig nicht länger als eine Woche sein darf.

2.

Nachdem der Beklagte am 17. März 2003 Kenntnis von den Vorwürfen gegen den Kläger erhielt, forderte er diesen binnen Wochenfrist am 21. März 2003 zur Stellungnahme auf, die am 26. März 2003 einging. Eine weitere Sachaufklärung konnte in dem am 01. April 2003 stattgefundenen Gespräch zwischen dem kündigungsberechtigten Landrat sowie dem Kläger und seinem Bevollmächtigten stattfinden. Der Beklagte trägt selbst nicht vor, dass über dieses Gespräch hinaus noch weiterer Aufklärungsbedarf hinsichtlich der gegen den Kläger bestehenden Anschuldigungen bestand. Es haben nach dem 01. April 2003 keine weiteren Ermittlungen seitens der Beklagten stattgefunden, die hätten abgewartet werden müssen. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann daher am 01. April 2003 zu laufen und endete am 15. April 2003. Die vom Beklagten am 29. September 2003 ausgesprochene, dem Kläger am 30. September 2003 zugegangene, außerordentliche Kündigung wahrte diese Frist nicht.

3.

Ein Arbeitnehmer kann sich auf den Ablauf der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht berufen, wenn er sich sonst in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen und dadurch gegen Treu und Glauben verstoßen würde (BAG 27. Februar 1987 – 7 AZR 632/85 – AP BGB § 626 Ausschlussfrist, zu II. d.Gr.). Dies ist etwa angenommen worden, wenn der Arbeitnehmer durch die Geltendmachung seiner Schwerbehinderteneigenschaft seinen Arbeitgeber veranlasst hat, die vorgesehene außerordentliche Kündigung nicht noch innerhalb der 2-wöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu erklären, sondern zunächst den für die außerordentliche Kündigung Schwerbehinderter (damals) durch § 18 SchwbG vorgeschriebenen Weg zu gehen und innerhalb der der Frist des § 626 Abs. 2 BGB entsprechenden 2-wöchigen Ausschlussfrist des § 18 Abs. 2 SchwbG die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu der beabsichtigten Kündigung zu beantragen (vgl. BAG 27. Februar 1987, a.a.O.). Ferner wurde dies angenommen, wenn der Arbeitnehmer durch die verzögerte Abholung des Einschreibebriefs selbst eine Ursache für den Fristablauf gesetzt hat (BAG 25. April 1996 – 2 AZR 13/95 – NZA 1996, 1227, zu II. 5. d.Gr.). Der Bundesgerichtshof hat eine Treuwidrigkeit in einem Fall angenommen, in dem eine GmbH ihren Geschäftsführer nach dessen Wunsch oder von ihm bestärkt eine Bedenkzeit zur Prüfung der einvernehmlichen Beendigung des erkennbar kündigungsgefährdeten Dienstverhältnisses einräumte (BGH 05. Juni 1975 – II ZR 131/73 – NJW 1975, 1698). Zusammenfassend gilt, dass der Einwand der Arglist gegenüber dem ungenutzten Ablauf der Ausschlussfristen nur unter strengen Voraussetzungen greift. Die Fristversäumung muss vom Gekündigten in seinem Interesse veranlasst und durch sein Verhalten verursacht worden sein (KR-Fischermeier, 7. Aufl., BGB § 626 Rn 362; APS Dörner, Kündigungsrecht, 2. Aufl., BGB § 626 Rn 154).

4.

Danach liegt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers nicht vor. Er hat den Beklagten nicht um eine Bedenkzeit o.Ä. gebeten. Durch seine bereits in dem Gespräch am 01. April 2003 erklärte Bereitschaft das Arbeitsverhältnis durch einen Auflösungsvertrag beenden zu wollen, hat er den Beklagten nicht von der Beachtung der Frist des § 626 BGB abgehalten. Dem Beklagten war bekannt, dass ein formwirksamer Aufhebungsvertrag die Schriftform nach § 623 BGB voraussetzt. Es lag in seiner alleinigen Verantwortung während des Laufs der Frist des § 626 Abs. 2 BGB den formwirksamen Abschluss des Aufhebungsvertrages herbeizuführen. Hieran hat ihn der Kläger in keiner Weise gehindert. Er hat den Beklagten insbesondere nicht darum gebeten, im Hinblick auf den bevorstehenden Abschluss des Aufhebungsvertrages keine Kündigung auszusprechen oder hiermit noch zu warten. Vielmehr hatte der Beklagte es in der Hand, während des Laufs der Ausschlussfrist dem Kläger eine Frist zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages zu setzen, um bei deren Nichtbeachtung durch den Kläger noch wirksam fristlos kündigen zu können. Dies ist nicht erfolgt. Die Parteien haben auch weder am 01. April 2003 noch danach zeitlich fest begrenzte Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag vereinbart. Dies hätte vorausgesetzt, dass sie sich über einen Endtermin der Verhandlungen geeinigt hätten. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Vielmehr hat der Beklagte lediglich die in losen Abständen vorgebrachten Änderungswünsche des Klägers berücksichtigt. Für die von ihm ersichtlich gehegte Erwartung, der Kläger werde den Auflösungsvertrag noch unterschreiben, bestand jedenfalls nach Ablauf des 15. April 2003 keine Grundlage mehr. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger in böswilliger Absicht dem Beklagten lediglich vorgespiegelt hat, einen Aufhebungsvertrag schließen zu wollen. Hierfür bestehen keine objektiven Anhaltspunkte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich der Kläger schlicht anders überlegt hat. Dies allein führt jedoch nicht zu einer Treuwidrigkeit des Verhaltens des Klägers, denn er ist in seiner Entscheidung, ob er einen Aufhebungsvertrag schließt, bis zur tatsächlichen Unterschriftsleistung frei. Gerade dies ist der Schutzzweck des § 623 BGB.

II.

Ein Grund für eine außerordentliche Kündigung nach §§ 626 Abs. 1 BGB, 54 Abs. 1 BAT liegt nicht darin, dass der Kläger sich am 16. bzw. 18. September 2003 weigerte, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Das Verhalten des Klägers ist bereits „an sich“ nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Ein arbeitsvertragswidriges Verhalten des Klägers liegt insoweit nicht vor. Die Vertragsfreiheit gewährleistet dem Arbeitnehmer die Befugnis, nach Belieben darüber zu entscheiden, ob er einen Aufhebungsvertrag schließt oder nicht. Auch wenn der Kläger Anfang April 2003 wiederholt mündlich seine Bereitschaft erklärte, einen Aufhebungsvertrag vereinbaren zu wollen, führte dies nicht zu einer Bindung im Sinne eines Vorvertrages. Ansonsten würde die Schutzfunktion des § 623 BGB umgangen.

III.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete nicht durch einen (mündlichen) Auflösungsvertrag vom 03. April 2003 zum 30. September 2003. Insoweit fehlt es an der nach § 623 BGB erforderlichen Schriftform. Eine Berufung des Klägers auf die Formunwirksamkeit ist nicht treuwidrig. Dieser Einwand kann geltend gemacht werden, etwa wenn ein Arbeitnehmer eine Eigenkündigung mehrmals ernsthaft trotz Vorhaltungen des Arbeitgebers formnichtig ausspricht (vgl. BAG 04. Dezember 1997 – AP BGB § 626 Nr. 141). Dies kann jedoch nicht angenommen werden, wenn beide Seiten die Formbedürftigkeit kannten (BGH 22. Juni 1973 – NJW 1973, 1455). Dies war hier der Fall. Beide Parteien beabsichtigten, den Auflösungsvertrag schriftlich abzuschließen. Ihnen war damit klar, dass ein mündlicher Auflösungsvertrag keine Wirksamkeit hat.

IV.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Der mit dem Berufungsantrag zu 2. geltend gemachte allgemeine Feststellungsantrag ist unzulässig. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt nicht vor, da der Kläger weitere Beendigungstatbestände nicht in den Prozess eingeführt und auch deren bloße Möglichkeit nicht dargestellt hat (vgl. BAG 27. Januar 1994, AP KSchG 1969, § 4 Nr. 28; 16. März 1994, AP KSchG 1969, § 4 Nr. 29; 13. März 1997, AP KSchG 1969, § 4 Nr. 38).

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Insbesondere liegt dem Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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