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Kündigungsfrist – Einzelfallauslegung

Landesarbeitsgericht Köln

Az.: 2 Sa 1167/08

Urteil vom 16.03.2009


Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.06.2008 – 5 Ca 3259/08 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, Arbeitgeberin des Beklagten seit dem Jahr 1984, begehrt im vorliegenden Verfahren die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis des Beklagten durch dessen Kündigung nicht vor dem 31.12.2008 geendet hat. Zum 01.05.1990 stellten die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue vertragliche Grundlage. Hierin heißt es unter § 2 Vertragsdauer:

1. Dieser Vertrag beginnt am 01.05.1990. Das Arbeitsverhältnis kann mit einer Frist von 6 Monaten zum Jahresende gelöst werden. Eine Kündigung hat schriftlich zu erfolgen.

2. …

Der Beklagte vertritt die Ansicht, dass diese vertragliche Regelung nur für eine Kündigung durch die Arbeitgeberin anwendbar sei. Für ihn gelte nach wie vor die gesetzliche Regelung, die zum Kündigungszeitpunkt die Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Monatsende beinhalte. Deshalb habe seine Kündigung vom 24.03.2008 das Arbeitsverhältnis schon zum 30.04.2008 beendet. Zur Auslegung der arbeitsvertraglichen Klausel beruft sich der Beklagte auf eine schriftliche Erklärung des ehemaligen Geschäftsführers der Beklagten vom 05.02.2008 mit folgendem Inhalt:

“ … Mir war es damals sehr wichtig, Sie langfristig an das Unternehmen zu binden. Ich wollte Ihnen mit dieser langen Kündigungsfrist zum Ausdruck bringen, wie wichtig Sie für das Unternehmen sind. Diese lange Kündigungsfrist hat also den Zweck, Sie vor einer kurzfristigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. vor einer knappen Kündigungsfrist zu bewahren. …“

Das Arbeitsgericht hat die vertragliche Regelung dahingehend ausgelegt, dass auch für den Beklagten die Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Jahresende einzuhalten sei. Es hat die Erklärung des Zeugen S für unmaßgeblich gehalten und die weitere vom Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung ebenfalls als unberechtigt angesehen, so dass das Arbeitsverhältnis erst mit dem 31.12.2008 geendet habe. Mit der dagegen vom Beklagten eingelegten Berufung vertieft dieser seine Rechtsansichten zur Auslegung des Arbeitsvertrages. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige und fristgerechte Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien dahingehend ausgelegt, dass die dort vereinbarte Beendigungsregelung sowohl nach dem vereinbarten Kündigungstermin als auch nach der vereinbarten Kündigungsfrist für beide Parteien zur Anwendung kommt und nicht etwa nur eine Kündigung der Arbeitgeberseite betrifft. Dieser Auslegung, die nach §§ 133,157 BGB vorzunehmen war, folgt auch das Landesarbeitsgericht.

Hierbei ist zunächst aus der Entstehungsgeschichte des Vertrages zu berücksichtigten, dass zum fraglichen Zeitpunkt andere gesetzliche Kündigungsfristen galten, als sie derzeit gelten. Für Angestellte sah § 622 BGB in der zum 12.05.1990 geltenden Fassung vor, dass das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahres gekündigt werden konnte. Eine kürzere Kündigungsfrist konnte einzelvertraglich nur vereinbart werden, wenn sie einen Monat nicht unterschritt und die Kündigung für den Schluss des Kalendermonats ausgesprochen wurde. Im Übrigen sah § 622 BGB in der damaligen Fassung eine Verlängerung von Kündigungsfristen ausschließlich für Arbeiter vor. Zusätzlich galt seinerzeit das Gesetz über die Fristen der Kündigung von Angestellten. Nach dessen § 2 verlängerten sich die arbeitgeberseitigen Kündigungsfristen nach einem Bestand des Arbeitsverhältnisses von mindestens 5 Jahren auf 3 Monate zum Kalendervierteljahr und nach 8 Jahren auf 4 Monate. Die gesetzliche, nur für die Arbeitgeberin anwendbare Kündigungsfrist hätte deshalb bei Neuabschluss des Vertrages am 01.05.1990 lediglich 3 Monate zum Quartalsende betragen. Die vertragliche Regelung beinhaltet damit sowohl eine eigenständige Regelung hinsichtlich des ausschließlich zulässigen Kündigungstermins zum Jahresende als auch eine vom seinerzeit gültigen Gesetz abweichende Regelung der Kündigungsfrist. Da also nicht lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt wurde, spricht nichts dafür, dass nur die gesetzlich ohnehin geltenden Regelungen aus Vollständigkeitsgründen wiederholt werden sollten und deshalb die Regelung nur im gesetzlichen Umfang für den Arbeitgeber gelten sollte.

Auch ihrem Wortlaut nach kann die vertragliche Regelung nicht als ausschließliche Wiedergabe der gesetzlichen Regelung angesehen werden. Damit scheitert eine Auslegung dahingehend, die Parteien hätten die Klausel nur deshalb in den Vertrag aufgenommen, um eine möglichst vollständige Wiedergabe der ohnehin geltenden gesetzlichen Regelungen im Vertragstext aufzuführen. Schon dem Wortlaut nach enthält die vertragliche Regelung keinerlei Einschränkung dahingehend, dass sie nur für eine arbeitgeberseitige Kündigung gelten soll. Vielmehr ist der Satzbau grammatikalisch so gewählt, dass das Arbeitsverhältnis Objekt seiner Auflösung durch welche Partei auch immer ist.

Auch aus der damaligen Verhandlungsposition der vertragsschließenden Parteien ergibt sich nicht, dass die Wahl der Vertragsklausel allein darauf zurückzuführen ist, dass der Arbeitnehmer ein erhebliches Interesse an einer verlängerten arbeitgeberseitigen Kündigungsfrist umsetzen konnte. Denn auch zum damaligen Zeitpunkt galt, dass der erheblich stärkere Beendigungsschutz eines Arbeitnehmers nicht in der Länge der Kündigungsfristen, sondern im geltenden Kündigungsschutzgesetz lag. Demgegenüber ist ein Interesse des Arbeitgebers, sich selber möglichst langfristig an den Arbeitnehmer zu binden i. d. R. nicht erkennbar. Vielmehr geht das Interesse der Arbeitgeberseite regelmäßig dahin, in dem Fall, in dem er sich zur Kündigung entschlossen hat, auch in möglichst kurzer Zeit das Arbeitsverhältnis beenden zu können. Ein arbeitgeberseitiges Interesse einseitig die von Arbeitgeberseite einzuhaltende Kündigungsfrist über die gesetzlichen Fristen hinaus zu verlängern, kann deshalb ausgeschlossen werden. Dem widerspricht auch die Erklärung des früheren Geschäftsführers S vom 05.02.2008 nicht. Hierin bringt er zum Ausdruck, dass es seine persönliche Motivation gewesen sei, den Beklagten als Arbeitnehmer möglichst langfristig an das Unternehmen zu binden. Dies konnte wie geschehen nur dadurch erfolgen, dass die Kündigungsfrist sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber gleichmäßig verlängert wurde, da auch seinerzeit die einseitige Verlängerung der Kündigungsfristen nur für den Arbeitnehmer nach § 622 Abs. 5 BGB unzulässig war. Jedwede längere Bindung des Arbeitnehmers bedurfte deshalb einer neutralen Formulierung, die sich insgesamt auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezog, ohne von vorneherein die Arbeitgeberseite auszuschließen. Nicht notwendig war dabei jedoch, ausdrücklich beide Vertragsparteien aufzuführen. Die gewählte Formulierung, in der nur das Objekt der Beendigung (das Arbeitsverhältnis) genannt wird, erfüllt die gesetzliche Voraussetzung nach § 622 Abs. 5 BGB der Verlängerung einer vereinbarten Frist für beide Vertragsparteien.

Im Übrigen kam es allerdings auf die subjektiven Vorstellungen des ehemaligen Geschäftsführers nicht an, da die Auslegung des Arbeitsvertrages sich nach dem Horizont eines durchschnittlichen verständigen Arbeitgebers und Arbeitnehmers richtet und die subjektiven Vorstellungen und Motive einer individuellen Partei hierbei unberücksichtigt bleiben. Zudem ist die Erklärung des ehemaligen Geschäftsführers auch widersprüchlich. Wenn seinerseits das Motiv bestand, den Beklagten möglichst langfristig an das Unternehmen zu binden, ist nicht recht verständlich, warum die Arbeitgeberin nicht die zulässige Gestaltung gewählt haben will, die Kündigungsfristen für beide Parteien zu verlängern und damit auch rechtlich eine verlängerte Bindung des Arbeitnehmers herbeizuführen statt ausschließlich darauf zu zählen, dass durch besonders angenehme Arbeitsbedingungen und eine ausschließlich arbeitgeberseitig verlängerte Kündigungsfrist der Arbeitnehmer vielleicht von einer kurzfristigen eigenen Kündigung abgehalten werden könne.

Damit bleibt es dabei, dass auch der Beklagte sich an die Kündigungsfrist von 6 Monaten und den Kündigungstermin zum Jahresende halten musste.

Das Landesarbeitsgericht folgt auch der erstinstanzlichen Beurteilung zu der Frage, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund fristloser Kündigung des Beklagten vom 17.04.2008 mit Zugang dieser Kündigung sein Ende gefunden hat. In die Abwägung, ob das als zutreffend unterstellte Verhalten des Zeugen C C geeignet ist, dem Beklagte das Recht zu geben, sich ohne Einhaltung der Kündigungsfrist von seiner Vertragspartnerin zu trennen i. S. d. § 626 BGB, ist zu berücksichtigen, dass auf Seiten der Klägerin eine erhebliche Verärgerung darüber bestand, dass der Beklagte sich ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aus dem Arbeitsverhältnis befreien wollte. Gerade die vorliegende Situation zeigt, dass ein Arbeitgeber gegenüber einem vertragsbrüchigen Arbeitnehmer nahezu machtlos ist und auch nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen in der Lage ist, tatsächlich einen konkreten Schadensersatzanspruch wegen der einem Wettbewerber vorzeitig zur Verfügung stehenden Arbeitskraft darzulegen und durchzusetzen. Würde man im konkreten Fall dem Beklagten hieraus ein Recht zur fristlosen Kündigung zusprechen, so würde er gerade durch seine Provokation, die arbeitsvertraglichen Fristen nicht einzuhalten, die Früchte seiner eigenen Unredlichkeit ernten indem ihm die (unterstellte) einmalige Entgleisung auf Arbeitgeberseite nun zum berechtigten vorzeitigen Ende des Arbeitsverhältnisses gereichen würde. Aus diesem Grunde kann in der vorliegenden Konstellation zumindest erwartet werden, dass auch der Arbeitnehmer die Arbeitgeberseite abmahnt und darauf hinweist, dass er im Wiederholungsfall eine fristlose Kündigung aussprechen wird.

Nach alledem steht somit fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht vor dem 31.12.2008 geendet hat.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits, insbesondere weil die Auslegung einer individuellen Vertragsklausel der Entscheidung zugrunde liegt, nicht zugelassen.

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