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Kundenabwerbung durch ehemaligen Mitarbeiter – Schadensersatzanspruch

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Az: 10 Sa 527/07

Urteil vom 10.01.2008


1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 24.04.2007, Az.: 5 Ca 1409/06, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche des Klägers.
Der Kläger ist ….. Er hat am 01.11.2005 auf der Grundlage eines Praxisübertragungsvertrages vom 17.10.2005 (Bl. 6-11 d. A.) die Praxis des Steuerberaters in Oberraden übernommen. Für die Überlassung des Mandantenstammes gemäß Mandantenliste (Anlage 1 zum Vertrag, Bl. 12-14 d. A.) zahlte er an den Veräußerer ein Entgelt in Höhe von insgesamt EUR 129.000,00.

Die Beklagte war bei dem Veräußerer seit dem 01.04.1981 als kaufmännische Angestellte zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt EUR 1.700,00 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. Sie war die einzige Angestellte. Das Arbeitsverhältnis ist gemäß § 613 a BGB auf den Kläger übergegangen. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist am 17.04.2006 zum 31.05.2006. Seit dem 01.06.2006 ist sie bei dem ….. in Rengsdorf angestellt.

Im Mai 2006 kündigten insgesamt 17 Mandanten das Vertragsverhältnis mit dem Kläger. Von diesen 17 Mandanten wechselten 11 ab 01.06.2006 zum neuen Arbeitgeber der Beklagten. Für die Übernahme dieser 11 Mandanten hatte der Kläger an den Veräußerer ein Entgelt in Höhe von EUR 56.778,50 gezahlt.

Mit seiner am 31.07.2006 zugestellten Klage verlangt der Kläger diesen Betrag von der Beklagten wegen unzulässiger Abwerbung in kollusivem Zusammenwirken mit dem neuen Arbeitgeber als Schadensersatz.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von einer weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts vom 24.04.2007 (dort S. 2-4 = Bl. 82-84 d. A.) und den Inhalt der Schriftsätze des Klägers vom 21.07.2006 (Bl. 1-5 d. A.) sowie vom 22.11.2006 (Bl. 39- 44 d. A.) und der Beklagten vom 18.09.2006 (Bl. 23-25 d. A. und vom 21.12.2006 (Bl. 70-73 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 56.778,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie EUR 749,95 als Verzugsschaden zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – hat mit Urteil vom 24.04.2007 die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte weder schlüssig dargelegt noch unter Beweis gestellt. Er sei dafür beweispflichtig, dass sich ein bestimmter Mandantenstamm durch die Beeinflussung der Beklagten dafür entscheiden habe, sein Steuerbüro zu verlassen und zu ihrem neuen Arbeitgeber zu wechseln. Hierfür habe er keinerlei Beweismittel angeboten. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 4 bis 5 des Urteils vom 24.04.2007 (Bl. 84-85 d. A.) verwiesen.

Der Kläger, dem das Urteil am 04.07.2007 zugestellt worden ist, hat am Montag, den 06.08.2007 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese innerhalb der bis zum 04.10.2007 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 04.10.2007 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Er behauptet, die Beklagte habe seine Hauptmandanten/ Stützpfeiler abgeworben und zu ihrem neuen Arbeitgeber mitgenommen. Sie habe die Übernahme der Mandate offensichtlich von langer Hand geplant und ihre Vorgehensweise in kollusiver Absicht mit ihrem neuen Arbeitgeber abgesprochen. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er beweispflichtig sei. Aufgrund der Komplexität der Materie sei, ebenso wie in Wirtschaftsstrafsachen, die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nur unter erschwerten Voraussetzungen möglich, denn die schadensbegründenden Voraussetzungen spielten sich in der inneren Sphäre der übrigen Beteiligten – hier der Beklagten und ihres neuen Arbeitgebers – ab. Er habe jedoch einen Lebenssachverhalt vorgetragen, der unbefangen ersichtlich mache, dass die Beklagte in Absprache mit ihrem neuen Arbeitgeber und damit in treuwidriger Weises – aktiv – die von ihm im Januar 2006 erworbenen Mandate abgeworben und zu ihrem neuen Arbeitgeber mitgenommen habe. Es liege außerhalb jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit, dass ohne aktives Handeln der Beklagten die abgewanderten Mandanten mit ihr zum gleichen Zeitpunkt zu ein und demselben gewechselt seien. Ihm müssten erhebliche Beweiserleichterungen, respektive eine Beweislastumkehr, nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises in Bezug auf Vertragsverletzungen und Haftungstatbestände zu Hilfe kommen. Die typische Situation des Anscheinsbeweises sei gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 04.10.2007 (Bl. 129 – 133 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 24.04.2007, Az.: 5 Ca 1409/06, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 56.778,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie EUR 749,95 als Verzugsschaden zu zahlen.

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, sie habe dem Kläger keine Mandanten abgeworben. Sie habe die Mandanten zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form, weder mündlich noch schriftlich noch sonst durch eine Handlung willentlich oder wissentlich, dazu aufgefordert, das Mandat zum Kläger zu beenden. Sie habe das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil der Kläger ab November 2005 mit der Gehaltszahlung in Verzug geraten sei. Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 24.09.2007 (Bl. 135 – 137 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht ist im angefochtenen Urteil zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gegen die Beklagte keine Schadensersatzansprüche zustehen.

Die Klage ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers kommt weder auf der Grundlage von §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB noch nach § 60 Abs. 1 HGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 UWG oder nach § 826 BGB in Betracht.

Der Kläger hat nicht ausreichend dargelegt, dass ihm die Beklagte vor ihrem Ausscheiden aus seiner Steuerberaterkanzlei aufgrund ordentlicher Kündigung zum 31.05.2006 allein – oder im Zusammenwirken mit ihrem neuen Arbeitgeber – in unzulässiger Weise Mandanten abgeworben hat.

Der Arbeitgeber kann vom Arbeitnehmer nur dann Schadenersatz verlangen, wenn dieser seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, der Arbeitnehmer die Vertragsverletzung zu vertreten hat, dem Arbeitgeber ein Schaden erwächst und zwischen Vertragsverletzung und Schaden ein Kausalzusammenhang besteht. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Jedoch können ihm nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises Beweiserleichterungen zukommen.

Unter Beachtung dieser Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch hätte der Kläger substantiiert darlegen müssen, dass die Beklagte ihm dadurch einen Schaden schuldhaft zugefügt hat, indem sie seine Mandanten durch gezielte Maßnahmen zu einem Wechsel zu ihrem neuen Arbeitgeber veranlasst hat. Dahingehende Anhaltspunkte ergeben sich weder aus dem Vortrag des Klägers noch ist dafür im Übrigen etwas ersichtlich, so dass auch nicht für den Kläger die Grundsätze der Beweiserleichterung in Betracht kommen. Der Kläger hat schon keine objektive Pflichtverletzung ausreichend behauptet.

Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass es auf den ersten Blick verdächtig anmutet, wenn 11 Mandanten zeitgleich mit dem Ausscheiden der Beklagten kündigen und deren neuen Arbeitgeber mit der Wahrnehmung ihrer steuerlichen Beratung beauftragen. Den vom Kläger herangezogenen Anscheinsbeweis für einen Verstoß gegen das Abwerbeverbot begründet ein solch rein tatsächliches Geschehen nicht. Es fehlt schon an dem für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises maßgeblichen „typischen Geschehensablauf“, der quasi standardisiert den Rückschluss auf eine Ursache – hier einen Verstoß gegen das Abwerbeverbot – zuließe.

Ein Anhaltspunkt für eine unzulässige Abwerbung von Mandanten ergibt sich nicht bereits daraus, dass 17 Mandanten ihr Auftragsverhältnis zum Kläger zum 31.05.2006 gekündigt haben. Laut Mandantenliste (Anlage 1 zum Praxisübertragungsvertrag vom 17.10.2005) wurde dem Kläger ein Mandantenstamm von insgesamt 123 Mandanten übertragen. Hiervon haben 17 Mandanten gekündigt, wovon lediglich 11 zum neuen Arbeitgeber der Beklagten gewechselt sind. Aus welchen Gründen die Mandanten dies getan haben, ist vom Kläger nicht dargelegt worden, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, die abgewanderten Mandanten nach ihren Motiven zu befragen und sie ggf. als Zeugen zu benennen. Insbesondere hat er keine Tatsachen für einen unzulässigen Abwerbungsversuch vorgetragen. Allein daraus, dass 11 von 17 Mandanten zum neuen Arbeitgeber der Beklagten gewechselt sind, kann noch nicht geschlossen werden, dass diese noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu den Kündigungen durch die Beklagte veranlasst worden sind. Es fehlt zudem jeglicher Vortrag dafür, dass dies in kollusivem Zusammenwirken mit dem neuen Arbeitgeber erfolgt ist. Das Vorbringen des Klägers stellt einen unzulässigen Pauschalvortrag dar. Es handelt sich um Behauptungen ins Blaue hinein. Der notwendige Sachvortrag wird nicht dadurch ersetzt, dass der Kläger meint, der Schadensersatzanspruch könne nicht daran scheitern, dass sich wesentliche Faktoren der Anspruchsvoraussetzungen naturgemäß außerhalb seiner Wahrnehmungsfähigkeit abgespielt hätten. Anhaltspunkte für eine schuldhafte Vertragspflichtverletzung in Form von Mandantenabwerbung hätten dargelegt werden müssen. Dahingehende Umstände hat der Kläger jedoch nicht vorgebracht. Es kann auf die verschiedensten Umstände zurückzuführen sein, dass die Mandanten den gewechselt haben. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Mandanten das Ausscheiden ihres früheren Steuerberaters durch den Praxisverkauf an den Kläger zum Anlass genommen haben, sich nach einem neuen umzusehen. Der Kläger übersieht bei seiner Argumentation, dass er selbst keinen persönlichen engen Kontakt zu den Mandanten gehabt hat, weil er die Steuerberaterpraxis erst zum 01.11.2005 übernommen hat. Bei dieser Sachlage hätte es aber dem Kläger oblegen, konkret darzulegen, dass die Mandanten den Wechsel nur und gerade deshalb vollzogen haben, weil sie dazu von der Beklagten bzw. von dieser gemeinsam mit ihrem neuen Arbeitgeber durch unlautere Abwerbung veranlasst worden sind. Die pauschale Behauptung, es liege außerhalb jegliche Lebenswahrscheinlichkeit, dass die abgewanderten Mandanten ohne aktives Handeln der Beklagten zum gleichen Zeitpunkt mit der Beklagten zu demselben gewechselt seien, ersetzt nicht den konkreten Sachvortrag. Wenn sich nach einer Praxisübertragung Mandanten dazu entscheiden, den zu wechseln, spricht nichts dafür, dass dies gerade auf entsprechendes Einwirken der Beklagten zurückzuführen ist bzw. darauf zurückgeführt werden muss.

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Da nach alledem ein Schadensersatzanspruch schon dem Grunde nach nicht gegeben ist, bedarf es keiner Ausführungen zur Höhe des geltend gemachten Schadens.

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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