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Kurzarbeit – betriebsbedingte Kündigung

LArbG Berlin-Brandenburg

Az: 7 Sa 903/10

Urteil vom 10.08.2010


I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Januar 2010 – 6 Ca 13740/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des Klägers sowie seine Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses.

Die Beklagte, die mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigt, stellt in ihrem Berliner Betrieb u.a. Messingstangen, Messingprofile und Drähte her. Der Kläger ist bei ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 15. November 1982 als Arbeiter beschäftigt. Er ist 1956 geboren, mit einem Grad von 50 als schwerbehindert anerkannt, verheiratet und zumindest einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Bis zur Vorlage eines ärztlichen Attestes im August 2003 war der Kläger als Zieher an der 20to-Ziehbank tätig, danach bis zur Vorlage eines weiteren Attestes im März 2004 an der 15to-Ziehbank. Zuletzt war er in der Funktion eines „Anfasers/Ofenbedieners/Einteilsägers“ im Bereich der Zieherei Allgemein, bei der Beklagten auch „Rohrzieherei“ genannt, beschäftigt. Jedenfalls in Vertretungsfällen wurde er auch als „Stößler“ eingesetzt.

Die Beklagte ist Mitglied im Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg und nimmt die Vergütungen nach den entsprechenden Regelungen des Entgeltrahmentarifvertrages für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie (ERA) vor. Nach den Stellenbeschreibungen (Bl. 89-92) sind die Tätigkeiten eines „Anfasers/Ofenbedieners/Einteilsägers“ in Entgeltgruppe 2 h ERA eingruppiert. Der Kläger erhielt zuletzt Vergütung nach Entgeltgruppe 3 ERA. Sein durchschnittlicher Bruttomonatslohn betrug 3.200 €.

Anfang 2009 kam es zwischen der Beklagten und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat zu Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans; es ging dabei um den Abbau von 48 Stellen bzw. um eine Alternativlösung. Im Zuge dieser Verhandlungen schlossen die Betriebspartner unter dem 27. Februar 2009 eine Betriebsvereinbarung zum Zwecke der Einführung von Kurzarbeit in den Produktionsbereichen Gießerei, Rohrlinie und Indirektlinie (Betriebsvereinbarung Nr. 163). Zugleich verschoben sie mit der Betriebsvereinbarung Nr. 164 die zweite Stufe der Tariferhöhung. Außerdem schlossen sie ebenfalls unter dem 27. Februar 2009 die Rahmenbetriebsvereinbarung Nr. 165 über die Einführung eines Prämienentgelts und einer außertariflichen Leistungszulage. Darin regelten die Betriebspartner mit Wirkung zum 1. Mai 2009, bezogen auf die in dieser Betriebsvereinbarung genannten sieben Produktionsbereiche, die Abkehr von der Entlohnung nach Akkord hin zu der Einführung eines Prämienentgelts nebst einer außertariflichen Leistungszulage. Davon war auch der Produktionsbereich erfasst, dem der Kläger zuletzt angehörte. Die Einführung des Prämienentgelts sollte bei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Betriebsvereinbarung Nr. 165 bereits tätigen Mitarbeitern durch den Abschluss eines Änderungsvertrages umgesetzt werden. Nach den Maßgaben der Ziffer 11 der Betriebsvereinbarung Nr. 165 verpflichtete sich die Beklagte gegenüber denjenigen Arbeitnehmern, die den Änderungsvertrag abschließen würden, auf den Ausspruch einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung bis zur vollständigen Beendigung der in der Produktion durchgeführten Kurzarbeit für die Jahre 2009/2010 zu verzichten. Für die Einzelheiten der Betriebsvereinbarung Nr. 165 wird auf die Anlage B 27, Bl. 121 ff. d.A. Bezug genommen.

Die Beklagte erwartete aufgrund der Einführung dieses Prämienentgelts eine Kosteneinsparung im Umfang von insgesamt 22 Arbeitsplätzen in der Produktion. In Umsetzung der Betriebsvereinbarung bot sie im März 2009 den in Frage kommenden Arbeitnehmern – so auch dem Kläger – den Abschluss eines solchen Änderungsvertrages an, der den Verzicht der Beklagten auf den Ausspruch ordentlicher betriebsbedingter Kündigungen nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung Nr. 165 vorsah und der von mehr als 80 % der betroffenen Arbeitnehmer angenommen wurde. Der Kläger schloss einen solchen Änderungsvertrag nicht ab.

Mit Schreiben vom 7. Juli 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 28. Februar 2010. Zuvor informierte sie den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 20. Mai 2009 (Bl. 145 -154 d.A.) über eine beabsichtigte betriebsbedingte Kündigung und bat das Integrationsamt um Zustimmung. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 27. Mai 2009 (Bl. 7-8 d.A.). Das Integrationsamt erteilte mit Bescheid vom 30.06.2009 (Bl. 165 ff. d.A) seine Zustimmung. Der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wurde zurückgewiesen. Neben dem Kläger wurden noch die Mitarbeiter der Produktion gekündigt, die das Änderungsangebot zur Einführung der neuen Entgeltstruktur nicht angenommen hatten, mit Ausnahme der Mitglieder des Betriebsrats und eines Mitarbeiters, der aus Altersgründen zum Jahresende ausscheiden sollte. Daneben wurde ein Mitarbeiter betriebsbedingt gekündigt, der nicht in der Produktion tätig und daher nicht von der neuen Entgeltstruktur betroffen war. Im Jahr 2010 beschäftigte die Beklagte aufgrund gestiegener Produktion ca. 35 Leiharbeitnehmer.

Mit seiner am 24. Juli 2009 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und später erweiterten Klage hat sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch diese Kündigung gewendet und die vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt. Er hat die soziale Rechtfertigung bestritten, die ordnungsgemäße Sozialauswahl sowie die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats gerügt. Darüber hinaus hat er einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB geltend gemacht. Er hat dazu behauptet, die Beklagte habe die Kündigungen ausgesprochen, weil er ebenso wie die anderen gekündigten Mitarbeiter der angetragenen Änderung des Entgeltsystems nicht zugestimmt habe. Zudem hat er gemeint, durch die Betriebsvereinbarung Nr. 165 sei für eine Vielzahl vergleichbarer, sozial weniger schutzbedürftiger Arbeitnehmer in unzulässiger Weise zu seinen Lasten ein Sonderkündigungsschutz vereinbart worden, so dass die von der Beklagten getroffene Sozialauswahl unzutreffend sei. Er habe den angebotenen Änderungsvertrag nicht unterzeichnet, weil dies einen Einkommensverlust von ca. 30 % für ihn bedeutet habe.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die in den Anlagen B 2 – B 22 (Bl. 93 – 115 d.A.) enthaltenen Zahlen behauptet, noch nach Einführung der Kurzarbeit habe sich die Auftrags- und Auslastungssituation der Beklagten bis zum Ausspruch der Kündigung gravierend verschlechtert, mit der Folge, dass sie trotz der Einführung des neuen Prämienentgeltsystems, der Aussetzung der Tariflohnerhöhungen und der Einführung von Kurzarbeit einen erheblichen Verlust für 2009 prognostiziert habe. In den zur „Rohrlinie“ zählenden Bereichen Rohrpresse, Rohrzieherei und Rohrlinien-Nebenbetriebe sei die zur Bewältigung der Arbeitsmenge erforderliche Arbeitszeit um 39,89%, 32,89% und um 29,81% zurückgegangen. Sie habe daher am 19. Mai 2009 die unternehmerische Entscheidung getroffen, die – einzige – Position eines „Anfasers/Ofenbedieners/Einteilsägers“ im Bereich Zieherei Allgemein und damit den Arbeitsplatz des Klägers wegfallen zu lassen und die verbleibenden Aufgaben ab 01. Oktober 2009 auf die von ihr namentlich genannten 7 Mitarbeiter zu verteilen. Diese könnten die zusätzliche Arbeit des Klägers wegen des Rückgangs ihres Arbeitsvolumens ohne weiteres übernehmen. Mögliche Verzögerungen und Arbeitsrückstände habe sie in Kauf genommen. Zum Zeitpunkt der Kündigung habe sie mit einem dauerhaften Arbeitsausfall rechnen müssen, der nicht auf die Kurzarbeitsperiode beschränkt gewesen sei. Sie hat gemeint, sie habe damit eine unternehmerische Entscheidung zur Leistungsverdichtung getroffen, die lediglich auf Willkür zu überprüfen sei. Zur Sozialauswahl hat die Beklagte gemeint, diese sei zutreffend erfolgt, weil die Mitarbeiter mit Sonderkündigungsschutz nicht einzubeziehen gewesen seien. Einen Einkommensverlust von 30 % bei dem Kläger durch das neue Entgeltsystem hat sie bestritten. Ebenso hat sie einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot bestritten und unter anderem darauf hingewiesen, dass sie auch gegenüber einem Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis gekündigt habe, der von der Änderung des Entgeltsystems nicht betroffen gewesen sei sowie einen Arbeitnehmer gekündigt habe, der sogar eine Gehaltssteigerung hätte beanspruchen können, wenn er denn das Prämienentgeltsystem akzeptiert hätte.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15. Januar 2010 – 6 Ca 13740/09 – festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die unter dem 07.07.2009 datierende Kündigung aufgelöst worden ist und die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag als Arbeiter in der Abteilung Rohrzieherei weiterzubeschäftigen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Prognose zum dauerhaften Arbeitsausfall sei wenig fundiert. Da die Beklagte auch weiterhin Kurzarbeit durchführe, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zahlung von Kurzarbeitergeld jedoch einen vorübergehenden Arbeitsmangel verlangten, sei prognostisch von einem Anstieg der Produktionsauslastung auszugehen. Die Beklagte habe eine ausschließlich auf die Kurzarbeit bezogene Betrachtung vorgenommen und nicht dargelegt, wie der Kläger auch nach Rückkehr zu normalen Auslastungszahlen weiterhin von den anderen Mitarbeitern ersetzt werden könnte. Wegen der festgestellten Unwirksamkeit müsse sie den Kläger während des Kündigungsrechtsstreits weiterbeschäftigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, Bl. 322 bis 325 der Akte, verwiesen.

Gegen dieses der Beklagten am 18. März 2010 zugestellte Urteil richten sich ihre am Montag, den 19. April 2010 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene und zugleich begründete Berufung.

Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für unzutreffend und verweist auf ihre innerbetriebliche Organisationsentscheidung zum Wegfall des Arbeitsplatzes eines „Anfasers/Ofenbedieners/Einteilsägers“ im Bereich Rohrzieherei. Sie habe damit eine innerbetriebliche unternehmerische Entscheidung getroffen, die unabhängig von der Kurzarbeit auf Dauer angelegt sei. Sie meint, entscheidungserheblich sei auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung abzustellen gewesen, die Prognose zum dauerhaften Rückgang des Arbeitsvolumens habe sie ordnungsgemäß dargestellt. Insoweit verweist sie auf die rückläufigen Zahlen der Arbeitsmenge im Jahr 2008 zum Jahr 2009, die aus ihrer Sicht die Annahme eines dauerhaften Rückgangs erlaubt hätten. Trotz der Einführung des Prämienlohns habe ein Personalüberhang von noch 26 Mitarbeitern bestanden. Sie meint, auf die vom Arbeitsgericht angestellten Überlegungen über die gesetzlichen Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes komme es nicht an, der Kläger habe ebenso wie die anderen Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze weggefallen seien, ab seiner Freistellung am 01. Oktober 2009 kein Kurzarbeitergeld mehr bezogen.

Die Beklagte meint weiter, die Sozialauswahl sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die allein mit dem Kläger vergleichbaren Mitarbeiter seien ebenfalls gekündigt worden, die übrigen Mitarbeiter seien aufgrund des Sonderkündigungsschutzes nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen. Die diesbezügliche Vereinbarung sei nicht rechtsmissbräuchlich. Im Übrigen fehle es an der arbeitsplatzbezogenen Vergleichbarkeit, weil der Kläger nach der Entgeltgruppe 3 vergütet werde, die anderen von ihm namentlich benannten und als sozial weniger schutzwürdig bezeichneten Mitarbeiter aber nach der Entgeltgruppe 4 vergütet würden. Nur der Mitarbeiter R. sei ebenfalls in die Entgeltgruppe 3 eingruppiert gewesen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Januar – 6 Ca 13740/09 – aufzuheben und die Klage abzuweisen

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, die Beklagte habe die über die Kurzarbeit hinausgehenden Umstände für eine langfristige Prognose nicht dargelegt. Vielmehr sei der Arbeitsausfall nur vorübergehend durch die Krise bedingt gewesen. Dass von einem dauerhaften Produktionsrückgang nicht ausgegangen werden könne, zeige auch der Einsatz von Leiharbeitnehmern im Jahr 2010. Die Darlegungen zu einer innerbetrieblichen Organisationsentscheidung seien auch deshalb nicht logisch, weil bei einer Unterzeichnung des Änderungsvertrages durch den Kläger diese hinfällig gewesen wäre. Die Kündigung erweise sich aber auch wegen fehlerhafter Sozialauswahl als sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte hätte u.a. den Mitarbeiter R. Sch., der erst drei Jahre tätig sei und keine Schwerbehinderung aufweise, vor dem Kläger kündigen müssen. Weiterhin sei der Kläger auch mit den kürzer beschäftigten und auch nach den sonstigen Sozialdaten weniger schutzbedürftigen Mitarbeitern………… vergleichbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist von ihr fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG).

Die Berufung der Beklagten ist daher zulässig.

2. Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 7. Juli 2009 aufgelöst worden ist. Diese Kündigung erweist sich mangels betriebsbedingten Erfordernisses und wegen fehlerhafter Sozialauswahl als sozial ungerechtfertigt im Sinne § 1 Abs. 2,3 KSchG und damit als rechtsunwirksam.

2.1 Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Die Beklagte begründet die Kündigung im Wesentlichen mit ihrer im Mai 2009 getroffenen Entscheidung, die im Bereich Zieherei Allgemein bestehende Position des Klägers als „Anfaser/Ofenbediener/Einteilsäger“ zum 1. Oktober 2009 wegfallen zu lassen und die dort anfallenden Arbeiten auf 7 von ihr namentlich benannte Mitarbeiter zu verteilen. Dass diese unternehmerische Entscheidung auch für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist auf Dauer angelegt und organisatorisch durchführbar ist, hat die Beklagte auch im Berufungsverfahren indes nicht hinreichend schlüssig dargelegt.

2.1.1 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAG v. 18. September 2008 – 2 AZR 560/07 – NZA 2009, 142; vom 23. April 2008 – 2 AZR 1110/06 – EzA-SD 2008, Nr 15, 3-4) können sich betriebliche Erfordernisse iSv § 1 Abs. 2 KSchG insbesondere aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen), wie Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion oder von Arbeitsabläufen ergeben. Die unternehmerische Organisationsentscheidung kann auch darin liegen, festzulegen, mit welcher Stärke der Belegschaft des Betriebs zukünftig das Unternehmensziel erreicht werden soll bzw. welche Kapazität an einzusetzenden Arbeitskräften und ihrer Arbeitszeit vorgehalten werden muss (BAG v. 2. Juni 2005 – 2 AZR 480/04 – NZA 2006, 207 m.w.N). Die unternehmerische Entscheidung selbst ist nicht auf ihre rechtliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. z.B. BAG 21. September 2006 – 2 AZR 607/05 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62).

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Dagegen obliegt es den Arbeitsgerichten nachzuprüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung überhaupt getroffen wurde und ob sie sich betrieblich dahingehend auswirkt, dass der Beschäftigungsbedarf für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Erschöpft sich die Entscheidung des Arbeitgebers im Wesentlichen darin, Personal einzusparen, so rückt sie nahe an den Kündigungsentschluss heran. Da die Kündigungsentscheidung selbst nach dem Gesetz nicht frei, sondern an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit („Dauer“) verdeutlichen, damit das Gericht prüfen kann, ob sie im Sinne der oben gekennzeichneten Rechtsprechung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich, also missbräuchlich ausgesprochen worden ist (BAG v. 18. September 2008 -. 2 AZR 560/07 – NZA 2009, 142; vom 22. Mai 2003 – 2 AZR 326/02 – a.a.O.).

2.1.2 An einer solchen Verdeutlichung der organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung auch für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist fehlte es indes im vorliegenden Fall.

2.1.2.1 Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, den Arbeitsplatz des Klägers als „Anfaser/Ofenbediener/Einteilsäger“ zum 1. Oktober 2009 wegfallen und die dortigen Arbeiten auf 7 andere Arbeitnehmer zu verteilen, erschöpft sich im Wesentlichen darin, Personal einzusparen und ist nahezu identisch mit dem Kündigungsentschluss selbst. Insofern bedurfte es nach den oben dargestellten Grundsätzen einer näheren Darlegung zur Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit dieser unternehmerischen Entscheidung.

2.1.2.2 Zunächst hat die Beklagte schon nicht dargelegt, wie die 7 von ihr benannten Mitarbeiter im Rahmen der bestehenden Arbeitsabläufe die Tätigkeiten des wegfallenden Arbeitsplatzes mit übernehmen können, ohne dass es an anderer Stelle zu betrieblichen Ablaufstörungen kommt. Eine Umorganisation der bestehenden Arbeitsabläufe wird nicht vorgetragen. Soweit die Beklagte hier behauptet, Teil ihrer unternehmerischen Entscheidung sei es, mögliche Verzögerungen und Arbeitsrückstände in Kauf zu nehmen, hat sie dies im Ergebnis so nicht durchgeführt. Unstreitig hat die Beklagte nämlich im Jahr 2010 mit steigendem Auftragsvolumen nicht etwa Verzögerungen und Arbeitsrückstände in Kauf genommen, sondern in erheblichem Umfang – und zwar über die Zahl der gekündigten Arbeitnehmer aber auch über die Zahl der von der Beklagten zuletzt als Personalüberhang bezeichneten 26 Arbeitnehmer hinaus – Leiharbeitnehmer eingesetzt. Dies zeigt aber, dass es der von Aufträgen und Maßgaben der Auftraggeber abhängigen Beklagten nicht gleichgültig war (und sein konnte), wie und wann sie diese Aufträge auch erfüllt. Bei dieser Prüfung der zum Zeitpunkt der Kündigung getroffenen Prognose zur Entbehrlichkeit des Klägers mit dem Ablauf seiner Kündigungsfrist kam es nicht darauf an, auf welchen Ursachen das steigende Auftragsvolumen aus 2010 beruhte.

2.1.2.3 Weiterhin fehlte es aber auch an einer näheren Darlegung der Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung. Diese setzt voraus, dass die unternehmerische Entscheidung der Beklagten auf Dauer angelegt und durchführbar ist. Die Beklagte begründet die Durchführbarkeit ihrer Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die von ihr benannten 7 Arbeitnehmer, die die Arbeiten des Klägers übernehmen sollen, aufgrund des Rückgangs des Auftrags- und Arbeitsvolumens über entsprechende freie Kapazitäten verfügen würden. Sie hat dazu umfangreiche Berechnungen zum Rückgang der Arbeitsmenge und des durchschnittlich freiwerdenden Arbeitsvolumens in den verschiedenen Arbeitsbereichen, so auch im Bereich des Klägers, schriftsätzlich dargestellt, in deren Ergebnis die Beklagte zu einem Rückgang der im Zeitraum Januar bis Mai aufzuwendenden Arbeitszeit im Bereich der Rohrzieherei um 32,89%, in den Bereichen Rohrpresse und Rohrlinien-Nebenbetriebe um 39,92% bzw. 32,89% kommt.

Dass sich dabei die Prognose der Beklagten zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung darauf erstreckte, dieser Rückgang werde auch nach Ablauf der Kündigungsfrist auf Dauer bestehen, die Mitarbeiter also auch noch nach Ablauf der Kündigungsfrist aufgrund eigener freier Kapazitäten die Tätigkeiten des Klägers mit übernehmen können, ohne überobligatorisch in Anspruch genommen zu werden oder aber ohne neue Mitarbeiter zur Abarbeitung der Auftragslage einstellen zu müssen, lässt sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen. Dabei ist zunächst schon festzustellen, dass sich bereits in dem weiteren von der Beklagten berechneten Zeitraum Januar bis August 2009 das Arbeitsvolumen und die dafür aufzuwendende Arbeitszeit im Monatsdurchschnitt leicht erhöht hat. Zudem ist die Beklagte dem Rückgang des Auftragsvolumens und damit einhergehend des Arbeitsvolumens in Absprache mit dem Betriebsrat mit der Einführung von Kurzarbeit begegnet. Die Einführung von Kurzarbeit spricht aber – worauf das Arbeitsgericht bereits zu Recht hingewiesen hat – schon nach den gesetzlichen Voraussetzungen der Kurzarbeit zunächst einmal indiziell dafür, dass die Beklagte von einem nur vorübergehenden Arbeitsmangel ausgegangen ist, der eine betriebsbedingte Kündigung noch nicht rechtfertigen kann (BAG v. 26. Juni 1997 – 2 AZR 494/96 – AP Nr 86 zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung). Die Entwicklung im Jahr 2010 rechtfertigt im Ergebnis diese Einschätzung der Beklagten zur Einführung der Kurzarbeit.

Die Beklagte hat die Indizwirkung nicht durch konkreten Sachvortrag entkräftet, wonach eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger auf Dauer entfallen ist. Die Tätigkeiten des Klägers waren in gleicher Weise von Kurzarbeit betroffen, wie die übrigen Arbeiten; auch für diesen Bereich galt somit die Indizwirkung eines nur vorübergehenden Rückgangs an Arbeitsvolumen. Sonstige Rationalisierungsmaßnahmen, die zu einem geringeren Anfall dieser Arbeiten – auch nach Ende der Kurzarbeit – führen würden, hat die Beklagte nicht behauptet. Vielmehr beruft sich die Beklagte zur Widerlegung dieses Indiz auf ihre unternehmerische Entscheidung, den Arbeitsplatz des Klägers als solches nämlich als „Anfaser/Ofenbediener/Einteilsäger“ in Wegfall zu bringen, die dortigen Tätigkeiten auf andere Mitarbeiter zu verteilen. Dies ist für sich genommen aber nicht schlüssig. Steigt nämlich das Arbeitsvolumen nach Ablauf der Kurzarbeit wieder an, sinken auch die freien Kapazitäten dieser Mitarbeiter, mit der Folge, dass diese nicht mehr ohne weiteres in der Lage sein werden, die zusätzlichen Arbeiten mit zu übernehmen. Ob die Beklagte diese dann in einem Arbeitsplatz als „Anfaser/Ofenbediener/Einteilsäger“ oder anderweitig organisiert, spielt für die dann gegebene Einsatzmöglichkeit des Klägers keine Rolle.

Dass die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, durch die Aufteilung bestimmter Arbeitsplätze Personal einzusparen, nicht auf Dauer angelegt war, zeigt auch die tatsächliche Entwicklung im Jahr 2010. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte mittlerweile mehr als 30 Leiharbeitnehmer beschäftigt. Dies sind mehr als doppelt so viele Arbeitnehmer wie die Beklagte insgesamt im Rahmen der von ihr vorgetragenen unternehmerischen Entscheidung zur Personaleinsparung gekündigt hat und auch noch mehr als die 26 Arbeitnehmer, die nach dem Vortrag der Beklagten als Personalüberhang im Frühjahr 2009 in der Produktion vorhanden waren.

Diese Entwicklung kann im vorliegenden Fall auch berücksichtigt werden. Zwar kommt es für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs an. Wohnt dem Kündigungsgrund ein prognostisches Element inne, schließt dies aber nicht aus, dass aus dem tatsächlichen Eintritt der prognostizierten Entwicklung Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit und Plausibilität der Prognose gezogen werden können (BAG v. 2. Juni 2005 – 2 AZR 480/04 – a.a.O.) Unabhängig davon, ob die Beklagte die weiteren Aufträge erst nach Ablauf der Kündigungsfrist erhalten hat und unabhängig davon, aus welchen Gründen sie im Jahr 2010 neue Aufträge erhalten hat, war der maßgebliche Kausalverlauf bereits vor Ausspruch der Kündigung durch die einvernehmliche Vereinbarung der Betriebsparteien über die Einführung von Kurzarbeit in Gang gesetzt. Die spätere Entwicklung zeigt allein, dass die Einschätzung der Betriebsparteien, es handle sich nur um einen vorübergehenden Auftragseinbruch, der die Einführung von Kurzarbeit nach den gesetzlichen Voraussetzungen rechtfertigen würde, eben nur vorübergehend war. Diese von der Beklagten im Rahmen der Vereinbarungen selbst getragene Prognose hätte die Beklagte zur Begründung einer auf Dauer angelegten unternehmerischen Entscheidung widerlegen müssen, was ihr indes nicht gelungen ist. Die Beklagte hat auch keine nachvollziehbare Prognose dargetan, wonach sie nach Ablauf der Kurzarbeit im Bereich des Klägers einen geringeren Auftragsbestand erwartet hätte. Dagegen sprechen im Übrigen ebenfalls die spätere Entwicklung und die Einstellung von mehr als 30 Leiharbeitnehmern im Jahr 2010.

2.1.4 Aus diesen Gründen konnte auch das Berufungsgericht ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, das einer Weitebeschäftigung des Klägers zu unveränderten Arbeitsbedingungen nach Ablauf der Kündigungsfrist entgegengestanden hätte, nicht feststellen.

2.2 Darüber hinaus erweist sich die Kündigung auch nach § 1 Abs. 3 KSchG als sozial ungerechtfertigt, weil die von der Beklagten durchgeführte Sozialsauswahl fehlerhaft ist. Die Beklagte durfte die aufgrund der Änderungsverträge nicht ordentlich kündbaren Arbeitnehmer nicht aus der Sozialauswahl ausnehmen.

2.2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG vom 17. November und vom 21. April 2005 – 6 AZR 118/05 und 2 AZR 241/04 – NZA 2006, 370 und NZA 2005, 1307 jeweils für Betriebsratsmitglieder) sind kraft Gesetzes ordentlich unkündbare Arbeitnehmer nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen. Gleiches gilt für tariflich unkündbare Arbeitnehmer, jedenfalls bis zu Grenze der groben Fehlgewichtung (BAG vom 5. Juni 2008 – 2 AZR 907/06 – NZA 2008, 1120; a.A. Arbeitsgericht Cottbus – 17.05.2000 – 6 Ca 38/00 – NZA-RR 2000, 580). Angezweifelt werden Unkündbarkeitsregelungen in Betriebsvereinbarungen wegen der eingeschränkten Regelungskompetenz der Betriebsparteien (vgl. Kania in Küttner Personalhandbuch, 2010 Unkündbarkeit Rz. 4; Rieble NZA 2003, 1243). Einzelvertragliche Vereinbarungen sollen dann zulässig sein und Einschränkungen bei der Sozialauswahl bewirken können, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für eine absichtliche Umgehung des § 1 Abs. 3 KSchG vorliegen und die entsprechende Vereinbarung aus sachlichen Gründen erfolgte (BAG v. 2. Juni 2005 – 2 AZR 480/04 – NZA 2006, 207-211 zur Anerkennung von Beschäftigungszeiten; Oetker in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2010, § 1 KSchG Rnr. 313; LAG Berlin-Brandenburg v. 20. April 2010 – 3 Sa 2323/09; LAG Brandenburg – v. 29. Oktober 1998 – 3 Sa 229/98 – NZA-RR 1999, 360). Das Erfordernis des sachlichen Grundes für eine vertragliche Vereinbarung, die – wie die Anerkennung von Beschäftigungszeiten –Auswirkungen auf die Sozialauswahl haben kann – ergibt sich aus dem Spannungsverhältnis des verfassungsrechtlich gebotenen Kündigungsschutzes nach Art. 12 Abs. 1 GG einerseits und der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien andererseits (BAG v. 2. Juni 2005 – 2 AZR 480/04 – a.a.O.).

2.2.2 Es kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Vereinbarungen zum Ausschluss der ordentlichen betriebsbedingten Kündigungen während der Kurzarbeit nicht mit der Absicht abgeschlossen wurden, die Sozialauswahl zu Lasten des Klägers zu umgehen. Auch kann die Vereinbarung eines solchen Kündigungsschutzes für den einzelnen Arbeitnehmer, der sich mit einem Lohnverzicht einverstanden erklärt, im Bezugspunkt auf diesen Arbeitnehmer an sich einen sachlichen Grund darstellen.

Erweist sich nach diesen Kriterien die vertragliche Vereinbarung der Unkündbarkeit im Grundsatz als zulässig, so bedarf das hierdurch gewonnene Ergebnis im Hinblick auf das oben genannte Spannungsverhältnis einer Prüfung daran, ob das System des Kündigungsschutzes und zwar insbesondere in Bezug auf andere Arbeitnehmer nicht tangiert wird. Denn es ist grundsätzlich anerkannt, dass das System des gesetzlichen Kündigungsschutzes nicht durch Individualabreden „unterlaufen“ werden kann. Ein solches „Unterlaufen“ des Kündigungsschutzgesetzes wäre aber im Bezugspunkt anderer Arbeitnehmer dann anzunehmen, wenn diesen durch die Individualabreden der gesetzliche Schutz entzogen würde, den das Kündigungsschutzgesetz für diese grundsätzlich vorhält. Letzteres kann auch dadurch eintreten, dass solche Individualabreden mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern mit der Folge getroffen werden, dass den übrigen Arbeitnehmern der Kündigungsschutz entzogen wird.

So aber lagen die Dinge im Streitfall: Die Beklagte hat mit einer Vielzahl ihrer Arbeitnehmer die Vereinbarung der ordentlichen Unkündbarkeit während der Kurzarbeit im Gegenzug zur Bereitschaft dieser Arbeitnehmer zum Verzicht auf vertragliche Rechte gewährt. Der Kläger hat diesen Bestandsschutz nicht erhalten, weil er zu einer einvernehmlichen Änderung seiner vertraglichen Bedingungen nicht bereit war. Die Herausnahme all derjenigen Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl, die sich mit einer Änderung ihrer Vertragsbedingungen einverstanden erklärt haben, bewirkt aber zugleich, dass dem Kläger aufgrund seines rechtlich zulässigen Verhaltens, nämlich im Rahmen der Vertragsfreiheit von dem Abschluss eines Änderungsvertrages abzusehen, der gesetzlich zwingende Kündigungsschutz entzogen wird. Dies stellt nicht nur einen „rechtlich unbeachtlichen Reflex“ des zum Schutz bestimmter Arbeitnehmer vereinbarten Sonderkündigungsschutzes dar (so LAG Brandenburg vom 29. Oktober 1998 – 3 Sa 229/98 – a.a.O), sondern bewirkt faktisch eine „Bestrafung“ für die Wahrnehmung von Rechten, nämlich die Ablehnung eines Änderungsvertragsangebotes (vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 1. Juni 2010 – 12 Sa 403/10). Diese „Belastung“ besteht auch nicht etwa nur in der „Einschränkung einer Begünstigung“ (so LAG Brandenburg v. 29.Oktober 1998 – a.a.O). Vielmehr wird dem Arbeitnehmer eine der elementaren Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes entzogen, nämlich die Beachtung sozialer Auswahlkriterien beim Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 1. Juni 2010 – a.a.O).

Dies bedeutet, dass in Fällen wie hier, in denen der Arbeitgeber den Erhalt des gesetzlichen Kündigungsschutzes von einem Verzicht auf vertragliche Rechte abhängig macht, sich der so „erkaufte“ Kündigungsschutz nicht zu Lasten derjenigen auswirken kann, die ihre Rechtsposition behaupten. Es liegt nicht in der Befugnis der Beklagten, den Erhalt des gesetzlichen Kündigungsschutzes von dem Verzicht auf die Freiheit, Vertragsangebote abzulehnen, abhängig zu machen (LAG Berlin-Brandenburg v. 1. Juni 2010 a.a.O). Das so gefundene Ergebnis spiegelt sich auch in § 612 a BGB wieder. Auch wenn hier kein direkter Fall des § 612 a BGB vorliegt, erfordert der Grundgedanke des § 612 a BGB, das diejenigen Arbeitnehmer, die in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt und sich mit einer Vertragsänderung nicht einverstanden erklärt haben, nicht den Schutz verlieren, den ihnen § 1 Abs. 3 KSchG mit den Regelungen der Sozialauswahl gewährt. Für diese Arbeitnehmer streitet sowohl Art. 12 GG als auch deren Vertragsfreiheit.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die einzelvertraglichen Unkündbarkeitsregelungen Teil einer mit dem Betriebsrat vereinbarten Beschäftigungssicherungsabrede sind (dazu LAG Berlin-Brandenburg vom 20. April 2010 – 3 Sa 2323/09 unter Bezugnahme auf Graj Unkündbarkeitsklauseln in der sozialen Auswahl 2009, S. 346 ff.). Auch wenn diese das anerkennenswerte Ziel verfolgte, mit abgesenkter Vergütung in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage Arbeitsplätze zu erhalten, steht es nicht in der Regelungsmacht der Betriebsparteien, im Hinblick auf diejenigen Arbeitnehmer, die sich den notwendigen Änderungsverträgen verschließen, die Regelungen der Sozialauswahl einzuschränken. Wollte man hier eine entsprechende Verknüpfung von Einverständnis mit der Arbeitsvertragsänderung und dem erhöhten Bestandsschutz als sachlichen Grund für eine Eingrenzung des auswahlrelevanten Personenkreises bei der Sozialauswahl zulassen, so käme den Betriebsparteien eine faktische Regelungsmacht zur Ausgestaltung der Arbeitsvertragsbedingungen, aber auch zur Ausgestaltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes zu, die ihnen das Gesetz nicht eingeräumt hat. Denn in den Fällen der betrieblichen Beschäftigungssicherungsvereinbarungen werden sich häufig Fragen der Notwendigkeit von nachfolgenden betriebsbedingten Kündigungen über die Vereinbarung hinaus ergeben, z.B. weil der wirtschaftlichen Lage nicht ausreichend durch die vorgesehenen Einschnitte begegnet werden konnte oder sich die wirtschaftliche Lage noch weiter verschlechtert. Die in einer solchen Beschäftigungssicherungsvereinbarung enthaltenen Entgeltabsenkungen mögen als Bestandteil eines Sanierungsplans eine betriebsbedingte Änderungskündigung rechtfertigen (s. BAG vom 26.06.2008 – 2 AZR 139/07 – NZA 2008, 1182-1184). Es liegt jedoch nicht in der Befugnis der Betriebsparteien, den Erhalt des gesetzlichen Kündigungsschutzes von dem Verzicht auf die Freiheit Vertragsangebote abzulehnen, abhängig zu machen.

2.2.3 Waren aber auch diejenigen Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen, die einer Vertragsänderung zugestimmt und damit einen Ausschluss der ordentlichen Kündigung erlangt hatten, sprach eine tatsächliche Vermutung dafür, dass auch das Auswahlergebnis objektiv fehlerhaft und die Kündigung daher sozialwidrig ist (vgl. BAG v. 29.11.2007 – 2 AZR 763/06 – EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr 79). Die Beklagte hat nämlich insoweit vergleichbare Arbeitnehmer nicht – wie an sich nach § 1 Abs. 3 KSchG erforderlich – einbezogen. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht dadurch widerlegt, dass sie – bezogen auf die vom Kläger benannten Mitarbeiter – unter Hinweis auf die unterschiedlichen Entgeltgruppen eine arbeitsplatzbezogene Vergleichbarkeit bestritten hat. Der Kläger hat sich nämlich u.a auch auf den Arbeitnehmer Thomas R. als weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer berufen und unter Bezugnahme auf ungelernte bzw. angelernte Tätigkeit in der Produktion eine arbeitsplatzbezogene Austauschbarkeit vorgetragen. In Anbetracht des Umstandes, dass dieser Arbeitnehmer ausweislich der von der Beklagten eingereichten Anlage B 27, Bl. 133 d.A. wie der Kläger im Bereich Rohrlinien-Nebenbetriebe (Richten/Fasen/Ofen/Prüfen) tätig ist und – wie der Kläger – nach der Entgeltgruppe 3 vergütet wird, ging auch das Berufungsgericht von einer Vergleichbarkeit aus.

Der Kläger hat zu diesem Arbeitnehmer (unwidersprochen) behauptet, er sei sozial weniger schutzbedürftig, weil er eine kürzere Betriebszugehörigkeit aufweise und auch nach seinen sonstigen Sozialdaten nicht dem Kläger gegenüber vorzuziehen sei. Es wäre hier Sache der Beklagten gewesen z.B. durch Angaben der konkreten Sozialdaten dieses Arbeitnehmers diesem Vortrag entgegenzutreten und zu begründen, dass ungeachtet des Umstandes, dass sie diesen Mitarbeiter nicht in eine Sozialauswahl einbezogen hat, sie im Ergebnis dennoch mit der Kündigung des Klägers soziale Gesichtspunkte hinreichend berücksichtigt hat. Dies hat sie indes auch in der mündlichen Verhandlung nicht getan.

Daher war davon auszugehen, dass die Beklagte auch im Ergebnis soziale Gesichtspunkte nicht hinreichend berücksichtigt hat und die Kündigung auch nach § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam ist. Auf die Frage, ob der Kläger auch mit weiteren von ihm benannten Arbeitnehmern vergleichbar ist, kam es nicht weiter an.

3. Aus diesen Gründen erweist sich die streitgegenständliche Kündigung als sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam. Insofern bestand auch der Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen.

4. Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen, mit der Folge, dass die Beklagte gemäß § 97 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat.

5. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen der gegensätzlichen Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg im Parallelverfahren (3 Sa 2323/09) gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

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