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Erkrankung (kurzfristige) – unverschuldete Säumnis

LArbG Berlin-Brandenburg

Az: 10 Sa 2255/08

Urteil vom 02.03.2009


1. Die Berufung gegen das Zweite Schluss-Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 09.10.2008 – 6 Ca 584/00 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens bei einem Streitwert von 8.896,48 Euro.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche des Klägers von November 1999 bis Februar 2000, wobei die Beklagte deren Erfüllung behauptet.

Der Kläger ist 47 Jahre alt (…. 1961) und ledig. Er ist mit einem GdB von 50 oder 60 schwerbehindert. Unter dem 17. Februar 2000 kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgemäß verhaltensbedingt zum 31. Juli 2000, da der Kläger als Fahrdienstleiter einen Bahnunfall mit einem Schaden von 240.000,– DM verursacht und an der Aufklärung nicht mitgewirkt habe. Gegen diese Kündigung hatte sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage vom 18. Februar 2000 gewandt. Weiter streiten die Parteien um Vergütungsansprüche des Klägers von November 1999 bis Februar 2000, die der Kläger mit am 2. März 2000 beim Arbeitsgericht eingegangener Klagerweiterung (Bl. 6 d.A.) geltend macht.

Zwischen den Parteien gab es noch einige weitere arbeitsgerichtliche Verfahren auch um mehrere Kündigungen.

Mit Beschluss vom 20. April 2000 wurde das Verfahren ausgesetzt (Bl. 27 d.A.). Auf die dagegen gerichtete Beschwerde wurde die Aussetzung mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 16. Mai 2000 aufgehoben. In einem anderen Rechtsstreit wurde vom Landesarbeitsgericht Brandenburg zwischenzeitlich die Wirksamkeit einer früheren Kündigung festgestellt. Nach mehreren Ablehnungsgesuchen des Klägers wurde im Termin am 7. März 2002 ein unechtes Teilversäumnisurteil hinsichtlich der Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsklage gegen den Kläger erlassen (Bl. 211-216 d.A.), da er wegen der Entscheidung über die andere Kündigung kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für das Verfahren besitze. Hinsichtlich der Zahlungsklage erging ein Versäumnisschlussurteil (Bl. 203-204 d.A.).

Dieses Versäumnisschlussurteil wurde dem Kläger am Samstag, dem 9. März 2002 zugestellt (Bl. 209 d.A.). Am Montag, den 18. März 2002 legte der Kläger dagegen Einspruch ein (Bl. 218 d.A.). Eine Verhandlung über den Einspruch am 6. Juni 2002 (Bl. 243 d.A.) konnte angesichts eines weiteren zu diesem Zeitpunkt nicht beschiedenen Ablehnungsgesuchs nicht durchgeführt werden.

Zwischenzeitlich wurde das Berufungsverfahren gegen das unechte Teilversäumnisurteil vor dem Landesarbeitsgericht Brandenburg geführt (Band III-1). Dieses endete mit einer Verwerfung der Berufung als unzulässig durch Beschluss vom 6. August 2002 (Bl. 310-311 d.A.).

Das andere Verfahren über den Einspruch wurde weiter betrieben und von weiteren Ablehnungsgesuchen begleitet. Eine Zusammenfassung des Verfahrensstandes erfolgte unter dem 29. März 2007 (Bl. 423-424 d.A.).

Nachdem ein weiterer Termin am 22. April 2008 (Bl. 449 d.A.) wegen eines erneuten Ablehnungsgesuchs nicht durchgeführt werden konnte, konnte im Termin am 8. Juli 2008 nicht über den Einspruch entschieden werden, weil der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht und auf seine Verhandlungsunfähigkeit hingewiesen hatte (Bl. 467 d.A.). Ein weiterer Termin wurde für den 9. Oktober 2008 um 11:45 Uhr anberaumt. 70 Minuten vor dem Termin, um 10:35 Uhr, teilte der Kläger per Telefax mit, dass er beantrage, den Termin aufzuheben. Zur Begründung führte er aus (Bl. 482 d.A.):

„Krankheitsbedingte Abwesenheit und Verhinderung des Klägers wegen Langzeiterkrankung mit anhaltender medikamentöser unabdingbarer und nicht abbrechbarer Behandlung des Klägers, welche erforderlich und nahezu lebensnotwendig im ggw. Stadium noch ist.“

Diesem Schreiben war eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 30. September 2008 beigefügt, in der eine Arbeitsunfähigkeit vom 6. Juni 2007 bis 19. Oktober 2008 bescheinigt wurde. Sodann nahm der Kläger Bezug auf sein Schreiben 05-07-07-07.-08 (Bl. 463 d.A.).

In dem Termin am 9. Oktober 2008 wurde der Einspruch gegen das Schlussversäumnisurteil vom 7. März 2002 verworfen (Bl. 478-479 d.A.), weil der Kläger nicht erschienen war.

Gegen dieses Urteil (Bl. 480 d.A.), das dem Kläger am 17. Oktober 2008 zugestellt worden ist, legte dieser am 17. November 2008 Berufung ein und begründete diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit am 19. Januar 2009 per Telefax am gleichen Tage eingegangenem Schriftsatz.

Der Kläger trägt vor, dass er den Termin am 9. Oktober 2008 nicht schuldhaft versäumt habe. Zum einen hätte das Gericht die in der Akte zutage getretenen Zweifel an seiner Prozessfähigkeit weiter aufklären müssen, weil so keine ordnungsgemäße Ladung festgestellt werden könne, zum anderen sei der Kläger dem Termin entschuldigt ferngeblieben. Aufgrund einer Erkrankung habe er vor Gericht nicht erscheinen können. Er lebe in W. und sei bettlägerig erkrankt gewesen. Durch die Erkrankung, infolge deren er Fieber von bis zu 39° C gehabt habe, habe er weder sprechen noch das Wohnhaus verlassen können. Bereits bei dem Versuch, die Toilette aufzusuchen, sei es zu Kreislaufbeschwerden bis hin zu einem Sturz des Klägers gekommen. Aufgrund des Gesundheitszustandes sei er nicht in der Lage gewesen, am Terminstag bereits einen Arzt aufzusuchen.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt, das angefochtene 2. Schluss-Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Oktober 2008 – Geschäftszeichen: 6 Ca 584/00 – aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) zurückzuverweisen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Sache hat sich die Beklagte im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung des Klägers vom 19. Januar 2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 514 Abs. 2, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist zulässig, weil der Kläger mit der Erkrankung einen Grund vorgetragen hat, der grundsätzlich geeignet ist, eine nicht schuldhafte Säumnis im Einspruchskammertermin zu rechtfertigen.

Allerdings trägt der Vortrag des Klägers letztlich die Berufung nicht, so dass sie unbegründet und daher zurückzuweisen ist. Der Kläger hat nicht aufgrund einer nicht schuldhaften Säumnis den Termin am 9. Oktober 2008 vor dem Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) versäumt.

1. Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil setzt nach § 514 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Berufungskläger in dem früheren Termin nicht säumig gewesen ist. Daher könnte die Berufung an sich nur dann Erfolg haben, wenn ein Säumnis nicht vorgelegen hat, weil z.B. die Partei nicht oder nicht rechtzeitig geladen worden ist. Der fehlenden Säumnis steht das unverschuldete Nichterscheinen gleich (z.B. Autopanne auf dem Weg zum Gericht). Diese Säumnis genügt aber grundsätzlich nur dann dem § 514 Abs. 2 ZPO, wenn sie dem Gericht rechtzeitig mitgeteilt worden ist, weil nur dann das Gericht seiner aus § 337 ZPO folgenden Pflicht zur Vertagung genügen kann. Hiervon gilt eine Ausnahme lediglich für den Fall, dass der Säumige unverschuldet nicht nur an der Wahrnehmung des Termins, sondern auch (z.B. infolge einer schweren Verletzung auf dem Weg zum Gericht) daran gehindert gewesen ist, dieses Ereignis dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen.

Somit gibt § 514 Abs. 2 ZPO das Rechtsmittel der Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil in drei Fallgruppen:

– bei fehlender Säumnis,
– bei unverschuldeter Säumnis, wenn sie dem Gericht rechtzeitig bekannt gewesen ist,
– bei unverschuldeter Säumnis, die dem Gericht nicht rechtzeitig hat mitgeteilt werden können.

Daraus folgt andererseits, dass die Berufung nach § 514 Abs. 2 ZPO nicht begründet ist, wenn entweder die Säumnis schuldhaft gewesen oder die unverschuldete Säumnis nicht rechtzeitig mitgeteilt worden ist, obwohl dies möglich war. Der Berufungskläger trägt dafür die Darlegungslast.

1. Soweit der Kläger ausführt, dass seine ordnungsgemäße Ladung zum Einspruchskammertermin am 9. Oktober 2008 nicht festgestellt werden könne, da sich nach Aktenlage erhebliche Zweifel an seiner Prozessfähigkeit aufdrängen würden, verkennt der Kläger den Umfang seiner Darlegungslast. Er hätte mit der Berufungsbegründung schlüssig darlegen müssen, dass er zum Zeitpunkt der Ladung prozessunfähig gewesen sei. Zweifel allein genügen insoweit nicht. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, im Parteiprozess den notwendigen Parteivortrag von Amts wegen zu ermitteln.

2. Soweit der Kläger in seinem Telefax vom 9. Oktober 2008 dargelegt hatte, dass er erkrankt sei und deshalb nicht am Gerichtstermin teilnehmen könne, handelte es sich nicht um eine unverschuldete Säumnis. Denn die dort geschilderte Erkrankung bestand bereits seit mehreren Monaten. Aufgrund der gleichen Formulierung hatte das Arbeitsgericht den Termin am 8. Juli 2008 verlegt. Der Kläger hätte insoweit Vorkehrungen treffen müssen, dass er zumindest einen Vertreter zu dem Termin am 9. Oktober 2008 entsendet. Da ihm die Ladung bereits am 12. Juli 2008 zugegangen war, bestand auch genügend Zeit für den Kläger, innerhalb von fast drei Monaten sich um eine Vertretung zu kümmern. Dass der Kläger nicht in der Lage war, rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen, hat er in der Berufungsbegründung nicht dargelegt und ist auch ansonsten nicht ersichtlich.

3. Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung eine plötzlich hinzugetretene erhebliche Erkrankung behauptet hat, fehlt es zunächst an der Darlegung, dass es sich tatsächlich um eine kurzfristig vor dem Termin aufgetretene Erkrankung handelte. Der Kläger hat in der Berufungsbegründung keine näheren Angaben zum Beginn der Erkrankung und zu deren konkretem Verlauf gemacht. Er hat lediglich die Auswirkungen am Terminstag geschildert. Dass er aber das Gericht in dem von ihm um 10:35 Uhr des Verhandlungstages versandten Telefax von diesem behaupteten akuten Ereignis nicht in Kenntnis setzen konnte, ergab sich daraus nicht.

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger ausweislich der Mitteilung in seinem Telefax von 10:35 Uhr schon aufgrund seiner seit langem bestehenden Erkrankung den Verhandlungstermin nicht wahrnehmen wollte. Insofern ist auch bei Vorliegen einer akuten weiteren Erkrankung nicht diese weitere Erkrankung kausal für das Nichterscheinen des Klägers geworden. Er hatte offenbar sein Erscheinen zum Termin ohnehin nicht geplant.

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Nach alledem musste die Berufung zurückgewiesen werden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO. Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs.2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.

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