Kammergericht Berlin
Az: 3 Ws (B) 650/10 – 2 Ss 351/10
Beschluss vom 23.03.2011
In der Bußgeldsache wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts in Berlin am 23. März 2011 beschlossen:
Auf seinen Antrag wird dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. September 2010 gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das vorgenannte Urteil des Amtsgerichts Tiergarten mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht zurückverwiesen.
G r ü n d e :
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage – Zeichen 274 -, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO nach § 24 StVG zu einer Geldbuße von 1000,00 Euro verurteilt, gemäß § 25 Abs. 1 StVG ein dreimonatiges Fahrverbot angeordnet und nach § 25 Abs. 2 a StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Dagegen hat der Betroffene zwar fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt, diese jedoch erst nach Ablauf der Frist aus §§ 79 Abs. 3 Satz 2 OWiG, 345 Abs. 1 StPO begründet.
1. Dem Betroffenen war auf seinen Antrag Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, nachdem er dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass die Fristversäumung allein auf einem Verschulden seines Verteidigers beruht.
2. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt und das Verfahren beanstandet wird, hat mit der erhobenen Sachrüge (vorläufigen) Erfolg.
Das Urteil begegnet sachlichrechtlichen Bedenken, weil die Urteilsgründe nicht hinreichend genau erkennen lassen, dass die Geschwindigkeitsmessung ordnungsgemäß erfolgt ist. Die Feststellungen weisen aus, dass die Geschwindigkeit des von dem Betroffenen geführten Motorrades mittels einer an sich standardisierten Messmethode mit einem ordnungsgemäß geeichten Messgerät von Typ Laveg VL 101 von einem dafür ausgebildeten Polizeiangestellten gemessen worden ist. Den Urteilsgründen ist ferner zu entnehmen, dass von der gemessenen Geschwindigkeit von 146 km/h der vorgeschriebene Toleranzwert von 3 % abgezogen worden und die Geschwindigkeit mit 141 km/h festgestellt worden ist. Angesicht der am betreffenden Ort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h wurde dem Betroffenen daher eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 81 km/h vorgeworfen.
Diese Feststellungen wären, wenn die Geschwindigkeitsmessung tatsächlich mittels einer standardisierten Messmethode vorgenommen worden wäre, geeignet, die dem Betroffenen vorgeworfene Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit rechtsfehlerfrei zu belegen. In den Fällen, in denen die Geschwindigkeitsmessung mittels einer standardisierten Messmethode erfolgt, ist es als Grundlage einer ausreichenden nachvollziehbaren Beweiswürdigung ausreichend, wenn die Feststellungen Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzwert enthalten (vgl. BGHSt 39, 291 ff.).
Eine standardisierte Messmethode liegt jedoch bei – wie hier – von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassenen Geräten nur dann vor, wenn die Messung in Übereinstimmung mit der Bedienungsanleitung erfolgt. Die Urteilsgründe weisen jedoch aus, dass das hier nicht der Fall ist.
Ausweislich der Bedienungsanleitung ist das Laveg – Gerät zwar für Messungen bis zu 350 Meter Entfernung zugelassen, sofern der Messstrahl auf ein reflektierendes Kennzeichen gerichtet wird. Bei einem – wie hier – von vorne angemessenen Motorrad scheidet eine derartige Messung jedoch aus, weil ein vorderes Kennzeichen nicht vorhanden ist. Es kann daher nur eine Messung auf Karosserieteile – hier den vorderen Scheinwerfer – durchgeführt werden. Für derartige Messungen schränkt die Bedienungsanleitung des Geräts den Messbereich jedoch auf 30 bis 150 Meter ein. Die hier vorgenommene Messung aus einer Distanz von 199 Metern auf ein Karosserieteil lag daher außerhalb des durch die Betriebsanleitung definierten zulässigen Messbereichs und ist daher nicht als mit standardisierten Messmethode vorgenommen anzusehen.
In derartigen Fällen ist für die Beurteilung, ob die vorgenommene Messung überhaupt verwertbar ist, und ob gegebenenfalls ein erhöhter Sicherheitsabschlag anzusetzen ist, grundsätzlich ein Sachverständigengutachten erforderlich, welches der Tatrichter jedoch nicht eingeholt hat.
Der Senat hebt daher das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück.