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Lebensversicherung – Anfechtung wegen der wahrheitswidrig beantworteten Gesundheitsfragen

OLG Koblenz

Az: 5 U 582/06

Urteil vom 28.09.2006

Vorinstanz: LG Mainz – Az.: 4 O 295/05


Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2006 für R e c h t erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mainz vom 6. April 2006 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern dieser nicht zuvor seinerseits Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

G r ü n d e:

I.
Die Klägerin hat über den beklagten Versicherungsmakler im November 2001 eine Risiko-Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bei der V… Lebensversicherung AG (künftig: V…) abgeschlossen. Die im Versicherungsvertrag gestellten Gesundheitsfragen hat sie dabei durchgängig mit „Nein“ angekreuzt. Tatsächlich bestanden im Zeitraum von 1997 bis 2001 verschiedene Erkrankungen, die ärztlich behandelt wurden und die im Versicherungsvertrag zu erwähnen gewesen wären. Nach einem Unfall im Jahr 2003 wurde die Klägerin berufsunfähig und verlangte von der V… die Zahlung einer Rente. Die Versicherung trat vom Vertrag zurück und erklärte die Anfechtung wegen der wahrheitswidrig beantworteten Gesundheitsfragen. Die Klage der Klägerin auf Versicherungsschutz wurde rechtskräftig abgewiesen.

Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, sie sei der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig. Sie habe den Beklagten als Vermittler gewählt, weil er in ihrer Muttersprache eine Beratung angeboten habe. Dessen Ehefrau habe dann mit ihr das Gespräch auf polnisch geführt. Die Ehefrau des Beklagten habe nur allgemein gefragt, ob sie behindert sei, ob Kuren verschrieben worden seien und ob sie an chronischen Krankheiten leide. Diese Fragen habe sie umfassend und wahrheitsgemäß beantwortet. Das Antragsformular habe aber der Beklagte ausgefüllt, ohne die erforderlichen Angaben konkret nachzufragen und ohne sie auf deren Bedeutung hinzuweisen. Der Beklagte habe sie so zu stellen, als ob ein wirksamer Versicherungsvertrag zustande gekommen sei. Er sei daher verpflichtet, ihr die monatliche Rente von 900,60 € zu zahlen. Für den Zeitraum vom 10.06.2003 bis zum August 2005 (26 Monate) ergäbe dies 23.415,60 €.

Die Klägerin hat daher beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 23.415,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,
und
beginnend mit dem 1.09.2005 bis zu ihrem Tod, längstens jedoch bis zum 1.11.2025, monatlich zum ersten eines Monats jeweils EUR 900,60 zu zahlen.

Der Beklagte ist dem entgegen getreten. Seine Ehefrau habe die Klägerin in einem langen Gespräch umfassend beraten und über die Bedeutung der Gesundheitsfragen und deren wahrheitsgemäßer Beantwortung ausdrücklich belehrt. Alle Angaben zu den Gesundheitsfragen seien von der Klägerin selbst ausgefüllt bzw. angekreuzt worden. Sie könne jedenfalls nicht das positive Interesse verlangen, denn bei wahrheitsgemäßer und vollständiger Ausfüllung des Antrags hätte sie überhaupt keinen Berufs-unfähigkeitsschutz erlangen können. Allenfalls könne sie die bis zur Anfechtung des Vertrages entrichteten Beiträge zurückverlangen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, ausdrücklich dahingestellt sein lassen, ob der Beklagte die ihm obliegenden Pflichten verletzt habe. Denn die Klägerin habe jedenfalls nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt, welchen konkreten Schaden sie erlitten habe.

Das greift die Berufung an, erneuert und wiederholt ihr erstinstanzliches Klagebegehren und rügt die Verletzung des § 139 ZPO. Zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses bis unmittelbar vor dem Unfall im Jahr 2003 sei sie weitgehend gesund und nur gelegentlich wegen kurzzeitiger Erkrankungen, die nicht chronisch gewesen seien, in Behandlung gewesen. Erst infolge des Unfalls 2003 sei sie berufsunfähig. Sie hätte daher im Jahr 2001 wegen der nur kurzzeitigen Vorerkrankungen in jedem Falle eine Berufsunfähigkeitsversicherung schließen können, wenn auch mit Ausschlüssen oder Beitragserhöhungen. Den dafür angebotenen Sachverständigenbeweis habe das Landgericht fehlerhaft nicht erhoben.

Der Beklagte bestreitet, dass es sich bei den Vorerkrankungen nur um nicht chronische gehandelt habe. Die vorgelegten ärztlichen Unterlagen bewiesen das Gegenteil. Die Klägerin hätte Versicherungsschutz nur unter Ausschluss einer psychischen Erkrankung erlangen können. Genau dieses Risiko habe sich verwirklicht.

II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen die Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nimmt der Senat umfassend Bezug (§ 540 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsvorbringen gibt zu folgenden Ergänzungen Anlass:

Ein rechtserheblicher Verfahrensverstoß (§ 139 ZPO) ist in erster Instanz nicht vorgekommen. Zumindest würde das angefochtene Urteil auf einem solchen nicht beruhen.

In der Klageerwiderung vom 25.11.2005 hatte der Beklagte auf S. 8 (63 GA) deutlich darauf hingewiesen, dass die Klägerin allenfalls die bis zur Anfechtung des Vertrages entrichteten Beiträge ersetzt verlangen könne, die nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind. Denn bei wahrheitsgemäßer und vollständiger Ausfüllung der Gesundheitsfragen hätte sie überhaupt keinen Versicherungsschutz erlangen können. Dies wird durch die Leistungsablehnung der V… vom 14.01.2004 und den von der Klägerin gegen die Versicherung geführten und verlorenen Prozess bestätigt.

Die Klägerin hat diesen Einwand aufgegriffen und mit dem Schriftsatz vom 28.02.2006, dort S. 4 (79 GA), behauptet, auch bei zutreffenden Angaben über ihren Gesundheitszustand hätte sie einen Vertrag abschließen können, entweder zu geringfügig höheren Versicherungsbeiträgen oder mit einem Ausschluss bestimmter Risiken. Sie hat dieses Vorbringen unter Beweis durch Sachverständigengutachten gestellt. Das Landgericht hat diesen Beweisantrag als unzulässig abgelehnt.

Selbst wenn das Landgericht auf diese Rechtsauffassung, was die Berufung behauptet, zuvor nicht genügend hingewiesen hätte, so hätte es der Klägerin oblegen, den vermissten Sachvortrag in der Berufung nachzuholen. Das hat sie erneut nicht hinreichend getan.

Ein nicht zulässiger Beweisermittlungsantrag liegt vor, wenn der Antrag nicht auf den Beweis vorgetragener Tatsachen zielt, sondern auf die Ausforschung von Tatsachen oder die Erschließung von Erkenntnisquellen, die es dann (vielleicht) ermöglichen, bestimmte Tatsachen zu behaupten (Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl., vor § 284, Rn. 5).
So liegen die Dinge hier.

Die Klägerin entscheidet sich nicht, ob sie sich bei Abschluss des Versicherungsvertrages, wenn es denn möglich gewesen wäre, für eine Versicherung mit Risikoausschluss oder eine solche ohne Risikoausschluss mit höheren Beiträgen entschieden hätte. Sie stellt somit einen alternativen Sachverhalt unter Beweis, um je nach Ergebnis des Gutachtens sich den ihr günstigeren Tatsachenvortrag „auszusuchen“.

In erster Instanz trug sie vor: „Die Klägerin litt vielmehr in dem Zeitraum von 1997 bis 2001 an verschiedenen Erkrankungen, die in dem Versicherungsantrag zu erwähnen gewesen wären.“

In zweiter Instanz hat sie, leicht abgewandelt, ausgeführt, die damals vorgelegenen kurzzeitigen Vorerkrankungen hätten sie nicht gehindert, eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen, wenn auch mit Ausschlüssen oder Beitragserhöhungen (131 GA).

Abgesehen davon, dass sich die Klägerin auch jetzt noch nicht entscheidet, welche Versicherung, mit Risikoausschluss oder ohne Risikoausschluss mit höheren Beiträgen, sie abgeschlossen hätte, ist nunmehr auch unklar, welche Vorerkrankungen sie angegeben und welche Ausführungen sie denn bei Abschluss des Vertrages im November 2001 dazu tatsächlich gemacht hätte. Die Klägerin müsste konkret vortragen, welche der Erkrankungen sie als erheblich oder unerheblich angesehen und bei Abschluss der Versicherung angegeben hätte.

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Das alles ist vom Senat in der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2006 nochmals ausführlich erläutert worden. Eine Konkretisierung des Beweisangebots ist auch möglich und zumutbar gewesen. Welche Angaben sie damals nach ihrer Auffassung wahrheitsgemäß über ihren Gesundheitszustand gemacht hätte, ist eine innere Tatsache, die nur sie vortragen konnte, um dem Senat und gegebenenfalls einem Sachverständigen die Überprüfung zu ermöglichen. Sie hätte, darauf weist die Berufungserwiderung zu Recht hin, mit derartigen Angaben versehene Anträge anderen Versicherern vorlegen und dann vortragen können, auf welche Weise sie Versicherungsschutz erlangt hätte. Die Auffassung des Landgerichts, dass die Klägerin nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt hat, welchen konkreten Schaden sie erlitten hat, ist daher zutreffend.

Entgegen der Berufung obliegt ihr dafür auch die Darlegungs- und die Beweisführungslast. Die herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verhilft dem Geschädigten zu einer Beweiserleichterung bei Verletzung vertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten dahin, dass in solchen Fällen vermutet wird, dass sich der Geschädigte bei ordnungsgemäßer Beratung nicht über diese hinweggesetzt haben würde (Vermutung des beratungskonformen Verhaltens). Ein derartiges beratungskonformes Verhalten hat das Landgericht zu Gunsten der Klägerin unterstellt. Das entbindet sie aber nicht von der Verpflichtung den infolge eines Beratungsverschuldens entstandenen Schaden darzulegen und zu beweisen.

Die Berufung ist nach alledem mit den aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Ziff. 10, 711 ZPO folgenden Nebenentscheidungen zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 61.240,80 EUR festgesetzt (Beschluss des Senats vom 15.08.2006).

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