Bundesgerichtshof
Az: IV ZR 321/05
Urteil vom 26.09.2007
Leitsatz:
Die Grundsätze des Senatsurteils vom 12. Oktober 2005 (BGHZ 164, 297) über die Klauselersetzung nach § 172 Abs. 2 VVG und den Mindestrückkaufswert sind auch auf die fondsgebundene Lebensversicherung anzuwenden.
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2007 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. November 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten, einem Lebensversicherungsunternehmen, die Rückzahlung von Beiträgen.
Er beantragte am 23. Juli 2001 bei der Beklagten den Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht. Die Verbraucherinformation einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) erhielt er vor Unterzeichnung des Antrags ausgehändigt. Mit Versicherungsschein vom 9. August 2001 nahm die Beklagte den Antrag an. Versicherungsbeginn war der 1. September 2001. Der Kläger zahlte von September 2001 bis März 2002 Beiträge in Höhe von insgesamt 10.060,68 EUR. Mit Schreiben vom 25. Mai 2002 widersprach der Kläger dem Vertragsabschluss gemäß § 5a VVG, weil die Verbraucherinformation nicht § 10a VAG entspreche. Dies ergebe sich aus den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 9. Mai 2001 (BGHZ 147, 354 und 373).
Der Kläger verlangt die eingezahlten Beiträge zuzüglich Zinsen aus ungerechtfertigter Bereicherung zurück. Er habe dem Vertrag wirksam widersprochen. § 5a VVG sei anwendbar, weil die Verbraucherinformation einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen insbesondere hinsichtlich der Angaben zum Rückkaufswert, zur Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung und zur Überschussbeteiligung intransparent und damit nicht vollständig im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG sei. Der Vertrag sei durch die Erklärung vom 25. Mai 2002 aber auch bei Unwirksamkeit des Widerspruchs beendet worden, weil dieser nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umzudeuten sei.
Die Beklagte hält § 5a VVG nicht für anwendbar, weil der Vertrag nach dem Antragsmodell zustande gekommen sei. Dem Kläger seien alle Versicherungsbedingungen und eine vollständige Verbraucherinformation nach § 10a VAG übergeben worden. Die darin enthaltenen Angaben seien weder lückenhaft noch intransparent, insbesondere zum Rückkaufswert so vollständig und verständlich wie bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung überhaupt möglich. Soweit die Informationen über den Rückkaufswert bei Kündigung, zur Beitragsfreistellung und zur Abschlusskostenverrechnung von den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 9. Mai 2001 betroffen seien und die darauf bezogenen Regelungen in §§ 12, 24 AVB unwirksam gewesen sein sollten, habe die Beklagte diese im Treuhänderverfahren nach § 172 Abs. 2 VVG durch inhaltsgleiche neue Klauseln wirksam ersetzt. Im Übrigen führe die Intransparenz einzelner Informationen und Klauseln nicht zu einem Widerspruchsrecht nach § 5a VVG, sondern sei nach den Vorschriften über unwirksame Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu behandeln.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Zurückweisung der Berufung des Klägers.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. Der Kläger hat keinen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung der Beiträge, weil ihm ein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG nicht zustand. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass ihm ein Anspruch auf Zahlung eines Rückkaufswerts zusteht.
I. Das Berufungsgericht nimmt an, der Kläger habe nach § 812 BGB Anspruch auf Rückzahlung der Beiträge, weil sein Widerspruch nach § 5a VVG wirksam sei. Das ihm von der Beklagten übergebene Informationsmaterial werde zumindest in Bezug auf die notwendige Angabe der Rückkaufswerte dem Verständlichkeitsgebot des § 10a VAG und der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 nicht gerecht. Dies begründe ein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG.
II. 1. Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen. Sie steht im Widerspruch zu dem im Zeitpunkt der Verkündung des Berufungsurteils bereits ergangenen und veröffentlichten Urteil des Senats vom 12. Oktober 2005 (IV ZR 162/03 – VersR 2005, 1565 Tz. 49 i.V. mit Tz. 43 f., inzwischen in BGHZ 164, 297, 318 i.V. mit 315 f.).
a) Danach ist die Unwirksamkeit von Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Unvollständigkeit der Unterlagen im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG nicht gleichzusetzen, auch wenn die Unwirksamkeit auf einem Verstoß gegen das Transparenzgebot beruht. Die Rechtsfolgen der Klauselunwirksamkeit ergeben sich nicht aus § 5a VVG, sondern allein aus § 306 BGB, § 6 AGBG. Das ist nach dem Gemeinschaftsrecht nicht anders. Die Richtlinie 92/96/EWG regelt die Rechtsfolgen einer intransparenten Verbraucherinformation nicht. Sie ergeben sich vielmehr aus der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen und decken sich mit dem nationalen Recht (BGHZ 164, 315 m.w.N.).
b) Ein Widerspruchsrecht lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass – wie der Kläger meint – zwischen Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation zu unterscheiden sei und an diese höhere Transparenzanforderungen zu stellen seien. Für eine solche Unterscheidung bietet das Gesetz keine Grundlage. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind Bestandteil der Verbraucherinformation, wie sich aus § 10a Abs. 1 VAG und Abschnitt I Nr. 1 b der Anlage D zu dieser Vorschrift ergibt, und zwar der wesentliche, den Inhalt des Vertrages regelnde Teil. Andererseits ist die bei der Lebensversicherung nach Abschnitt I Nr. 2 a bis d zusätzlich notwendige Verbraucherinformation zur Überschussbeteiligung, zum Rückkaufswert, zur prämienfreien Versicherung und zum Ausmaß der garantierten Leistungen typischer und notwendiger, weil die Hauptleistungspflicht des Versicherers betreffender Inhalt der Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Solche den Vertragsinhalt betreffenden Verbraucherinformationen sind deshalb, sofern sie intransparent sind, wie intransparente AVB-Klauseln zu behandeln und lösen kein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG aus. Das gilt erst recht bei Intransparenz der weiteren nach Abschnitt I zu erteilenden, den Vertragsinhalt nicht unmittelbar regelnden zusätzlichen Informationen.
c) Der Kläger hatte deshalb kein Widerspruchsrecht wegen intransparenter Informationen zum Rückkaufswert, zur beitragsfreien Versicherung und zur Überschussbeteiligung. Die Informationen zur Überschussbeteiligung waren im Übrigen hinreichend transparent, wie die Beklagte unter Hinweis auf die Senatsurteile vom 9. Mai 2001 (aaO) ausgeführt hat. Die nach Abschnitt I Nr. 2 e erforderlichen Informationen über die der Versicherung zugrunde liegenden Fonds hat die Beklagte erteilt, wie sich aus den Unterlagen ohne weiteres ergibt.
2. Nach dem Vortrag der Parteien kann sich aber aus einem in den Vorinstanzen noch nicht angesprochenen rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch ergeben.
a) Aus dem Urteil des Senats vom 12. Oktober 2005 folgt, dass der Versicherungsnehmer nach Kündigung einen vertraglichen Anspruch unter anderem auf einen Mindestrückkaufswert hat, wenn die Bestimmungen über den Rückkaufswert und die Verrechnung der Abschlusskosten wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sind.
aa) Das ist hier der Fall. § 12 Abs. 3 AVB über den Rückkaufswert bei Kündigung und § 24 Abs. 1 AVB über die Verrechnung der Abschlusskosten nach dem Zillmerungsverfahren sind in gleicher Weise intransparent wie die vom Senat durch die Urteile vom 9. Mai 2001 (aaO) für unwirksam erklärten Klauseln anderer Lebensversicherer. § 12 Abs. 3 AVB enthält keinen Hinweis auf die für den Versicherungsnehmer mit der Kündigung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile. Darüber muss der Versicherungsnehmer aber bei Vertragsschluss an der Stelle der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in den Grundzügen unterrichtet werden, an der die Regelung der Kündigung angesprochen ist; dass an anderer Stelle, z.B. hier in § 24 Abs. 1 AVB und in Nr. 15 Abs. 1 der Verbraucherinformation, dem Versicherungsnehmer weitere Informationen über die Verrechnung von Abschlusskosten gegeben werden, behebt den Mangel an Transparenz in § 12 Abs. 3 AVB nicht, zumal das Ausmaß des mit der Verrechnung verbundenen Nachteils nicht erkennbar wird (vgl. BGHZ 147, 354, 363 f.). § 24 Abs. 1 AVB ist praktisch wortgleich mit § 15 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die Gegenstand des Urteils BGHZ 147, 354 waren.
Die von der Beklagten nach § 172 Abs. 2 VVG vorgenommene Vertragsergänzung durch inhaltsgleiche Klauseln ist unwirksam (vgl. BGHZ 164, 297, 312 ff.).
bb) Bei der (herkömmlichen) kapitalbildenden Lebensversicherung wird der Mindestrückkaufswert nach dem Urteil des Senats (BGHZ 164, 297, 318 ff.) durch die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals bestimmt, bei der fondsgebundenen Lebensversicherung dementsprechend durch die Hälfte des ungezillmerten Fondsguthabens (in §§ 8 Abs. 1 Satz 4, 12 Abs. 3 Satz 3 AVB als Deckungskapital bezeichnet).
b) Nach § 12 Abs. 1 AVB konnte der Kläger frühestens zum Schluss des ersten Versicherungsjahres kündigen, also zum 1. September 2002. Ob sich zu diesem Stichtag unter Berücksichtigung der noch ausstehenden Beiträge ein Rückkaufswert ergibt, wird das Berufungsgericht zu klären haben.