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Lehmputz – Abplatzen und Feuchtigkeitsbelastung

Oberlandesgericht Köln

Az: 3 U 214/05

Urteil vom 16.01.2007


Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 29. November 2005 (18 O 148/05) wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(Von der Darstellung des Tatbestandes und der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird gem. §§ 540, 313a ZPO abgesehen)

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet; im Ergebnis hat das Landgericht einen Schadensersatzanspruch der Kläger mit Recht verneint. Ein Schadensersatzanspruch der Kläger, der sich hier nur aus § 13 Nr.7 Abs.3 VOB/B ergeben kann, besteht nicht; denn der vorhandene Mangel, das Abplatzen des Lehmputzes, hat seine Ursache nicht, wie § 13 Nr.7 Abs.3 VOB/B voraussetzt, in einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten, sondern fällt in den alleinigen Verantwortungsbereich der Kläger.

1.
Der Senat geht auf der Grundlage des in erster Instanz erstatteten schriftlichen und durch mündliche Anhörung des Sachverständigen Dipl.-Ing. N. vor dem Senat ergänzten Sachverständigengutachtens zwar abweichend von den Feststellungen des Landgerichts davon aus, dass ausreichende Anhaltspunkte für Salz- und Feuchtigkeitsbelastung der zu verputzenden Wände vorhanden waren, so dass der Beklagte hier gem. § 4 Nr.3 VOB/B grundsätzlich verpflichtet gewesen wäre, die Kläger auf die Gefahr eines Abplatzens des Lehmputzes und die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen zur endgültigen Klärung dieser Frage hinzuweisen.

2.
Dafür, dass er dies unstreitig nicht getan hat, hat der Beklagte jedoch trotz der Regelung in §§ 4 Nr.3, 13 Nr.3 VOB/B im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht einzustehen, weil die entsprechende Prüfungs- und Hinweispflicht des Unternehmers im Falle einer stillschweigenden Risikoübernahme durch den Bauherrn, von der hier ausgegangen werden kann, entfällt. Die Prüfungs- und Hinweispflicht entfällt, wenn sich der Auftragnehmer darauf verlassen kann, dass der fachkundige Auftraggeber selbst oder durch seinen bauleitenden Vertreter (Architekt bzw. Sonderfachmann) ein bestimmtes Risiko erkannt und bewusst in Kauf genommen hat (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11.Auflage, Rn1521; vgl. auch KG BauR 1972, 239). So liegt der Fall hier.

Die Kläger müssen sich das Wissen der für sie tätigen Architekten nach dem Rechtsgedanken des § 166 BGB zurechnen lassen. Die Anwendbarkeit des § 166 BGB ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat anschließt, nicht auf die rechtsgeschäftliche Vertretung beschränkt, sondern erstreckt sich analog auch auf den vergleichbaren Tatbestand der Wissensvertretung. „Wissensvertreter“ ist danach jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten. Er braucht weder zum rechtsgeschäftlichen Vertreter noch zum „Wissensvertreter“ ausdrücklich bestellt zu sein. Ausreichend ist, dass sich der Geschäftsherr seiner im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie eines Vertreters bedient; hat der Wissensträger den Geschäftsherrn hingegen nur intern beraten, scheidet eine sinngemäße Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB aus (vgl. insgesamt BGH, Urt. v. 24.01.1992, NJW 1992, 1099 f.). Wie eines Vertreters bedient sich der Geschäftsherr insbesondere solcher Personen, die er statt seiner handeln lässt; die Hilfsperson tritt an die Stelle des Geschäftsherrn, weil dieser es unterlässt, sich selbst um die nach der jeweiligen Wissensnorm relevanten Fragen zu kümmern, so dass diese und nicht der Geschäftsherr selbst die maßgebliche Kenntnis erlangt (vgl. Waltermann, Zur Wissenszurechnung, AcP 1992, 181 ff., 199 f.). Eine solche Stellung als Wissensvertreter kam hier den für die Kläger tätigen Architekten zu. Diese sind zunächst unstreitig im Rahmen der Planung des Vorhabens und bei der Vorbereitung der Vergabe tätig geworden und haben dabei nach den glaubhaften Angaben des Zeugen T. im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Kläger die entsprechenden Kenntnisse erlangt; auch später haben sie sich, wie sich aus den glaubhaften Angaben des Zeugen T. ergibt, nicht auf eine Tätigkeit als interne Berater der Kläger als Bauherrn beschränkt, sondern sind – unabhängig von ihrer Bezeichnung durch den Kläger zu 3. als bloße Baubetreuer ohne Bauleitungsfunktion – auch nach außen wie Bauleiter tätig geworden. Das genügt angesichts der oben geschilderten Grundsätze für eine Wissenszurechnung. Wenn dann in voller Kenntnis der sich aus Wandaufbau und früherer Nutzung der Baulichkeiten ergebenden Probleme – Feuchtigkeitseintritt in Verbindung mit erhöhter Salzbelastung – die Vergabe von Lehmputzarbeiten wie hier geschehen erfolgt, kann dies nicht anders verstanden werden als dass das Risiko, dass sich der Lehmputz später wegen der Salz- und Feuchtigkeitsbelastung löst, bewusst in Kauf genommen worden ist. Hierzu hat der sachkundige Zeuge T. glaubhaft bekundet, dass die ausgeschriebenen Lehmputzarbeiten die preiswerteste Putzalternative darstellten, die in Kenntnis der aufwändigeren Alternativen gerade deshalb ausgewählt wurde, weil sie im Falle ihrer Zerstörung durch erhöhte Salzbelastung in Verbindung mit Feuchtigkeitseintritt auch am preiswertesten wieder zu ersetzen wäre.

An dieser Beurteilung ändert sich entgegen der Ansicht der Kläger nichts dadurch, dass der Beklagte unstreitig auch die „erforderliche Vorbehandlung des Untergrundes“ schuldete. Diese Verpflichtung kann bei einer Treu und Glauben Rechnung tragenden Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB offensichtlich nicht dahin verstanden werden, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Wand vor Aufbringung des Lehmputzes zu entsalzen. Denn derart langwierige, komplexe und auch kostenintensive Maßnahmen, wie sie etwa im Gutachten des Sachverständigen N. im Einzelnen angesprochen sind, waren hiermit ersichtlich nicht gemeint, wie nicht zuletzt die beispielhaft genannte Verpflichtung, auch für den gegebenenfalls erforderlichen Vorputz zu sorgen, zeigt. Welchen genauen Umfang die entsprechende Verpflichtung des Beklagten hatte, bedarf hier keiner vertieften Erörterung. Denn soweit der Beklagte ihn treffende (zusätzliche) Untersuchungspflichten im Hinblick auf die Salzbelastung der zu verputzenden Wände tatsächlich nicht erfüllt haben sollte, trifft die Verantwortung hierfür in vollem Umfang die Kläger selbst. Diese hätten die Leistungsbeschreibung angesichts der ihnen zuzurechnenden positiven Kenntnis von den angesichts Feuchtigkeitseintritt in Verbindung mit erhöhter Salzbelastung zu erwartenden Problemen eindeutiger fassen und mit einem entsprechenden Hinweis auf die zu erwartenden Probleme versehen müssen. Denn auch der Auftraggeber, der um Gefahren für das Gelingen des Werkes weiß, ist verpflichtet, durch Handlungen, die – wie ein entsprechender Hinweis hier – geeignet und unschwer möglich sind, dazu beizutragen, dass sich die Gefahr nicht realisiert (BGH, Urt. v. 14.09.1999, NJW 2000, 280 ff.). Gegenüber diesem in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände unterlassenen Hinweis fällt ein allenfalls leicht fahrlässiges Handeln des Beklagten, der die vorhandene Salz- und Feuchtigkeitsproblematik nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen N. bei optischer Prüfung nebst Kratztest nicht ohne weiteres entdecken konnte, nicht mehr entscheidend ins Gewicht.

2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

3.
Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich; weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache noch eine Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).

Streitwert: 19.142,81 Euro

 

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