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Leibrente – Forderungserlass

LG Bielefeld – Az.: 18 O 137/15 – Urteil vom 29.12.2016

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 294.431,49 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2016 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3880,47 Euro zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind Tochter und Sohn des am 29.01.2014 verstorbenen Herrn L H..

Dieser hatte mit Testament 20.12.1996 die Klägerin als Alleinerbin eingesetzt. Mit Vermögensübergabevertrag zwischen dem Beklagten und dem Erblasser und einer Geschäftsteil-Abtretung in Verbindung mit einem Erb- und Pflichtteilsverzicht des Beklagten vom 20.12.1996 wurde u.a. geregelt, dass der Beklagte sämtliche Geschäftsanteile an der H. GmbH C.er Kisten- und Palettenfabrik und der H. Verwaltungsgesellschaft mbH vom Erblasser erhält und der Beklagte verpflichtet ist, an diesen eine Leibrente in Höhe von 10.000 DM jeweils zum 15. jedes Monats zu zahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Testament und die vorgenannten Verträge vom 20.12.1996 (Anlagen K1, K2 und K3) Bezug genommen.

Der Vater der Parteien war fortan am Unternehmen nicht mehr beteiligt. Er war jedoch Gläubiger eines Darlehens, so dass im Unternehmen für ihn ein Darlehenskonto geführt wurde.

In der Folgezeit zahlte der Beklagte die Leibrenten zunächst in voller Höhe. Mit Einverständnis des Vaters und vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Unternehmens des Beklagten wurden ab Mai 2001 monatliche Zahlungen in Höhe von 8000 DM geleistet, im Januar 2002 wurden 4100 Euro gezahlt, ab Februar 2002 jeweils monatlich 4000 Euro und ab August 2003 nur noch 3000 Euro pro Monat.

Die Fehlbeträge summieren sich auf insg. 294.431,49 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Aufstellung der Klägerin (Anlage K4, Bl. 13) Bezug genommen.

In seinen Steuererklärungen hatte der Vater der Parteien als Einahme jeweils die vollen Leibrentenbeträge angegeben. Die Steuern wurden von dem im Unternehmen des Beklagten bestehenden Darlehenskonto abgebucht.

Im Jahr 2002 schenkte der Vater der Parteien der inzwischen ebenfalls verstorbenen Mutter der Parteien einen Geldbetrag von 250.000 Euro. In diesem Zusammenhang unterzeichneten die Eltern der Parteien und der Beklagte eine Schenkungsvereinbarung vom 23.09.2002, in deren Präambel u.a. aufgeführt ist, dass „sämtliche Vereinbarungen vom 20.12.1996 … unberührt“ bleiben und „uneingeschränkt ihre Gültigkeit“ behalten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Erklärung (Anlage K6, Bl. 31, 32 d.A.) verwiesen.

Im Jahr 2008, kurz nach dem Tod der Mutter der Parteien, kam es zu einem Gespräch zwischen dem Beklagten, der Klägerin und dessen Vater. Hintergrund war, dass die Klägerin den Vater um Geld zur Ablösung eine Hypothek gebeten hatte und dieser den Beklagten daraufhin ansprach. Der Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig.

Nach dem Tod des Vaters forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung der bisher nicht gezahlten Leibrenten auf, zuletzt mit Anwaltsschreiben vom 10.11.2015.

Dieses Ziel verfolgt sie mit ihrer Klageschrift vom 26.11.2015, die dem Beklagten am 06.01.2016 zugestellt worden ist, weiter.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Klägerin behauptet, die ausstehenden Beträge aus der Leibrente seien lediglich gestundet worden.

Der Vater habe in einem Sommer kurz nach der in 2000 erfolgten Selbstständigmachung Ihres Ehemannes mitgeteilt, dass wegen angespannter Geschäftslage im Unternehmen des Beklagten derzeit verminderte Zahlungen auf Leibrente erfolgten, diese aber nachgeholt werden würden.

Im Gespräch 2008 habe der Vater zum Beklagten gesagt, er solle an die Klägerin schon mal 100.000 Euro aus den offenen Leibrenten bezahlen.

Die Klägerin beantragt,

1) den Beklagten zu verurteilen, an sie 294.431,49 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2016 zu zahlen,

und

2) den Beklagten zu verurteilen, an sie 3880,47 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, der Erblasser habe die Höhe der Zahlungen, wie sie erfolgt seien, angewiesen und auf die weiteren Beträge verzichtet.

Im Gespräch 2008 sei es nicht um die Leibrenten, sondern nur um das Darlehen gegangen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen E. H. und I. T.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.10.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der Leibrenten aus § 1922 BGB i.V.m. dem Vertrag vom 20.12.1996 (Anlage K2) in Gesamthöhe von 294.431,49 Euro.

I.1. Bestehen der Forderung

Der Anspruch der Klägerin besteht in Höhe von 294.431,49 Euro und ist auch nicht – durch Forderungserlass gemäß § 397 BGB – untergegangen. Die nicht gezahlten Beträge waren nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und bei Würdigung aller, insbesondere der nachstehend ausgeführten Umstände gemäß § 286 Abs. 1 ZPO durch den Erblasser gestundet, nicht erlassen worden.

Für das Vorliegen eines Erlassvertrags gemäß § 397 BGB und den entsprechenden Willen des Erblassers zum Erlass der Forderung ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Ein derartiger Erlass setzt ein unzweideutiges Verhalten des Gläubigers voraus und ein Verhalten, aus dem sich der unmissverständliche rechtsgeschäftliche Wille ergibt, auf die Forderung zu verzichten. Hieran sind strenge Anforderungen zu stellen. (Palandt – Grüneberg, 74. Aufl., § 397 BGB, Rn. 6.)

Bereits aufgrund des Inhalts der Aussage des Zeugen E. H. ist von einem derartigen unmissverständlichen Willen des Erblassers nicht auszugehen. Der Zeuge hat angegeben, dass die erste Reduzierung der Zahlungen auf 8000 DM erfolgte, nachdem der Großvater (also der Vater der Parteien) ihm, dem Zeugen, im Büro des Unternehmens ohne weitere Begründung gesagt habe, ab nächsten Monat seien 8000 Euro auf die Leibrente zu zahlen. Mehr sei hierzu nicht gesagt, nachgefragt oder besprochen worden. Er habe daraufhin den Dauerauftrag entsprechend geändert. Anlässlich der zum Jahr 2002 erfolgten Euroumstellung habe der Großvater beiläufig, „im Gehen“ gesagt, es solle auf 4000 Euro gerundet werden, damit es ein glatter Betrag sei, mit dem er lieber rechne. Auch die dritte Reduzierung sei in dieser Art beiläufig erfolgt.

Hieraus ergibt sich bereits nicht ein unmissverständlicher Wille des Erblassers zum Verzicht auf die Forderungen. Ebenso ist möglich, dass er angesichts der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens nicht endgültig, sondern nur zu diesem Zeitpunkt auf die Zahlungen in voller Höhe verzichtet und diese damit bis auf Weiteres gestundet hat.

Darüber hinaus sieht die Kammer aufgrund der nachfolgend aufgeführten und der Gesamtwürdigung aller Umstände das Vorliegen der seitens der Klägerin behaupteten Stundung der Teilbeträge aus der Leibrente als erwiesen an.

Ein gewichtiges Indiz hierfür stellt zunächst die unstreitige Tatsache dar, dass in der Steuererklärung des Erblassers die Leibrenten durchgehend in voller Höhe als sein Einkommen erklärt worden sind. Hierzu ist einschränkend berücksichtigt worden, dass der Erblasser die Erklärung nach den zuletzt im Termin gemachten Ausführungen der Klägerin nicht selbst erstellt hat, sondern dies der Zeuge E. H. getan hat. Allerdings hat der Erblasser, bei dem aufgrund der Angaben der Parteien und auch des Zeugen E. H. davon auszugehen ist, dass er seine finanziellen Belange überblickt hat, seine Steuererklärung unterschrieben und sich hierdurch den Inhalt zu eigen gemacht. Zwar dürften diese Steuererklärungen, da der Erblasser nicht mehr an dem Unternehmen beteiligt war und daher nicht die Höhe der Forderung, sondern gemäß § 11 EStG der zugeflossene Betrag als Einkommen zu erklären gewesen wäre, in jedem Fall – Erlass oder Stundung – unrichtig gewesen sein. Im Falle einer Einigung dahingehend, dass überhaupt nur noch eine geringere als die ursprüngliche Forderungshöhe geschuldet sein soll, läge aber sehr nahe, dies entsprechend in den Steuererklärungen zu berücksichtigen, wohingegen im Fall einer vorübergehenden Stundung und der Erwartung, dass die Forderungen irgendwann nachgezahlt werden, eher erklärlich ist, dass die hieran Beteiligten es im Rahmen der Steuererklärung des Erblassers bei der Angabe der vollen Anspruchshöhe belassen haben.

Des Weiteren sieht es die Kammer aufgrund der Zeugenaussage des I. T. als erwiesen an, dass zum einen sich der Erblasser im Zeitraum des Beginns der Stundungen gegenüber der Klägerin und dem Zeugen dahingehend geäußert hat, dass die Zahlungen vom Beklagten nachgeholt würden. Zum anderen hat der Zeuge auch den von der Klägerin behaupteten und in ihrer persönlichen Anhörung ausgeführten Sachverhalt bestätigt, dass die ausstehenden Leibrenten in einem zwischen dem Erblasser und den Parteien im Zusammenhang mit einer durch die Klägerin abzulösenden Hypothekenforderung geführten Gespräch 2008 noch einmal thematisiert wurden und zwar dahingehend, dass der Erblasser den Beklagten dazu aufgefordert hat, an die Klägerin einen Betrag aus den ausstehenden Leibrenten zu zahlen. Diesen Gesprächsinhalt hat der Zeuge I. T. dahingehend bestätigt, dass ihm damals seine Frau nach einem Gespräch mit ihrem Bruder und Vater berichtet habe, dass der Erblasser den Beklagten aufgefordert habe, schon mal 100.000 Euro aus den gestundeten Leibrenten zu zahlen und dieser daraufhin wütend den Raum verlassen habe. Insbesondere die Darstellung des letztgenannten Gesprächs durch die Klägerin lässt sich mit der Darstellung des Zeugen E. H., der Großvater sei in finanziellen Dingen sehr klar gewesen und was er gesagt habe, sei gemacht worden, gut in Einklang bringen. Denn auch in dem Gespräch 2008 hat der Erblasser nach den Schilderungen der Klägerin und des Zeugen I. T. direkt vorgegeben, was nach seiner Vorstellung der Sohn wie an die Tochter zahlen solle. Der Zeuge I. T. hat deutlich gemacht, dass er die Informationen über das Gespräch nur vom Hörensagen durch seine Frau erfahren hat.

Insgesamt bestehen an den Aussagen beider Zeugen keine durchgreifenden Zweifel. Insbesondere lassen sich allein aus der engen Verwandtschaft zu den Parteien – davon abgesehen, dass dies beide Zeugen gleichermaßen beträfe – keine Rückschlüsse auf eine etwaig fehlende Glaubwürdigkeit oder eine mangelnde Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen ziehen.

Schließlich war noch der Umstand zu würdigen, dass im Jahr 2002 innerhalb der Präambel zum Schenkungsvertrag zwischen dem Erblasser und der Mutter der Parteien auf die Fortgeltung der Regelungen aus den Verträgen vom 20.12.1996 hingewiesen worden und gerade keine Änderung bezüglich der Höhe der Leibrenten festgelegt worden ist. Dies lässt nach Bewertung der Kammer jedoch keine tragfähigen Rückschlüsse auf einen Willen der Parteien und insbesondere des Erblassers im Hinblick auf die Höhe der Leibrenten zu. Grundsätzlich spricht dieser Gesichtspunkt zwar eher gegen einen Erlass der Teilforderungen, da es, noch dazu im zeitlichen Zusammenhang zu der ersten Kürzung der Zahlungen, eine Gelegenheit gewesen wäre, die neue Höhe vertraglich zu fixieren, andererseits erscheint es ebenso gut vorstellbar, dass – wie der Zeuge E. H. bekundet hat – die Leibrenten zwar formal von der Klausel erfasst sind, jedoch inhaltlich zu diesem Zeitpunkt keine Rolle gespielt haben.

I.2. Verjährung

Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt.

a. §§ 195, 199 BGB

Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre, § 195 BGB. Sie beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründeten Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. 1 BGB.

Darlegungs- und beweispflichtig für die die Verjährung begründenden Umstände ist der Beklagte, hingegen die Klägerin für Umstände, die eine Hemmung oder einen Neubeginn der Verjährung herbeiführen würden.

Die Klägerin tritt als Erblasserin in alle Rechtsverhältnisse des Erblassers ein, so dass sie auch eine etwaig bereits zu Lebzeiten des Erblassers eingetretene Verjährung wie auch begonnene Verjährungsfristen gegen sich gelten lassen müsste. Dem Erblasser waren der Anspruch und der Schuldner jeweils bei Entstehung der Forderung bekannt. Bei den Ansprüchen auf Zahlung der monatlichen Leibrente handelt es sich um Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen. Diese Ansprüche entstehen mit Fälligkeit der einzelnen Leistungen, hier also grundsätzlich in Höhe von 10.000 DM / 5112,91 Euro am jeweils 15. des Monats.

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Die Kammer hat erwogen, ob, da die offenen Teilforderungen im vorherigen Einverständnis mit dem Erblasser nicht gezahlt worden sind, bereits aufgrund fehlender Fälligkeit der offenen Teilforderungen und damit fehlender Entstehung der Ansprüche im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB eine Verjährung nicht eingetreten ist, dies jedoch im Ergebnis verneint. Bei Würdigung aller Umstände ist die Vereinbarung zwischen dem Erblasser und dem Beklagten nicht als anfängliche Stundung, sondern dahingehend auszulegen, dass ein Teil der fälligen Forderung durch den Erblasser vorübergehend nicht geltend gemacht wird.

In der Regel setzt die Entstehung des Anspruchs gemäß § 199 BGB auch dessen Fälligkeit voraus (Palandt – Ellenberger, 74. Aufl., § 199 BGB, Rn. 3). Eine anfängliche Stundung schiebt bereits die Fälligkeit des Anspruchs hinaus, so dass die Verjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB nicht beginnt (Palandt- Ellenberger, 74. Auflage, § 205 BGB, Rn. 2; MüKo BGB – Grothe, 7. Aufl. 2015, § 205, Rn. 3). Die Forderungen wären in diesem Fall erst durch Fälligstellung durch die Klägerin in der Zeit nach dem Tod des am 29.01.2014 verstorbenen Erblassers entstanden und bis zur – eine Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB herbeiführenden – Klageerhebung (Zustellung der Klageschrift vom 26.11.2016 am 06.01.2016) nicht verjährt.

Jedoch spricht insbesondere der Umstand, dass der Erblasser die Leibrenten in jeweils voller Höhe in seine Steuererklärungen aufgenommen und sie damit wirtschaftlich zumindest einem jeweils bestimmten Jahr zugeordnet hat, zusammen mit dem Umstand, dass die reduzierten Zahlungen des Beklagten jeweils zum ursprünglichen Fälligkeitstermin am Monatsfünfzehnten erfolgt sind, dafür, dass mit der zwischen ihm und dem Beklagten getroffenen Vereinbarung nicht die Fälligkeit der (Teil-)Forderung hinausgeschoben werden sollte. Zudem ist die Stundung zwar im Hinblick auf die kommenden Monatszahlungen im Voraus, hingegen bezüglich der ursprünglichen Grundabrede vom 20.12.1996 nachträglich erfolgt.

b. Hemmung der Verjährung

Die Verjährung ist jedoch gemäß § 205 BGB gehemmt. Eine Hemmung der Verjährung tritt gemäß § 205 BGB ein, solange der Schuldner auf Grund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist. Hauptanwendungsfall ist die Absprache zwischen Gläubiger und Schuldner, dass der Anspruch einstweilen nicht geltend gemacht werden soll (Palandt – Ellenberger, 74. Auflage, § 205 BGB, Rn. 2).

Ein derartiges Stillhalteabkommen im Sinne des § 205 BGB ist gegeben. Die Klägerin ist für die Umstände darlegungs- und beweispflichtig, die einen Hemmungstatbestand begründen. Durch ihren Vortrag zur Stundung der Forderung durch den Erblasser hat sie die Voraussetzungen des § 205 BGB dargelegt. Der Beklagte bestreitet den Klägervortrag damit, dass ein Erlass der Forderung gegeben sei. Nach den obigen Ausführungen, auf die Bezug genommen wird, hat die Klägerin indes bewiesen, dass den geleisteten Teilzahlungen kein Forderungserlass, sondern eine Stundung des Erblassers zu Grunde lag.

Der Erblasser hat vorübergehend hinsichtlich Teilen der Forderung auf deren Geltendmachung verzichtet und zwar bezogen auf die ungezahlten monatlichen Teilforderungen jeweils seit ihrer jeweiligen Entstehung. Die Zeit von der Entstehung der jeweiligen Ansprüche bis zu seinem Tod, in dem die Vereinbarung Bestand hatte, ist gemäß § 209 BGB aus der Verjährungszeit heraus zu rechnen. Bis zur Klageerhebung durch die Klägerin war noch keine Verjährung eingetreten.

c. Verjährungshöchstfrist

Es ist auch keine Verjährung gemäß § 199 Abs. 4 BGB eingetreten, soweit ein Teil der offenen Leibrentenansprüche – ausweislich der Anlage K4 erfolgte die erste Reduzierung der Zahlungen in 2001 – bereits vor mehr als 10 Jahren entstanden ist.

Gemäß § 199 Abs. 4 BGB verjähren andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Die Frist wird taggenau berechnet.

Ein Anspruch gemäß § 199 Abs. 3a BGB liegt nicht vor. Hiernach beträgt die Höchstverjährungsfrist 30 Jahre für Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzen. Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass Klarheit über die tatsächlichen Voraussetzungen zahlreicher erbrechtlicher Ansprüche oftmals erst viele Jahre nach dem Erbfall gewonnen werden kann. Die Voraussetzungen sind eng auszulegen. Nicht erfasst sind Forderungen und Verbindlichkeiten des Erblassers. Auch wenn für ihre Geltendmachung die Kenntnis von einer letztwilligen Verfügung erforderlich sein mag, richtet sich die Verjährung nach den zwischen Erblasser und Drittem geltenden Vorschriften (MüKo, BGB – Grothe, 7. Aufl. 2015, § 199 BGB, Rn. 54). Bei den hier streitgegenständlichen Leibrenten handelt es sich um eine derartige Forderung des Erblassers.

Die Ansprüche der Klägerin sind jedoch nicht teilweise gemäß § 199 Abs. 4 BGB verjährt, weil auch bei der Berechnung der Höchstverjährungsfrist der Hemmungstatbestand des § 205 BGB zu berücksichtigen ist.

Die Frage, ob und ggf. welche der Hemmungstatbestände der §§ 203 ff. BGB auch innerhalb der Höchstverjährungsfrist zu berücksichtigen sind mit der Folge, dass sich auch diese Höchstfrist verlängern kann, oder ob die Verjährung unabhängig von einer Hemmung immer nach Ablauf von zehn Jahren eintritt, ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden. Im Ergebnis ist die Anwendung der Hemmungstatbestände auch im Rahmen der Höchstfrist aber sachgerecht (Fischinger, VersR 2006, 1475). Zwar spricht gegen eine solche Anwendung, dass den Verjährungshöchstfristen die Überlegung zugrunde liegt, dass mit längerem Zeitablauf eine Überprüfung von Ansprüchen und eine etwaige Beweisaufnahme zu strittigen Tatsachen immer schwieriger wird und zu einem bestimmten Zeitpunkt Rechtssicherheit und Rechtsfrieden hergestellt werden sollen. Andererseits jedoch kann die Nichtanwendung der Hemmungstatbestände, die dazu führte, dass sich ein Gläubiger, der sich auf lange Verhandlungen i.S.d. § 203 BGB oder ein langfristiges Stillhalteabkommen i.S.d. § 205 BGB eingelassen hat, sich seinem Anspruch nach genau zehn Jahren die Einrede der Verjährung entgegen halten lassen müsste, zu unbilligen Ergebnissen führen. Aufgrund der Privatautonomie sind die Vertragsparteien grundsätzlich in ihren Vereinbarungen auch zur Verjährung frei. Verhandlungen i.S.d. § 203 BGB oder Stillhalteabkommen i.S.d. § 205 BGB können sich, beispielsweise wegen der Erforderlichkeit von Begutachtungen durch Sachverständige, Beteiligung Dritter und ggf. deren vorrangiger, möglicherweise auch gerichtlicher Inanspruchnahme oder sonstiger Gründe hinziehen, ohne dass es dem Schuldner gegenüber unbillig erschiene, dass nach zehn Jahren – angesichts der die Hemmung herbeiführenden Umstände – keine Verjährung eintritt.

II.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 290, 288 BGB. Der Anspruch auf Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 286 BGB.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708, 709 BGB.

Der Streitwert wird auf 294.431,49 EUR festgesetzt.

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