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Leistungen aus Betriebsschließungsversicherung – Corona-Pandemie

LG Oldenburg – Az.: 13 O 1637/20 – Urteil vom 21.10.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung.

Er ist Inhaber der Gaststätten „…“, einer Veranstaltungsgastronomie für Hochzeiten, Tagungen, usw. in …, und „…“, eines Restaurants mit Übernachtungsbetrieb in …. Für beide Gaststätten unterhält er bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung wegen Infektionsgefahr, die für die Gaststätte „…“ seit November 2009 und für das „…“ seit Februar 2014 besteht. Die Versicherungsscheine sehen jeweils eine Tagesentschädigung in Höhe von 1.000,- € bis zu einer Dauer von 30 Schließungstagen vor, wobei für das „…“ in den Saisonmonaten Januar, Februar und Dezember eine Tagesentschädigung in Höhe von 2.000,- € vereinbart ist. Den Versicherungsverträgen liegen die „Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden infolge von Infektionsgefahr (Betriebsschließung)“ (im Folgenden: AVB) und die „Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für Versicherungen von Betrieben gegen Schäden infolge Infektionsgefahr (Betriebsschließung)“ (im Folgenden: BBR) zugrunde. In § 1 Ziffer 1 AVB ist in Bezug auf den Versicherungsumfang unter anderem Folgendes geregelt:

Leistungen aus Betriebsschließungsversicherung – Corona-Pandemie
Symbolfoto: Von Drazen Zigic/Shutterstock.com

„Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)

a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; […]“

Eine Definition der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger enthält § 1 Ziffer 2 AVB:

„Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: […]“

Das Wort „folgenden“ ist durch Fettdruck hervorgehoben. Es schließt sich eine Auflistung von 18 einzelnen Krankheiten (Buchstabe a) und von 49 einzelnen Krankheitserregern (Buchstabe b) an. Die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) und das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) werden nicht aufgeführt. Sie werden auch nicht in Ziffer 2 BBR erwähnt, der eine Erweiterung des Versicherungsschutzes um sieben zusätzliche Krankheiten vorsieht.

Das Bundesministerium für Gesundheit verkündete am 01.02.2020 die Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen neuartigen Coronavirus („2019-nCoV“). Nach § 1 dieser Verordnung wurde die Pflicht zur namentlichen Meldung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG auf den Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie den Tod in Bezug auf eine Infektion ausgedehnt, die durch das neuartige Coronavirus hervorgerufen wird. Das Infektionsschutzgesetz wurde mit Wirkung ab dem 23.05.2020 geändert. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG wurde um den Buchstaben t „Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“ und § 7 Abs. 1 Satz 1 IfSG um die Nr. 44a „Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) und Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2)“ erweitert.

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung erließ am 20.03.2020 „vor dem Hintergrund der äußerst dynamischen Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2 Virus und Erkrankungen an COVID-19“ eine fachaufsichtliche Weisung an die niedersächsischen Landkreise, kreisfreien Städte und die Region Hannover und ordnete gestützt auf § 28 Abs. 1 IfSG an, durch Allgemeinverfügung die Schließung von Restaurants, Speisegaststätten, Systemgastronomie, Imbissen, Mensen und dergleichen für den Publikumsverkehr zu verfügen. Der Außerhausverkauf und gastronomische Lieferdienste sollten davon ausgenommen sein. Die Landkreise, kreisfreien Städte und die Region Hannover setzten diese Weisung um und erließen entsprechende Regelungen, in deren Folge der Kläger seine Gaststätten vom 20.03.2020 bis zum 13.05.2020 für den Publikumsverkehr schloss.

Mit der Klage macht der Kläger für beide Betriebe die Tagesentschädigung gemäß § 2 Nr. 3 Buchstabe a AVB in Höhe von 1.000,- € für die Maximaldauer von 30 Schließungstagen geltend. Er ist der Ansicht, dass eine Auslegung der vereinbarten Versicherungsbedingungen ergebe, dass auch die Betriebsschließung wegen der Krankheit COVID-19 bzw. des Krankheitserregers SARS-CoV-2 vom Versicherungsschutz umfasst sei. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer müsse die AVB der Klägerin so verstehen, dass es maßgeblich allein darauf ankomme, ob die Betriebsschließung aufgrund des Infektionsschutzgesetzes verfügt werde. Die in § 1 Ziffer 2 AVB genannten Krankheiten und Krankheitserreger seien nicht im Sinne eines abschließenden Katalogs, sondern nur beispielhaft aufgeführt. Dass die COVID-19-Krankheit und der Krankheitserreger SARS-CoV-2 von den AVB umfasst seien, ergebe sich schon daraus, dass § 1 Ziffer 2 AVB nicht lediglich auf § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG und § 7 Abs. 1 Satz 1 IfSG verweise, sondern auf die §§ 6 und 7 IfSG insgesamt, mithin auch auf die Generalklauseln in § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG und § 7 Abs. 2 IfSG. Auch aus der Verwendung des Wortes „namentlich“ in § 1 Ziffer 2 AVB, das im Sinne von „vor allem“ und „hauptsächlich“ zu verstehen sei, werde die bloß beispielhafte Aufzählung deutlich. Zudem liefe der Ausschluss des Versicherungsschutzes für Prionenerkrankungen in § 3 Ziffer 4 AVB ins Leere, wenn es sich um einen abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern handeln würde, da Prionenerkrankungen in § 1 Ziffer 2 AVB nicht aufgeführt seien. Dementsprechend sei die Beklagte in der Vergangenheit selbst nicht von einem abschließenden Katalog ausgegangen. Dies ergebe sich aus einer E-Mail des Mitarbeiters der Beklagten … an einen Versicherungsmakler vom 17.03.2020 (vgl. Anlage K5, Bl. 73 d.A.), dem Umstand, dass die Beklagte den Versicherungsschutz zunächst lediglich mit der Begründung abgelehnt habe, dass die Betriebsschließung nicht aufgrund des Auftretens eines Erregers im versicherten Betrieb erfolgt sei, sowie aus der Formulierung der Abfindungsklausel in den von der Beklagten angebotenen Vergleichsvereinbarungen (vgl. Anlage K7, Bl. 115 und 116R). Da die Parteien übereinstimmend von einer dynamischen Verweisung in das Infektionsschutzgesetz ausgegangen seien, sei dieses Verständnis maßgebend. Ein anderes Verständnis der AVB gehe nach der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten. Jedenfalls liege ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, der zur Unwirksamkeit von § 1 Ziffer 2 AVB führe, da der Versicherungsnehmer nicht erkennen könne, dass der Versicherungsschutz gegenüber dem Infektionsschutzgesetz lückenhaft sei. Erschwerend komme insofern hinzu, dass die Beklagte ihre Versicherungsbedingungen nicht an die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2013 angepasst und die Aufnahme des Mumpsvirus, des Rubelavirus und des Varizella-Zoster-Virus in den Katalog der Krankheitserreger nicht nachvollzogen habe.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 60.000,- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass Betriebsschließungen wegen COVID-19 und SARS-CoV-2 nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien, weil die gedeckten Krankheiten und Krankheitserreger in § 1 Ziffer 2 AVB abschließend aufgelistet seien, was sich unschwer an dem in Fettdruck hervorgehobenen Wort „folgenden“ in § 1 Ziffer 2 AVB erkennen lasse. Ohnehin seien COVID-19 und SARS-CoV-2 erst mit Wirkung ab dem 23.05.2020 in die §§ 6 und 7 IfSG aufgenommen worden. Darüber hinaus bestehe auch deshalb kein Versicherungsschutz, weil nur betriebsinterne Gefahren versichert seien, was sich unmittelbar aus § 1 Ziffer 1 Buchstabe a AVB ergebe, während die Behörde hier eine abstrakt-generelle präventive Gesundheitsmaßnahme im Sinne eines „shutdowns“ zur Verringerung der Kontakte in der Bevölkerung erlassen habe. Die behördliche Allgemeinverfügung sei zudem nichtig, weil sie auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützt sei, obwohl allenfalls § 16 IfSG als Ermächtigungsgrundlage in Betracht komme. Weiter macht die Beklagte geltend, dass der Betrieb des Klägers nur eingeschränkt und nicht geschlossen worden sei, da beispielsweise ein Außerhausverkauf weiterhin zulässig gewesen sei. Im Hinblick auf die Anspruchshöhe wendet die Beklagte ein, dass es an Vortrag zur Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens fehle. Selbst wenn es sich bei der Tagesentschädigung um eine feste Taxe im Sinne von § 76 VVG handeln sollte, liege der tatsächliche Schaden um mindestens 50 % darunter. Schließlich bestehe nach § 21 AVB kein Anspruch, weil der Kläger Schadensersatz aufgrund öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts beanspruchen könne.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistungen aus der zwischen den Parteien bestehenden Betriebsschließungsvereinbarung. Die Leistungsvoraussetzungen für die Tagesentschädigung nach § 1 Ziffer 1 Buchstabe a i.V.m. § 2 Ziffer 3 Buchstabe a AVB liegen nicht vor, weil die Betriebsschließung nicht wegen des Auftretens einer meldepflichtigen Krankheit oder eines meldepflichtigen Krankheitserregers im Sinne der Versicherungsbedingungen angeordnet wurde.

a) Ob die COVID-19-Erkrankung oder das Corona-Virus (Sars-CoV-2) eine Krankheit oder einen Erreger im Sinne der Versicherungsbedingungen darstellen, ist anhand der maßgeblichen Regelung in § 1 Ziffer 2 AVB zu beurteilen. Versicherungsbedingungen sind dabei objektiv auszulegen, nämlich so, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Klausel. Das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers orientiert sich nämlich in erster Linie am Wortlaut der Klausel und ihrem Sinn und Zweck (vgl. Reiff, in: Langheid/Wandt, Münchner Kommentar zum VVG, 2. Aufl. 2017, Bd. III, Ziffer 50 Rn. 79 m.w.N.).

Nach § 1 Ziffer 2 sind meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne der Bedingungen „die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: (…)“. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird bei verständiger Würdigung schon angesichts der Wendung „die folgenden“ nur davon ausgehen, dass allein die in den Bedingungen im Einzelnen namentlich aufgezählten Krankheiten und Erreger vom Versicherungsschutz erfasst sein sollen (so auch Lüttringhaus, r+s 2020, 250 <253>). Dies gilt umso mehr, weil das Wort „folgenden“ mittels Fettdruck deutlich vom übrigen Text hervorgehoben ist und dem Versicherungsnehmer so unmittelbar ins Auge sticht. Ihm wird auf diese Weise vor Augen geführt, dass dem Wort eine besondere Bedeutung für das Verständnis der Klausel zukommt. Für eine abschließende Auflistung spricht weiter, dass in § 1 Ziffer 2 AVB keine Öffnungsklausel etwa in Form der Verwendung der Ausdrücke „insbesondere“, „u.a.“ oder „beispielsweise“ enthalten ist (vgl. Günther, Anmerkung zum Beschluss des OLG Hamm vom 15.07.2020 – I-20 W 21/20 -, FD-VersR2020, 431078). Eine solche öffnende Wirkung kommt hier dem Wort „namentlich“ gerade nicht zu. Aufgrund seiner Position im Satzgefüge kann „namentlich“ nicht im Sinne von „insbesondere“, „hauptsächlich“ oder „vor allem“ verstanden werden, sondern erkennbar nur im Sinne von „dem Namen nach“ (vgl. Rixecker, in: Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Coronakrise, 2. Aufl. 2020, § 11 Rn. 61 f.).

Auch der Umstand, dass die §§ 6 und 7 IfSG in § 1 Ziffer 2 AVB ohne weitere Eingrenzung etwa durch die Nennung von Absätzen, Sätzen und Nummern in Bezug genommen werden, spricht nicht dafür, dass sämtliche unter die §§ 6 und 7 IfSG fallende Krankheiten und Erreger als versicherte Ursache der Betriebsschließung in Betracht kommen sollen. Denn durch die Verwendung des Wortes „namentlich“ im unmittelbaren Anschluss an die §§ 6 und 7 IfSG wird deutlich, dass gerade nur die in §§ 6 und 7 IfSG dem Namen nach genannten Krankheiten und Erreger gemeint sein sollen. Auf die Generalklauseln in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 IfSG und § 7 Abs. 2 IfSG soll somit von vornherein nicht verwiesen werden. Durch die Wendung „die folgende“ erfolgt sodann eine weitere Eingrenzung dergestalt, dass nur die folgenden, d.h. die in den Bedingungen genannten Krankheiten und Erreger zu den bedingungsgemäßen Krankheiten und Erregern zählen.

Der Wortlaut der Klausel ist damit eindeutig abschließend. Der Versicherungsschutz beschränkt sich auf die namentlich aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger, zu denen COVID-19 und Sars-CoV-2 nicht gehören. Eine Mehrdeutigkeit im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB besteht nicht (vgl. auch Lüttringhaus, r+s 2020, 250 <253>).

b) Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich auch nicht, dass die Parteien der Klausel in § 1 Ziffer 2 AVB übereinstimmend eine von ihrem objektiven Sinn abweichende Bedeutung beigemessen haben und von einer dynamischen Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz sowie von einem nicht abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern in den Versicherungsbedingungen ausgegangen sind.

Haben die Vertragsparteien eine Klausel übereinstimmend in einem bestimmten Sinne verstanden, so geht dieser übereinstimmende Wille nicht nur der Auslegung einer Individualvereinbarung, sondern auch der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 16.06.2009 – XI ZR 145/08 (KG) -, NJW 2009, 3422 <3423 Rn. 16>).

Hier legt der Kläger jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür dar, dass die Beklagte zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses von einer dynamischen Verweisung in das Infektionsschutzgesetz ausgegangen ist. Die E-Mail des Herrn … wie auch die Vergleichsangebote der Beklagten datieren allesamt aus dem Jahr 2020 und können deshalb grundsätzlich nur auf eine Rechtsansicht zu diesem Zeitpunkt hindeuten. Hinsichtlich des Herrn … bleibt zudem unklar, welche Stellung er im Unternehmen der Beklagten einnimmt und inwieweit seine Rechtsansicht diejenige der Beklagten widerspiegelt. Zudem wird zum Kontext, in dem die E-Mail vom 17.03.2020 verfasst wurde, nichts vorgetragen. Es bleibt unklar, ob es sich um eine Antwort auf eine Anfrage des unbekannten Versicherungsmaklers handelte und wie die Anfrage gegebenenfalls lautete. Der Kläger spricht insofern von einer „E-Mail-Korrespondenz“, was denknotwendig die Existenz mindestens einer weiteren E-Mail voraussetzt, legt jedoch keine weiteren E-Mails vor. Wenn er von einer „Parallelangelegenheit“ spricht, kann gleichwohl nicht beurteilt werden, ob die vertraglichen und die tatsächlichen Bedingungen tatsächlich denen des vorliegenden Falles entsprechen. Dass die Beklagte die Ablehnung von Leistungen in den Schreiben vom 09.04.2020 ferner ausschließlich damit begründete, dass kein Erreger in den Betrieben des Klägers aufgetreten sei, bedeutet nicht schon im Umkehrschluss, dass sie von einer dynamischen Verweisung in das Infektionsschutzgesetz und von einem nicht abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern ausging. Aus der von der Beklagten in den „Kulanz-Angeboten“ vorgeschlagenen Abfindungsregelung kann der Kläger ebenfalls nichts herleiten. Diese Regelung reagiert schlicht auf die klägerische Forderung nach Leistungen wegen der generalpräventiven Schließung seiner Betriebe im Zusammenhang mit dem Auftreten des Corona-Virus. Dass die Beklagte vor diesem Hintergrund bestrebt war, eine Abfindungsregelung auch für zukünftige Fälle zu treffen, liegt einerseits auf der Hand, lässt andererseits aber keine Schlüsse auf ihren eigenen rechtlichen Standpunkt zu.

c) Die Klausel in § 1 Ziffer 2 AVB ist nicht deshalb intransparent gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und somit auch nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie einerseits auf „die folgenden“ Krankheiten und Erreger verweist, andererseits aber das Infektionsschutzgesetz in Bezug nimmt. Unter den Gesichtspunkten der Verständlichkeit und Bestimmtheit wird bei einem durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmer durch die gewählte Formulierung nicht die Erwartung geweckt, dass noch andere als die im Infektionsschutzgesetz genannten Krankheiten oder Erreger oder sogar andere, im Infektionsschutzgesetz nicht genannte Krankheiten oder Erreger erfasst sein sollen (vgl. Lüttringhaus, r+s 2020, 250 <253>). Ein verständiger Versicherungsnehmer wird auch nicht davon ausgehen, dass spätere Änderungen der §§ 6 und 7 IfSG auf den Vertrag Anwendung finden. Dagegen spricht der klare Wortlaut von § 1 Ziffer 2 AVB („die folgenden […] namentlich genannte Krankheiten und Krankheitserreger:“) sowie die sich daran anschließende ausführliche Auflistung einer Vielzahl von Krankheiten und Erregern. Beides zusammen macht es dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass der Versicherer, um das Risiko im erträglichen Rahmen zu halten, nur für die in den Bedingungen benannten Erreger und Krankheiten einstehen will, nicht jedoch für bei Vertragsschluss unbekannte Erreger (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15.07.2020 – I-20 W 21/20 -, juris, Rn. 4).

Eine Intransparenz folgt dementsprechend nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte ihre Versicherungsbedingungen nicht dem aktuellen Stand des Infektionsschutzgesetzes angepasst hat, so dass der Katalog der Krankheitserreger in § 1 Ziffer 2 Buchstabe b AVB in der ab dem 01.01.2014 gültigen Fassung nicht dem zu diesem Zeitpunkt gültigen § 7 Abs. 1 Satz 1 IfSG entsprach, sondern dessen Stand vor der Gesetzesänderung im März 2013 wiedergab. Dies führt nicht zu einer unerkannten Verkürzung des Versicherungsschutzes zulasten des Versicherungsnehmers. Wie oben dargelegt, wird aus dem Wortlaut der Klausel für den verständigen Versicherungsnehmer eindeutig ersichtlich, dass der Verssicherungsschutz auf die abschließend dem Namen nach aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger beschränkt sein soll und gerade keine dynamische Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz in seiner jeweils gültigen Fassung stattfindet. Von vornherein sollen nicht die vollständigen Regelungen der §§ 6 und 7 IfSG, sondern nur bestimmte Fallgruppen von Krankheiten und Krankheitserregern in Bezug genommen werden, was dem legitimen Interesse des Versicherers an der Eingrenzung des Deckungsumfangs auf bekannte und damit kalkulierbare Krankheiten entspricht (vgl. Lüttring-haus, r+s 2020, 250 <253>). Der verständige Versicherungsnehmer erwartet daher keine regelmäßige Anpassung von § 1 Ziffer 2 AVB an den aktuellen Stand des Infektionsschutzgesetzes, zumal sich eine solche Verpflichtung der Beklagten auch nicht aus dem Versicherungsvertrag herleiten lässt.

2. Da die Betriebe des Klägers nicht wegen einer Krankheit oder eines Krankheitserregers im Sinne von § 1 Ziffer 2 AVB geschlossen wurden, muss auf die weiteren Einwände, die die Beklagte gegen eine Leistungspflicht vorbringt, nicht mehr eingegangen werden.

3. Mangels Hauptforderung stehen dem Kläger auch keine Zinsen zu.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

 

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