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Leitungswasserschaden – Abwasserrohrbruch unterhalb des Kellerbodens

BGH

Az.: IV ZR 137/97

Urteil vom 25.03.1998


Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. Mai 1997 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Wohngebäudeversicherung wegen des Bruches von Ableitungsrohren der Wasserversorgung eines in seinem Eigentum stehenden Gebäudes in Anspruch.

Im April und Mai 1995 traten im Keller des bei der Beklagten versicherten Gebäudes Wasserschäden auf. Diese hatten ihre Ursache in mehreren Löchern und Rissen in Ableitungsrohren, die unterhalb des Kellerbodens im Erdreich zwischen den Fundamentmauern des Gebäudes verlegt waren; der Abstand zwischen dem Scheitel der Rohre und der Oberkante des Kellerbodens betrug 20-50 cm. Die Rohre verliefen oberhalb der gedachten geraden Linie zwischen den Unterkanten der Fundamentmauern und teilweise durch diese hindurch. Für die Feststellung und Beseitigung der Schäden entstanden dem Kläger Kosten in einer Gesamthöhe von 22.006,23 DM.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung dieser Kosten. Der Wohngebäudeversicherung lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Neuwertversicherung von Wohngebäuden gegen Feuer-, Leitungswasser- und Sturmschäden (VGB 62) zugrunde. Die für den Anspruch des Klägers maßgeblichen Klauseln des Regelungswerkes lauten auszugsweise:

§ 1 Versicherte Gefahren

(1) Der Versicherer leistet nach dem Eintritt des Versicherungsfalles Entschädigung für versicherte Sachen, die zerstört oder beschädigt werden durch

b) Leitungswasser, Rohrbruch oder Frost (Leitungswasserversicherung – § 4)

§ 2 Versicherte Sachen

Versichert sind, soweit nichts anderes vereinbart ist, die im Versicherungsschein aufgeführten Gebäude mit ihren Bestandteilen, aber ohne Zubehör.

§ 4 Umfang der Leitungswasserversicherung

(2) Die Versicherung nach § 1 Abs. 1 b) schließt ein

a) innerhalb der versicherten Gebäude

1. Schäden durch Rohrbruch oder Frost (einschl. der Kosten der Nebenarbeiten und des Auftauens) an den Zu- und Ableitungsrohren der Wasserversorgung und den Rohren der Warmwasser- oder Dampfheizungsanlage,

b) außerhalb der versicherten Gebäude

Schäden durch Rohrbruch oder Frost (einschl. der Kosten der Nebenarbeiten und des Auftauens) an den Zuleitungsrohren der Wasserversorgung und an den Rohren der Warmwasser- oder Dampfheizung, soweit diese Rohre der Versorgung der versicherten Gebäude dienen und sich auf dem Versicherungsgrundstück befinden.

Die Beklagte hat die Erstattung mit der Begründung verweigert, es handele sich um einen nicht versicherten Bruchschaden an Ableitungsrohren außerhalb des versicherten Gebäudes.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision bleibt ohne Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den der Höhe nach unstreitigen Schaden zu ersetzen (§§ 1, 49 VVG, 1 Abs. 1b, 4 Abs. 2a VGB 62).

1. Das Berufungsgericht hat – im Anschluß an sein früheres Urteil vom 30. Oktober 1996 (NJW-RR 1997, 1458) – angenommen, § 4 Abs. 2a VGB 62 erfasse auch Bruchschäden an Abwasserrohren, die im Erdreich unterhalb des Kellerbodens, aber oberhalb der gedachten Linie zwischen den Unterkanten der Fundamentmauern verlaufen. Eine – auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers abstellende – Auslegung des § 4 Abs. 2 VGB 62 ergebe, daß solche Leitungen dem Bereich „innerhalb des Gebäudes“ zuzuordnen seien.

Diese Auslegung bekämpft die Revision ohne Erfolg.

2. Die Auslegung der Begriffe „innerhalb“ und „außerhalb“ des versicherten Gebäudes, die § 4 Abs. 2 VGB 62 verwendet, ist in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten. Während einerseits die Auffassung vertreten wird, daß sich alle Rohre außerhalb des Gebäudes befänden, die nicht in einem Raum des Gebäudes oder in den Wänden, Decken, Böden oder den Grundmauern verlaufen (LG Aachen ZfS 1987, 155; LG Freiburg VersR 1980, 1020; LG Hamburg VersR 1970, 1004; LG Köln r+s 1977, 263; r+s 1984, 222; VersR 1989, 586; LG Trier r+s 1993, 192; Bechert, Grundlagen der Leitungswasserversicherung 5. Aufl. S. 66; Dietz, Wohngebäudeversicherung 1990 § 7 Rdn. 4.1, S. 113), haben das Landgericht Düsseldorf (ZfS 1985, 30) und das Amtsgericht Essen (NJW-RR 1986, 831) den Begriff „innerhalb“ des Gebäudes dahin ausgelegt, daß er auch die Rohre erfasse, die zwar im Erdreich, jedoch innerhalb des Bereiches zwischen den Fundamentmauern liegen. Dieser Auffassung hat sich Martin (Sachversicherungsrecht 3. Aufl. E I Rdn. 94 anders noch in der 2. Aufl. E I Rdn. 59) angeschlossen.

3. a) Maßgeblich für die Auslegung der Klausel des § 4 Abs. 2 VGB 62 ist nach gefestigter Rechtsprechung des Senats, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85).

b) Ausgangspunkt für diese Auslegung ist der Wortlaut der Klausel. Nach allgemeinem Sprachgebrauch beschreibt der Begriff „innerhalb“ des Gebäudes den räumlichen Bereich, der durch Wände, Dach und Boden vom Bereich „außerhalb“ des Gebäudes abgegrenzt wird. Rohre, die in den Wänden oder dem Boden des Gebäudes selbst verlaufen, wird der Versicherungsnehmer demgemäß noch dem Bereich innerhalb des Gebäudes zuordnen. Nichts anderes gilt für Rohre, die in den Fundamentmauern selbst verlegt sind. Denn auch diese Mauern bilden als Teil des Gebäudes – wie andere Mauern – eine Abgrenzung nach außen.

Aus dieser vom Wortlaut bestimmten Sicht ergibt sich weiter, daß sich außerhalb des Gebäudes demgemäß jedenfalls solche Rohre befinden, die jenseits der Außenmauern oder jenseits der das Gebäude umfassenden und damit gleichermaßen abgrenzenden Fundamentmauern verlegt sind. Das trifft aber auf Abwasserleitungen nicht zu, die – wie hier – unmittelbar unter der Bodenplatte und zudem in dem Teil des Erdreichs verlegt sind, der nach außen hin durch Fundamentmauern abgegrenzt ist, in einem Bereich also, der sich als noch von den Mauern des Gebäudes umfaßt darstellt. Ein vom Wortlaut bestimmtes Verständnis der Klausel legt es dem Versicherungsnehmer daher nahe, die in diesem Bereich verlegten Ableitungsrohre der Wasserversorgung noch dem Bereich innerhalb des Gebäudes zuzuordnen.

c) In diesem Verständnis sieht sich der Versicherungsnehmer bestärkt, wenn er das systematische Verhältnis von § 2 und § 4 VGB 62 und den für ihn erkennbaren Zweck dieser Klauseln berücksichtigt.

aa) Nach § 2 VGB 62 ist, soweit nichts anderes vereinbart ist, ein im Versicherungsschein aufgeführtes Gebäude mit seinen Bestandteilen versichert. Die Zu- und Ableitungsrohre der Wasserversorgung des Gebäudes zählen nach der Verkehrsauffassung zu dessen wesentlichen Bestandteilen i.S. von § 94 Abs. 2 BGB. Das gilt auch für die außerhalb des Gebäudes liegenden Rohre, jedenfalls soweit sie in seiner räumlichen Nähe verlaufen. § 4 Abs. 2 VGB 62, der Ableitungsrohre außerhalb des Gebäudes vom Versicherungsschutz ausnimmt und nur solche innerhalb des Gebäudes in die Versicherung einbezieht, enthält demnach für die Leitungswasserversicherung hinsichtlich des räumlichen Umfanges im Verhältnis zu § 2 VGB 62 eine Einschränkung der versicherten Sachen und damit einen Risikoausschluß (ebenso Dietz, § 7 Rdn. 4, S. 113, zu dem im wesentlichen gleichlautenden § 7 VGB 88). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwartet aber von seiner Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und – soweit sich aus ihr keine Einschränkungen ergeben – lückenlosen Schutz (Senatsurteil vom 16. Juni 1993 – IV ZR 226/92 – VersR 1993, 1102 unter I. 3. b; vgl. auch Senatsurteil vom 18. März 1992 – IV ZR 87/91 – VersR 1992, 606, 607 unter 2.). Aus seiner durch § 2 VGB 62 gestützten Sicht sind die Rohrleitungen in einem möglichst weiten Umfange versichert. Die Risikoausschlußklausel des § 4 Abs. 2 VGB ist daher eng auszulegen und darf nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zweckes und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (vgl. Römer in Römer/Langheid, VVG vor § 1 Rdn. 9 mit Rechtsprechungsnachweisen).

bb) Der dem Versicherungsnehmer erkennbare Sinn und Zweck des § 4 Abs. 2 VGB, mit dem außerhalb des Gebäudes verlegte Ableitungsrohre der Wasserversorgung vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, gebietet es nicht, den Ausschluß auf die zwischen den Fundamentmauern befindlichen Rohre zu erstrecken. Das gilt zum einen, wenn die Klausel dem Risiko Rechnung tragen soll, daß bei außerhalb des Gebäudes verlegten Ableitungsrohren ein besonderer Aufwand für die Schadensfeststellung und -beseitigung entstehen kann. Denn es ist jedenfalls nicht ersichtlich, daß dieser Aufwand bei zwischen den Fundamentmauern verlegten Rohren typischerweise größer sein könnte als der, der bei Schäden an innerhalb der Fundamentmauern oder der Bodenplatte befindlichen – und damit versicherten – Rohren eintreten könnte. Wenn mit der Klausel zum anderen einer größeren Schadenshäufigkeit bei außerhalb des Gebäudes verlegten Ableitungsrohren begegnet werden soll, erschließt sich dem Versicherungsnehmer nicht, warum gerade den zwischen den Fundamentmauern und unmittelbar unter der Bodenplatte verlegten Rohren eine größere Schadensanfälligkeit zugemessen werden soll. Denn gerade die in diesem Bereich verlegten Rohre kann er als durch die Fundamentmauern geschützt ansehen, so daß es für ihn auch unter diesem Blickwinkel naheliegt, sie in der Schadensneigung den Ableitungsrohren gleichzusetzen, die oberhalb der Bodenplatte des Gebäudes verlegt worden sind.

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