Kammergericht Berlin
Az: 8 U 34/09
Beschluss vom 15.10.2009
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers hinsichtlich der Beklagten zu 2) durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die weitergehende Klage gegen die Beklagte zu 2) unzulässig ist.
Gründe
1. Die Beklagte zu 2) ist nicht mehr als parteifähig anzusehen. Denn die Beklagte zu 2) ist nach dem vorgelegten Auszug aus dem englischen Gesellschaftsregister des Companies House am 14. April 2009 erloschen.
Das Gesellschaftsstatut juristischer Personen, die wie die Beklagte zu 2) nach dem Recht eines anderen EG-Mitgliedstaates gegründet wurden, aber im Inland ihren tatsächlichen Verwaltungssitz haben, bestimmt sich im Rahmen der durch Art. 43 und 48 EGV garantierten Niederlassungsfreiheit nach dem Recht des Gründungsstaates. Dies ist aufgrund der Entscheidungen des EuGH in Sachen „Überseering“ (NJW 2002,3614) und „Inspire Art“ (NJW 2003,3331) auch in der nationalen Rechtsprechung zwischenzeitlich anerkannt (vgl. BGH NJW 2003,1461; NJW 2004,3706; NJW 2005,1648; vgl. Palandt/Thorn, BGB, 68. Auflage, Anh zu Art. 12 EGBGB, Rdnr. 6). Die Gesellschaft, hier die P. GmbH Limited, ist durch Eintragung mit Hauptniederlassung im Register of Companies von Cardiff zur Registernummer 5337100 gegründet. Hier in Deutschland ist nur eine Zweigniederlassung im Handelsregister beim AG Potsdam eingetragen (vgl. HRB 19875, K 8). Die Zweigniederlassung ist ein rechtlich unselbständiger Teil des Unternehmens. Die Gesellschaft hat in England ihren statuarischen Sitz und die Eintragung mit Hauptniederlassung dort im Register of Companies ist für die weitere Existenz als Kapitalgesellschaft konstitutiv (vgl. Süß, DNotZ 2005,180,181).
Das Personalstatut der Beklagten zu 2) ist demnach dem englischen Recht zu entnehmen, wobei sich danach sowohl die Wirksamkeit der Gründung als auch der Umfang und der Fortbestand der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft richtet (vgl. Palandt/Heldrich, a.a.O., Anh zu Art. 12 EGBGB, Rdnr. 10- 18). Nach dem insoweit maßgeblichen englischen Recht ist die Beklagte zu 2) als Limited aufgrund der Löschung im englischen Gesellschaftsregister des Companies House erloschen. Dies ergibt sich aus dem allgemein im Internet zugänglichen von der Beklagten zu 2) vorgelegten Ausdruck der Internetrecherche im Register des Companies House in Cardiff. Das Bestreiten des Klägers ist insoweit unerheblich. Die Löschung hat konstitutive Wirkung, d.h. die Limited als solche wurde durch die Löschung aufgelöst und hörte auf zu existieren. Wegen der konstitutiven Wirkung der Löschung braucht der Senat auch nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Löschung nach englischem Recht vorgelegen haben, was der Kläger – im Übrigen nur pauschal – in Abrede stellt (vgl. LG Duisburg ZIP 2007,926). Ist eine Gesellschaft nach dem für sie maßgeblichen Recht des Gründungsstaats erloschen, so ist dieser Status innerhalb der Europäischen Union überall rechtlich verbindlich (vgl. Schulz NZG 2005,415; LG Duisburg, a.a.O.). Die Beendigung einer Gesellschaft aufgrund der Löschung im Gesellschaftsregister hat nach englischem Recht zur Folge, dass etwaiges Vermögen der Gesellschaft im Wege der Legalokkupation nach sec. 654 CA 1985 auf die englische Krone übergeht. Davon wird jedoch nach dem Territorialitätsprinzip nur das in England belegene Vermögen der Gesellschaft umfasst, nicht etwaiges Auslandsvermögen (vgl. OLG Nürnberg OLGR 2007,1020 = NZG 2008,76). Diese Rechtslage kann allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden (vgl. Schall, DStR 2006,1229; Happ/Holler, DStR 2004,730; Schulz NZG 2005,415; Süß, a.a.O.; Borges, IPRax 2005, 134) und diese von der Beklagten zu 2) dargestellte Rechtslage ist auch vom Kläger nicht bestritten, so dass der Senat dies so zugrunde legen kann (Zöller/Geimer, ZPO, 27. Auflage, § 293 ZPO, Rdnr. 14ff.)
Im Falle des Vorhandenseins von Auslandsvermögen – hier gemeint Vermögen in Deutschland – bleibt trotz der Löschung und Auflösung der Limited in England die Gesellschaft in Deutschland als „Restgesellschaft“ fortbestehen. Wenn danach die so definierte Restgesellschaft Inhaberin des verbliebenen Vermögens in Deutschland ist, ist auch von ihrer Parteifähigkeit gemäß § 50 ZPO auszugehen (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O. mit weiteren Nachweisen).
Vorliegend kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte zu 2) als „Restgesellschaft“ in Deutschland fortbesteht, weil nicht ersichtlich ist, dass sie noch über Restvermögen verfügt. Soweit der Kläger geltend macht, dass die Bürgschaft des Beklagten zu 1) als Vermögen der Beklagten zu 2) in diesem Sinne zu qualifizieren ist, folgt der Senat dem nicht. Denn aufgrund der Bürgschaft ist nur der Gläubiger – hier der Kläger – berechtigt, den Bürgen in Anspruch zu nehmen. Eine Einstandspflicht des Bürgen besteht nur gegenüber dem Gläubiger (Palandt/Sprau, a.a.O., § 765 BGB, Rdnr. 25). Weitere Vermögenswerte hat der Kläger nicht behauptet und sie sind auch nicht ersichtlich. Mangels Vorhandensein von Vermögenswerten in Deutschland, besteht daher auch eine „Restgesellschaft“ im oben genannten Sinne nicht mehr mit der Folge, dass die Beklagte zu 2) nicht mehr partei- und prozessfähig im Sinne von § 50 ZPO ist. Der ein Sachurteil begehrende Kläger ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass er und der Beklagte partei- und prozessfähig sind (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 50 ZPO, Rdnr. 5 mit Rechtsprechungsnachweisen und vor § 253 ZPO, Rdnr. 9).
Im Übrigen hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich.
Es wird angeregt, die Fortführung der Berufung gegen die Beklagte zu 2) zu überdenken.
2. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte zu 1) aufgrund der Bürgschaft vom 26. August 2005 für die Verpflichtungen der Beklagten zu 2) aus dem Mietvertrag vom 24. April 2001 haftet. Die Berufung gegen den Beklagten zu 1) wird daher jedenfalls teilweise erfolgreich sein.