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LKW-Entladung und Herabfallen von Gegenständen auf Auto

Amtsgericht Berlin Tiergarten

Az: (290 Cs) 3032 PLs 5850/08

Beschluss vom 16.07.2008


Der Antrag der Amtsanwaltschaft Berlin vom 9. Juni 2008 auf Erlass eines Strafbefehles wird zurückgewiesen.

Die Landeskasse Berlin hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten zu tragen.

Gründe

Die Amtsanwaltschaft Berlin wirft dem Angeschuldigten vor, sich am 21. April 2008 gegen 14.00 Uhr in Berlin-Marzahn nach § 142 Abs 1 Nr. 1 StGB wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort strafbar gemacht zu haben.

Auf einem öffentlichen Parkplatz der Firma „…“ habe der Angeschuldigte einen Transporter des Herstellers … mit dem amtlichen Kennzeichen: … beladen. Dabei sei ein Ladungsteil gegen den neben dem … geparkten Pkw … (…) gestoßen, wodurch ein Fremdschaden von etwa 1 100,00 Euro entstanden sei. Obwohl der Angeschuldigte den Schadenseintritt bemerkt habe, habe er sich mit dem genannten Fahrzeug unerlaubt vom Unfallort entfernt.

Das beschließende Gericht verneint hinreichenden Tatverdacht, so dass der Antrag auf Erlass eines Strafbefehles zurückzuweisen ist.

Der Tatbestand des § 142 Abs. 1 StGB setzt zunächst einen „Unfall im Straßenverkehr“ voraus. Ein Verkehrsunfall ist ein plötzliches Ereignis im öffentlichen Verkehr, das mit dessen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang steht und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat, der nicht ganz unerheblich ist. Auch Schadensereignisse im ruhenden Verkehr können Verkehrsunfälle sein, wenn sie verkehrsbezogene Ursachen haben. Ein Unfall liegt aber nur vor, wenn das Schadensereignis durch die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verursacht wurde.

So liegt der Fall nach Auffassung des beschließenden Gerichts hier nicht.

Zwar weist die Anklagebehörde zu Recht darauf hin, dass nach der obergerichtlichen Rechtsprechung z B. das Hinunterklappen der Bordwand eines parkenden Lastkraftwagens, durch das ein parkendes Fahrzeug beschädigt wurde, als „Verkehrsunfall“ im Sinne des § 142 StGB anzusehen ist (vgl. OLG Stuttgart NJW 1969, 1726, rechte Spalte). Das OLG Stuttgart betonte in jener Entscheidung, es sei gerechtfertigt, den Begriff des Verkehrsunfalls nicht auf Unfälle im Zusammenhang mit dem fließenden Verkehr zu beschränken. Vielmehr müsse es ausreichen, dass der Unfall als ein Ereignis angesprochen werden könne, das sich im Straßenverkehr ereignet habe, wobei Straßenverkehr nicht nur der fließende, sondern auch der ruhende Verkehr sei. Auch dieser nehme an dem Schutz teil, den § 142 StGB gegen den Beweisverlust gewähre. Stürze also z.B. ein Teil der Ladung von einem Lkw, und werde dadurch ein parkendes Fahrzeug beschädigt, so liege ein Verkehrsunfall unabhängig davon vor, ob sich der Lkw im Betrieb befunden oder seinerseits geparkt gewesen sei (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O., Seite 1727, linke Spalte). Dem Fahrer des Lkw wäre zudem eine Zuwiderhandlung gegen §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO vorzuwerfen, was ebenfalls für die Annahme eines „Verkehrsunfalles“ sprechen würde.

Im vorliegenden Falle ist jedoch nicht ein Teil der Ladung von einem Kraftfahrzeug heruntergefallen, vielmehr hat der Angeschuldigte durch fehlerhaftes Beladen den … beschädigt. Nach dem bisherigen Akteninhalt ist davon auszugehen, dass der Angeschuldigte Sichtschutzzaunelemente aus Holz in den Transporter eingeladen hat. Dabei berührte ein Zaunelement den …, so dass dieses Fahrzeug beschädigt worden ist.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich somit von dem von dem OLG Stuttgart angenommenen. Während in dem von dem OLG Stuttgart angenommenen Fall auch von einer Zuwiderhandlung des Fahrzeugführers gegen § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO auszugehen ist, erfolgte der Schadenseintritt im vorliegenden Fall nicht im ruhenden, sondern im stehenden Verkehr. Zu einer Teilnahme eines Kraftfahrzeugs am Straßenverkehr nach erfolgter Beladung ist es noch gar nicht gekommen.

Dass die Beschädigung eines parkenden Fahrzeugs durch das Hinunterklappen der Bordwand eines parkenden Lkw als Verkehrsunfall im Sinne des § 142 StGB anzusehen ist, mag auch dadurch bestätigt werden, dass der Schaden durch ein Fahrzeugteil des Lkw verursacht worden ist, ebenso, wie wenn ein Schaden dadurch entsteht, dass das Öffnen einer Wagentür einen Schaden verursacht und somit unter § 14 Abs. 1 StVO zu subsumieren ist.

Der konkrete Fall ist auch nicht mit dem von dem Landgericht Berlin am 27. Juni 2006 entschiedenen Fall zu vergleichen, in dem das Landgericht Berlin feststellte, dass das Vorbeischieben von auf Rollen beweglichen Mülltonnen an parkenden Fahrzeugen im öffentlichen Straßenraum (damit sie später zum Müllfahrzeug gebracht werden können) in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verkehrsgeschehen stehe und somit „im Straßenverkehr“ im Sinne von § 142 Abs. 1 StGB stattfinde (vgl. Landgericht Berlin NZV 2007, 322).

Dem beschließenden Gericht ist auch nicht die Entscheidung des OLG Köln vom 29. Juni 1983 unbekannt, nach der es sich um einen Verkehrsunfall im Sinne von § 142 StGB handelt, wenn ein Pkw beim Reifenwechsel im öffentlichen Verkehrsraum vom Wagenheber rutscht und dadurch ein anderes Fahrzeug beschädigt (OLG Köln VRS 65, 431). Während ein Reifenwechsel im allgemeinen der baldigen Wiederinbetriebnahme des Fahrzeugs dienen wird, ist das Beladen eines Fahrzeugs im stehenden Verkehr keineswegs Voraussetzung dafür, das Kraftfahrzeug alsbald im Straßenverkehr zu benutzen.

Das beschließende Gericht schließt sich nach alledem der in der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung an, dass kein Verkehrsunfall im Sinne des § 142 StGB anzunehmen sei, wenn beim Be- oder Entladen ein Gegenstand von einem Lkw auf einen daneben stehenden Pkw fällt, da sich in diesem Geschehen in keiner Weise irgendein typisches Unfallrisiko gerade des Straßenverkehrs verwirklicht hat (vgl. Nomos, Kommentar zum StGB, 3. Band, § 142, Rn. 46).

Nach alledem ist hinreichender Tatverdacht (§ 203 StPO) zu verneinen, und zwar weil die dem Angeschuldigten vorgeworfene Tat aus Rechtsgründen nicht strafbar ist. Da das Gericht den Angeschuldigten nicht für hinreichend verdächtig hält, ist der Erlass eines Strafbefehles abzulehnen (§ 408 Abs. 2 Satz 1 StPO).

Die Entscheidung zu den Verfahrenskosten und den notwendigen Auslagen des Angeschuldigten beruht auf den §§ 467 Abs. 1, 408 Abs. 2 Satz 2 StPO.

Gegen diesen Beschluss ist die sofortige Beschwerde zulässig, die binnen einer Woche nach Zustellung schriftlich in deutscher Sprache oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem erkennenden Gericht eingelegt werden kann.
Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb dieser Frist bei dem Gericht eingeht.

 

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