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LKW-Fahrer-Verletzung durch Gabelstapelfahrer

Hessisches Landesarbeitsgericht

Az: 12 Sa 399/05

Urteil vom 19.05.2009


Auf die Berufung des Klägers wird das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 27.10.2004 Az. 1 Ca 77/04 unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen sowie der Anschlussberufung der Beklagten zu 2) teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 12.039,79 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 10.039,79 EUR netto seit dem 28.08.2003 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger die materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 05.03.2002 auf dem Betriebsgelände der Beklagten zu 2) in Stadtallendorf mit einer Haftungsquote vom 80% zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Im Übrigen wird die Klage einschließlich der Klageerweiterungen im Berufungsverfahren zurückgewiesen.

Von den erstinstanzlichen Gerichtskosten des Rechtsstreits hat der Kläger 1/3, die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner 2/3 zu zahlen.

Von den erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger die des Beklagten zu 1) zu 1/3, die der Beklagten zu 2) zu 1/3 zu tragen mit Ausnahme der Kosten, die durch die Anrufung des Landgerichts Marburg entstanden sind. Diese trägt der Kläger allein.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens (Streitwert 30.700,– EUR) trägt der Kläger 50%, d. Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner ebenfalls 50%.

Die Kosten der Anschlussberufung (Streitwert 4.500,– EUR) trägt die Beklagte zu 2)

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:
Die Parteien streiten über Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Klägers aus einem Unfall, der sich auf dem Betriebsgelände der Beklagten 2) ereignete.

Der am … geborene, verheiratete Kläger ist zu einem Nettomonatslohn von zuletzt durchschnittlich EUR 1.673,27 bei der Fa. A als Kraftfahrer beschäftigt. Der Monatslohn beinhaltet den Arbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen Leistungen sowie den Einzelfahrerzuschlag. Der Beklagte zu 1) ist im Unternehmen der Beklagten zu 2) seit Herbst 1999 als Gabelstaplerfahrer beschäftigt.

Am 5.03.2002 erhielt der Kläger von seinem Arbeitgeber den Auftrag, bei der Beklagten 2) in X eine Lieferung abzuholen. Vor Ort fuhr er rückwärts in eine der dreißig Ladebuchten der Versandhalle bei der Beklagten 2) ein und begab sich zur Überwachung des Ladevorgangs in die Versandhalle. In der Halle verläuft quer zu den Ladebuchten auf der einen und zum Hochregallager auf der anderen Seite eine Fahrbahn. Auf dieser sind sowohl Fußgänger als auch Gabelstapler unterwegs, letztere insbesondere in der Weise, dass sie permanent die Fahrbahn zwischen dem Hochregallager und den zu beladenen Lkws in den Ladebuchten in beide Richtungen kreuzen. Die Gabelstapler sind weder mit akustischen oder Lichtwarnsignalen beim Rückwärtsfahren noch mit Spiegeln ausgestattet. Markierungen auf dem Hallenboden, die einen Weg nur für Fußgänger von dem Ladeverkehr abgrenzen, existierten zum damaligen Zeitpunkt nicht. Die Fahrer der Lkws mussten nach Abschluss des Ladevorgangs durch die Halle zum Versandbüro gehen, um dort die Versandpapiere abzuholen. Eine Alternative für diesen Weg gab es nicht.

Der Kläger hatte auf seinem Weg zum Versandbüro, den er nach Abschluss des Ladevorgangs am Fahrbahnrand entlang der Ladebuchten nahm, gerade die Ladebucht 19 überquert, als ihn der vom Beklagten 1) gefahrene Gabelstapler von hinten am linken Fußes erfasste. Der Fuß des Klägers wurde ins hintere Rad des Gabelstaplers eingequetscht. Dadurch erlitt er ein schweres Quetschtrauma mit großflächigem Weichteilverlust sowie mehrere knöcherne Aussprengungen und Trümmerfrakturen. Der Beklagte 1) war dabei, einen dort abgestellten Lkw zu beladen.

Zu dem Unfall kam es wie folgt: auf seinem Weg sah der Kläger vor dem Überqueren der Ladebucht 19 den Beklagten 1) von links aus dem Hochregallager kommen, hielt an, ließ ihn an sich vorbei in den Lkw hineinfahren und schickte sich dann an, die 2,50 m breite Ladebucht zu überqueren. Nachdem er dies gerade geschafft hatte, erfasste ihn der rückwärts aus dem Lkw kommende Gabelstapler an der Ferse seines rechten Fußes. Der Beklagte 1) hatte nach Absetzen der Ladung im Lkw diesen zunächst rückwärts fahrend verlassen, ohne vorher nach hinten zu schauen. Nach Verlassen des Lkw schlug er die Lenkung des Gabelstaplers zum Wenden nach links ein. Erst dabei schaute er über die rechte Seite nach hinten. Beim Wendevorgang erfasste er den Kläger, den er nicht sah, am linken Fuß. Streitig ist hinsichtlich des Unfallhergangs lediglich, wie tief der Gabelstapler in den zu beladenen Lkw eingefahren war.

Der Kläger war infolge des Unfalls vom 3.02.2002 bis zum 14.09.2003 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Zunächst befand er sich bis zum 12.03.2002 zur stationären Behandlung in der Universitätsklinik in Marburg, daran anschließend bis zum 12.05.2002 in der Universitätsklinik in Jena. In dieser Zeit musste er sich zur Behandlung der Ablederungsverletzung an der Ferse und der erlittenen Knochenbrüche sowie zur Durchführung von Hauttransplantationen 12 operativen Eingriffen unter Vollnarkose unterziehen. Danach stand er in regelmäßiger ambulanter Behandlung des Chirurgen B. Vom 5.08. bis 23.09.2002 hielt er sich zu einer stationären Reha-Behandlung in der Z- Klinik in Bad Y auf. Für das Krankheitsbild sowie Art und Umfang der chirurgischen Eingriffe wird auf die Entlassungsberichte der genannten Kliniken sowie auf die Berichte des B vom 29.10.2002 und vom 24.10.2003 Bezug genommen (Bl. 10 – 21 und 106 d.A.).

Am 14.09.2003 nahm der Kläger seine Tätigkeit als Kraftfahrer in dem immer noch bestehenden Arbeitsverhältnis zur Fa. A wieder auf. In der Folge war er während folgender Zeiträume erneut arbeitsunfähig erkrankt:

10.11. – 07.12.2003

18.03. – 08.04.2004

23.08. – 01.10.2004

11.03. – 15.04.2005

25.07. – 21.08.2005

13.10. – 15.11.2005

10.05. – 02.06.2006

07.07. – 30.07.2006

Der Kläger erhielt nach dem Ende der Entgeltfortzahlung ab dem 16.04.2002 ein Verletztengeld in monatlich durchschnittlicher Höhe von EUR 1.360,00, sowie ab dem 15.09.2003 zusätzlich eine von der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (BGF) gezahlte Verletztenrente in Höhe von 634,90 EUR monatlich. Mit Abhilfebescheid vom 4.02.2005 stellte die BGF zudem mit Wirkung zum Rentenbeginn am 15.09.2003 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 % fest (Bl. 320 d. A.).

Mit seiner Klage einschließlich aller Klageerweiterungen macht der Kläger Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aufgrund seiner krankheitsbedingten Ausfallzeiten für den Zeitraum seit dem Unfallereignis am 5.03.2002 bis zum 31.12.2008 geltend. Die Haftpflichtversicherung der Beklagen 2) zahlte im Mai 2003 als Vorschuss zur freien Verrechnung auf mögliche Ansprüche des Klägers an diesen 26.000,00 EUR aus.

Der Kläger hat zum Unfallhergang behauptet, er habe den vom Beklagten 1) gefahrenen Gabelstapler tief in dem zu beladenen Lkw verschwinden sehen, bevor er die Ladebucht 19 überquert habe. Er habe daher ohne Bedenken zur Überquerung der Ladebucht ansetzen können. In den Sicherheitszonen zwischen den Ladebuchten habe er sich nicht aufhalten können, weil dort Paletten gelagert waren. Angesichts dieses Geschehensablaufs hat er die Ansicht vertreten, dass ihn kein Mitverschulden an dem Unfall treffe, sondern der Beklagte 1) als Verursacher und die Beklagte 2) über ein Auswahl- bzw. Organisationsverschulden in vollem Umfang als Schuldner hafteten. Die Beklagte 2) hätte in der Halle durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen für einen risikofreien, vom Gabelstaplerverkehr getrennten Weg für Fußgänger sorgen müssen.

Zur Höhe des Schadensersatzanspruchs hat der Kläger behauptet, sämtliche aufgetretenen Arbeitsunfähigkeitszeiten seien durch das Unfallereignis und seine Folgen verursacht. Durch die krankheitsbedingten Ausfälle habe er Einbußen beim Monatslohn, den vermögenswirksamen Leistungen, bei den Spesenzahlungen, beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld, ferner bei der halbjährlichen Leistungsprämie und der Einzelfahrerprämie erlitten. Hinzu seien noch Fahrt- und Parkkosten für unfallbedingte Fahrten mit dem Pkw zu Kliniken und zum Rechtsanwalt, Kosten für Telefon, Heilmittel und sonstiges sowie ein Kleiderschaden gekommen. Für den vom arbeitsgerichtlichen Urteil umfassten Zeitraum hat er die Höhe des Schadens auf insgesamt EUR 17.047,90 beziffert. Zum Anspruch auf Schmerzensgeld hat er die Ansicht vertreten, dass die lange dauernde Arbeitsunfähigkeit, die insgesamt 12 Operationen, denen er sich habe unterziehen müssen, die bleibenden gesundheitlichen Schäden sowie die psychischen Belastungen durch das Unfallgeschehen selbst und seine nicht absehbaren gesundheitlichen sowie wirtschaftlichen Auswirkungen, für den Zeitraum bis September 2004 ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 27.00,00 rechtfertigten. Für die weiteren Ausführungen des Klägers zu den einzelnen Schadenspositionen und zum Schmerzensgeldanspruch sowie für seine Berechnungen des Schadensersatzanspruchs wird auf die Klageschrift sowie die Klageerweiterung vom 17.02.2004 Bezug genommen (Bl. 3 – 7, 127 d. A.).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an ihn 17.047,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 15.972,90 EUR seit Rechtshängigkeit sowie aus 1.075,90 EUR seit dem 31.12.2003 zu zahlen;

die Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht unter 1.000,00 EUR, zu zahlen;

festzustellen, dass die Beklagten auch für künftige materielle und immaterielle Schäden, die ihm infolge des Unfallereignisses vom 5.03. 2002 entstehen werden, vollumfänglich haften.

Die Beklagten 1) und 2) haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten 1) und 2) haben sich zunächst auf die Haftungsprivilegierungen der §§ 104 – 106 SGB VII berufen, die hier zum Ausschluss einer Haftung gegenüber dem Kläger führten. Zum Unfallgeschehen haben sie behauptet, dass der Beklagte1) nur noch die letzte Palette auf den Lkw zu laden gehabt habe. Sie haben die Ansicht vertreten, dass aus diesem dem Kläger erkennbaren Umstand ein Mitverschulden seinerseits von zumindest einem Drittel folgen müsse. Er hätte die Beendigung des Ladevorgangs abwarten müssen. Im Übrigen wäre es für ihn sicherer gewesen, entlang des gegenüberliegenden Fahrbahnrands zu gehen. Die Beklagte 2) hat zudem die Ansicht vertreten, dass sie für ein Verschulden des Beklagten 1) nicht haften müsse, weil sie diesen sorgfältig ausgesucht und ständig kontrolliert habe. Zu ihren Ausführungen dazu wird auf den Schriftsatz der Beklagten 2) vom 1.06.2004, Seiten 4 – 7 Bezug genommen (Bl. 173 – 176 d. A.). Zur Höhe des Schmerzensgeldanspruchs haben die Beklagten die Ansicht vertreten, dass die Unfallverletzungen und ihre Folgen für die gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers, soweit sie den Berichten der Kliniken zu entnehmen seien, kein Schmerzensgeld von mehr als 20.000,00 EUR rechtfertigten.

Das Arbeitsgericht Marburg hat mit Urteil vom 27.10.2004 (1 Ca 77/04) die Zahlungsanträge abgewiesen, gleichzeitig aber festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 5.03.2002 mit einer Haftungsquote von 50 % zu ersetzen. Die Abweisung der Zahlungsanträge ergab sich daraus, dass bei der angenommenen Haftungsquote von 50 % der von der Haftpflichtversicherung vorprozessual geleistete Vorschuss die Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Klägers bereits überstieg. Für die Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 250 – 258 d. A.).

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Der Kläger hat gegen das ihm am 4.02.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 2.03.2005 Berufung beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingelegt und sie am 4.04.2005 begründet. Die Beklagte 2) hat vor Ablauf der ihr zur Berufungserwiderung gesetzten Frist am 18.05.2005 Anschlussberufung eingelegt.

Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er behauptet weiter, dass der Beklagte 1) zur Beladung tief in den Lkw eingefahren sei. Er ist der Ansicht, unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr eines Gabelstaplers und der Umstände, dass der Beklagte 1) sich beim Rückwärtsfahren nicht umgeschaut habe und in der Halle keine bessere Alternative zum Erreichen des Versandbüros zur Verfügung stehe, könne ihn ein maximales Mitverschulden von 20 % treffen. Er ist weiter der Ansicht, dass die Beklagte 2) nicht nur ein Auswahl- und Kontrollverschulden, sondern auch ein Organisationsverschulden anzulasten sei; denn der Unfall wäre durch die Einrichtung eines gesicherten, nur für Fußgänger eingerichteten Gehbereichs vermeidbar gewesen. Er behauptet weiter, sämtliche Arbeitsunfähigkeitszeiten seit dem Unfall vom 5.03. 2002 in der Zeit bis zum 30.07.2006 seien auf die beim Unfall erlittenen Verletzungen zurückzuführen Zu den dem Verdienstausfall zugrunde liegenden Einzelansprüchen und ihrer Berechnung behauptet er, die Spesen pauschal, ohne konkreten Nachweis – gestaffelt nach Abwesenheitszeiten (8 – 14 Std. 5,11 EUR, 14 – 24 Std. 10,23 EUR, über 24 Std. 23,53 EUR) – erhalten und das Geld zur Abzahlung des kreditfinanzierten Hauses der Familie verwendet zu haben. Auf seinen Fahrten während der Woche habe er sich nur von mitgebrachten Getränken ernährt und ausschließlich im Lkw geschlafen. Die Höhe der ausgefallenen Spesen berechnet er aus der Differenz der in Jahren 2000 und 2001 im Durchschnitt erhaltenen monatlichen Spesen und den in den Jahren 2002 bis 2007 tatsächlich monatlich erhaltenen Spesen. Er ist dabei im Ergebnis für die Jahre 2000 – 2007 zu einem Monatsdurchschnitt an Speen für sich sowie für seine Kollegen in Höhe von EUR 436.00 gelangt. Die monatlichen Beiträge zum Bausparvertrag, der aus den vermögenswirksamen Leistungen bedient worden ist, habe er im Zeitraum Mai 2002 bis August 2003 in Höhe von EUR 425,54 anstelle des Arbeitgebers gezahlt. Im Jahre 2002 habe das Urlaubsgeld in Höhe von EUR 174,70 netto, in den Jahren 2003 bis 2006 habe er das Weihnachtsgeld in Höhe von insgesamt EUR 1.255,20 nicht erhalten. Des Weiteren sei ihm aufgrund der Unfallfolgen die zweimal jährlich gezahlte Leistungsprämie in den Jahren 2002, 2003 und 2006 entgangen. Den Gesamtverlust beziffert er auf EUR 1.810,00 netto. Ebenso sei ihm in den Jahren 2002 bis 2008 in verschiedenen von ihm ausgeführten Zeiträumen der Einzelfahrerzuschlag in Höhe von EUR 15,40 netto täglich entgangen. Den Verlust daraus berechnet er mit EUR 5.720,06 netto. Nach seinen Berechnungen gelangt der Kläger zu einem Erwerbsschaden aus entgangenen Spesen, vermögenswirksamen Leistungen, Leistungsprämie, Einzelfahrerzuschlag, Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von EUR 24.993,20. Unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 20 % vermindert sich der Betrag auf 19.994,56. Die weiter eingeklagten Kosten für Fahrten und Parken, für Kleider- und sonstige Kleinschäden beziffert er auf EUR 1.988,95 (EUR 1.591,16 nach Abzug von 20 %). Hinsichtlich der Bemessung des Schmerzensgeldes hält der Kläger für den Zeitraum bis Ende 2008 einen Betrag von EUR 35.000,00 (EUR 28.000,– nach Abzug von 20 %) für angemessen. Er vertritt die Auffassung, dass die Verletztenrente, die er seit dem 15.09.2003 erhalte, auf den ihm entstandenen materiellen Schaden nicht anzurechnen sei. Da er die Rente ungeachtet dessen, ob er tatsächlich einen Verdienstausfall erleide, erhalte, komme ihr keine Lohnersatzfunktion zu, sondern sei sie eine zusätzliche Entschädigung für die aus dem Unfall erlittenen Körperschäden. Der Umstand, dass nach seiner letzten, nach Monatszeiträumen gegliederten Schadensaufstellung für die Zeit nach dem 15.09.2003 (Anhang zum SS vom 20.02.2009, Bl. 574 – 575 d. A.) der eingetretene Schaden nur in den Monaten September 2004 und November 2005 die Verletztenrente übersteigt, habe deshalb keine Auswirkungen auf die Höhe seines Schadensersatzanspruchs.

Für den weiteren Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf seine Schriftsätze vom 4.04.2005, 23.12.2005, 18.01.2006, 23.01.2006, 12.05.2006, 4.08.2006, 19.03.2007, 9.07.2008, 30.12.2008, 20.02.2009 und vom 20.03.2009 verwiesen (Bl. 306 – 319, 362 – 366, 378 – 379, 382 – 384, 413 – 416, 418 – 421, 437 – 438, 495 – 503, 546 – 552, 572 – 575, 584 – 585 d. A.).

In der letzten mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Feststellungsantrag teilweise, soweit eine höhere Haftungsquote als 80 % beantragt war, zurückgenommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 27.10.2004, Az.: 1 Ca 77/04 abzuändern: die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 26.106,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins aus 15.574,05 sei Rechtshängigkeit, aus 1.075,00 EUR seit dem 31.12.2003, aus 1,725,39 EUR seit dem 2.10.2004, aus 1.381,32 EUR seit dem 2.01.2006 und aus 3.864,65 EUR seit Zustellung des Schriftsatzes 30.12.2008 zu zahlen;

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger ein (weiteres) angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu zahlen, mindestens jedoch 2.00,00 EUR

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 5.03.2002 auf dem Betriebsgelände der Beklagten 2) in Stadtallendorf mit einer Haftungsquote von 80 % zu bezahlen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten 1) und 2) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte 2) beantragt darüber hinaus,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Marburg vom 27.10.2004 – 1 Ca 77/04 – die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagten 1) und 2) behaupten weiterhin, der Gabelstapler sei nicht in der Tiefe des Lkw verschwunden, sondern habe die letzte Reihe mit Paletten beladen und sei so für den Kläger immer sichtbar gewesen. Sie halten ein Mitverschulden des Klägers von 50 % für angemessen; denn der Kläger hätte den Unfall durch einen Blick nach rechts, der ihm gezeigt hätte, dass der Gabelstapler gleich wieder zurücksetzt, oder das Durchqueren der Halle auf der der Rampe gegenüber liegenden Seite abwenden können. Da der Gabelstapler in einer betrieblichen Situation einen üblichen Arbeitsvorgang durchführte und der Kläger mit den Örtlichkeiten vertraut war, könne die Betriebsgefahr des Fahrzeugs nicht so erheblich ins Gewicht fallen wie bei einer unberechenbaren Situation im Straßenverkehr. Zur Höhe des Schmerzensgeldes verteidigen sie das arbeitsgerichtliche Urteil. Zur Höhe des Schadens behaupten sie, dass die ab dem Jahre 2004 aufgetretenen Arbeitsunfähigkeiten des Klägers nicht auf den Unfall vom 5.03.2002 zurückzuführen seien. Den Spesenausfall halten sie nicht für erstattungsfähig; der Kläger habe nicht hinreichend darzulegen vermocht, dass das Geld insgesamt für die Abzahlung des Familienhauses und nicht im Rahmen erhöhter Aufwendung verwendet werde. Die Fahrtkosten seien nicht schlüssig dargelegt worden. Angesichts des Umstands, dass die BG bereits einen Teil der Fahrtkosten erstattet habe, hätte die Entstehung der Fahrtkosten näher aufgeschlüsselt werden müssen. Gegenüber dem erstmals mit Schriftsatz vom 9.07.2008 – rückwirkend seit 2002 – eingeklagten Einzelfahrerzuschlag erheben sie die Einrede der Verjährung. Für die Zeit ab dem 15.09.2003 vertreten sie die Auffassung, dass dem Kläger keine weiteren Schadensersatzansprüche mehr zustehen, da diese die anzurechnenden Zahlungen der Verletztenrente in keinem Monat überstiegen.

Die Beklagten 2) ist zudem der Ansicht, dass ihre Haftung schon aufgrund einer Haftungsprivilegierung nach den Vorschriften des SGB VII ausscheide. Eine gemeinsame Betriebsstätte sei bereits zu bejahen, wenn mehrere Personen an einem Ort bei der Ausführung betrieblicher Arbeiten aufeinanderträfen. Der Kläger sei auch wie ein Arbeitnehmer tätig geworden. Das Zurverfügungstellen der Frachtpapiere sei wie das Beladen des Lkw eine Verpflichtung der Beklagten 2). Daher hätte auch einer ihrer Arbeitnehmer die Frachtpapiere holen können. Sie müsse auch deshalb nicht haften, weil ihr weder ein Überwachungs- noch ein Organisationsverschulden angelastet werden könne. Zu ersterem behauptet sie, die Vorarbeiter jeder Schicht seien angewiesen, die gleichzeitig tätigen Staplerfahrer zu beobachten. Der Vorarbeiter sei ständig vor Ort und habe die Fahrer so im Blick. Unerwartete und überraschende Kontrollen seien bei der ständigen Anwesenheit schwierig zu organisieren und – anders als bei außerhalb des Betriebes unbeobachtet tätigen Kraftfahrern- zudem nicht geboten. Die Fahrer unterlägen so einer ausreichenden Kontrolle ihres Fahrverhaltens. Zu letzterem behauptet sie, seit Inbetriebnahme der Halle im Jahre 1976 sei kein vergleichbarer Unfall geschehen. Das Fehlen einer Alternative zur Durchquerung der Halle könne noch kein Organisationsverschulden begründen. Bei Beachtung der notwendigen Sorgfalt sei es für Lkw-Fahrer ohne Weiteres möglich, sicher zum Versandbüro zu gelangen.

Für den weiteren Vortrags des Beklagten 1) in der Berufungsinstanz wird auf seine Schriftsätze vom 12.05.2005, 6.06.2005, 9.01.2006, 11.06.2007 und vom 25.02.2009 (Bl. 341 – 346, 361, 409 – 411, 452, 576 – 577) verwiesen, für den der Beklagten 2) auf ihre Schriftsätze vom 18.05.2005, 19.01.2006, 3.04.2006, 23.04.2007, 15.11.2007, 16.01.2008 und vom 18.03.2009 (Bl. 347- 358, 376 – 377, 412, 450, 454, 458 – 459, 580 – 581).

Das Landesarbeitsgericht hat auf der Grundlage des Beweisbeschluses vom 5.02.2008 Beweis erhoben durch Einholen einer schriftlichen Aussage des B (Bl. 479).

Die Berufung ist statthaft (§§ 8 ArbGG, 64 Abs. 1, 2 ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519, 520 Abs. 1, 3 ZPO). Die Klageerweiterungen sind nach § 533 Nr. 1, 2 ZPO zulässig. Die Anschlussberufung der Beklagten 2) ist ebenfalls statthaft und auch ansonsten zulässig (§§ 64 Abs. 6 ArbGG; 524 Abs. 1 – 3 ZPO).

Die Berufung des Klägers ist in der Sache teilweise erfolgreich. Die Anschlussberufung der Beklagten 2) bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Die Beklagten waren als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger gemäß §§ 823 Abs. 1, 840 Abs. 1, 842, 254 BGB Schadensersatz in Höhe von EUR 10.039,79 sowie gemäß § 253 Abs. 2, 840, 254 BGB ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 28.000,00 zu zahlen. Auf diesen Anspruch sind die bereits vorab von der Haftpflichtversicherung geleisteten EUR 26.000,00 anzurechnen. Zudem war nach denselben Vorschriften festzustellen, dass die Beklagten 1) und 2) verpflichtet sind, dem Kläger die materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 5.03.2002 auf dem Betriebsgelände der Beklagten 2) in Stadtallendorf mit einer Haftungsquote von 80 % zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind. Eine Haftungsprivilegierung zugunsten der Beklagten 1) und 2) nach den Vorschriften des SGB VII greift nicht ein. Hinsichtlich der weitergehenden Schadensersatzansprüche des Klägers ist die Klage unbegründet. Ferner war festzustellen, dass die Beklagten 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger für sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die er aus dem Unfallereignis vom 5.03.2002 erleidet, Schadensersatz zu leisten. Die Anschlussberufung der Beklagten 2) ist unbegründet.

I.

Die Beklagten 1) und 2) sind als Gesamtschuldner zur Zahlung von Schadensersatz an den Kläger in Höhe von EUR 10.037,79 verpflichtet (§§ 823 Abs. 1, 840, 842, 254 BGB).

1. Die Haftung des Beklagten 1) folgt aus § 823 BGB. Er hat bei dem Unfallereignis am 5.03.2002 in Ausübung seiner Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer widerrechtlich den Körper und die Gesundheit des Klägers verletzt, als er unstreitig nach dem Rückwärtssetzen aus einem zu beladenen Lkw zu einem Wendevorgang das Steuer links einschlug und dabei den linken Fuß des Klägers von hinten erfasste, unter dem Gabelstapler einquetschte und dabei erheblich verletzte. Seine Handlung war auch schuldhaft, weil er sich vor dem Rückwärtsfahren und vor dem Einschlagen des Lenkrades nach links nicht umgeschaut und vergewissert hat, ob die Fahrbahn hinter ihm frei ist, zumal er den Kläger bei der Auffahrt auf die Laderampe an deren Rand stehen gesehen hatte.

2. Die Haftung der Beklagten 2) folgt ebenfalls aus § 823 Abs. 1 BGB aufgrund eines Organisationsverschuldens (Verletzung der Verkehrssicherungspflichten). Die Sicherheit der Ladehalle liegt im Verantwortungsbereich der Beklagten 2). Sie hat für die Sicherheit der die Halle durchquerenden Fußgänger, u. a. die Lkw-Fahrer auf dem Weg zum Versandbüro, nicht in erforderlicher und zumutbarer Weise gesorgt. Unstreitig müssen alle Fußgänger, die zu den Büros gelangen wollen, die Halle durchqueren. Einen alternativen Weg zum Erreichen der Büros gibt es nicht. In der Halle selbst herrscht durchgehend lebhafter Gabelstaplerverkehr. Die Stapler durchqueren permanent die Halle auf ihrem Weg zwischen den zu beladenen Lkws und dem Hochregallager. So kreuzen sie auch permanent den einzigen Weg durch die Halle für Fußgänger, auf dem zum Unfallzeitpunkt der Kläger unterwegs war. Diese Situation birgt, da die Gabelstapler auch rückwärts fahren – sowohl bei der Ausfahrt aus den Lkws als auch bei der aus den Hochregalen – ein hohes Unfallrisiko. Dieses wird noch dadurch weiter erhöht, dass die Gabelstapler für das Rückwärtsfahren weder mit Spiegeln noch mit akustischen Signalen ausgestattet sind. Dieses Risiko, auch wenn es sich durch den Unfall des Klägers erstmals in dieser heftigen Form realisiert hat, hätte die Beklagte längst erkennen und ihm durch Schaffung eines optisch deutlich wahrnehmbaren separaten Laufweges für Fußgänger begegnen müssen. Der Unfall des Klägers hätte dadurch vermieden werden können. Indem sie dies unterlassen hat, hat sie die ihr obliegenden Pflichten für die Sicherheit von Fußgängern in der Ladehalle schuldhaft verletzt.

Ob daneben auch ein Überwachungsverschulden gegeben ist, kann nach den hier getroffenen Feststellungen dahinstehen.

3. Die Beklagten 1) und 2) haften für den Unfallschaden jedoch nicht in voller Höhe, sondern lediglich zu 80 %; denn den Kläger trifft ein Mitverschulden in Höhe von 20 %. Die Kammer ging bei ihren Überlegungen zum Mitverschulden davon aus, dass die Unfallschilderung des Klägers in dem Punkt, dass der Gabelstapler für ihn nicht mehr sichtbar in der Tiefe des Lkw verschwunden sei, nicht dem tatsächlichen Ablauf entsprechen kann; denn bei einem völligen Verschwinden im Lkw wäre der Gabelstapler so weit entfernt gewesen, dass der Kläger bei sofortigem Überqueren der Ladebucht auf jeden Fall ausreichend Zeit gehabt hätte, die weniger als 3 m unverletzt hinter sich zu lassen. Nach den ansonsten weitgehend unstreitigen Ausführungen der Parteien geht die Kammer von folgendem Umfallhergang aus: Auf seinem Fußweg entlang der Laderampen sah der Kläger vor dem Überqueren der Ladebucht 19 den vom Beklagten 1) gefahrenen Gabelstapler von links aus dem Hochregallager kommen, hielt an und ließ den Beklagten 1) nach rechts in Richtung der Ladebucht an sich vorbeifahren. Der Beklagte 1) sah den Kläger im Vorbeifahren ebenfalls dort stehen. Nachdem der Beklagte 1) ihn passiert hatte, setzte der Kläger seinen Weg, die Ladebucht überquerend, fort. Dies hatte er gerade geschafft, als ihn der Beklagte 1) nach dem Rückwärtssetzen aus der Ladebucht von hinten erfasste und sein linker Fuß unter dem Gabelstapler eingequetscht wurde. Dazu konnte es nur kommen, weil der Beklagte 1) mit dem Gabelstapler nicht tief im Lkw verschwunden war, sondern, wie es der Bericht des Werkschutzmannes nahelegt, nur die letzte Reihe auf der Ladefläche mit Paletten belud. Der Beklagte 1) muss die Paletten schnell abgeladen und – ohne sich vor dem Rücksetzen oder dem Einschlagen des Lenkrads nach links – in irgendeiner Weise zu vergewissern, dass hinter ihm die Fahrbahn frei ist, zurückgesetzt haben. Gleichzeitig hat der Kläger nicht auf das weitere Geschehen zu seiner Rechten in der Ladebucht geachtet, sondern ist, da der Beklagte 1) ihn gerade erst passiert hatte, davon ausgegangen, genügend Zeit zur Überquerung der Ladebucht zu haben. Hätte er nach rechts geschaut und gesehen, dass der Beklagte 1) nicht weit entfernt Ladung abstellte, wäre er entweder gar nicht erst losgegangen oder hätte noch genügend Zeit gehabt, zur Seite zu springen und dem Beklagen 1) zu entgehen. Das Versäumnis des Klägers rechtfertigt jedoch keine höhere Mitverschuldensquote als 20 %; denn der Kläger konnte eher darauf vertrauen, die Ladebucht heil überqueren zu können, nachdem der Beklagte 1) gerade erst an ihm vorbeigefahren war, als der Beklagte 1), der den Kläger bei seiner Einfahrt in die Ladebucht gesehen hatte, darauf, dass beim Zurücksetzen hinter ihm die Farbahn noch genauso frei sei wie bei seiner Einfahrt und niemand gefährdet sein könnte. Es liegt auf der Hand, dass der Unfall durch einen kurzen Blick nach hinten vermieden worden wäre. Hinzu kommt, dass vom Fahrzeug des Beklagten 1) die wesentlich höhere Betriebsgefahr ausging. Eine Kollision mit dem Gabelstapler führt leicht zu schweren Verletzungen, die Fahrzeuge bewegen sich in engen Räumlichkeiten schnell und ändern zum Rangieren unvorhersehbar ihre Richtung. Für einen viel langsameren Fußgänger ist es unmöglich, auf ihre Richtungsänderungen jederzeit vorbereitet zu sein und richtig reagieren zu können. Die Betriebsgefahr ist gegenüber dem Straßenverkehr nicht reduziert, weil in der Halle viel kürzere Wege zurückgelegt werden, die Gefahr durchgehend viel näher ist und daher viel schneller auf Veränderungen reagiert werden muss. Der Fahrer eines Gabelstaplers muss jederzeit eine dem hohen Risiko, das von seinem Fahrzeug ausgeht, angemessene Fahrweise an den Tag legen. Das Zurücksetzen mit einem Fahrzeug, das nicht mit einer Warneinrichtung für den Fall des Rückwärtsfahrens ausgestattet ist, ohne sich vorher nach hinten umzuschauen, stellt in einer Halle mit regem Fußgängerverkehr eine grobe Verletzung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt beim Bedienen des Gabelstaplers dar. Eine Haftungsquote von 80 % ist daher angemessen.

Auch dass der Kläger entlang der Rampen und nicht entlang des Hochregallagers gelaufen ist, rechtfertigt kein höheres Mitverschulden seinerseits; denn es ist nicht zu erkennen, dass das Unfallrisiko dort deutlich geringer wäre. Die Gabelstapler pendeln zwischen Laderampen und Hochregallager und überqueren so den Laufweg des Klägers auf beiden Seiten. Zudem fahren sie mit der aus dem Regal geholten Palette zunächst auch rückwärts, bevor sie in Richtung Ladebucht wenden.

4. Der Höhe nach steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch von EUR 10.037,79 zu. Der Betrag setzt sich ausfolgenden Positionen zusammen.

a) Verdienstausfall für den Zeitraum bis zum 15.09.2003

Der Kläger war in der Zeit vom 5.03.2002 bis zum 14.09.2003 unstreitig aufgrund des Unfalls arbeitsunfähig erkrankt. Verdienstausfall hat er für die Zeit von Mitte April 2002 (nach Ablauf der Entgeltfortzahlung) bis einschließlich Juli 2003 geltend gemacht. Dabei ist von einer monatlichen Differenz zwischen dem erhaltenen Verletztengeld (EUR 1360,00), das der Kläger sich anrechnen lässt, und dem unstreitig entgangenen Nettolohn (EUR 1.673,27) von EUR 313,27 auszugehen. Das ergibt für den oben genannten Zeitraum einen Betrag in Höhe von EUR 4.542,42.

b) Urlaubsgeld 2002 und Weihnachtsgeld 2003

Der Kläger hatte gegenüber seinem Arbeitgeber einen Gratifikationsanspruch, der ein zusätzliches Urlaubs- und ein Weihnachtsgeld umfasste. Der Anspruch beruht auf einer Betriebsvereinbarung, die eine Kürzungsmöglichkeit des jeweiligen Anspruchs im Falle von Arbeitsunfähigkeit vorsieht (EUR 20,00 proTag, bei Arbeitsunfall EUR 10,00). Der Kläger hat aufgrund seiner durchgehenden Arbeitsunfähigkeit bis September 2003 weder das Urlaubsgeld 2002 in Höhe von EUR 174,70 netto noch das Weihnachtsgeld 2003 in Höhe von EUR 315,60 netto erhalten. Zusammen ergibt dies einen Anspruch in Höhe von EUR 490,30 netto.

c) Leistungsprämie

(für Unfallfreiheit, rechtzeitige Auslieferung und geringe Zahl von Ausfalltagen)

Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen und durch eine Bescheinigung seines Arbeitgebers bestätigt, dass ihm ein arbeitsvertraglicher Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Zahlung einer Leistungsprämie zusteht, die er in der Vergangenheit regelmäßig erhalten hat. Der Anspruch entsteht zweimal jährlich in Höhe von jeweils EUR 383,47 brutto bzw. EUR 303,33 netto in 2002 und EUR 302,56 in 2003. Es kann daher gemäß §§ 252 BGB, 287 ZPO davon ausgegangen werden, dass der Kläger die Prämie in den Jahren 2002 und 2003 nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge – ohne seine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit – erhalten hätte. Ihm steht daher für die Jahre 2002 und 2003 ein Anspruch in Höhe von EUR 1211,78 netto zu.

d) Spesen

Dem Kläger steht für die Zeit bis zum 15.09.2003 ein Anspruch auf Zahlung von 85 % der durch seine Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Spesen zu. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH 24.04.1979 – VersR 1979, 622, 624; BAG 3.04.1984 – EzA § 196 BGB Nr.5) sind pauschal gezahlte Spesen bei der Berechnung des Verdienstausfalls zu berücksichtigen, wenn sie dadurch, dass der Arbeitnehmer sie aufgrund besonderer Umstände nicht verbraucht, zu einer faktischen Erhöhung des Einkommens führen. Da ist hier der Fall. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, seine Tätigkeit als Kraftfahrer verlaufe in der Regel so, dass er von Sonntagabend bis zum folgenden Samstagmittag unterwegs sei. Sein Arbeitgeber zahle ihm, gestaffelt nach der Dauer der Abwesenheitszeit, pauschale Spesen nach den zulässigen steuerfreien Sätzen (für die Höhe der einzelnen Zahlungen wird auf Bl. 496 – 497 d. A.) Bezug genommen. In den Jahren 2000 und 2001 habe er im Jahresdurchschnitt EUR 5.235,89 an Spesen erhalten. Den fast gleichen Betrag, nämlich EUR 5.236,00 haben die anderen Fahrer in den Jahren 2002 bis 2007 erhalten. Ausgehend von diesem Jahresdurchschnitt ergibt sich ein monatlicher Durchschnitt von EUR 436,00, den der Kläger für 16 Monate eingeklagt hat. Diese Darlegungen liefern, auch unter Beachtung des Umstands, dass für die Berechnung auf das Lohnausfallprinzip abzustellen ist, eine hinreichende Grundlage zur Berechnung der Forderung. Die so berechnete Forderung steht dem Kläger in Höhe von 85 % auch zu; denn es kann nach seinen Angaben davon ausgegangen werden, dass er nicht mehr als 15 % der Spesen tatsächlich für Mehraufwand während der Woche ausgegeben hat (§ 287 ZPO). Der Kläger hat dazu behauptet, er habe während der Woche ausschließlich im Lkw geschlafen. Die gesamte Verpflegung für die Woche habe er von zu Hause mitgenommen. Die Verpflegung für die Woche im Wert von EUR 30,00 habe aus Brot, Wurst, Obst und Softdrinks bestanden. Daneben habe er vielleicht einmal in einem billigen Lokal Currywurst gegessen. Zusätzlich sei er mit einem Taschengeld von EUR 40,00 und mit einer EC-Karte für Notfälle ausgestattet gewesen. Vom Kläger vorgelegte Fotos zeigen, dass der Lkw zum Schlafen ausgestattet ist und dass er eine Kühlbox mit Lebensmitteln mitführen kann. Da der Kläger während der Woche allein unterwegs war, ist eine Beweisführung hier nur eingeschränkt möglich. Die Kammer hat die Darlegungen des Klägers für weitgehend glaubhaft gehalten; denn sie beschreiben Lebensumstände, die für einen Lkw-Fahrer nicht untypisch sind. Das betrifft insbesondere das Übernachten im Lkw, wodurch die bei auswärtigen Tätigkeiten in der Regel den meisten Mehraufwand verursachenden Übernachtungskosten eingespart werden. Nicht glaubhaft erschien jedoch, dass der Kläger die ganze Woche, und das Woche für Woche, vollständig auf warme Mahlzeiten verzichtet haben will. Das erscheint unvorstellbar. Die Kammer sah es daher als angemessen an, für Mehraufwand für warmes Essen in Lokalen einen Betrag in Höhe von 15% der zustehenden Spesen zu veranschlagen. Die Spesendifferenz für die Jahre 2002 und 2003 (bis zum 15.09.) ergibt einen Betrag in Höhe von EUR 7.125,00. Nach Abzug von 15 % verbleiben EUR 6.056,25.

e) Kleinschäden (Kleiderschaden, Parkkosten, sonstige Kosten)

Zwischen den Parteien war unstreitig, dass dem Kläger ein Kleiderschaden in Höhe von EUR 150,00 ist, sowie des Weiteren Parkkosten in Höhe von EUR 39,00 (nachgewiesen durch entsprechende Belege, Bl. 58 – 60 d. A.) und Kosten für Heilmittel und Telefon in Höhe von EUR 69,99 entstanden sind. Diese Kleinschäden ergeben zusammen EUR 248,99.

Die bis hierher ausgeführten Schadenspositionen ergeben in der Summe den ausgeurteilten Schadensersatzbetrag.

5. Bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs waren jedoch weder die Positionen vermögenswirksame Leistungen, Einzelfahrerzuschlag und Fahrtkosten noch generell sämtliche für den Zeitraum ab dem 16.09.2003 eingeklagten Schadenspositionen zu berücksichtigen.

a) Für die Positionen vermögenswirksame Leistungen und Einzelfahrerzuschlag ergibt sich dies daraus, dass die vom Kläger vorgelegten Abrechnungen, die die Grundlage für die Ermittlung des Nettomonatslohns des Klägers waren, diese beiden Leistungen des Arbeitgebers an den Kläger bereits enthielten und sie so, den Nettolohnanspruch erhöhend, bei der Berechnung des monatlichen Lohnausfalls bereits berücksichtigt wurden. Die vermögenswirksamen Leistungen erscheinen in den Abrechnungen unter der Bezeichnung „VWL AG-Anteil“ regelmäßig mit dem – auch vom Kläger monatlich eingeklagten – Betrag von EUR 26,59. Die Einzelfahrerzulage erscheint unter der Bezeichnung „Zulagen“ jeweils mit einem durch EUR 15,40 teilbaren Betrag, der der Höhe der täglichen Zulage entspricht. Auf Befragen im letzten Kammertermin hat der Klägervertreter zudem selbst einräumen müssen, dass es sich hier um die Einzelfahrerzulage handelt.

b) Den Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger hat den von ihm eingeklagten Betrag der Höhe nach in keiner Weise aufgeschlüsselt. Es ist nicht erkennbar, wann und für welche Fahrten die Kosten entstanden sein sollen. Hinzu kommt, dass die Berufsgenossenschaft (BG) unstreitig bereits Fahrtkosten in Höhe von mehr als EUR 1.000,00 an den Kläger erstattet hat. Es ist jedoch in seinem Vortrag nicht erkennbar, ob er die bereits erhaltenen Erstattungen bei der Bezifferung seines Antrags berücksichtigt hat. Er kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagten die Fahrtkosten bereits zu 2/3 anerkannt hätten. Dem Schreiben der Haftpflichtversicherung der Beklagten 2), das er dazu anführt, ist ein Anerkenntnis seiner Forderung nicht zu entnehmen. Unabhängig von der Frage, ob die Beklagten sich die Erklärung der Versicherung zurechnen lassen müssten, ist die Erklärung lediglich im Kontext einer außergerichtlichen Schadensregulierung abgegeben worden, zu der es – offensichtlich – nicht gekommen ist. Eine Bindung für die streitige Durchsetzung des Anspruchs kann der Erklärung nicht zukommen

c) Für die Zeit nach dem 15.09.2003 stehen dem Kläger keine weiteren (materiellen) Schadensersatzansprüche mehr zu, weil sein Anspruch auf den Ersatz des Erwerbsschadens ab diesem Zeitpunkt in Höhe der von der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen gezahlten Verletztenrente von EUR 634,00 monatlich (gemäß Abhilfebescheid vom 4.02.2005, Bl. 320 d. A.) gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf den Träger der Sozialleistung übergegangen ist und der von ihm geltend gemachte Erwerbsschaden – sowohl bezogen auf einzelne Monate als auch auf die Gesamtzeit – die Verletztenrente nicht übersteigt. Das gilt auch für die Monate September 2004 und November 2005, für die der Kläger in seiner Aufstellung in Anlage zum Schriftsatz vom 20.02.2009 zu einem höheren Erwerbsschaden gelangt ist. Die vom Kläger genannten Beträge sind jeweils um den Betrag für die Einzelfahrerzulage zu kürzen, weil diese bereits in der für denselben Zeitraum geltend gemachten Lohndifferenz enthalten ist. Zur näheren Begründung dafür wird auf die Ausführungen unter I. 5. a) der Entscheidungsgründe verwiesen.

Nach § 116 SGB X gehen Schadensersatzansprüche, die auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhen, auf den Versicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Das ist hier der Fall. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens gegen die Beklagten 1) und 2) aufgrund des § 823 Abs. 1 BG zu. Verletztenrente und Schadensersatz werden für den gleichen Zeitraum gezahlt. Auch sind die Verletztenrente aus der Unfallversicherung und der Erwerbsschaden kongruent, da sie beide zur Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 2.12.2008 – VI ZR 312/07 – juris; 3.12.2003 – VI ZR 304/01 – VersR 2003, 390; 24.04.1979 – VI ZR 204/76, VersR 1979, 622) wird die Verletztenrente als eine laufende abstrakt berechnete Entschädigung für unfallbedingte Erwerbseinbußen gezahlt. Sie stellt eine gesetzlich – in § 56 SGB VII – geregelte Entschädigung dafür dar, dass der Verletzte infolge des Unfalls in seiner Fähigkeit beeinträchtigt ist, sich einen Erwerb zu verschaffen. Ihr ausschließlicher Zweck besteht im pauschalierten Ausgleich des Erwerbsschadens. Aufgrund des Charakters der Erwerbsrente als einer Lohnersatzleistung ist die Kongruenz zwischen dieser Sozialleistung und dem auf Ersatz des Verdienstausfalls gerichteten Schadensersatzanspruchs uneingeschränkt bejaht worden. Dem schließt sich das erkennende Gericht an.

Zusammengefasst steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall, Kleider-, Park-, Heilmittel- und Telefonkosten in Höhe von insgesamt EUR 12.549,74 zu. Unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote von 20 % reduziert sich der Anspruch auf EUR 10.037,79.

II.

Die Beklagten 1) und 2) sind verpflichtet, dem Kläger gemäß § 253 Abs. 2, 254 BGB für den Zeitraum vom Unfallereignis bis zum Ende des Jahres 2008 weitere EUR 2.000,00 an Schmerzensgeld zu zahlen.

Unter Berücksichtigung aller für die Höhe maßgebenden Umstände ist für den genannten Zeitraum ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 35.000,00 angemessen, unter Beachtung der oben festgestellten Mitverschuldensquote von 20 %, in Höhe von EUR 28.000,00. Darauf hat die Beklagte 2) durch ihre Haftpflichtversicherung bereits EUR 26.000,00 gezahlt, so dass noch EUR 2.000,00 verbleiben.

Für die Höhe des Schmerzensgeldes waren sowohl die festgestellten Diagnosen, die Häufigkeit der operativen Eingriffe, die Komplikationen im Heilungsverlauf, die lange Dauer der Arbeitsunfähigkeit, die andauernden Schmerzen an Fuß und Schulter, die immer wieder auftretenden und zu Arbeitsunfähigkeiten führenden Beschwerden an der Ferse, die dauerhafte Minderung seiner Erwerbsfähigkeit (40 %) sowie die daraus folgenden sozialen Belastungen und Ängste hinsichtlich seiner beruflichen Zukunft und der Existenzsicherung der Familie, nicht zuletzt durch die Kosten für das kreditfinanzierte Haus, von Bedeutung

Der Kläger erlitt bei dem Unfall am 5.03.2002 eine schwere Quetschverletzung des linken Fußes mit einer Ablederungsverletzung der Ferse und mehreren Trümmerbrüchen. Er befand sich über zwei Monate, bis zum 10.05.2002, in stationärer Behandlung, zunächst in der Uniklinik Marburg, dann in der Uniklinik Jena. Er musste sich dort insgesamt 13 operativen Eingriffen unter Vollnarkose unterziehen, die der Behandlung der Frakturen und der Ablederungsverletzung der Ferse dienten. Für letztere sind Hauttransplantationen von Rücken, Oberschenkel und Schulter durchgeführt worden, die teils nicht erfolgreich waren, zu andauernden Schmerzen führten und wiederholt werden mussten. Insbesondere im Schulterbereich kam es nach der Hautentnahme zu schmerzhaften Narbenbildungen. Die Schmerzen dauerten mehr als 1,5 Jahre an und führten zu einer Bewegungseinschränkung der Schulter. Nach dem stationären Aufenthalt wurde der Kläger regelmäßig durch Herrn B ambulant weiterbehandelt. Die Behandlung diente vor allem der Wundversorgung an der Ferse. Anfang August 2002 begab er sich er sich zu einer bis zum 23.09.2002 andauernden Rehamaßnahme in die Orthopädische Abteilung der Heinrich Mann Klinik wiederum in stationäre Behandlung. Zu dieser Zeit bewegte er sich noch ausschließlich mit zwei Gehstöcken fort, ohne den Fuß belasten zu können. Am Ende des Aufenthalts war er in der Lage, kurze Strecken ohne Gehhilfe zulaufen. Wegen andauernder Schmerzen an der Ferse und der Fußsohle sowie des wiederholt aufbrechenden Ulcus an der Ferse dauerten die Einschränkungen der Geh- und Stehfähigkeit an. Der Kläger war aus diesem Grund bis zum 14.09.2003, mithin 18,5 Monate durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Die andauernden Einschränkungen der Geh- und Stehfähigkeit sowie die Bewegungseinschränkung im Schultergelenk führten zur Anerkennung einer dauernden Einschränkung der Erwerbsfähigkeit von 40 %. In den Folgejahren traten wiederholt Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund der Unfallverletzung auf, weil die Ferse wegen des Ulcus nicht verheilte, sondern sich immer wieder öffnete und der Behandlung bedurfte. Es handelte sich dabei um 9 Zeiträume, die zusammengenommen sich zu einer Ausfallzeit von weiteren 32 Wochen summierten. Der Kläger muss mit weiteren krankheitsbedingten Ausfallzeiten rechnen, weil die Ferse bislang noch immer nicht verheilt ist. Die hier geschilderten Umstände sind den Entlassungsberichten der Universitätsklinik in Jena (Bl. 19 – 21 d. A.) und der Heinrich Mann Klinik (Bl. 22 – 26 d. A.), den gutachterlichen Stellungnahmen des den Kläger ambulant behandelnden Arztes B vom 29.10.2002 und vom 24.10.2003 (Bl. 16 – 18, 106 d. A.) sowie der schriftlichen Aussage des B vom 7.03.2008 (Bl. 479 d. A.) zu entnehmen.

Die aufgrund der nicht abheilenden Verletzung an der Ferse schon fast 7 Jahre fortwährende Unsicherheit über die die weitere gesundheitliche Entwicklung und die feststehende dauerhafte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit hat des Weiteren zu beobachtbaren sozialen Belastungen und Ängsten hinsichtlich seiner beruflichen Entwicklung und der Sicherung der Existenzgrundlage seiner Familie geführt. Der Entlassungsbericht der Rehaklinik spricht davon, dass der Kläger bei seiner Ankunft wegen seiner beruflichen Zukunft sehr verunsichert war. Auch wenn, wie es dort weiter heißt, sich die Unsicherheit mit den Fortschritten in der Rehabilitation gelegt habe, sprechen genügend Anhaltspunkte dafür, dass er mit dem Auftreten der andauernden Komplikationen im Heilungsprozess die gewonnene Zuversicht wieder verloren hat und ihn die Ungewissheit seiner Zukunft und der seiner Familie sehr belastet. Dafür spricht u. a, dass er trotz ernsthafter Überlegungen und des zunächst sichtbaren Willens nicht zum Abschluss eines Vergleichs mit der Erledigung auch zukünftiger Ansprüche in der Lage war. Die erkennende Kammer konnte sich zudem selbst in den Gesprächen mit dem Kläger in den mündlichen Verhandlungen ein Bild von seiner tiefen Verunsicherung und Angst über den Fortgang seiner beruflichen und wirtschaftlichen Existenz machen. Es ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt gerade erst das 34. Lebensjahr vollendet hatte und auf die Verwertung seiner Arbeitskraft noch für viele Jahre angewiesen ist.

Nicht zu berücksichtigen bei der Bemessung des Schmerzensgeldes war hingegen ein verzögerliches Verhalten der Beklagten bei der Schadensregulierung. Nach dem von der Beklagten 2) vorgelegten Schriftwechsel mit dem Kläger bzw. zwischen dem Kläger und der Haftpflichtversicherung ist die späte vorläufige Regulierung mit Zahlung der EUR 26.000,00 vor allem darauf zurückzuführen, dass der Kläger lange weder seine Forderung spezifiziert noch die Arztberichte vorgelegt hat. Damit hatte die Haftpflichtversicherung bis Mitte 2003 keine zuverlässige Grundlage für eine Schadensregulierung.

Als Maßstab und Orientierung für die Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes hat die Kammer die Urteile des OLG München vom 27.11.1998 – 10 U 2576/98 und des OLG Stuttgart vom 22.10.1993 – 2 U 292/92 (Hacks/Ring/ Böhm, Schmerzensgeldtabelle Nr. 2147 und 2158) herangezogen. Zwar geht der hier zugesprochene Betrag über die dort als angemessen angesehenen Beträge deutlich hinaus. Es ist jedoch zu beachten, dass es überhaupt an durchgängig einheitlichen Maßstäben fehlt und sich deshalb die unkorrigierte Übernahme ausgewiesener Beträge älterer Entscheidungen verbietet. Vielmehr ist zu Gunsten des Geschädigten die seit dem Entscheidungszeitpunkt verstrichene Zeit (10,5 bzw. 15,5 Jahre) ebenso zu berücksichtigen wie die allgemeine Tendenz, bei der Bemessung von Schmerzensgeld höhere Beträge zuzusprechen als noch in früheren Zeiten (OLG Frankfurt 19.08.2009 – 7 U 23/08 – juris). Als besonders erschwerend für die Bemessung seien aus den bereits aufgezählten Umständen – wie der Schwere der Verletzung, der aufgetretenen Komplikationen im Heilverlauf, der Notwendigkeit von 13 Operationen, der sehr langen Dauer der Arbeitsunfähigkeit, der erheblichen Einschränkungen in der Fortbewegung für fast ein Jahr, der andauernden Schmerzen – die immer wieder auftretenden Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen der sich in Abständen öffnenden Weichteilverletzung an der Ferse, die dauerhaft feststehende Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 % und die dadurch ausgelösten Ängste und Unsicherheiten für das weitere Leben des im Unfallzeitpunkts erst 34 Jahre alten, verheirateten und zur Unterhaltszahlung verpflichteten Klägers sowohl in gesundheitlicher als auch in beruflicher und wirtschaftlicher Hinsicht herausgestellt.

Der Zinsanspruch ist nach § 291 ZPO begründet.

III.

Die soweit dem Kläger zugesprochenen Ansprüche (Personenschäden und Schmerzensgeld) gegen die Beklagten 1) und 2) sind nicht durch eine Haftungsprivilegierung nach §§ 104 ff SGB VII ausgeschlossen.

1. Die Haftung der Beklagten ist nicht nach §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1, 2 Abs.2 SGB VII ausgeschlossen. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses weder Arbeitnehmer des Unternehmens der Beklagten 2) noch stand er zu ihr in einer sonstigen die Versicherungspflicht begründenden Beziehung. Das würde voraussetzen, dass er die Tätigkeit, bei der er verletzt worden ist, für den Unfallbetrieb und nicht für den Stammbetrieb erbrachte. Erfüllt der Verletzte sowohl Zwecke des Stammbetriebes als auch des Unfallbetriebes, kommt es für die Zuordnung seiner Tätigkeit darauf an, welche Aufgaben ihr das Gepräge geben (BAG 19.02.209 – 8 AZR 188/08 – DB 2009, 1134, BAG VersR 1991, 902; OLG Köln 2.08.2001 – VersR 2002, 575). Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger unabhängig von der Frage, ob die Verpflichtung des Absenders nach § 413 HGB, nämlich die Versandpapiere zur Verfügung zu stellen, auch die Übergabe an den Frachtführer einschließt, nicht für den Unfallbetrieb tätig geworden. Der Kläger ist im Wesentlichen im Interesse seines Arbeitgebers in den Unfallbetrieb gekommen, nämlich um eine Fracht abzuholen. Dabei sind das pünktliche Erscheinen mit dem Lkw und die Sicherstellung des betriebssicheren Verladens (§ 412 Abs. 1 S.2 HGB) die vorrangigen Tätigkeiten, nicht hingegen das Abholen der Versandpapiere. Dies folgt ganz am Ende und macht zeitlich nur einen geringen Teil der Tätigkeit aus. Auch wenn § 413 Abs. 1 HGB die Verpflichtung zur Aushändigung der Versandpapiere umfasst und der Kläger hier eine Verpflichtung des Unfallbetriebes ausführt, gibt sie der Tätigkeit des Klägers im Unfallbetrieb nicht das Gepräge.

2. Die Haftung des Beklagten 1) war auch nicht nach § 106 Abs. 3 SGB VII ausgeschlossen.

Nach dieser Vorschrift greift ein Haftungsausschluss der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander ein, wenn Versicherte mehrerer Unternehmen zum Unfallzeitpunkt vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten. Dafür muss ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf, das zwar nicht nach einer rechtlichen Verfestigung oder auch nur einer ausdrücklichen Vereinbarung verlangt, sich aber zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken verschiedener Unernehmen darstellt, gegeben sein. Die Haftungsfreistellung nach § 106 Abs. 3 SGB VII regelt damit Fälle, in denen betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen (BAG 12.12.2002 – 8 AZR 94/02 – BB 2003, 690; BGH 17.10.2000 – VI ZR 67/00 – BGHZ 145, 331). Diese Voraussetzungen liegen für die Tätigkeiten des Klägers und des Beklagten 1) offensichtlich nicht vor. Das wäre nur denkbar, wenn der Beklagte 1) zum Unfallzeitpunkt den Lkw des Klägers und nicht einen ganz anderen Lkw beladen hätte. Ein Zusammenwirken beider ist in keiner Weise festzustellen.

Auf eine Haftungsprivilegierung nach § 106 Abs. 4 SGB VII haben sich die Beklagten in zweiter Instanz nicht mehr berufen. Voraussetzungen dafür sind auch nicht vorgetragen.

IV.

Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet.

Auf den Feststellungsantrag war festzustellen, dass die Beklagten 1) und 2) verpflichtet sind, dem Kläger die materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 5.03.2002 auf dem Betriebsgelände der Beklagten 2) in Stadtallendorf mit einer Haftungsquote von 80 % zu erstatten, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.

Das besondere Feststellungsinteresse gemäß § 253 ZPO für den Antrag des Klägers ist gegeben. Es folgt daraus, dass der Kläger zukünftige Ansprüche aus der Haftung der Beklagten für das Unfallereignis noch nicht beziffern und daher keine Leistungsklage einreichen kann; denn der schriftlichen Aussage des B vom 7.03.3008 (Bl. 479 d. A.) ist zu entnehmen, dass die Weichteilverletzung an der Ferse aufgrund der dort aufgetretenen Komplikationen im Heilungsverlauf noch immer nicht ausgeheilt ist. Das Ulcus, das sich dort ausgebildet hat, bricht von Zeit zu Zeit auf und bedarf der besonderen Behandlung mit Salbenverbänden. Da der Kläger den Heilungsprozess jeweils abwarten muss und während der Zeit keine Schuhe tragen kann, wird es auch in Zukunft zu weiteren Arbeitsunfähigkeiten, die zu Erwerbsschäden führen können, kommen.

Für die Begründetheit der Haftungsverpflichtung der Beklagten 1) und 2) wird auf die Ausführungen unter I und II der Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 92, 100, 516 Abs. 3 ZPO jeweils anteilig zu tragen, da sie teils obsiegt haben und teils unterlegen sind. Der Kläger hat zudem die Kosten seiner Teil-Berufungsrücknahme zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht waren nicht ersichtlich.

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