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Lkw-Fahrer – Kündigung eines wegen Verkehrsverstößen

Landesarbeitsgericht Köln

Az.: 14 Sa 635/06

Urteil vom 04.09.2006

Vorinstanz: Arbeitsgericht Köln, Az.: 6 Ca 5307/05


Leitsätze:

1. Erhebliche Verkehrsverstöße eines Lkw-Fahrers rechtfertigen nach erfolgloser Abmahnung die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber.

2. Ist ein Lkw-Fahrer bereits deshalb ermahnt und abgemahnt worden, weil er eine rot zeigende Ampel missachtet (Rotlichtverstoß) und Beladungsvorschriften für den Gefahrgut-Lkw nicht eingehalten hat, und begeht er anschließend eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung, die zu einem einmonatigen Fahrverbot führt, und fährt mit verkehrsunsicherer Bereifung, weil er die vorgeschriebene tägliche Reifenkontrolle unterlassen hat, ist eine darauf beruhende Kündigung gerechtfertigt.


1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07.03.2006 – Aktenzeichen 6 Ca 5307/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren um die Rechtmäßigkeit einer verhaltensbedingten fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch die Beklagte.

Die Beklagte betreibt eine Gefahrgutspedition. Der am 30.11.1957 geborene Kläger war dort seit dem 08.10.2001 als Fernfahrer zu einer Monatsvergütung von rund 3.700,00 € brutto beschäftigt (Arbeitsvertrag Bl. 3 ff. d. A.).

Für Tankwagenfahrer hatte die Beklagte schriftliche Verhaltensregeln erstellt (Bl. 23 ff. d. A.), die der Kläger unterschrieben hatte (Bl. 27 d. A.). Als erste Verhaltensregel war dort aufgeführt, dass der Fahrer vor Fahrantritt stets den ordnungsgemäßen Zustand des Fahrzeuges und die dazugehörige Ausrüstung (Reifen, Bremse, Warnlampen usw.) zu kontrollieren hatte. Grundlage der Tätigkeit der Tankwagenfahrer war ferner das Fahrerhandbuch (Bl. 28 ff. d. A.). Hierin waren grundlegende Verhaltensanforderungen beschrieben und in konkreten Handlungsanweisungen zusammengefasst. So hieß es zum Verhalten vor und während der Beförderung unter anderem:

„Checken Sie vor Antritt der Fahrt den sicheren Zustand von Fahrzeug und Ladung!

Überprüfen Sie die Vollständigkeit der Transportdokumente!

Beachten Sie die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten sowie die vorgeschriebenen Geschwindigkeiten! (Bl. 30 d. A.).“

Zu den Pflichten nach der Entladung hieß es unter anderem (Bl. 35 d. A.):

„Nach der Entladung kontrollieren, ob der Tank völlig leer ist (Ladegewichtvergleich).“

Am 22.03.2004 wurde der Kläger mündlich ermahnt, weil festgestellt wurde, dass nach einem Entladevorgang sich noch 110 Liter Cecamid im Tank des Fahrzeugs des Klägers befanden. Diese Restmenge musste später gesondert entsorgt werden. Der Kläger übernahm die Reinigungskosten in Höhe von 253,00 €.

Am 14.05.2004 beging der Kläger mit einem Firmenfahrzeug eine Verkehrsordnungswidrigkeit, indem er in Freiburg eine Rot zeigende Ampel missachtete. Deswegen und wegen eines Vorfalls vom 07.06.2006, bei dem nach Beklagtenangaben wiederum der Tank nicht ordnungsgemäß entleert und eine Restmenge von 50 Liter Cecamid im Tank verblieben war, wurde der Kläger am

11.06.2004 mündlich abgemahnt.

Mit Schreiben vom 06.12.2004 (Bl. 37 f. d. A.) erhielt der Kläger eine schriftliche Abmahnung, weil der Kläger mit den falschen Fahrzeugpapieren unterwegs war.

Am 08.10.2004 überschritt der Kläger mit dem Firmen-LKW innerhalb geschlossener Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km pro Stunde um 28 km pro Stunde. Das daraufhin eingeleitete Verkehrsordnungswidrigkeitsverfahren, das der Beklagten bekannt war, endete unter anderem damit, dass der Kläger zu einem vierwöchigen Fahrverbot verurteilt wurde. Hiervon erhielt die Beklagte nach Abschluss des Verfahrens im Mai 2005 Kenntnis und sprach daraufhin am 17.05.2005 (Bl. 39 d. A.) eine Abmahnung aus.

Nachdem der LKW des Klägers zuletzt am 09.05.2005 wegen Defekten an der Elektrik in der Werkstatt der Beklagten repariert wurde, brachte der Kläger den von ihm gefahrenen LKW am 17.05.2005 zur Werkstatt, damit fällig gewordene Sandstrahl- und Lackierungsarbeiten durchgeführt werden konnten. Bei dieser Gelegenheit wurden, als die Sandstrahl- und Lackierungsarbeiten am 19.05.2005 beginnen sollten, schwere Beschädigungen und Abnutzungen an einzelnen Reifen des Fahrzeugs festgestellt (kopierte Lichtbilder Bl. 41 – 47 d. A.).

Daraufhin hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu einer geplanten ordentlichen fristgerechten Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt an (Bl. 48 ff. d. A.), und begründete dies damit, dass der Kläger offensichtlich vor der Abfahrt keine ausreichende Reifenkontrolle vorgenommen habe und es sich um Schäden handele, die so gravierend gewesen seien, dass sie bei einer Polizeikontrolle zu einer sofortigen Stilllegung des Fahrzeuges geführt hätten.

Der Betriebsrat stimmte in seiner Stellungnahme vom 30.05.2005 (B. 51 d. A.) der geplanten Kündigung zu. Der Betriebsrat begründete dies damit, dass schon angesichts des ausgesprochenen Fahrverbots von vier Wochen eine fristlose Kündigung fällig gewesen wäre. Das Entgegenkommen, das die Beklagte in diesem Fall noch an den Tag gelegt habe, müsse aber ein Ende haben, wenn der Kläger mit abgefahrenen Reifen sein Leben und das Leben der anderen

Verkehrsteilnehmer bewusst und wissentlich gefährde.

Daraufhin sprach die Beklagte mit Schreiben vom 31.05.2005, dem Kläger am selben Tage zugegangen, die fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2005 aus, wogegen sich der Kläger mit am 07.06.2005 bei Gericht eingegangener Kündigungsschutzklage wehrte.

In erster Instanz hat der Kläger zu seiner Verteidigung unter anderem vorgetragen, als er das Fahrzeug am 09.05. in der Werkstatt zur Reparatur der Elektrik abgestellt habe, seien die Reifen noch völlig in Ordnung gewesen. Da das Fahrzeug nach dem 17.05.2005, als er es zu Sandstrahl- und Lackierarbeiten abgegeben habe, nicht mehr bewegt worden sei, müssten sich die Abnutzungen an den Reifen aus einer fahrtbedingten Abnutzung im Zeitraum zwischen dem 09.05. und dem 16.05.2005 ergeben haben. Dies sei aufgrund der in der Zwischenzeit gefahrenen Kilometern jedoch nicht möglich. Möglich sei jedoch, dass nach Beginn der Sandstrahl- und Lackierarbeiten die Reifen ausgetauscht worden seien.

Die Beklagte ist dieser Vermutung vehement entgegengetreten und hat zudem vorgetragen, dass der Betriebsratsvorsitzende, der hinzugezogen worden sei, dem Kläger ausdrücklich bestätigt habe, dass ein Austausch der Räder ausscheide, da die Schrauben an den Rädern so angerostet gewesen seien, dass dies ausgeschlossen sei. Die Beklagte hat zudem geltend gemacht, dass der Kläger für den Betrieb der beklagten Partei nicht mehr tragbar sei, wenn er derartige Beschuldigungen aufrechterhalte und für diesen Fall einen hilfsweisen Auflösungsantrag ankündigt.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die vorgetragenen Reifenbeschädigungen durch Vernehmung der Zeugen H…, R…, B…, K…, C… R… j… und F… Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Kammerverhandlung des Arbeitsgerichts vom 07.03.2006 (Bl. 110 ff. d. A.) Bezug genommen.

Aufgrund der Beweisaufnahme hat das Arbeitsgericht Köln durch Urteil vom 07.03.2006 die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen und zur Begründung auf die übereinstimmenden und glaubwürdigen Zeugenaussagen hinsichtlich der Beschädigung der Reifen Bezug genommen (Urteil vom 07.03.2006 – Bl. 117 ff. d. A.).

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger meint, die von ihm zusätzlich benannten Zeugen K und G hätten ebenfalls vernommen werden müssen. Diese könnten bestätigen, dass jedenfalls am 09.05.2005, als das Fahrzeug zur Reparatur der Elektrik in der Werkstatt gewesen sei, noch keine Beschädigungen an den Reifen vorhanden gewesen seien. Bei diesem Beweisantritt gehe es nicht darum, einen Fehler des Zeugen R nachzuweisen, sondern darum nachzuweisen, dass die Reifen am 09.05.2005 noch in Ordnung gewesen seien. Dann aber sei es nicht möglich, dass zwischen dem 09.05. und dem 17.05.2005 die dargestellten Schäden durch Abnutzungen entstanden seien. Denn in diesem Zeitraum sei das Fahrzeug maximal 2000 Kilometer gefahren. Die Angabe der Beklagtenseite, dass das Fahrzeug nach dem 09.05.2005 vom Kläger noch ca. weitere 12.000 Kilometer gefahren worden sei, werde bestritten.

Die Abmahnungen seien nicht einschlägig. Keine der zuvor gerügten Verstöße habe etwas mit der Betriebssicherheit zu tun, auf die jetzt die Kündigung gestützt werde. Im Übrigen seien die Abmahnungen zumindest teilweise auch unberechtigt.

Der Kläger nimmt insoweit auch auf seine erstinstanzlichen Ausführungen Bezug.

Diesbezüglich hatte der Kläger vorgetragen, dass hinsichtlich des verbliebenen Restes von Cecamid im Tank des LKW am 19.03.2004 allenfalls ein Verstoß gegen Kontrollpflichten vorgehalten werden könne. Richtig sei, dass er am 14.05.2004 eine Rot zeigende Ampel nicht beachtet habe, dies lasse sich jedoch nicht immer vermeiden. Der Kläger bestreitet, dass sich am 07.06.2004 erneut Flüssigkeitsreste im Tank befunden hätten und zudem, dass er am 11.06.2004 in der Weise mündlich abgemahnt worden sei, dass ihn für den Fall weiterer Zuwiderhandlung eine Kündigung angedroht worden sei. Richtig sei, dass er am 28.11.2004 mit den falschen Fahrzeugpapieren unterwegs gewesen sei. Dies beruhe aber darauf, dass ihm ein anderer Mitarbeiter diese Papiere in die Hand gedrückt habe.

Hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitung sei es richtig, dass dem Kläger dieser Verkehrsverstoß unterlaufen sei, jedoch sei die Abmahnung der Beklagten unberechtigt, weil die Beklagte schon ca. 7 Monate vor der Abmahnung durch Einleitung des Bußgeldverfahrens von dem Sachverhalt Kenntnis gehabt habe.

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Der Kläger beantragt, unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 07.03.2006 – 6 Ca 5307/05 – festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 31.05.2005 zum 30.06.2005 geendet hat, sondern darüber hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass die ausgesprochenen Abmahnungen einschlägig seien, weil jeweils die Verkehrssicherheit in Rede stehe. Dabei sei zu beachten, dass die Beklagte eine Gefahrgutspedition betreibe, die besonders strengen Vorschriften unterliege und daher vom Fahrpersonal eine besondere Zuverlässigkeit gefordert sei. Die den Ermahnungen und Abmahnungen zugrundeliegenden Vorfälle habe der Kläger nicht substantiiert bestritten.

Die Pflichtwidrigkeit des Klägers werde nicht dadurch aus der Welt geschafft, dass der Kläger behaupte, wofür kein Anhaltspunkt bestehe, die Zeugen K und G könnten bestätigen, dass der Zeuge R bereits am 09.05.2005 anlässlich der Reparatur der Elektrik das Fahrzeug genau untersucht habe und zu diesem Zeitpunkt noch keine Schäden festgestellt habe. Denn durch einen solchen Beweisantrag könne allenfalls ein Fehlverhalten des Zeugen R festgestellt werden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen.

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft nach § 64 ArbGG, sie ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Zu Recht ist das Arbeitsgericht nach umfangreicher Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass ein ausreichender verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG vorliegt.

1.

Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt voraus, dass ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers vorliegt, dass zu Störungen des Arbeitsverhältnisses geführt hat und auch in Zukunft Störungen befürchten lässt. Das setzt voraus, dass es sich um schuldhafte Vertragsverletzungen handelt und eine in der Regel erforderliche einschlägige Abmahnung erfolglos geblieben ist. Voraussetzung ist ferner, dass die Störungen des Vertragsverhältnisses nicht durch eine Umsetzung beseitigt werden können und eine abschließend vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausgeht (siehe zum Ganzen Ascheid/Preis/Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht, 2. Auflage, § 1 KSchG, Rn. 272 ff.).

Sämtliche Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

2.

Der Kläger hat dadurch in gravierender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen und den Arbeitsvertrag verletzt, dass er die vorgeschriebene tägliche Reifenkontrolle nicht vorgenommen hat. Verletzt ein Berufskraftfahrer seine Pflicht zur täglichen Überprüfung des verkehrssicheren Zustandes der Reifen, so kann dies je nach den Umständen eine ordentliche oder sogar eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen (siehe Ascheid/Preis/Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht, 2. Auflage, § 1 KschG, Rn. 278 a; LAG Köln, Urteil vom 02.03.1999, ARST 2000, 45).

Im vorliegenden Fall folgte die Pflicht bereits aus den Verhaltensmaßregeln und Richtlinien, die die Beklagte für ihre Fahrer aufgestellt hatte, und die der Kläger durch seine Unterschrift auch als verbindlich anerkannt hatte.

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht steht fest, dass zwei Reifen des Fahrzeugs des Klägers in einem verkehrsunsicheren Zustand waren. Alle vernommenen Zeugen haben die Reifenschäden am Fahrzeug des Klägers bestätigt. Sie werden zudem durch die zur Gerichtsakte gereichten Fotos (Bl. 41 – 47 d. A.) belegt. Demzufolge hat der Kläger in zweiter Instanz auch nicht mehr in Zweifel gezogen, dass diese gravierenden Reifenschäden am 19.05.2005 vorhanden waren.

b) Die erstinstanzlich vom Kläger geäußerte Vermutung, es könne nach dem Abstellen des Fahrzeuges am 17.05.2005 zu einem Reifenwechsel gekommen sein, hat der Kläger in der Berufungsinstanz nicht wiederholt, insbesondere nachdem die Beklagte diesem Vortrag in erster Instanz vehement entgegengetreten war und für den Fall der Aufrechterhaltung einen hilfsweisen

Auflösungsantrag angekündigt hatte. Der Kläger hat zudem nicht den Vortrag der Beklagtenseite bestritten, dass der Betriebsratsvorsitzende dem Kläger auf dessen Nachfrage mitgeteilt hatte, dass es angesichts der verrosteten Schrauben, die er festgestellt habe, ausgeschlossen sei, dass in den letzten Monaten die Reifen gewechselt worden wären. Da der Kläger zudem selbst vorgetragen hat, dass das Fahrzeug, nachdem er es zu Sandstrahl- und Lackierarbeiten in die Werkstatt der Beklagten gebracht hat, nicht mehr bewegt worden ist, sondern insgesamt seit dem 09.05.2005 nur 2000 Kilometer gefahren ist, kann ausgeschlossen werden, dass die Schäden erst entstanden sind, nachdem der Kläger das Fahrzeug zu Sandstrahl- und Lackierarbeiten in die Werkstatt der Beklagten gebracht hat.

c) Soweit der Kläger vorträgt, am 09.05.2005, als er das Fahrzeug zur Reparatur der Elektrik in die Werkstatt der Beklagten gebracht habe, seien die Schäden noch nicht vorhanden gewesen und sich diesbezüglich auf das Zeugnis der Zeugen K und G beruft, führt dies nicht zu einer Entlastung des Klägers. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Schäden erst nach dem 09.05.2005 aufgetreten sind. Dies ändert an der Pflichtverletzung des Klägers nichts, denn er hätte diese Schäden dann jedenfalls bei der täglichen Abfahrtskontrolle in den Tagen nach dem 09.05.2005 bis zur Abgabe des Fahrzeugs zu Sandstrahl- und Lackierarbeiten kontrollieren und bemerken müssen. Zumindest am letzten Tag, bevor er das Fahrzeug zu Lackier- und Sandstrahlarbeiten in die Werkstatt der Beklagten brachte, hätte der Kläger die gravierenden Reifenschäden bei seiner täglichen Abfahrtskontrolle bemerken und melden müssen. Damit steht zumindest fest, dass der Kläger am letzten Tag, bevor er das Fahrzeug zu Lackierarbeiten abgab, keine ordnungsgemäße Reifenkontrolle vorgenommen hat.

Dies ist – zumal angesichts der bereits vorher aufgetretenen Vertragsverletzungen – ein ausreichender verhaltensbedingter Kündigungsgrund. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Schäden, wie anhand der überreichten Lichtbilder ersichtlich ist, auf den ersten Blick auffallen und die Verkehrsunsicherheit des Fahrzeugs dokumentieren.

d) Ohne Erfolgt beruft sich der Kläger darauf, dass das Fahrzeug zwischen den Elektrikarbeiten und den Lackierarbeiten nur rund 2000 Kilometer gelaufen sei und bei dieser geringen Fahrleistung diese Abnutzungen an den Reifen nicht entstanden sein könnten. Dabei unterstellt der Kläger zu Unrecht, dass die Schäden an den Reifen nur durch normale Abnutzungen aufgrund des Umfangs der Fahrleistungen entstanden sein könnten. Dies ist jedoch keineswegs zwingend.

Im Gegenteil sprechen die Umstände des vorliegenden Falles dafür, dass die Schäden gerade nicht durch kontinuierliche Abnutzung, sondern durch ein besonderes Ereignis entstanden sind. Denn auffällig ist, dass nicht alle Reifen die Abnutzungserscheinungen aufweisen, sondern nur zwei. Auffällig ist ferner, dass die beiden verkehrsunsicheren Reifen zusätzliche Beschädigungen und Einschnitte aufweisen, wie dies an den Lichtbildern (insbesondere Bl. 45 d. A.) erkennbar ist. Auch die einseitige nicht flächige Abnutzung spricht für diese Variante. Deshalb muss es sogar als wahrscheinlicher angesehen werden, dass ein konkretes Schadensereignis, zum Beispiel auch ein schleifender Gegenstand oder Kotflügel zu den Reifenschäden geführt hat.

Die Pflichtverletzung des Klägers besteht allein darin, die zur Verkehrsunsicherheit führenden Reifenschäden bei der täglichen Abfahrtkontrolle nicht festgestellt zu haben.

3.

Der Kläger ist vor Ausspruch der Kündigung auch einschlägig abgemahnt worden.

a) Die Vorfälle selbst sind weitgehend unstreitig. So ist unstreitig, dass der Kläger am 19.03.2004 gegen seine Prüfpflichten beim Entladevorgang verstoßen hat und dadurch ein Rest von 150 Liter Cecamid im Tank verblieben ist, der anschließend unter Kostenübernahme durch den Kläger entsorgt werden musste.

Unstreitig ist ferner, dass der Kläger am 14.05.2004 eine Rot zeigende Ampel überfahren hat.

Unstreitig ist ferner, dass der Kläger am 28.11.2004 die ihm überreichten Fahrzeugpapiere entgegen seiner Verpflichtung nicht selbst geprüft hatte und deshalb mit den falschen Fahrzeugpapieren unterwegs war.

Unstreitig ist schließlich, dass der Kläger am 08.10.2004 eine gravierende Geschwindigkeitsüberschreitung beging und zu einem vierwöchigen Fahrverbot verurteilt wurde.

b) Zurückzuweisen sind in diesem Zusammenhang die Bagatellisierungsversuche des Klägers. Soweit der Kläger beispielsweise hinsichtlich des Rotlichtverstoßes vorträgt, ein solcher Rotlichtverstoß lasse sich nicht immer vermeiden, wird dies dem tatsächlichen Gewicht des Vorwurfs nicht gerecht. Es ist darauf hinzuweisen, dass das Überfahren einer roten Ampel einen groben Verkehrsverstoß darstellt, der geeignet ist, Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Nicht zuletzt ist deshalb in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Rotlichtverstoß grundsätzlich als grobe Fahrlässigkeit zu werten ist (siehe BGH Urteil vom 08.07.1992, NJW 1992, Seite 2418).

Erst recht gilt dies für die massive Geschwindigkeitsüberschreitung, die letztlich zu einem vierwöchigen Fahrverbot für den Kläger führte. Der Kläger hat insoweit unstreitig die dort vorgegebene zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 28 km/h überschritten. Dabei kommt es nicht darauf an, wie der Kläger in erster Instanz hat anklingen lassen, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem beladenen oder unbeladenen Fahrzeug oder mit einem Gefahrguttransporter oder einem sonstigen Firmenfahrzeug stattgefunden hat. Es handelt sich um einen groben Verstoß gegen Verkehrsordnungsvorschriften, der die Sicherheitsinteressen der übrigen Verkehrsteilnehmer auf grobe Weise missachtet.

c) Keinen Erfolg hat der Kläger mit seinem Vorbringen, auf die erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung könne die Beklagte eine Abmahnung nicht mehr stützen, weil ihr der Vorfall selbst seit sieben Monaten bekannt war. Denn insoweit durfte die Beklagte zugunsten des Klägers mit einer Sanktion abwarten, bis die Verkehrsordnungswidrigkeit und die daraus folgende Sanktion, nämlich ein vierwöchiges Fahrverbot, rechtskräftig feststand.

d) Im vorliegenden Fall war der Kläger bereits anlässlich des Vorfalls am 19.03.2004 ermahnt worden. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass dem Kläger am 07.06.2004, als unter anderem der Rotlichtverstoß gerügt wurde, noch nicht die Kündigung angedroht wurde, ist dies als zweite Ermahnung zu werten. Angesichts dessen bedurfte es jedenfalls im vorliegenden Fall nicht noch mehrerer Abmahnungen.

Bereits eine Abmahnung und daraufhin folgende weitere Verstöße rechtfertigen die Kündigung (zur ausnahmsweisen Erforderlichkeit von mehreren Abmahnungen siehe Ascheid/Preis/Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht, 2. Auflage, § 1 KSchG, Rn. 430).

e) Eine ausreichende Abmahnung liegt bereits durch die Abmahnung vom 06.12.2004 vor. In dieser Abmahnung wurde dem Kläger vorgehalten, dass er die von ihm selbst durchzuführende Kontrolle bei der Abfahrt unterlassen und deshalb mit falschen Fahrzeugpapieren abgefahren war.

Diese Abmahnung betrifft im Verhältnis zu den später gemahnten und zur Kündigung führenden Umständen ein gleichartiges Fehlverhalten.

Dabei ist davon auszugehen, dass eine Abmahnung nur dann im Hinblick auf eine später ausgesprochene Kündigung verwertet werden kann, wenn sie gleichartiges Fehlverhalten betrifft. Ein gleichartiges Fehlverhalten ist anzunehmen, wenn die Pflichtverletzungen in einem inneren Bezug zu der der Kündigung zugrundeliegenden negativen Zukunftseinschätzung stehen (siehe BAG Urteil vom 16.09.2004 – 2 AZR 406/03 -; NZA 2005, Seite 459).

Davon ist hier auszugehen. Denn die dem Kläger vorgehaltenen Verstöße betreffen sein Verhalten im Hinblick auf die Einhaltung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften. Sowohl der Rotlichtverstoß, als auch das Fahren mit falschen Fahrzeugpapieren, ebenso wie die Geschwindigkeitsüberschreitung und die unterlassene Reifenkontrolle mit der Folge des Fahrens von Reifen in nicht verkehrssicherem Zustand, betreffen den Pflichtenkreis der Einhaltung von verkehrsrechtlichen Vorschriften.

Sämtliche Pflichten sind zudem in den Richtlinien und Anweisungen der Beklagten besonders hervorgehoben enthalten. Angesichts dessen sind sie dem selben Pflichtenkreis zuzuordnen und damit gleichartig.

Indem der Kläger nach der Abmahnung vom 06.12.2004 weitere Pflichtverstöße in diesem Pflichtenkreis beging, nämlich insbesondere die unterlassene Reifenkontrolle, war offenbar geworden, dass sich der Kläger die Abmahnung vom 06.12.2004 nicht hatte zur Warnung dienen lassen.

Einiges spricht für die Einschätzung des Betriebsrates in seiner Stellungnahme zur Kündigung, in der dieser ausführt, dass nach den vorangegangenen Ermahnungen und der Abmahnung vom 06.12.2004 eine Kündigung bereits nach der massiven Geschwindigkeitsüberschreitung und dem deshalb ausgesprochenen Fahrverbot von vier Wochen möglich gewesen wäre, denn bereits damit konnte eine negative Prognose gestellt werden.

Erst recht ergibt sich diese negative Prognose jedenfalls, wenn man die unterlassene Reifenkontrolle hinzunimmt, so dass die Summe des vertragswidrigen Verhaltens, für die keine Entschuldigungsgründe vorgetragen oder ersichtlich sind, einen ausreichenden Kündigungsgrund darstellen.

Ein milderes Mittel in Gestalt eines anderweitigen, dem Arbeitgeber zumutbaren Einsatzes, steht nicht zur Verfügung.

4.

Die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung ergibt keinen für den Kläger günstigeres Bild. Zu berücksichtigen ist, dass das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch keine vier Jahre bestand.

Für den Kläger spricht sein höheres Lebensalter.

Andererseits muss in Rechnung gestellt werden, dass der Kläger hartnäckig und trotz Ermahnungen und Abmahnung verkehrsrechtliche Vorschriften in groben Maß missachtet hat.

Hinzukommt kommt das betriebliche Interesse der Beklagten, gerade als Gefahrgutspedition, auf die penible Einhaltung von Verkehrsvorschriften hinzuwirken, sowohl um negative behördliche Maßnahmen als auch Berufsschädigungen und Kundenverluste zu vermeiden.

III.

Nach allem ist die Kündigung sozial gerechtfertigt. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die ausgesprochene Kündigung daher für rechtmäßig gehalten.

Die Berufung war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beruhte auf der Anwendung höchstrichterlich geklärter Grundsätze auf den Einzelfall.

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